„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Väter, traut Euch!

 

Nur gut ein Drittel der Väter nimmt Elternzeit, die meisten davon gerade einmal zwei Monate. Warum nicht länger? Männer fürchten durch eine Elternzeit einen Karriereknick. Eine unbegründete Angst, wie jüngste Studien herausfanden. Mehr dazu in der SZ: Erst die Karriere, dann das Kind

 

Hier ein Interview mit einem Vater und Senior Manager bei KPMG, der es gewagt hat:

 

„Ich habe bis 16 Uhr Zeit, dann hole ich meine Tochter aus der Kita ab“, sagt Daniel Jagar, Senior Manager bei KPMG in Frankfurt zu Beginn des Interviews. Der 37-Jährige Vater zweier Mädchen (2,5 Jahre und 7 Monate) profitiert von den flexiblen Arbeitszeiten bei KPMG, einem der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen in Deutschland und zeigt, wie er seine persönliche Life-Balance gestaltet. Ein Interview über seine viermonatige Elternzeit, Vorteile durch weibliche Vorgesetzte und selbstbewusstes Vatersein.


Elternzeit bei Vätern wird immer beliebter, allerdings nehmen die meisten nicht mehr als die gesetzlich festgeschriebenen zwei Monate Elterngeld in Anspruch. Wie kam es, dass Sie länger zu Hause geblieben sind?

Daniel Jagar: Ich habe auch ein bisschen herumgefragt und es hat mich wirklich verblüfft, dass niemand länger als zwei Monate zu Hause geblieben ist. Bei vielen mag das finanzielle Gründe haben. Bei uns war es so, dass meine Frau, die auch bei KPMG arbeitet, gerne im Winter vor Beginn der Busy Season wieder einsteigen wollte, um den Kontakt zu ihren Kunden zu halten – da habe ich die restliche Zeit bis zum Kitastart überbrückt und vier Monate Elternzeit genommen. Und festgestellt, dass ein Projekt auch mal ohne mich funktioniert und meine Teamkollegen diese Monate dankenswerter Weise gut überbrückt haben. Man meint ja immer, man sei in so viele Dinge involviert, dass gar nichts mehr ohne einen gehen würde. Aber klar geht das.

 

Und wie ist es bei Ihnen zu Hause gelaufen?

Ich muss zugeben: Am Anfang war ich schon ein bisschen nervös, plötzlich acht Stunden mit meiner Tochter alleine zu sein. Aber auch herausfordernde Situationen zu meistern, wie ein schreiendes Kind in der Öffentlichkeit zu beruhigen, hat mir total viel Sicherheit gegeben und Routine. Und es ist auch wichtig zu merken, wie anstrengend es ist, einen Tag mit Kind zu organisieren. Bei der Generation meiner Eltern waren Männer noch der Meinung, mit den Kindern zu Hause zu bleiben, sei keine Arbeit. Aber wenn man dann mal mehrere Monate den Haushalt organisiert, einkaufen geht, kocht, das Kind betreut, dann freut man sich wieder auf das Büro. Im Vergleich dazu geht es in der Arbeit ja wirklich ruhig und selbstbestimmt zu.

 

Sie sind nun zurück aus der Elternzeit. Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Wenn ich nicht beim Kunden vor Ort arbeite, bringe ich morgens unsere große Tochter zur KPMG-Kita und bin ab acht Uhr im Büro. Zwischen 15 und 16 Uhr hole ich sie wieder ab. Zu Hause verbringe ich erstmal Zeit mit meiner Familie. Wir kochen und essen zusammen, meine Frau bringt die größere Tochter ins Bett, ich die kleine. Wenn es ideal läuft, sitze ich gegen halb neun wieder am PC, telefoniere mit Kollegen aus den USA, oder arbeite E-Mails ab und lese Berichte. Ich bin sehr zufrieden und dankbar, dass das so funktioniert. Ich erlebe viel von und mit meinen Kindern. Dafür nehme ich gerne in Kauf, mich abends nochmal hinzusetzen, um zu arbeiten. Die Flexibilität, die ich vom Arbeitgeber erhalte, gebe ich auch gerne wieder zurück und beantworte auch mal samstags E-Mails. Klar, Freizeit und Arbeit verschwimmen dadurch etwas mehr, das muss man wollen und können. Aber ich finde es praktisch.

