HeForShe und SheForHe – Karriere und Familie gemeinsam gestalten

Gemeinsam stark, gemeinsam erfolgreich, alles Begriffe, die wir als reflektierte Menschen unterschreiben würden. Wenn es aber um das Thema „Gleiche Chancen für Männer und Frauen“ geht, entsteht meist der Eindruck, dass es ein Gegeneinander sei, ein Kampf der Frauen gegen die Männer, damit sie auch einen Teil des Kuchens abgekommen. Die Rhetorik rund um das geplante Gesetz für mehr Frauen in den Vorständen, zeigt, dass viele momentan denken, dass sich nur durch zusätzlichen Druck etwas bewegen wird. Dabei wissen wir längst, dass Druck alleine nicht zum Erfolg führt, schon gar nicht bei Themen des kulturellen Wandels, und nichts anderes ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Entscheidungspositionen in Wirtschaft und Gesellschaft.

 

Daher braucht es eine Quote+, die von Anfang an signalisiert, dass es eine Quote eben auch für Männer in CARE-Tätigkeiten, Kinderbetreuung, etc. braucht. Denn dann würde man sich die Frage stellen, warum in bestimmten Berufen nur Frauen und in anderen nur Männer anzutreffen sind. Und genau darum geht es: eine öffentliche Diskussion was wir als Gesellschaft wirklich wollen. Wollen wir, dass Mädchen und Jungs nach wie vor eingeschränkt bei der Berufswahl sind, dass die einen ihre Emotionen runterfahren, da es nicht zum Mannsein passt, und andere sich jegliche Dominanz verkneifen, da es nicht zum Frausein passt? Ist uns eigentlich klar, wie wir uns und unsere Kinder dadurch nachhaltig beschränken? Um aus diesem Teufelskreis rauszukommen, bedarf es eines neuen Bewusstseins, dass Männer nicht nur Täter und Frauen nicht nur Opfer sind. Denn nur wenn wir erkennen, dass beide etwas zu gewinnen haben, werden wir dem Ziel näherkommen. Die Vereinten Nationen setzen mit ihrer Kampagne „HeForShe“, die bereits 2014 gestartet wurde, genau hier an. Männer als Alliies (Unterstützer) gewinnen, damit sie mit anderen Männern und Frauen in den Dialog gehen und sich bewusst machen, dass es ihr Engagement braucht, damit ihre Söhne und Töchter eines Tages die gleichen Chancen haben. Denn nur wenn Männer in ihren Peergruppen für Gleichberechtigung einstehen, Frauen als gleichwertige Partnerinnen wahrnehmen und erleben, dass ihr Leben damit auch einfacher wird, werden sich andere auf den Weg machen.

 

Nicht wegschauen, sondern sich als Betroffene einmischen, ist die Devise. Denn viel zu lange wurde weggeschaut bei:

 

Gewalt gegen Frauen, Homophobie, schlecht bezahlten Frauenberufen, geringer Lebenserwartung von Männern, Burnout und Depressionen, Vereinsamung von Männern im Alter, Suchtmittelkonsum, rein männlich besetzten Vorständen, Grundschullehrkörpern, die nur aus Frauen bestehen, und vielem mehr.

 

Es geht darum zu verstehen, dass sowohl Männer als auch Frauen momentan die Verlierer sind.

 

Daher geht es neben HeForShe auch um SheForHe. Stehen wir füreinander ein und machen wir uns auf den Weg zu einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen. Und um dies zu erreichen: Gehen wir in den Dialog. Mischen wir uns ein. Unterstützen wir uns gegenseitig, wahrzunehmen wie sehr uns die uns zugewiesenen Rollen einschränken. Seien wir wachsam, wenn eine Entweder-Oder Rhetorik regiert anstatt einer Sowohl-als-auch Mentalität. Seien wir mutig und mischen uns ein, wenn wir sehen, dass es um ein Gegeneinander statt um ein Miteinander geht.

Interview Werner Dopfer – „Mama Trauma – warum Männer sich nicht von Frauen führen lassen“

Herr Dopfer, als Psychotherapeut und Coach begleiten Sie seit vielen Jahren weibliche und männliche Führungskräfte. Dabei sind Ihnen offenbar viele Dinge aufgefallen, die Sie zu Ihrem Buch „Mama Trauma – warum Männer sich nicht von Frauen führen lassen“ inspiriert haben.

 

Ich freue mich, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns zu Ihren Erkenntnissen ein Interview zu geben.

 

  1. Was konkret hat Sie veranlasst  dieses Buch zu schreiben?

Ich habe immer wieder festgestellt, dass weibliche Führungskräfte mit enorm viel Potential an der männlich orientierten Berufswelt verzweifeln. Daher wollte ich ein Buch schreiben, welches die Ursachen dafür beleuchtet und Hinweise für ein psychologisch kluges Vorgehen gibt. Damit es Frauen möglich ist noch erfolgreicher in der “Männerwelt” zu agieren.

 

  1. Das scheint offenbar gelungen zu sein, denn Mama Trauma steht bei Amazon unter der Rubrik “Karrieretipps für Frauen” relativ weit oben. Erfüllt Sie das mit Zufriedenheit?

Scheinbar habe ich mit dem Thema einen Nerv getroffen. Die Resonanz war enorm. Das bestätigt die Vielzahl an Interviews, die ich dazu gegeben habe. Natürlich freut sich jeder Autor über positive Resonanz, aber entscheidender ist es, dass die Inhalte des Buches den Frauen wohl weiterhelfen und Männer zum Nachdenken anregen. Daher bin ich sehr zufrieden.

 

  1. „Frauen sind – unter Betrachtung aller relevanten Aspekte – letztlich die besseren Führungskräfte“ ist ein Satz ganz am Anfang des Buches. Was lässt Sie glauben, dass Frauen für unsere heutige Welt ein adäquateres und damit sinnvolleres Führungsverhalten zeigen? Was haben Sie beobachtet, dass Sie zu dieser Erkenntnis kommen?

Natürlich gibt es auch eine Menge hervorragender männlicher Führungskräfte. Das möchte ich nicht in Abrede stellen. Teilweise können wir es nicht glauben, wenn wir Typen wie Trump etc. betrachten. Frauen zeichnen sich jedoch tendenziell durch eine geringere Rivalisierungstendenz aus, sie agieren umsichtiger und wesentlich kooperativer. Für eine globale, stark vernetzte und vom Klimawandel bedrohte Welt ein sehr wichtiges Führungsverhalten. Es eint, statt zu spalten. Daher plädiere ich durchaus für: Mehr Frauen an die Macht!

 

  1. In Zeiten von Corona sind nun bei häufig virtueller Interaktion andere Kompetenzen gefragt als vorher. Welche Art von Führungskräften brauchen wir in Zeiten der Krise?

In der Krise zeigt sich das wahre Gesicht, ist klassischer Leitsatz der Psychologie.  Wir brauchen jetzt Führungskräfte, die besonnen agieren und sinnvolle Strategien aufzeigen, aber auch Hoffnung und Zuversicht vermittelt. Ängste schüren und Panik produzieren bringt nichts. Trotz aller Erschwernisse ist es relevant weiter in Kontakt zu bleiben, zu reden und gemeinsam nach akzeptablen Lösungen zu suchen. Hier können nun die weiblichen Stärken ein großer Vorteil sein, um nicht in einseitige und radikale Vorgehensweisen zu verfallen.

 

  1. Wenn Sie sagen Männer sind so und Frauen so, verstärken Sie damit nicht das stereotype Denken, das eine zentrale Einschränkung für beide Geschlechter beinhaltet?

Es ist wichtig die Welt realistisch zu sehen. Es sind halt nicht alle gleich. Die Frage ist, wie gehen wir mit Unterschieden um und sind wir bereit auch vom anderen Geschlecht zu lernen. Das findet mittlerweile statt. Ich berate viele Frauen und Männer, die dazu bereit sind. Das Resultat ist der von mir entwickelte Meta-Gender-Führungsstil, der weibliche und männliche Qualitäten kombiniert.

 

  1. Was ist das Besondere an dem von Ihnen entwickelten Meta-Gender-Führungsstil? Wie trainieren oder begleiten Sie Führungskräfte, damit sie diesen Führungsstil erlernen können?

Dieser Stil ist – kurz gefasst – eine Hommage sowohl an die weiblichen wie auch männlichen Qualitäten und Verhaltensmuster. Dazu ist es zunächst wichtig diese wertfrei zu beleuchten. Das findet in meinen Trainings statt, indem wir sie gegenüberstellen, den gesellschaftlichen Kontext herstellen und dann üben, sich aus geschlechterspezifischen Rollenmustern zu lösen. Das Ganze wird per Video aufgezeichnet und ist oftmals auch sehr lustig. Verhalten Sie sich mal als Mann, verhalten sie sich mal als Frau, ist die Botschaft.  Und dann je nach Anforderung der Situation wählen zu können, dann stehe ich praktisch über dem geschlechtertypischen Muster. Deshalb Meta, was ja so viel bedeutet wie darüberstehen, oder von Oben betrachten.

 

  1. Welchen Einfluss haben aus Ihrer Sicht die Systeme, in denen Frauen und Männer als Führungskräfte agieren? Schließlich haben wir es ja mit einem männlich geprägten System zu tun, in dem Frauen versuchen ihre Rolle zu finden bzw. meist nicht einmal wissen in welchem Spiel sie eigentlich mitspielen.