 

Wenn Arbeit und Freizeit verschwimmen, wie organisieren Sie sich im Job?

Bei Unternehmenstransaktionen geht es schon manchmal spontan und zeitkritisch zu. Aber mit deutschlandweit rund 150 Mitarbeitern sind wir eine so große Abteilung, dass wir absolute Flexibilität gewährleisten können. Ich arbeite nicht weniger als andere, ich verteile die Zeit nur anders und hole meine Tochter trotzdem von der Kita ab. Denn ich habe nichts davon, abends lange im Büro zu sitzen, um alles fertig zu machen und dann nach Hause zu kommen und meine Familie nur noch schlafend zu erleben.

 

Das ist nicht das typische Bild, das man von einem Unternehmensberater im Kopf hat. Findet hier ein Mentalitätswandel statt?

Ich habe schon das Gefühl, dass auch in unserer Branche verstärkt darauf geachtet wird, Frauen und Männer, die Elternzeit nehmen oder Teilzeit beantragen, nicht aufs Abstellgleis zu stellen. Das hängt bestimmt auch damit zusammen, dass mehr Frauen in Führungspositionen gekommen sind. Als ich hier angefangen habe, wurde eher noch ein klassischeres Rollenbild gelebt: Jetzt habe ich das Glück eine Chefin zu haben, die ihre Arbeit ebenfalls so verteilt, dass sie mit ihren zwei Töchtern zu Abend essen kann und am späteren Abend wieder weiterarbeitet. Ich hoffe, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen noch weiter steigt, damit wir alle davon profitieren können – nicht nur in dieser Hinsicht.

 

Wie organisiert sich Ihre Frau beruflich?

Bei unserer ersten Tochter ist sie nach acht Monaten in Elternzeit wieder in den Job zurückgekehrt. Jetzt bei der zweiten Tochter hängt es noch von der künftigen Betreuungssituation ab, wie wir uns organisieren. Wir sind wirklich in der glücklichen Lage, dass wir unsere Karrieren selbst in der Hand haben und KPMG uns sehr viel Bewegungsspielraum gibt.

 

Welche Befürchtungen hatten Sie vor Karrierenachteilen durch die Elternzeit?

Ich glaube, die Zeiten sind vorbei. Auch in der Beraterbranche kann man zum Kunden offen sagen: Wir sind ein großes professionelles Team, Ihre Belange werden immer erfüllt und es ist immer jemand für Sie erreichbar – auch wenn das von 16 bis 19 Uhr nicht immer ich sein werde.

 

Wie haben Sie Ihre Elternzeit im Unternehmen und mit Ihren Kunden kommuniziert?

Im Team habe ich ganz offen gesagt, dass ich plane, vier Monate weg zu sein, aber eine ordentliche Übergabe mache und telefonisch erreichbar bleibe. Das wurde durchweg positiv aufgenommen. Kollegen, mit denen ich seltener in Kontakt bin, habe ich proaktiv eine E-Mail geschrieben und meine Kunden habe ich angerufen. Ich wollte nicht, dass sie eine Abwesenheitsnotiz erhalten und nicht wissen, ob ich krank bin, verreist oder ins Ausland versetzt wurde. Die meisten haben sich gefreut, manche waren verblüfft, aber alle fanden es gut.

 

Was raten Sie Vätern, die gerade vor der Entscheidung stehen, ob und wie lange sie Elternzeit nehmen sollen?

Auf jeden Fall machen. Es lohnt sich. Mein Tipp ist, selbstbewusst damit umzugehen und offen kommunizieren, wann und wie lange eine Elternzeit geplant ist. Die Angst vor Karrierenachteilen ist unbegründet. Ich mag nicht ausschließen, dass es im Einzelfall noch so ist, aber bei modernen Arbeitgebern sind diese Zeiten vorbei.

 

„Väter traut euch – mutige Männer tun´s schon länger“. Das Interview wurde 2017 geführt. Daniel Jagar arbeitet erfogreich bei der KPMG.

 

Interview: Julia Schmid

 

Über KPMG: KPMG in Deutschland ist Teil eines weltweiten Netzwerkes rechtlich selbstständiger Firmen mit rund 189.000 Mitarbeitern in über 150 Ländern. In Deutschland gehört KPMG zu den führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen und ist mit rund 10.200 Mitarbeitern an mehr als 20 Standorten präsent. Die Leistungen umfassen die Geschäftsbereiche Audit (Prüfung von Konzern- und Jahresabschlüssen), Tax (steuerberatende Tätigkeit), Consulting und Deal Advisory (bündeln das Know-how zu betriebswirtschaftlichen, regulatorischen und transaktionsorientierten Themen).

KPMG legt Wert auf Diversität im Unternehmen. Sie ist Unterzeichner der Charta der Vielfalt und des Memorandums für Frauen in Führung. Im Rahmen der Förderung von Vielfalt, engagiert sich KPMG mit einem Mitarbeiternetzwerk – Network of Women (KNOW), mit Maßnahmen zur Bindung und Förderung von Frauen im Zuge des Leadership Development Programms REACH und mit einem Mentoring-Programm für Frauen.

 

Einen Beitrag über eine Partnerin bei KPMG, die in Teilzeit ihre Führungsrolle wahrnimmt, findet ihr hier:

So gelingt Karriere in Teilzeit

 

Und wie eine Führungskraft der LBS Bayern über die Elternzeit von Vätern denkt, lest ihr in diesem Beitrag:

„Meine Work-Life-Balance stimmt“

 

EIN LEBEN OHNE PRÄSENZ UND WIRKUNG … IST KEIN GUTES … – Interview mit Karin Krug

„Nur 22 Prozent der deutschen Theater werden von Frauen geleitet – und noch weniger von Frauen gegründet. Karin Krug ist eine davon. Zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Wolf aus der Schauspielschule gründete sie 1992 das fastfood theater München, eine der ersten Improvisationsbühnen des Landes, und leitet es seitdem sehr erfolgreich.

 

Studiert hat Karin Krug Theaterwissenschaft. Sie arbeitet als Schauspielerin, ist Deutsche Meisterin im Theatersport, tritt national und international auf und ist als Trainerin in Unternehmen und künstlerischen Bereichen tätig. Darüber hinaus ist sie Mentorin für Künstler*innen und Führungskräfte.

 

Auf der Theaterbühne geht es um Freude am Spiel, Improvisation und Präsenz. Aber auch im Unternehmenskontext ist es extrem wichtig, die „Bühnen“ für die eigene Sichtbarkeit und Präsenz zu nutzen – gerade auch von Frauen. Wie das gehen kann und wie ihre beruflichen Bühnen so aussehen, verrät uns Karin Krug in einem Interview.“

 

 

EIN LEBEN OHNE PRÄSENZ UND WIRKUNG

… IST KEIN GUTES …

Liebe Karin, du bist Schauspielerin und mit Deinem Improvisationstheater fastfood theater im gesamten deutschsprachigen Raum auf den Theaterbühnen und in Unternehmen tätig. Was bedeutet für Dich Präsenz?