Jedes System hat seine Spielregeln. Um in einem männlichen System Erfolg haben zu können, ist es für Frauen sicher hilfreich, das Seelenleben der Männer besser zu verstehen. Dann wissen sie wie diese agieren, was sie antreibt, worauf sie kritisch reagieren. Damit setzen sich Frauen oftmals zu wenig auseinander, sondern sie imitieren männliche Verhaltensweisen – gehen mit diesen konform – und erscheinen als sogenannte Alphafrau, was eher zu Abstoßungsreaktionen führen kann.

 

  1. Sie empfehlen, dass sich Frauen in Führung mit Männerführung auseinandersetzen sollten, um ein Verständnis für die „männlichen Sitten und Gebräuche“ zu entwickeln. Was wären denn die drei entscheidenden Dinge, die Frauen im Blick haben sollten, um Männer nicht zu verunsichern?

Nicht abwerten, nicht die Mama spielen, sondern die Männer immer ein wenig als Helden dastehen lassen. Dann fühlen sie sich geehrt und nicht kontrolliert.  Zu viel Kontrolle mögen Männer in der Regel nicht, weil Sie meist ein hohes Autonomiebedürfnis haben. Das zeigt sich auch immer wieder im Bereich der Paartherapie.

 

  1. Offenbar, so beschreiben Sie es, legt der Erziehungsstil und die Bindung zur Mutter die entscheidende Basis für das Verhältnis von Männern zu Frauen? Was halten Sie für den wesentlichen Faktor, den Frauen in der Erziehung von Söhnen berücksichtigen sollten, damit sie später im Leben gut mit Frauen klarkommen und sich vielleicht sogar von ihnen führen lassen?

Überdominante Mütter hinterlassen eher kritische Spuren bei ihren Söhnen. Wenn in der männlichen Erziehung die Mütter, Großmütter, älteren Schwestern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen einen extrem starken Einfluss ausüben, oder gar uneingeschränkt dominieren, kann es traumatische Auswirkungen haben. Solche Männer haben später oft Beziehungsprobleme mit Frauen, aus Angst – wieder – vereinnahmt zu werden. Unbewusst verweigern sie sich deshalb auch gegenüber einer Chefin. Sie wollen sich von einer Frau nicht führen lassen. Um ihre Autonomie zu wahren, spielen diese Männer oft ihr eigenes “Spiel”. Wenn dann noch männliche Vorbilder fehlen ist es schwierig. Daher empfehle ich den Müttern, gebt den Söhnen möglichst viel Autonomie.

 

  1. Sie fragen „Wo sind die modernen und selbstreflektierten Männer, die auch Traurigkeit, Ängste oder gar Hilflosigkeit spiegeln können? Wenn es sie noch nicht gibt, was können Frauen tun, um Männer zu ermutigen, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und auch auszudrücken?

Wir Psychologen sagen häufig, es kommt darauf an. Auf die spezifischen Interaktionsdynamiken zum Beispiel. Wie ist die Beziehung per se und so weiter.

Aber ganz generell empfehle ich Menschen, sich an den typisch geschlechterspezifischen Verhaltensmustern auch ein wenig zu freuen, es mit Humor zu sehen, Verständnis zu signalisieren, nicht alles zu interpretieren, nicht alles kontrollieren zu wollen. Wir leben in einer Zeit mit sehr hohen Ansprüchen, mit stetiger Planung, Kontrolle und Bewertung. Das macht uns nicht wirklich zufrieden. In meinen Beratungen erlebe ich es schon so, dass Lockerheit – die auch zu fördern versuche – eine Grundlage dafür ist, die gesamte Emotionspallette zuzulassen. Auch für Männer.

 

  1. Sie schreiben, dass unzählige Frauen mittlerweile ihr Vaterthema vermutlich bereits bearbeitet hätten, da es schon lange Norm ist, dass Männer Frauen führen. Bei Männern, die von Frauen geführt würden, stünden wir hingegen noch am Anfang. Was raten Sie Männern, um ihr Mutterthema so zu bearbeiten, damit ein unkompliziertes Miteinander von Frauen und Männern in der Berufswelt möglich wird und sich Männer auch mal von Frauen führen lassen?

Selbstreflexion, Selbstreflexion und nochmal Selbstreflexion. Da haben Männer einen enormen Nachholbedarf. Mehr und mehr sind aber schon gut unterwegs. Beispiele dazu sind in meinem Buch zu finden.

 

Herr Dopfer, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.

 

 

Werner Dopfer, Jahrgang 1963, aufgewachsen in Südafrika und Namibia, ist Diplom-Psychologe und seit mehr als 20 Jahren als Psychotherapeut, Berater und Coach in eigener Praxis sowie als Management- und Führungskräftetrainer für viele Unternehmen tätig. Werner Dopfer ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in München.

 

Welche Aufgaben hat ein Digital Transformation Manager? – Ein Interview mit Dr. Anna Wawrzinek (MTU)

Der digitale Wandel beeinflusst Unternehmenskulturen stetig. Viele fürchten um ihre Stellen, andere wiederum profitieren von der Digitalisierung. Denn: die digitale Transformation muss begleitet werden. Eine mögliche Lösung für die praktische Umsetzung dieser Begleitung ist der Digital Transformation Manger (DTM). Dr. Anna Wawrzinek ist eine von 20 DTMs bei MTU Aero Engines (MTU) in München. Welche Bedeutung der Digitale Wandel für die MTU hat und wie das Unternehmen den Herausforderungen gegenüber tritt erfahren Sie im Interview.

 

Wie lange sind Sie bereits bei der MTU und wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Position gekommen?

Dr. Anna Wawrzinek (AW): Nach meinem Abitur bin ich für mein Studium von Polen nach Berlin gezogen. Ich habe dort an der Freien Universität Mathematik studiert. Nach meiner Promotion habe ich mich deutschlandweit beworben und so kam ich für meine erste Stelle nach München. Das ist natürlich immer eine Entscheidung – gehe ich aus beruflichen Gründen neue Wege und verlasse ich dafür mein gewohntes Umfeld? Da ich jedoch ziemlich genaue Vorstellungen davon hatte, was ich machen möchte, ist mir diese Entscheidung leicht gefallen. Ich habe bei einem Ingenieurs- und IT-Dienstleiter im Innovationsmanagement angefangen, um das Thema meiner Promotion im Bereich der isogeometrischen Analyse in die industrielle Anwendung einzuführen. Ich habe dort an verschiedenen, industrienahen Forschungsprojekten mit Fokus auf Digitalisierung mitgearbeitet. Vor gut einem Jahr bin ich dann zur MTU gewechselt, weil ich nach neuen Herausforderungen gesucht habe und noch mehr zum Thema Digitalisierung machen wollte.

 

Sie arbeiten als Digital Transformation Managerin bei der MTU. Wie würden Sie Ihre Tätigkeit beschreiben?

AW: Als Digital Transformation Managerin (DTM) bin ich die Schnittstelle zwischen dem Bereich Entwicklung und Technologie, in dem ich tätig bin, und der IT. Insgesamt sind wir 20 DTMs, die verschiedenen Bereichen zugeteilt sind. In dem Bereich, in dem ich zuständig bin, arbeiten zirka 900 Mitarbeiter*innen. Digitalisierung an sich ist bei der MTU kein neues Thema. In dem Bereich, in dem ich arbeite, arbeiten die Kolleg*innen beispielsweise schon lange mit Simulationen. Was jetzt im Fokus steht, ist die digitale Transformation, also wie digitale Hilfsmittel nicht nur Ergebnisse verbessern, sondern auch die Aufgaben des Menschen in den Prozessen unterstützen. Zu meinen Aufgaben zählt, die Prozesse in meinem Bereich zu verstehen und diesbezüglich Digitalisierungsbedarfe zu identifizieren, um gemeinsam im DTM-Team Synergien mit anderen Projekten zu finden. Ein Beispiel: Über die Jahre haben sich in jedem Bereich Prozesse oder Tools wie einzelne Datenbanken etabliert. Es passiert auch, dass in zwei Bereichen eine ähnliche Projektidee verfolgt wird, diese jedoch nichts voneinander wissen. Diese zu finden und an einen Tisch zu setzen ist auch eine unserer Aufgaben.

 

Wie schätzen Sie selbst den Stellenwert der digitalen Transformation für Unternehmen, speziell bei der MTU ein?

AW: Zum einen spürt die MTU natürlich den Zugzwang von außen, da das Thema Digitalisierung und digitaler Wandel gerade hochaktuell ist. Zum anderen arbeiten wir jedoch im B2B-Bereich und ich glaube, dass der Digitalisierungsdruck bei uns tatsächlich noch nicht spürbar ist, wie für Unternehmen im B2C-Bereich, die in direkter Beziehung zum Endverbraucher stehen. Bei uns ist das Thema Digitalisierung tatsächlich von innen herausgewachsen und man bereitet sich Schritt für Schritt auf die Transformation vor. Das Entscheidende ist, herauszufinden, was wichtig für die MTU ist. Wovon können wir profitieren? Welche Tools müssen wir tatsächlich neu erfinden und wo können wir Tools einsetzen, die es schon auf dem Markt gibt?

 

Wie sind die Abläufe von der Idee bis zum neuen Tool?

AW: Im Endeffekt ist meine Aufgabe, die Bedarfe der Mitarbeiter*innen zu erfassen. Im DTM-Team tauschen wir uns aus, um ähnliche Bedarfe in den verschiedenen Bereichen zu identifizieren. Im nächsten Schritt beraten wir uns mit der IT, um auf Basis der Anforderungen Projektideen zu definieren und auf den Weg zum Projekt zu bringen. Gemeinsam mit der IT wird dann die Umsetzung geplant. Wenn eine Anwendung halbwegs einsatzbereit ist, wird diese von einem Anwenderkreis getestet. Weitere Anpassungen werden umgesetzt, um eine möglichst fehlerfreie Anwendung in der Produktivumgebung einführen zu können. Im letzten Schritt werden Schulungen durchgeführt, um die Funktionalität der Anwendung vorzustellen und weitere Kenntnisse über die Einsatzmöglichkeiten zu gewinnen.

 

Wie wird die digitale Transformation von den Mitarbeiter*innen der MTU angenommen?

AW: Im Entwurf des Grundgesetzes gab es diesen interessanten Satz: „Der Staat ist um des Menschen Willen da, nicht der Mensch um des Staates willen“. Ich glaube, mit der digitalen Transformation verhält es sich ähnlich. Das Ziel ist, die Mitarbeiter*innen auf dem Weg der digitalen Transformation mitzunehmen und in ihren Aufgaben zu unterstützen. Es muss immer ein Dialog stattfinden. Kommunikation ist in meiner Rolle als DTM sowieso essentiell. Der Austausch mit den Kolleg*innen, die an den Projekten arbeiten oder künftig mit den neuen Tools arbeiten werden, ist das Allerwichtigste, um die Anforderungen in eine gelungene Lösung umzusetzen. Denn letztlich soll die Digitalisierung ja den Arbeitsalltag erleichtern, damit die Mitarbeiter*innen sich auf das Wesentliche konzentrieren können.

 

Agile Arbeitsweisen und die Digitalisierung gehören zusammen – wie wird das bei der MTU umgesetzt und was schätzen Sie selbst an agilen Methoden? Was nicht?

AW: Es haben sich verschiedene Vorgehensmodelle für Projektmanagement bei der MTU etabliert , unter anderem das agile und das hybride Modell, die in manchen Projekten sinnvoll und erwünscht sind. Welches Modell Anwendung in einem Projekt findet, entscheidet der*die Projektleiter*in gemeinsam mit dem Projektteam.

 

Die MTU bietet flexible Arbeitszeitmodelle an. Wie organisieren Sie Ihre Arbeitszeit?

AW: Generell bietet die MTU diese Möglichkeit, es hängt natürlich von den Aufgaben ab, ob man diese wahrnehmen kann oder nicht. Da meine Aufgabe mit vielen Besprechungsterminen verbunden ist, hängt es von meiner Organisation ab, wie ich die Möglichkeit nutze, von zuhause aus zu Arbeiten. Ich persönlich gehe sehr gerne ins Büro, weil das Arbeitsklima einfach sehr angenehm und motivierend ist. Ich mag meine Arbeit, die Aufgaben, die damit verbunden sind, und meine Kolleginnen und Kollegen sehr.

 

Wie muss für Sie ein guter Morgen aussehen, damit Sie motiviert in den Tag starten können?

AW: Ich stehe gerne sehr früh auf, so gegen 5 Uhr, weil ich es genieße, den Arbeitstag mit ein bisschen Vorlauf zu starten und dabei den Sonnenaufgang beobachten zu können. Im Sommer fahre ich gerne mit dem Fahrrad zur Arbeit. Obwohl ich um die 40 Minuten unterwegs bin, stimmt es mich einfach schon positiv für den Tag. Ich komme und gehe mit einem Lächeln, weil ich mich sehr wohl fühle und ich neue Herausforderungen liebe. Es ist aber auch mein innerer Antrieb, der mich jeden Tag aufs Neue motiviert, diese zu meistern.

 

Was sind Ihre persönlichen Gedanken zum digitalen Wandel?

AW: Ich glaube, das Wichtigste ist, die Mitarbeiter*innen mitzunehmen und Synergien zwischen den Bereichen zu finden. Durch die gute Zusammenarbeit der DTMs konnten bei der MTU schon einige Projektideen identifiziert werden, die bereichsübergreifend angegangen werden sollten. Das bedeutet natürlich Ersparnis von Arbeitszeit und Arbeitsaufwand und eine möglichst einheitliche IT-Landschaft im Unternehmen. Außerdem ist Kommunikation das A&O. Zum einem kann man nur damit herausfinden, ob zum Beispiel eine Abteilung bereits eine Anwendung umgesetzt, die von einer anderen Abteilung genutzt werden kann, bevor man selbst versucht, etwas Neues zu entwickeln. Das sind Kleinigkeiten, passieren aber in jedem Unternehmen. Zum anderen ist es die Fähigkeit, die Menschen und Bereiche einander näher zu bringen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

 

Sie sind auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? Aktuelle Stellenangebote der MTU finden Sie hier.

 

 

Die sechs top Recruiting-Trends

Morgens, beim Scrollen auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn. Mittags, beim kurzen Checken der privaten E-Mails. Abends, beim Surfen auf der Couch. Stellenanzeigen erreichen potentielle Kandidatinnen und Kandidaten heute rund um die Uhr über Soziale Netzwerke, zielgerichtete Werbebanner, Karriere- und Jobportale, die alle Zielgruppen und Regionen bedarfsorientiert bedienen. Ca. 40% der Nutzer, die eine Stellenanzeige aufrufen, kommen dabei von mobilen Endgeräten. In Zeiten von Fachkräftemangel und nahezu Vollbeschäftigung sind Talente hart umkämpfte und existentielle Rohstoffe. Gleichzeitig waren auch die Möglichkeiten für Unternehmen noch nie so groß, pass-genau die Talente zu erreichen, die die gesuchten Kompetenzen mitbringen. Und manche modernen Methoden sorgen sogar für mehr Chancengleichheit!

 

Eine Stellenanzeige in der Tageszeitung ist dabei nur mehr ein kleiner Baustein einer komplexen Architektur, die verschiedenste Plattformen, Formate und Anbieter umfasst. Unternehmen zu Hilfe eilen beispielsweise zahlreiche Recruiting-Unternehmen, Headhunter, aber auch Werbeagenturen, die sich auf Employer Branding spezialisieren. Und in den Unternehmen selbst ist das Thema Recruiting oftmals eng mit Employer Branding verzahnt und nicht mehr nur in den Personalabteilungen angesiedelt, sondern mit der Unternehmenskommunikation vernetzt.
Auf welche kreativen Formate Unternehmen dabei heutzutage zurückgreifen, zeigt unser Ranking der aktuellen Recruiting-Trends – inklusive Potentialanalyse:

 

  • Mobile Recruiting ist als technische Antwort auf das Nutzerverhalten der Zielgruppe zu sehen. Dabei soll nicht nur die Stellenanzeige mobil auf dem Smartphone zu sehen sein, sondern möglichst viele Schritte des Bewerbungsprozesses einfach und schnell übers Smartphone erledigen werden können. Zusätzlich erhalten sie eine E-Mail mit der Aufforderung, die noch aussehenden Dokumente (Lebenslauf, Arbeitsproben etc. ) innerhalb der nächsten fünf Werktage zu ergänzen. Die Realität sieht im Moment noch so aus, dass nicht einmal die Hälfte der unternehmenseigenen Karriereportale responsiv sind und das Ausfüllen der Masken nur über die Desktop-Ansicht handhabbar ist.

Potential: Sehr hoch! Kaum ein Relaunch eines Karriereportals wird in Zukunft Mobile Recruiting ignorieren können. 

Vorteil für Unternehmen: Es gehen nicht mehr so viele Kandidaten verloren, die morgens mit großem Interesse eine Stellenanzeige am Smartphone gesehen haben, aber sich abends nicht mehr extra an den Desktop setzen und die Bewerbung angehen möchten. Zudem können offene Stellen schneller nachbesetzt werden.

Vorteil für BewerberInnen: Der zeitliche Aufwand für eine Bewerbung wird klar minimiert und die Hürde, sich bei einem Veränderungswunsch mit einem Stellenwechsel auseinander zu setzen kleiner. 

  •  Candidate Journey: Dieser Begriff meint die Gesamtheit aller Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und BewerberInnen und deren individuelle Erfahrungen im Bewerbungsprozess. Seitens des Unternehmens versuchen Recruiter die Kandidaten-Perspektive einzunehmen und sich in den gesamten Ablauf – vom ersten Kontakt bis zur Zu- oder Absage – hineinzuversetzen, um jeden einzelnen Schritt so reibungslos wie möglich zu gestalten. Ausschlaggebend dafür sind unter anderem: persönlicher Kontakt, individuelle Benachrichtigungen, schnelle Rückmeldungen, technisch optimierte Verfahren, positive Außenwirkung durch MitarbeiterInnen, klare Anzeigen, erkennbare Ansprechpartner und letztendlich Bewerberfeedback.

Potential: Hoch!

Vorteil für Unternehmen: Die Zahl der Bewerbungsabbrüche und die Gefahr, Toptalente im Laufe der Bewerbungsphase an die Konkurrenz zu verlieren, können dadurch minimiert werden.

Vorteil für BewerberInnen: Wertschätzung! Ein nicht zu gering zu bewertendes Entscheidungskriterium von Jobsuchenden…

  •  Roborecruiting: Dabei handelt es sich um smarte Programme die zum einen für automatisierte Dialogsysteme eingesetzt werden. Roborecruiting umfasst aber auch Softwarelösungen, die Bewerberdaten wie Lebenslauf, Anschreiben und Arbeitsproben selbstständig analysieren und den HR-Verantwortlichen ein fertiges Kandidaten-Ranking nach Passung liefern. Sie durchforsten auch Businessnetzwerke wie Xing und LinkedIn.

Potential: Hoch – aber mit Vorsicht zu genießen. Denn das Antworten-Repertoire und die Intelligenz eines Roboters enden an einem bestimmten Punkt, bzw. werden für den Nutzer auch irgendwann spürbar, weshalb der persönliche Kontakt nie vollständig ersetzt werden sollte!