Karin Krug (KK): Das ist natürlich ein großer Begriff. Ich definiere ihn in meinen Seminaren aber gerne sehr konkret als der „Moment, in dem Kommunikation stattfindet“. In diesem Moment hat jeder Mensch entweder eine Ausstrahlung, die seinen inhaltlichen und räumlichen Ausdruck unterstützt oder manchmal sogar verhindert. Wir „spüren“ den anderen mehr, als uns bewusst ist. Wir spüren, ob der andere an sich selbst glaubt, ob er gerne da ist, ob er Widerstände in sich trägt. Das „Spüren“ ist dabei eine intuitive Mischung aus Sehen, Hören, Fühlen und Riechen gepaart mit den eigenen schon erlebten Erfahrungen. Darum ist Präsenz auch subjektiv und objektiv wahrnehmbar. Und oft ist es eine bunte Mischung aus beidem. Einer Führungskraft unterstellen wir gerne mehr Präsenz – unabhängig davon, was sie tut oder spricht. Bei einer Frau in der Führungsrolle erwarten wir aber mitunter andere Präsenzmerkmale als bei einem Mann.

Generell ist meine Erfahrung, dass wir im gegenüber eine „angenehme Präsenz“ wahrnehmen, wenn er oder sie mit sich selbst im Reinen ist und unabhängig von den Erwartungen „authentisch“ anwesend ist. Dann nehmen wir den oder die andere als stimmig wahr. Ob uns das gefällt oder nicht, wir unterstellen der Person eine „natürliche“ Präsenz.

 

Was können wir vom Improvisations-Ansatz lernen? Sollen wir alle Theater spielen?

KK: Erst einmal stellt man schnell fest, dass jegliche öffentliche Präsenzsituation ein kleines Theater ist. Wir nehmen unsere Rolle im System ein und wirken durch die Rolle hindurch. Wir ziehen uns bei Präsentationen sehr bewusst an (im Theater ist es das Kostüm). Wir wählen unsere Worte bewusst (im Theater ist das der Text). Und wir sprechen über die Inhalte jenseits unserer ganz persönlichen und intimen Haltungen (im Theater ist das die Rolle). Wir sind nicht privat unterwegs, sondern im professionellen Kontext (im Theater ist das das Stück).

Wenn wir uns nun ansehen, wie Theater funktioniert, dann kann uns das helfen, unseren Handlungsspielraum innerhalb des beruflichen Kontextes zu erweitern. Wir können einen spielerischen Umgang mit unseren beruflichen Situationen finden und damit auch mehr Freude am Erforschen, was denn gerade passend sein könnte. Damit erhalten wir mehr Flexibilität und oft auch mehr Balance im eigenen Ausdruck.

 

Erzähle uns doch bitte ein wenig von Deinem Werdegang!

KK: Ich habe Theaterwissenschaften, englische Literaturwissenschaft und Sozialpsychologie studiert. Allerdings wollte ich immer Schauspielerin werden und immer im Live-Ort Theater. Während des Studiums habe ich das Improvisationstheater für mich entdeckt und mit Andreas Wolf (und 9 anderen Kommilitonen) das fastfood theater gegründet. Das war vor 30 Jahren. Seitdem habe ich nie aufgehört, mich an der Vielfalt, der Kreativität und der Handlungsstärke von Menschen in Teams zu begeistern. Ich habe viel geforscht, viel von meinem Wissen weitergegeben und mich auch selbst sicher oft verändert.

 

Was ist Gender für dich?

KK: Erst einmal ist es etwas, das ich erfahren und gelernt habe. Eine Möglichkeit, die ich nutzen kann und wo ich gut darin bin. Ich weiß z.B., wie Frau auf der Bühne wirkt und wirken kann. Als Schauspielerin weiß ich allerdings auch, dass ich auch gegen den Strom großartige Ausdrucksmöglichkeiten habe. Ich kann männlich und weiblich spielen und erhalte dabei ganz unterschiedliche Reaktionen. Ich weiß aber auch, dass das Geschlecht sich erst nach dem Menschen-Sein formt. Erst einmal sind wir Menschen. Alle haben das gleiche (nicht dasselbe) Handwerkszeug, mit dem sie präsent sein können. Erst dann wirkt das Geschlecht – sei es sozial, real oder virtuell. Und es ist meine Entscheidung, wie sehr ich es in den Vordergrund meiner Ausstrahlung nehme. Menschen mit hoher Wirkkraft gehen sehr souverän mit ihren Mitteln um. Sie entscheiden bewusst, was sie wie einsetzen, um gut in ihre eigene individuelle Wirkung zu kommen. Da ist Gender ein nützliches, nicht zu leugnendes, doch genau zu dosierendes Mittel.