Vorteil für Unternehmen: Einsparung personeller Ressourcen und schnellere Reaktionszeiten.

Vorteil für BewerberInnen: Erspart das mühsame Durchforsten der FAQ’s bei auftretenden Fragen und das z.T. lange warten auf Antworten.  Und: Roboter diskriminieren nicht und werten nicht nach persönlicher Sympathie. Einzig die Fakten zählen, das ermöglicht einen fairen Prozess und Chancengleichheit. 

  • Gamification: Es kann sich dabei um einen Werbebanner in der U-Bahn handeln, der einen Code in Programmiersprache und die aktivierende Aufforderung ihn zu entschlüsseln enthält. Oder eine App, die auf spielerische Weise Aufgaben stellt, die nur mit spezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse gelöst werden können. Games werden vor allem zur Gewinnung von „Techies“ in Recruiting-Strategien integriert.

Potential: Mittel – branchenspezifisch. Da der Aufwand für die Implikation solcher Anwendungen sehr hoch ist, wird Gamification vermutlich zu keinem Massentrend bei Recruiting-Strategien werden.

Vorteil für Unternehmen: Technologieaffine Talente werden in ihrer Interessenslandschaft abgeholt. Und es wird dadurch bereits eine Vorselektion von geeigneten Kandidaten getroffen – Personen, die den Code nicht lesen können, fühlen sich schon mal nicht angesprochen und Personen, die sich dem Lösen einer Aufgabe widmen und daran scheitern, werden den Bewerbungsprozess auch nicht weiterverfolgen. 

Vorteil für BewerberInnen: Entertainment!

  •  Reverse Recruiting ist mehr als das seit einigen Jahren von Recruiting-Agenturen und Headhuntern praktizierte „Active Sourcing“ – also das gezielte suchen auf Jobmessen, in beruflichen Netzwerken oder Datenbanken nach geeigneten KandidatInnen. Beim Reverse Recruiting geht das Unternehmen oder der Recruiter auf das Talent zu und durchläuft die gleichen Prozesse, die normalerweise eine Kandidatin / ein Kandidat durchläuft. Das heißt, ein individuelles Anschreiben ist Pflicht. Hinzu kommen gut aufbereitete Informationen über das Unternehmen und die Stelle, sowie eventuell ansprechende Image-Videos. Keine Massenmails, keine allgemeinen Formulierungen.

Potential: Mittel. Unternehmen müssen erhebliche Vorarbeit leiten, ohne zu Wissen, ob das Talent generell überhaupt Interesse an der Stelle hätte. Dieses aufwendige Vorgehen wird innerhalb der Unternehmen voraussichtlich nur für die Besetzung von Führungspositionen umsetzbar sein – oder eine zwingende Alternative für Brachen darstellen, die auf andere Weise überhaupt keine geeigneten Bewerbungen erhalten. 

Vorteil für Unternehmen: Das Unternehmen kann die Vorauswahl der KandidatInnen selbst bestimmen und sehr spezifischen Priorisierungen des Stellenprofils nachgehen.

Vorteil für BewerberInnen: KandidatIn erkennt, dass sich das Unternehmen explizit mit ihm und seinem Werdegang auseinandergesetzt hat und fühlt sich wertgeschätzt. Das kann sich sehr entscheidend auf den Entscheidungsprozess auswirken, falls mehrere Unternehmen zur Wahl stehen. 

  • LinkedIn-Recruiting ist aktuell ein viraler Trend im internationalen Recruiting – die Haltbarkeitsdauer ist allerdings fraglich. Recruiter oder auch Führungskräfte mit hoher Reichweite auf LinkedIn veröffentlichen ein Posting, in dem sie eine zu besetzende Position kurz beschreiben und den Hinweis geben, dass Interessenten den Post einfach liken sollen. Passende Profile werden daraufhin vom Unternehmen gezielt gefiltert und angesprochen.

Potential: Niedrig – sofern die Maßnahme isoliert angewendet wird. Ernsthafte Interessenten sind von Spaßkandidaten oder Sympathisanten der Aktion nur schwer zu unterscheiden. Und geht das Posting viral, sammeln sich schnell einige tausend Likes. Ein qualitativer Auswahlprozess ist dabei fast unmöglich. Eine effizienten Lösung könnte sein, dass sich an LinkedIn-Recruiting ein automatisiertes Roborecruiting anschließt und letztendlich in gezieltes Reverse Recruiting übergeht.

Vorteil für Unternehmen: Sehr schnelle, einfache und günstige Art des Erstkontakts. 

Vorteil für BewerberInnen: Noch unkomplizierter geht’s nicht!

Autorin: Julia Schmid

 

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Mit Angeboten wie Topsharing werden Führungspositionen auch für Frauen mit Familie immer interessanter:

Topsharing par excellence bei den SWM

 

Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bayerischen Versorgungskammer, Daniel Just, über Konditionen, die Top-Arbeitgebern Talenten heutzutage bieten müssen:

„Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch“ – Vorstandsgespräch mit Daniel Just, BVK

SWM-Frauennetzwerk: „Der Austausch gibt so viel Energie!“

Es sind gerade Schulferien in Bayern als Ines Lindner für ein Telefoninterview mit dem Memorandum für Frauen in Führung zur Verfügung steht. Deshalb hat die Betriebswirtin ihre Tochter mit in die Arbeit gebracht – ein Angebot ihres Arbeitgebers Stadtwerke München (SWM). Während die 11-Jährige im Nebenbüro mit anderen Kindern liest, malt und bastelt, spricht Ines Lindner mit großer Leidenschaft über ihr „zweites Kind“: das Frauennetzwerk Expertisen der SWM. Die 44-Jährige ist Mitbegründerin und Teil des fünfköpfigen Kernteams. Sie selbst bezeichnet ihr Engagement nur als „Hobby“, denn im Berufsalltag hat ihre Teamleiter-Rolle klare Priorität – und zu Hause natürlich die Familie. Aus ihrem Hobby ist innerhalb von drei Jahren eine intern wie extern etablierte Plattform geworden, die sich jetzt im Dezember für alle Mitarbeiterinnen der SWM geöffnet hat. “Rund 70 Frauen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen waren bei der ersten großen Veranstaltung dabei – ein voller Erfolg”, berichtet Ines Lindner in einem zweiten Telefonat stolz.

 

Das SWM-Frauennetzwerk Expertisen heißt neuerdings alle Frauen bei den Stadtwerken willkommen. Was haben die Mitarbeiterinnen zu erwarten?

Wir veranstalten regelmäßig Frühstück- und Lunchtermine sowie kleinere Treffen, bei denen unsere Mitglieder Aufgaben und Lösungen vorstellen. Durch die breitgefächerten Themengebiete der SWM (Verkehr, Bäder, Telekommunikation, Gas, Strom, Wasser, Labor usw.) ergibt sich ein sehr abwechslungsreiches Programm. Zudem organisieren wir einmal im Quartal eine große Vortragsveranstaltung mit Topreferenten. Sie setzen Impulse zu Frauen- und Zukunftsthemen über die wir dann im Anschluss diskutieren können. Wir verstehen uns nicht als Kaffeeklatsch-Runde, sondern bieten gute Vorträge mit Mehrwert, die Themen kontrovers beleuchten. Unser Ziel ist, dass jede Teilnehmerin neuen Input mit an den Arbeitsplatz oder nach Hause nehmen kann.

 

Bisher waren wir in kleinerer Runde unterwegs und haben uns an die weiblichen Führungskräfte gerichtet. Die Öffnung für alle Mitarbeiterinnen wird neue organisatorische Herausforderungen aber auch große Chancen mit sich bringen. Wir werden Anfang 2018 Fokus-Themen erarbeiten, die wir dann im Laufe des Jahres sukzessive angehen.

 

Welcher Mehrwert entsteht durch die Öffnung?

Ich denke, dass gerade Frauen, die noch nicht in Führungspositionen angekommen sind, aber sich beruflich und fachlich weiterentwickeln möchten, verstärkt von unserem Netzwerk profitieren können. Frauen brauchen und wünschen sich Vorbilder – andere Frauen, die Herausforderungen bereits gemeistert haben und ihre Erfahrungen weitergeben möchten. Ich hoffe, wir können mit unseren Geschichten für viele Frauen in diese Vorbildrolle schlüpfen und sie motivieren, neue Wege zu gehen, innovativ zu denken und sich mehr zuzutrauen.

 

Warum braucht es überhaupt ein Frauennetzwerk?

Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Mehrwert einer höheren Chancengleichheit in der Arbeitswelt und von gemischten Führungsteams ist längst bewiesen. Die SWM wollen sich kulturell weiterentwickeln, flexibler werden, übergreifender arbeiten, um noch mehr auf Kundenbedürfnisse einzugehen und natürlich um Geschäftspotentiale auszuschöpfen.

Frauen besetzen nur 16% der Führungspositionen – wobei man dazu sagen muss, dass der Anteil von Frauen im gesamten Unternehmen mit 21% relativ gering ist. Viele Maßnahmen, die auf einen Ausgleich abzielen, bleiben gute Intensionen und greifen nicht weit genug. Hier möchten wir ansetzen: Frauen, die wirklich aktiv Themen und Kultur in unserem Haus gestalten wollen, zusammen zu bringen und gemeinsam den Einfluss darauf erhöhen, wie sich die SWM als Unternehmen weiterentwickelt. Das bezieht sich z.B. auf die Vereinbarkeitsfrage von Familie und Beruf, oder auf den Arbeitsstil von Frauen, der sich oftmals von dem der Männer unterscheidet. Allgemein möchten wir alle Ebenen für unterschiedliche Herangehensweisen und Bedürfnisse sensibilisieren.

 

Wie schätzen Sie generell die Networking-Qualitäten von Frauen ein?

Bei der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Unterstützung von Frauen ist noch Luft nach oben. Seilschaften funktionieren teilweise, aber oftmals unterstützen wir uns weniger als wir könnten. Männer sehen den Erfolg anderer oft sportlicher, nehmen Wettbewerb anders wahr. Gönnen wir Frauen uns das wirklich, wenn tatsächlich eine von uns ganz oben landet?

Auf der anderen Seite lerne ich durch das Netzwerk so viele Frauen kennen, die sich gegenseitig befördern, so dass ich das auch gar nicht verallgemeinern möchte.

 

Fällt Ihnen ein Beispiel ein, in dem das Frauennetzwerk bereits etwas Positives bewirkt hat?

Ich stelle an mir selbst fest, dass mich die Reflexion mit anderen und die Energie, die ich daraus ziehe, als Führungskraft enorm vorangebracht hat. Im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen wurde mir für Dezember ein nächster Karriereschritt angeboten, den ich mit einem guten Gefühl angenommen habe. Ich weiß nicht, ob es mir auch ohne die vielen Gespräche und den Rückhalt durch andere Führungsfrauen so ergangen wäre.

Im Unternehmen trägt unsere Arbeit zum kulturellen Wandel und zur Schärfung der Sicht auf die Themen Frauenförderung, Diversität und Führungsstil bei.

 

Wurden Sie beim Aufbau Ihres Netzwerks vom Unternehmen unterstützt?

Sagen wir es so: Es ist unser Hobby und der Job hat Vorrang. Ich kann nicht zu meinem Chef sagen: Diese Woche habe ich zwei Stunden fürs Frauennetzwerk gearbeitet, deswegen konnte ich meine Aufgaben nicht erledigen. Wir bekommen also keinen Zeitausgleich für unser Engagement. Aber wir haben uns mit der Geschäftsführung abgestimmt: Das Unternehmen stellt uns ein Budget zur Verfügung und akzeptiert uns als offizielles Frauennetzwerk der SWM. Dass wir uns mittlerweile auch extern mit großen Frauennetzwerken Münchner Firmen wie Intel, BMW, Accenture vernetzen, hat unser Ansehen intern nochmal gesteigert.

 

Wie sieht das externe Networking aus?

Wir treffen uns ca. alle 6 Wochen in einem anderen Unternehmen mit einer eigenen Agenda – für unser junges Frauennetzwerk ein wertvoller Erfahrungstausch. Manche dieser Netzwerke existieren schon seit 15 Jahren, haben verschiedenste Phasen erlebt und wissen, welche Themen immer wieder auf die Agenda gezogen werden müssen, um im Unternehmen etwas zu bewirken.

 

Welcher persönliche Antrieb steckte hinter Ihrem Engagement?

Vor meiner Zeit bei den Stadtwerken war ich im Mittelstand tätig. Als ich nach acht Monaten Elternzeit in den Job zurückkehrte, wurde mir mitgeteilt, dass es meine Aufgaben aufgrund mangelnder Arbeit nicht mehr gibt. Interessanterweise saßen die männlichen Kollegen freitags bis 19 Uhr im Büro, weil sie viel zu tun hatten. Eine Halbtags-Unterstützung hätte ihnen sicher nicht geschadet. Da fühlt man sich nicht mehr gut aufgehoben.

 

Es ist zum einen diese persönliche Erfahrung, durch die ich relevante Stellschrauben erkannt und gesellschaftliche Entwicklungen reflektiert habe. Zum anderen auch mein Interesse für Innovationen. In jedem Vortrag über die Zukunft der digitalen Arbeitswelt oder Transformation, den ich gehört habe, geht es wenig um Technik, sondern mehr um Kultur und darum, wie wir zusammenarbeiten wollen und wie wir dafür die modernen Instrumente nutzen können. Das sind Fragen, die auf uns alle Niederschlag finden und in die Frauenförderung einfließen.

 

Zudem sind die SWM ein lebensnotweniger Dienstleister unserer Stadt, der am Puls der Zeit bleiben will. Etwas dazu beitragen zu können, macht mir Freude.

 

Sie scheinen eine große Leidenschaft für Fortschritt zu haben…

Das stimmt, Leidenschaft haben wir alle im Kernteam. Das gibt uns Energie. Der zusätzliche Arbeitsaufwand ist natürlich auch kräftezerrend, aber die Energie kommt durch den Austausch mit interessanten Frauen wieder zurück. Das macht wirklich Spaß.

 

Interview: Julia Schmid

 

Einen Beitrag über die Bedeutung von Netzwerken für weibliche Karriereverläufe findet ihr hier:

Welche Bedeutung haben Netzwerke?

 

Und zu einem weiteren SMW-Interview – mit einem Topsharing-Tandem – geht’s hier:

Topsharing par excellence bei den SWM

Auch Männer wünschen sich mehr Gleichberechtigung

Die Welt wird immer komplexer. Jeden Tag werden von uns zahlreiche Entscheidungen gefordert: welchen Stromanbieter brauchen wir, wie können wir uns gesund ernähren, welchen Berufsweg sollen wir einschlagen. Und dabei versuchen wir es auch noch richtig zu machen, ohne jedoch zu wissen wie das Richtige aussehen könnte. Die allgemeine Verunsicherung führt sichtbar dazu, dass starke Führer wieder im Kommen sind und nachgefragt werden. Wir sind es gewöhnt, von Männern geführt und regiert zu werden. Je stärker desto besser ist die stereotype Vorstellung. Was aber, wenn die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung auf leisen Sohlen daher kommt, wenn wir gar nicht merken, dass wir zu unserem Besten ein wenig angestupst werden?

 

Das ist die Idee des Nudging, als Schlagwort für einen libertinären Paternalimus, der davon ausgeht, dass wir Unterstützung brauchen, um die Dinge zu tun, die uns gut tun. Ist das das Ende des freien Willens? Lassen wir jetzt über uns bestimmen, zwar freundlich aber bestimmt? Dieser Frage gilt es auf den Grund zu gehen.

 

Was wenn schon immer über uns bestimmt wurde, ohne dass wir es gemerkt haben. Wird nicht schon bei der Geburt des Kindes die all entscheidende Frage gestellt: Ist es ein Junge oder ein Mädchen? Und dann geht es los mit den Erwartungen, den subtilen Zurechtweisungen was sich für wen wie gehört oder auch nicht. Und mit den Beschränkungen, den Selbstbeschränkungen und denen der Anderen.

 

Was ist möglich, was kann man/frau erreichen? Glaubenssätze bilden sich, die tief aus unserem Innersten dazu beitragen, dass die Gesellschaftsordnung bestehen bleibt und Männer weiterhin in den entscheidenden Machtpositionen unangefochten die Marschrichtung vorgeben. Frauenförderung, Diversity Programme und Frauenquoten setzen seit vielen Jahren genau da an, haben aber nur wenig bewirkt. Denn die menschliche Bequemlichkeit hält uns nicht nur davon ab, uns täglich ausreichend zu bewegen oder uns gesund zu ernähren, sondern auch gemischte Teams in unseren Unternehmen zu befördern, weil sie nachweislich bessere Ergebnisse bringen. Braucht es daher einen neuen Ansatz, ein freundliches, unbemerktes Anstupsen, das uns in die für uns angenehme Lage bringt, gleichberechtigt miteinander umzugehen? Muss man nun aber befürchten, dass Altfeministinnen trojanische Pferde in die Organisationen bringen, um dann die männlichen Systeme von Innen auszuhöhlen? Ist die Koppelung des Bonus an messbare Ergebnisse bei der Frauenförderung schon Nudging, welche Rolle spielt Mentoring in der Kulturveränderung hin zu Chancengleichheit und sind sanfte Vorständinnen ein Angriff auf die männliche Kultur in den Vorständen?

 

Relevante Studien zeigen, dass sich Männer wie Frauen heutzutage mehr Gleichberechtigung wünschen. Einige Männer haben längst begriffen, dass sie durchaus etwas davon haben, wenn sie keine Alleinernährer mehr sein müssen. Dennoch ist die Verunsicherung groß: Lieben uns die Frauen noch, wenn wir nicht Karriere machen wollen, ist eine häufig geäußerte Angst. Der Druck ist da und dieser fördert bekanntlich das stereotype Denken. Sanftes Anstupsen statt Zwang, kann das der Weg sein? Ist er mit unseren Werten vertretbar? Bietet er letztlich ein Gegengewicht zu der männlichen Macht- und Mikropolitik in Organisationen oder ist er simple Manipulation, und damit Wolf im Schafspelz?

 

Autorin: Dr. Nadja Tschirner

Dieser Artikel ist auf Huffingtonpost.de erschienen

 

Dr. Nadja Tschirner spricht über dieses Thema auch bei “Beyond Good”. Die Ethik-Konferenz soll inspirierenden Input geben wie jeder einzelne in einer immer komplexer und widersprüchlicher werdenden Welt herausfinden kann, was „richtig” ist, wie wir unser Handeln vor uns selbst und gegenüber anderen begründen können, und wie wir es noch schaffen können, jeden Morgen in den Spiegel zu schauen. Führende Denker und Denkerinnen diskutieren am 9. November in München Ethik in all ihren Facetten – kontrovers, tiefsinnig und erkenntnisreich. Speaker sind unteranderem Dr. Nadja Tschirner, Professor Julian Nida-Rümelin und Richard David Precht. Mehr über Beyond Good erfahrt ihr in unserem Blogbeitrag:

 

Nudging für mehr Chancengleichheit?