 

Wie kann uns Improvisationstheater helfen, einen flexiblen Umgang mit unserer eigenen Präsenz zu bekommen?

KK: Improvisationstheater ist teamorientiert, humorvoll, agil, spielerisch, ernsthaft, wahr und macht sehr viel Spaß. Es ist also ein fruchtbarer Erfahrungsraum, in dem ich auch mal Scheitern darf und ganz viele Erfahrungen sammeln kann, die sich körperlich einprägen. Präsenz hat sehr viel mit Erfahrung zu tun. Unser Körper lernt nicht durch Denken, sondern durch Tun. Improvisationstheater ist einfach ein tolles Training.für Präsenz in allen Lebenslagen.

 

Warum gerade jetzt dieses Thema?!

KK: Vor 25 Jahren habe ich für meine Magisterprüfung in Sozialpsychologie ein sehr komplexes Genderthema gewählt. Für mich war das eine Offenbarung. Später dachte ich, jetzt haben wir das gesellschaftlich endlich hinter uns und jede und jeder kann spielerisch mit ihren und seinen Geschlechteranteilen umgehen – auch im professionellen Kontext. Ich musste in den letzten Jahren erkennen, dass dem leider immer noch nicht so ist. Frauen und Männer spüren noch immer die Genderthemen als Hürde oder auch als Vorsprung. Doch überall entsteht zur Zeit der Wille nach Veränderung. Sowohl in den Chefetagen der großen Firmen als auch in den Teams. Gerade für uns Frauen öffnen sich große Chancen uns neu zu definieren und zu positionieren. Und das sollten wir nutzen. Und zwar mit Leichtigkeit, Humor und Freude an der Variation.

 

 

Am 27./28.04.2020 startet dazu unser neues Seminar „Professionelle Präsenz – Wirkungsvoll durch Körpersprache und Stimme”.

 

Hier finden Sie mehr Informationen zu diesem Seminar

 

Interview: Dr. Tanja Haupt

 

Weiteres zum Thema Auftreten:

 

Das gewisse Auftreten Interview mit Irene Bärtle

Wie kann Männern die Angst vor Frauenförderung genommen werden? – MFF Kompetenzforum

Diese Frage steht immer dann im Raum, wenn neue Förderprogramme für Frauen entwickelt werden sollen. Um solche in einem Unternehmen zu etablieren, ist immer auch die Zustimmung aus dem Topmanagement erforderlich. Die männliche Führungsriege zeigt sich jedoch häufig desinteressiert oder aber – ängstlich. Woher diese Angst kommt und welche Strategien es gibt, um sie zu überwinden, wurde im Kompetenzforum des MFF diskutiert.

 

Die Angst verstehen

Dass männliche Führungskräfte sich von Frauen in Führung bedroht fühlen klingt zunächst wenig nachvollziehbar. Aktuelle Zahlen bestätigen, dass Männer immer noch den größten Anteil an Führungspositionen im Topmanagement besetzen. Dennoch gibt es immer wieder Aufschreie von Männern, die sich aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt fühlen. Formulierungen wie „Frauenförderung“ und „Frauenquote“ lösen Unbehagen aus und Unbehagen führt zu – Ablehnung.