 

Und hier geht’s zu einem Interview mit Gender-Expertin Simone Schönfeld über Chancengleichheit in Führungspositionen:

„Es liegt nicht an den Frauen“

Nudging für mehr Chancengleichheit?

Würden wir uns ohne Mahnung durch Staat und Gesellschaft, um unsere Altersvorsorge kümmern? Würden wir uns immer gesund ernähren, wenn Experten nicht vor Zucker warnen? Würden wir umweltbewusst leben, wenn uns die Ausmaße der Umweltverschmutzung nicht stetig vor Augen geführt werden? Nein, der Mensch handelt nicht von Natur aus rational – aber er kann mit geschickter Beeinflussung dazu gebracht werden, so eine These von US-Verhaltensökonom Richard H. Thaler. Er wurde für seine Beiträge zur Verhaltensökonomie mit dem diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Darin geht es um psychologische Faktoren, die hinter wirtschaftlichen Entscheidungen stehen. Nudging – heißt es im Fach-Jargon – wenn man andere dazu bewegt, das Richtige zu tun (der Bestseller von Richard H. Thaler zu diesem Thema: “Nudge”).

 

Nudging (Synonym für anregen, lenken, formen) ist eine verhaltensökonomische Methode, bei der versucht wird, das Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise zu beeinflussen, ohne dabei jedoch auf Verbote, Gebote oder ökonomische Anreize zurückzugreifen. Die unter anderem aus der Politik stammende Methode zeigt Bürgern Entscheidungsoptionen auf, bei denen die Art der Präsentation Hinweise darauf gibt, welche Option einer Handlungsempfehlung entspricht. Hierzu werden die Rahmenbedingungen der Entscheidungsoptionen bewusst so verändert, dass der Entscheidende sich unbewusst in die gewünschte Richtung entscheidet. Die Mechanismen werden von den Entscheidenden dabei nicht als manipulativ wahrgenommen. (Quelle: NudgingProf. Dr. Gerhard F. Riegl)

 

Lässt sich diese Methode auch auf das Beziehungsgeflecht zwischen Frauen und Männern übertragen? Politikwissenschaftlerin und MFF-Initiatorin Dr. Nadja Tschirner geht der Frage auf den Grund, ob Nudging auch mehr Chancengleichheit in der Partnerschaft sowie in der Arbeitswelt bewirken kann. Antworten – und konstruktive Fragen – gibt sie in ihrem Vortrag „Nudging für mehr Chancengleichheit“ bei der Ethik-Konferenz „Beyond Good“ am 9. November im Literaturhaus München. Die fünfstündige Veranstaltung, die eine Kooperation von Salon Luitpold und Street Philosophy ist und unter der Schirmherrschaft von S.K.H. Ludwig Prinz von Bayern steht, lädt führende Denkerinnern und Denker ein, um Ethik in all ihren Facetten zu präsentieren und zu diskutieren. Die Frage wie wir miteinander umgehen wollen, stellen dieses Jahr neben Dr. Nadja Tschirner sieben weitere Protagonisten, darunter die Philosophen Richard David Precht und Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, die Journalisten Juliane Leopold und Axel Hacke, die Wissenschaftler Prof. Dr. Patrizia Nanz, Prof. Dr. Birger Priddat und Prof. Dr. Armin Nassehi.

 

Die Ethik-Konferenz “Beyond Good” ist für alle Interessierten offen. Tickets sind hier erhältlich: https://www.beyond-good.de/tickets

 

Darum geht’s im Vortrag von Dr. Nadja Tschirner „Nudging für mehr Chancengleichheit?“

Die Welt wird immer komplexer. Jeden Tag werden von uns zahlreiche Entscheidungen gefordert: welchen Stromanbieter brauchen wir, wie können wir uns gesund ernähren, welchen Berufsweg sollen wir einschlagen. Und dabei versuchen wir es auch noch richtig zu machen, ohne jedoch zu wissen wie das Richtige aussehen könnte.
Die allgemeine Verunsicherung führt sichtbar dazu, dass starke Führer wieder im Kommen sind und nachgefragt werden. Wir sind es gewohnt, von Männern geführt und regiert zu werden. Je stärker desto besser ist die stereotype Vorstellung. Was aber, wenn die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung auf leisen Sohlen daher kommt, wenn wir gar nicht merken, dass wir zu unserem Besten ein wenig angestupst werden? Das ist die Idee des Nudging, als Schlagwort für einen libertären Paternalimus, der davon ausgeht, dass wir Unterstützung brauchen, um die Dinge zu tun, die uns gut tun. Ist das das Ende des freien Willens? Lassen wir jetzt über uns bestimmen, zwar freundlich aber bestimmt? Mehr zu den Inhalten des Vortrags erfahrt ihr in diesem Blogbeitrag.

 

Autorin: Julia Schmid

 

Weitere Vorträge von Dr. Nadja Tschirner:

Stereotype unter der Lupe

 

Stereotype mächtiger denn je?

Auch Männer wünschen sich mehr Gleichberechtigung

 

Mutmacher.in für MINT-Berufe

Frauen in MINT-Berufen – immer noch eine große Baustelle. Zu Wenige können sich für die Inhalte begeistern, die nach wie vor auf männliches Publikum zugeschnitten sind. Zu Wenige finden weibliche Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Wir haben eine Führungsfrau in der IT gefunden, die große Lust aufs Nachahmen macht: unsere mutmacher.in Bianca Nunnemann, Bereichsleiterin DV-Infrastruktur bei der LVM Versicherung. In ihren beinahe 25 Dienstjahren ist die ehemalige Systemprogrammiererin die Karriereleiter kontinuierlich emporgestiegen, hat dabei auch mal eine Stufe übersprungen, verantwortet heute diverse Aufgabenbereiche für unterschiedliche Server-Plattformen und leitet zwei Teams. Bianca Nunnemann hat zwei Kinder im Jugendalter und inspiriert uns mit den Worten Walt Disneys: „Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen.“

 

Sie arbeiten in einem noch sehr männlich dominierten Bereich – warum haben Sie sich für die IT entschieden?

Mathematik und Naturwissenschaften waren schon in der Oberstufe meine Lieblingsfächer und ich hatte zusätzlich einen Kurs Programmierung, der mir sehr viel Spaß gemacht hat. Logisches Denken und Zusammenhänge erkennen, finde ich interessant und spannend.

 

Welche Eigenschaften haben Ihnen geholfen, sichtbar zu werden und in Führungspositionen zu kommen?

Meine Eigenschaften wie Zielstrebigkeit, Eigenständigkeit und Verbindlichkeit und die Bereitschaft neue Themen anzugehen haben mir geholfen innerhalb der IT sichtbar zu werden. Mut und der Wille gehören für mich zum Aufzeigen dazu und eine gewisse Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ohne den Verlust der eigenen Identität.

 

Hatten Sie auf Ihrem beruflichen Weg ein Vorbild, an dem Sie sich orientieren konnten oder jemanden, der Ihnen Mut gemacht hat?

Ein wirkliches Vorbild gab es nicht. Ich hatte einige sehr freundliche und kompetente Kollegen, die mich gefordert und gefördert haben, indem sie mir auch das Vertrauen und die Verantwortung für Aufgabenbereiche, Projekte und neue Themengebiete gegeben haben.

 

Gab es in Ihrer Kindheit Helden?

Bewundert habe ich als Kind eher Schornsteinfeger, die auf Dächern rumlaufen konnten, ohne herunterzufallen 🙂

 

Sie haben zwei Kinder im Jugendalter – was raten Sie Ihnen für den weiteren Weg?

Eine schwierige Frage, denn viele Erfahrungen müssen Kinder selbst machen um sie wirklich zu verstehen. Dafür gebe ich ihnen mein Vertrauen. Und gerade Kinder im Jugendalter hören nicht immer auf Worte von Eltern, die man jetzt sagt, sondern erinnern sich hoffentlich später daran. Wichtig finde ich, dass gerade in der heutigen Zeit meine Kinder die Grundwerte Achtsamkeit, Respekt und Wertschätzung nicht vergessen. Für die eigene Person nicht und nicht im Zusammenleben mit anderen. Und dem Smartphone sollte man nicht so viel Bedeutung geben, da durch die Benutzung die soziale Kompetenz nicht gerade gefördert wird. Auch die Digitalisierung erfordert Regeln.

 

Was muss geschehen, dass sich mehr Frauen für Ihren Bereich begeistern?

Der Mangel von Frauen in der IT ist ja ein generelles Problem. In der FAZ von März 2017 gibt es einen Artikel, der besagt, dass es ein Projekt gibt, wie Studieninhalte der Informatik besser dar- oder herausgestellt werden sollten, um sie für Frauen ansprechender und interessanter zu machen. Möglicherweise hilft das. Allerdings wird der Veränderungsprozess in der Gesellschaft noch andauern, wo Technik oder Informatik nach dem traditionellen Rollenbild nur mit Männern verbunden wird. Meine Erfahrung ist, dass Frauen genauso leistungsfähig in IT-Themen sein können wie Männer und manchmal nur unterschätzt werden. Tatsächlich ist der Frauenanteil mit ca. 20% in meinem Bereich im Verhältnis zu den anderen Bereichen in unserer Abteilung sehr hoch.

 

Welche Art von Vorbild möchten Sie gerne für junge Frauen darstellen?