Ein solches Verhalten ist in der Tat ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Identität. Wir definieren uns über die Identifikation mit dem „Ähnlichen“ und „Vertrauten“ aber auch über die Abgrenzung zum „Unbekannten“ und „Fremden.“ Dieser Habitus wird in den Kulturwissenschaften als Otherness bezeichnet: durch die Abgrenzung zum Anderen entwickelt sich unsere Persönlichkeit und auch die Gruppen, in denen wir uns vorwiegend bewegen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass viele Männer sich in einer rein männlichen Führungsgruppe sehr wohl fühlen und sich durch die Nicht-Männliche Seite bedroht fühlen. Die Spielregeln, die ein Mann bereits im Kindesalter erlernt, sind geprägt durch Verhaltensweisen hegemonialer Männlichkeit. Die meisten Frauen kennen diese Spielregeln schlicht und einfach nicht, weil sie anders sozialisiert sind.

Die Kommunikation sowie das Verhalten als Führungskraft unterscheiden sich in vielen Punkten deutlich zwischen den Geschlechtern. Eine solche Differenz löst Angst aus – und führt deshalb zu Ablehnung.

 

Macht und Identität

Die immer lauter werdenden Stimmen, die sich für eine diverse Aufstellung von Vorständen und Führungsebenen einsetzen, werden auch von den Männern gehört, die bereits selbst Söhne in einem Alter haben, in dem die erste Führungsposition nicht mehr weit entfernt ist.

Genau wie für sie selbst – so die Vorstellung – ist der berufliche Erfolg das Lebensziel, sogar der Lebensinhalt. Die männliche Identität konstituiert sich heute maßgeblich aus dem beruflichen Status. Dies ist eine Folge der Machtstrukturen, die hinter dem Konzept der hegemonialen Männlichkeit stehen: Status und Wettkampf sind zwei der Kernprinzipien, die ein Modell beschreiben, von dem der Mann in unserer Gesellschaft stets profitiert.

Mit der Forderung nach Auflösung dieser Machtstrukturen und dem Wunsch nach Veränderung hin zu einer diversen Führungskultur wird also nicht nur ein System in Frage gestellt, sondern die männliche Identität an sich.

 

Männliche Identität und Machtverlust

Genau an dieser Stelle kann man jedoch ansetzen. Während Frauen bereits seit über 100 Jahren mit der Reformation weiblicher Identität konfrontiert sind, gibt es eine vergleichbare Neudefinierung der männlichen Rolle bis heute nicht.

Männer, die heute zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, haben Väter, deren Väter aus der Nachkriegsgeneration stammen und das Konzept der toxischen Männlichkeit inhärent haben. Der berufstätige Vater als Familienoberhaupt und Ernährer der Familie, aber auch der Vater, der nie zuhause war und von dem sich die Mutter irgendwann hat scheiden lassen.

Der Ansatz, den Unternehmen heute verfolgen ist, Männern alternative Arbeits- und sogar Lebensmodelle aufzuzeigen. Damit soll erreicht werden, dass Männer anfangen, ihre Rolle zu hinterfragen und Forderungen zu stellen nach Möglichkeiten, die aktuell hauptsächlich Frauen vorbehalten sind. Das liegt natürlich daran, dass Männer die Möglichkeiten nicht einfordern und deshalb die Frau als Mutter in Teilzeit gehen muss und nicht der Mann – ein Kreislauf, der reflektiert werden sollte.

Männer in Teilzeit oder Elternzeit, die eine Führungsposition nicht als die Erfüllung ihrer Existenz begreifen, die eine gesunde Work-Life-Balance einfordern.

 

Die Macht der Vorbilder

Männer, die diese neuen Konzepte bereits leben, können gezielt als Vorbilder eingesetzt werden. Denn während Frauen bereits Rolemodels haben, die Ihnen vorleben, dass eine Führungsposition auch in Teilzeit funktionieren kann, sieht das auf der männlichen Seite noch ganz anders aus: nur wenige Männer, die Chancen auf flexible Arbeitszeitmodelle nutzen, sind auch bereit, offen darüber zu sprechen und anderen Männern Mut zu machen. Der Grund: Angst vor dem Statusverlust.