Mutig zu sein, sich etwas zu trauen und auch mal Angst vor der eigenen Courage zu haben. Frauen neigen dazu, sich selbst zu hinterfragen – das kann man mal, aber nicht so oft. Einfach mal „machen“ – und dabei an sich zu glauben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen besser sein mussten als männliche Kollegen, um aufzufallen oder wirklich ernst und wahrgenommen zu werden.

Natürlich wollen wir Frauen durch unsere Leistungen weiterkommen und nicht nur weil wir Frauen sind, dennoch stehen Frauen mehr oder anders unter Beobachtung als Männer. Darauf sollten junge Frauen sich einlassen. Wichtig ist authentisch zu bleiben, sich nicht verstellen zu wollen. Wenn man mit Freude an die Aufgaben herangeht und andere begeistern kann – läuft das eine oder andere allein. Geduld und eine gewisse Robustheit schadet nicht. Besser ist es auch, manches gelassener anzugehen – aber vielleicht ist das auch eine Tugend, die kommt, wenn man älter wird 🙂

 

Was waren die größten Herausforderungen auf Ihrem Weg?

Eine Herausforderung war, das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Familie zu halten, als die Kinder noch klein waren. Perfektionismus abzulegen und auch mal Abstriche machen zu müssen, ist etwas, was durchaus herausfordernd ist.

 

Wie haben Sie es dennoch geschafft, Job und Familie zu vereinbaren und sich stetig weiterzuentwickeln?

Grundlegend mochte ich immer schon meinen Beruf und ich arbeite gern. Außerdem wollte ich immer unabhängig sein, auch finanziell. Auf Kinder wollte ich aber auch nicht verzichten. Leider waren keine Großeltern in unmittelbarer Nähe, so dass ich auf Ganztagsbetreuungen angewiesen war. Organisationsgeschick ist da gefragt und der Spaß an der Arbeit erleichtert es, wenn man sich weiter entwickeln möchte. Es war nicht immer einfach und ich denke, es gehört eine Menge Disziplin und Improvisationsfähigkeit dazu. Die Zeit mit meinen Kindern habe ich immer genossen und ich habe diese, da ich sie nicht immer um mich hatte, auch intensiv erlebt.

 

Einige Frauen scheitern nach wie vor an der Vereinbarkeitsproblematik – was kann aus Ihrer Sicht das Unternehmen leisten, um Frauen in dieser Hinsicht zu unterstützen und zu halten?

Naja, zuerst einmal stellt sich die Frage, warum das meistens ein Problem der Frauen ist. Da könnte sich neben dem Unternehmen auch noch anderes ändern. Mittlerweile gibt es eine eigene LVM Kindertageseinrichtung, was ich sehr gut finde. Leider war sie zu der Zeit, als ich sie benötigt habe, noch nicht vorhanden. Außerdem bieten wir als Unternehmen für einige Altersstufen Kinderbetreuung in den Ferien an, was für Mütter und Väter hilfreich ist. Da der Tagesablauf mit Kindern nicht immer vorhersehbar ist, hätten hochflexible Arbeitszeiten Vorteile, wenn man sich aussuchen kann, zu welchen Tageszeiten die Tätigkeiten erledigt werden.

In der IT, wo es viele Besprechungstermine mit anderen Kollegen gibt, ist das allerdings schwierig. Ad-hock Betreuung für kranke Kinder wäre dann gut, die Stundenweise einspringen könnten, um wichtige Termine wahrnehmen zu können.

 

Würden Sie rückblickend alles wieder genauso machen? Oder gibt es etwas, das Sie bereuen?

Ja, ich würde den Weg ähnlich gehen – genauso vielleicht nicht, da ich weiß, welche Dinge nicht so gut gelaufen sind, aber generell gibt es nichts, was ich bereue. Denn neben dem eingangs erwähnten Zitat von Walt Disney, passt auch dieser Satz von Henry Ford gut zu mir: „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“

 

Interview: Julia Schmid

 

Hier geht’s zu einer anderen mutmacher.in, die in einem männlich dominierten Umfeld arbeitet:

Mutmacher.in für Erfolg im Job

 

„Es liegt nicht an den Frauen“

Die Süddeutsche Zeitung setzt auf unsere Expertise! Am 19.08.2017 ist in der Wochenendeausgabe einer der renommiertesten Tageszeitungen Deutschlands ein  substantielles Interview erschienen, das SZ-Autorin Gunda Achterhold mit MFF-Initiatorin Simone Schönfeld geführt hat. Darin geht es um die besondere Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen, den daraus resultierenden Druck und darum, wie Unternehmen in Zukunft Führungspositionen gestalten müssen, damit sie für die nachfolgenden Generationen überhaupt noch attraktiv sind – sowohl für Männer als auch für Frauen.

 

Zum Nachlesen folgt hier noch einmal der Beitrag aus der Süddeutschen Zeitung:

 

„ES LIEGT NICHT AN DEN FRAUEN“- Wie Unternehmen weibliche Führungskräfte fördern können

 

Simone Schönfeld ist Mitbegründerin der Unternehmensberatung Cross Consult. 2010 initiierte sie zusammen mit dem Referat für Wirtschaft und Arbeit der Landeshauptstadt München ein “Memorandum für Frauen in Führung“. Namhafte Unternehmen haben sich daran beteiligt und sich verpflichtet, mehr “Mixed Leadership” in ihren Firmen zu verankern. Das Buch “Clever aus der Abseitsfalle. Wie Unternehmen den Wandel zu mehr Frauen in Führung gestalten wollen” von Schönfeld und Nadja Tschirner ist gerade im Verlag Springer Gabler erschienen.

 

SZ: Frau Schönfeld, was zeichnet Unternehmen aus, in denen besonders viele Frauen in Führung sind?

Simone Schönfeld: Wer Frauen Zugänge eröffnen will, muss alle bestehenden Strukturen in den Blick nehmen. Mentoring, Trainings oder interne Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung sind wichtige Maßnahmen auf persönlicher Ebene. Aber es liegt eben nicht an den Frauen allein. Arbeitszeitmodelle, Präsenzzeiten, Beurteilungsverfahren – auf allen Ebenen müssen die Rahmenbedingungen überprüft werden. So sind zum Beispiel Auslandsaufenthalte als Muss-Kriterium im Talentmanagement oft schwierig für Frauen mit Partner oder Familie. Sie sehen das eher als Hürde.

 

Etliche Top-Managerinnen sind in den letzten Jahren gescheitert. Woran liegt das?

Minderheiten fallen stärker auf, wir sprechen von dem “Token-Phänomen“. Frauen an der Spitze sind extrem sichtbar, sie erfahren viel mehr Aufmerksamkeit als ihre männlichen Kollegen. So entsteht Druck. Niemandem, selbst in so hohen Positionen, wird immer alles gelingen. Der Unterschied liegt darin, wie es diskutiert und in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

 

Gilt das auch auf anderen Ebenen?

Überall dort, wo sich Frauen in einem sehr männerlastigen Umfeld bewegen, etwa auch im Mint-Bereich. Grundsätzlich beobachten wir im unteren und mittleren Management jedoch deutliche Fortschritte. Die Quote der Frauen in Teamleitungspositionen hat sich stark erhöht – sie schließen schon fast gleich auf. Dieser positive Trend setzt sich allerdings auf exponierteren Positionen nicht durch.

 

Und warum geht es dann einfach nicht weiter?

Führungspositionen sind ein rares Gut. Und damit natürlich auch umkämpft. Diejenigen, die nach 18 Uhr noch da sind, setzen die Standards. Daran hat sich in vielen Unternehmen noch nichts geändert. Wer eher geht, fällt heraus aus der Zielgruppe jener, die als ambitionierte Nachwuchskräfte gehandelt werden.

 

Sehen Sie positive Entwicklungen?

Es ist schon einiges in Bewegung. Beispielsweise dort, wo Mitarbeiter in globalen Teams arbeiten. Über Länder und Zeitzonen hinweg entstehen andere Freiräume und damit mehr Flexibilität. Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten können hier das Management von Teams, in denen Vollzeit und Teilzeit gearbeitet wird, vereinfachen. Damit werden Kriterien wie die Präsenz vor Ort oder auch das Geschlecht zweitrangig. Dafür werden Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit immer wichtiger – traditionelle Stärken von Frauen.

 

Diese zeitliche Flexibilität schätzen zunehmend auch junge Männer. Ist das nicht eine Generationenfrage?

Der Bruch kommt mit dem ersten Kind, das zeigen Studien ganz klar. Während Frauen Arbeitszeit reduzieren, zeigen Männer ein traditionelles Ernährerverhalten und arbeiten mehr – auch wenn sie das eigentlich gar nicht wollen. Dieses Dilemma können Unternehmen individuell nicht lösen. Wenn das oberste Management ein partnerschaftliches Miteinander vorlebt und vielleicht selbst in Elternzeit geht, ist das jedoch ein starker Treiber für kulturelle Veränderungsprozesse.

 

Aber genau diese partnerschaftlich orientierten Kräfte wollen gar nicht mehr an die Spitze, Frauen wie Männer.

Tatsächlich bewerben sich intern immer weniger Mitarbeiter um Führungspositionen – das gilt für beide Geschlechter. Für die Unternehmen ist das eine riesige Herausforderung, gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel. In den nächsten Jahren werden im Management viele Stellen frei. Da sehe ich allerdings auch ein enormes Potenzial. Wie lässt sich Führung so gestalten, dass sie für die nachwachsenden Generationen wieder attraktiv ist? Unternehmen werden gezwungen sein, darüber nachzudenken. Und damit eröffnen sich auch für Frauen neue Perspektiven.