 

Auch Frauen haben Angst vor Frauenförderung

Die Angst, Frauenförderung anzubieten, liegt tatsächlich bei den Männern. Die Angst davor, Frauenförderung anzunehmen, jedoch bei den Frauen selbst, weiß Dr. Marie-Claire Tietze von der KPMG. Ein großes Problem sei die Stigmatisierung solcher Programme: „Ich habe doch so hart gearbeitet und möchte jetzt nicht nur soweit kommen, weil ich eine Frau bin.“ „Bekomme ich die Förderung, weil ich gut bin oder weil ich eine Frau bin?“ „Was denken die Anderen?“ – Diese und viele andere Sorgen haben Frauen, die vor der Wahl stehen, gezielte Frauenförderung wahrzunehmen.

 

Power-Mentoring bei der KPMG

Die Kunst liegt wohl darin, Männer- und Frauenförderung zu vereinen. Dr. Tietze stellt in einem spannenden Vortrag das Power-Mentoring der KPMG vor: Männliche und weibliche Mentor*innen betreuen weibliche Mentees und fungieren als Ratgeber*innen. Das Programm bewirkt, dass sowohl die Frauen in ihrer Rolle als Mentee sehr viel über die Spielregeln der männlichen Kollegen lernen können. Gleichzeitig, und das ist vielleicht sogar noch viel wichtiger, erkennen auch die männlichen Mentoren das Potenzial weiblicher Führungskräfte.

Zusätzlich bietet die KPMG außerdem individuelle Coachings an. Viele Männer nehmen diese gerne an, vor allem wenn es um die Gesprächsführung mit weiblichen Kolleginnen geht. Die Devise der KPMG ist an dieser Stelle, männliche Führungskräfte von der Relevanz und den Chancen diverser Führungsebenen zu überzeugen.

 

Frauenförderung und Männerförderung

Die Teilnehmerinnen des Kompetenzforums waren sich nach dem spannenden Input von Frau Dr. Tietze in vielen Punkten einig. Die wichtigste Erkenntnis war jedoch, dass Frauenförderung auf lange Sicht nicht ohne Männerförderung funktionieren kann. Denn ohne, dass männlich geprägte Machtstrukturen sich nach und nach auflösen und männliche Identität neu definiert wird, kann auch Frauenförderung nur bis zu einem gewissen Punkt gelingen. Die Sichtbarmachung von Vorbildern sowohl für Frauen als auch für Männer ist entscheidend für die Gestaltung einer diversen Führungskultur.

 

Autorin: Anna Karger

“Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch” – Vorstandsgespräch mit Daniel Just, BVK

Zwei kleine Kinder jagen sich kreischend zwischen offenen Bürotüren hin und her. Dazwischen schlendert Daniel Just entspannt den langen Gang im siebten Stock eines modernen Bürokomplexes im Münchner Stadtteil Bogenhausen entlang. „Hier tobt das Leben“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Versorgungskammer gut gelaunt, begrüßt mit einem verbindlichen Handschlag, nimmt sofort die Jacke ab und überlässt mit einer weiten Armbewegung den Vortritt in sein Büro – ein Gentleman der alten Schule. Im einstündigen Gespräch, zu dem er auch die Gleichstellungsbeauftragte der BVK Susanne Obermaier eingeladen hat, erweisen sich lediglich seine Umgangsformen als „alte Schule“. Seine Arbeits- und Lebenseinstellung ist State of the Art. Im Interview mit dem Memorandum für Frauen in Führung legt der gebürtige Berliner seine Sichtweise auf flexibles Arbeiten, Frauen im Vorstand und Männern in Elternzeit dar und gibt dabei auch viel Privates preis. Transparenz in warmherziger und menschlicher Form ist ihm wichtig – „Dann haben auch meine Mitarbeiter das Gefühl, Mensch sein zu dürfen“, sagt Daniel Just und fügt hinzu: „Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch und dadurch wird er für mich wertvoll – wertvoll fürs Team und fürs gesamte Unternehmen.“

 

Es ist ein Wandel in der Gesellschaft zu spüren – jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist neben beruflichem Erfolg das Privat- und Familienleben sehr wichtig. Wie bewerten Sie diese Entwicklung aus Sicht der Unternehmensspitze?