 

Interview: Gunda Achterhold, Süddeutsche Zeitung

SZ-Artikel “Es liegt nicht an den Frauen” als PDF

 

Hier geht’s zu einem Interview mit euer Führungsfrau der BVK, die vom Token-Phänomen berichtet:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

 

Einen weiteren Beitrag von Simone Schönfeld zum Thema Frauenförderung gibt’s hier:

Frauenförderung endet nicht bei den Frauen!

 

Und was eine gute Führungskraft im Zeitalter der Digitalisierung ausmacht, lest ihr in diesem Beitrag:

Was heisst führen heute?

 

Gleichstellungsbericht: Wer ist schuld am Ungleichgewicht?

Es hat sich bei der Gleichstellung von Frau und Mann in den letzten 6 Jahren etwas getan – wenn auch nicht viel und vor allem zu wenig. Das ergab der zweite Gleichstellungsbericht, der von der Bundesregierung vorgelegt und diesen Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurde. Die Ergebnisse in Kürze: An der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen hat sich kaum etwas geändert – der Gender Pay Gap beträgt nach wie vor 21%. Noch deutlicher die Unterschiede bei der Rente: 2015 bezogen Frauen in Deutschland eigenständige Rentenleistungen, die um 53 Prozent geringer waren als die der Männer. Dafür leisten Frauen eineinhalb Mal so viel unbezahlte Sorgearbeit (Kinderziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit) – ein tägliches Plus von 87 Minuten.

 

Seit Erscheinen des Berichts wird in den Medien und Sozialen Netzwerken über die möglichen Gründe heiß diskutiert, die Schuldigen sind meist schnell gefunden: die Cappuccino-Mütter (Spiegel-Online), Frauen, die die falschen Berufe wählen (FAZ), das System allgemein… Wer oder was ist denn nun wirklich schuld? Das fragen wir in unserem Interview MFF-Initiatorin Dr. Nadja Tschirner. Die Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Cross Consult blickt neben einer Wissenschaftskarriere in der Geschlechterforschung auf eine langjährige Beratungstätigkeit im Bereich Frauen in Führung, Mixed Leadership, Talentmanagement und Organisationsentwicklung zurück.

 

Das Spiegel Online-Interview zum zweiten Gleichstellungsbericht titelt Cappuccino-Mütter sind eine Gefahr für die Gleichstellung”. Haben wir damit die Schuldigen gefunden?

Ich finde es völlig unpassend, Frauen, die sich für ein bestimmtes Lebensmodell entschieden haben, zu verurteilen. [In diesem Fall sind Frauen gemeint, die bei ihren Kindern zu Hause bleiben oder Teilzeit arbeiten und das als selbstgewähltes Lebensmodell verteidigen, anstatt „auf die Strukturen zu gucken, die dazu führen“ – A.d.R.] Die Frage ist ja nur warum sie sich so entscheiden. Arbeitszeiten und Präsenzforderungen der Unternehmen machen es nach wie vor schwer, Beruf und Familie zu vereinbaren. Vor allem wenn man gut ausgebildet auch noch den Wunsch hat, beruflich erfolgreich zu sein, muss man schon eine gehörige Portion Energie mitbringen und bereit sein, wenig Zeit mit den Kindern zu verbringen und überhaupt keine Zeit mehr für sich zu haben. Wenn dann noch die Organisation der Kinderbetreuung hinzukommt, da man wieder mal keinen Kita-Platz bekommen hat, dann habe ich erst einmal Verständnis dafür, dass Frauen zögern, ob sie sich das weiterhin antun wollen. Schweren Herzens reduzieren viele dann auf Teilzeit, obwohl sie wissen, dass sie sich damit von jeglicher Karriereoption abschneiden. Wir dürfen auch nicht die noch tiefgründigeren Faktoren vergessen, die zu diesen Entscheidungen führen – wie etwa die Sozialisation. Im Westen hat sich über Jahrzehnte das schlechte Gewissen verankert, wenn man sein Kind in die Kita bringt. Das gab es im Osten gar nicht. Warum soll das bei allen Frauen von heute auf morgen wie weggeblasen sein? Vor allem, wenn es ihnen – und das ist ein zweiter wichtiger Punkt – von ihren Müttern (und damit den wichtigsten Vorbildern in Sachen Kindererziehung) nicht anders vorgelebt wurde. Häufig redet noch die eigenen Mütter dagegen, wenn die erwachsene Tochter als frisch gebackene Mutter damit hadert, wieder Vollzeit arbeiten zu gehen.

 

Also sind die Omas Schuld?

Niemand ist schuld. Denn es ist komplett normal, dass diese Generation das eigene Lebensmodell verteidigen muss. Aber ja, damit sich bei den jungen Müttern etwas ändert, müssten auch alle Großmütter kollektiv aufstehen und ihre Töchter beim Karrierewunsch unterstützen.

 

Und wie sind Männer in dieser Hinsicht sozialisiert?

Der Mann orientiert sich unterbewusst logischerweise am eigenen Vater. Er macht deshalb keine schlechtere Erziehungsarbeit oder ist weniger für die Kinderbetreuung geeignet. Er hat aber eher dieses Bild im Kopf: Der Vater kommt von der Arbeit nach Hause, lässt alles stehen und liegen und konzentriert sich noch ein paar Stündchen auf das Kind, bevor es ins Bett geht. Das ist eine schöne Vorstellung vom Vatersein, die man den Vätern nicht übelnehmen kann. Zum Glück gibt es aber immer mehr junge Männer, die sich auf dieses Vaterbild nicht beschränken lassen wollen. Denn der Gleichstellungsbericht zeigt ja auch, dass immer mehr Väter Elternzeit nehmen. Wenn sich auch viele noch auf zwei Monate beschränken – weil ihnen im Unternehmen ein starker Wind entgegenbläst, weil der Mut Neues zu wagen noch nicht gewachsen ist usw. – so ist zumindest mal ein Anfang gemacht. Überhaupt sollten wir unser Augenmerk auf die kleinen Pflänzchen richten, anstatt immer damit zu hadern, dass der Baum noch nicht so groß ist wie wir ihn gerne hätten. Bekanntlich braucht Wachstum Zeit.

 

Als weiterer Grund für die kurze Elternzeit der Väter werden oft  finanzielle Aspekte genannt…

Und hierin besteht das größte Problem: Meistens – Gleichberechtigung in der Partnerschaft hin oder her – ist die Rollenaufteilung doch eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Frauen wählen oft Berufe/Studiengänge, die später nicht so lukrativ sind. Nach der Heirat sind sie durch das Ehegattensplitting steuerlich sowieso in der schlechteren Klasse. Wenn es darum geht, wer reduziert mit Kind die Arbeitszeit, dann zieht die Frau den Kürzeren, weil sie weniger zum Einkommen beitragen kann. Hinzu kommt die teure Kinderbetreuung, die das Arbeiten für die Frau gar nicht erst lukrativ macht.

 

Diesen Argumenten hat der FAZ-Autor Christoph Schäfer mit folgenden Punkte in seinem Kommentar “Gender-Gejammer” gekontert:

Es wird in Deutschland kein junger Mensch gezwungen, die Weichen auf einen schlecht bezahlten Beruf zu stellen. / Es gibt keinen Zwang zu heiraten. / Es gibt keinen Zwang, Kinder zu bekommen. / Es gibt keinen Zwang, sich die Arbeit mit dem Partner nach der Geburt so aufzuteilen, dass ausschließlich die Frau ihre Erwerbsarbeit reduziert.

Schlechte Argumente – als würde es nur um das persönliche Glück gehen! Wenn es all diese Zwänge tatsächlich nicht gäbe, oder sich niemand den Konventionen beugen würde, würde unsere Gesellschaft aussterben und das komplette Sozialsystem zusammenbrechen. Wo möchten wir Deutschland in Zukunft sehen? Wir investieren so viel Geld in Bildung. 59 % derer, die eine Studienzugangsberechtigung erhalten, Frauen. 46% der Promotionen werden heute von Frauen erreicht. Und diese Investitionen macht sich Deutschland dann wieder selbst zu Nicht, wenn eben diese top ausgebildeten Frauen in ihrem Berufsweg systematisch benachteiligt werden. Sollten wir nicht vielmehr dafür sorgen, dass Hürden abgebaut werden, die Frauen daran hindern, ihre Kompetenzen umfassend einzubringen?

 

Und zum Thema Frauen sind selbst schuld, wenn sie die falschen Berufe wählen: Alle Ansätze, Frauen in MINT-Berufe zu locken, schlagen fehl, weil MINT-Unternehmen keine Vision von Ingenieurinnen mit Kind und Karriere präsentieren. Weil sie um Kompetenzen werben, in denen vor allem Männer ihre Stärken sehen und Frauen sich weniger angesprochen fühlen. Einige Unternehmen haben längst erkannt, dass sie langfristig auf Frauen setzen müssen.

 

Die Maßnahmen können vielfältig sein, wichtig ist, dass ein Veränderungsprozess in den Blick genommen und angestoßen wird, der nicht nur punktuell ansetzt (z.B. nicht nur Frauencoachings), sondern alle veränderungsrelevanten Stellschrauben in den Blick nimmt (die Unternehmensführung, die -kultur, -angebote, aber auch alle männlichen Mitarbeiter beim Prozess mitnimmt). Dieser Herausforderung stellen sich die 18 Unterzeichner-Unternehmen des Memorandums für Frauen in Führung. Sie haben sich unter einem Dach zusammengeschlossen, um mehr Frauen in Führung zu bringen und dafür einen selbst erarbeiteten 15 Punkte-Plan unterschrieben, der Verpflichtungen auf allen betroffenen Themenfelder beinhaltet.

 

Interview: Julia Schmid