Daniel Just: Ich habe vor der BVK lange in der Finanzbranche gearbeitet. Dort kamen junge Männer sehr früh nach oben, weil sie intelligent und ehrgeizig waren, gute Ausbildungen und Power hatten und sehr viel Kraft in ihre Arbeit legten, weniger ins Private. Aber es zeigte sich, dass sie auch schnell wieder rausfielen, weil sie an ihrer sozialen Kompetenz scheiterten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Führungskompetenz aus Lebenserfahrung und Zeit speist. Lebenserfahrung wird nicht durch den Job geprägt, sondern durch die Familie, Hobbies und Interessen. Wenn jemand – egal ob Mann oder Frau – seine Familie managt und dabei immer wieder flexibel und situationsbedingt agieren muss, lernt er wahnsinnig viel für Führungsaufgaben. Er kommt oft mit chaotischen Situationen besser klar als jemand, der morgens stressfrei den Tag mit einem servierten Kaffee und vorgelegten Unterlagen in seinem Büro startet. Ich finde, man sollte sich organisch entwickeln. Das ist viel nachhaltiger.

 

Wie waren Sie als Berufseinsteiger?

Ich war sehr ehrgeizig, habe zwei Fächer parallel studiert – BWL und Informatik – aber gemerkt, dass noch andere Dinge im Leben zählen. Vor allem während eines Auslandsjahrs in Portugal bei Sonne, Strand und Leichtigkeit habe ich gelernt, dass es einen wunderbaren Ausgleich zwischen Machen und Genießen gibt. Das war eine wichtige Erfahrung.

 

Wie haben Sie sich das beibehalten?

Ich habe viele Hobbies: reiten, kochen, an Oldtimern basteln, Bücher schreiben, Golf spielen. Wenn es der Terminkalender erlaubt, schaffe ich mir zwischen Phasen hoher Belastung auch meine Freiräume, verlasse das Büro früher oder arbeite im Homeoffice. Für jeden Mitarbeiter bzw. jede Mitarbeiterin erproben wir gerade den Flexitag. Und unsere Beschäftigten werden fürs mobile Arbeiten technisch ausgestattet. Die Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem ist bei der BVK ein wichtiger Baustein der Arbeitnehmerzufriedenheit und Kompensator für die geringeren Gehälter, die im öffentlichen Bereich gezahlt werden im Vergleich zur freien Marktwirtschaft.

 

Überspitzt gefragt: Haben Sie keine Angst mit dem offensiven Werben für hohen Freizeitwert die weniger ehrgeizigen Bewerber anzuziehen?

Das hat nichts mit Ehrgeiz zu tun, sondern mit Lebensphasen! Nehmen wir die Leiterin unseres Vorstandsreferats. Sie ist eine kompetente und ehrgeizige Mitarbeiterin, aber alleinerziehend mit zwei Kindern und gerade in einer Phase, in der sie ihre Konzentration auch auf Privates legen muss. In dieser Lebensphase braucht es mehr Flexibilität bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, und das stößt bei uns auf Verständnis. In ein paar Jahren werden die Kinder selbstständiger, dann kann sie sich noch mehr auf die Karriere konzentrieren. Schwerpunkte können sich bei jedem ganz schnell ändern – denken Sie an einen plötzlichen Pflegefall in der Familie. Ein/e Mitarbeiter/in, der dann Verantwortung übernimmt und sich dafür im Job einschränkt, ist doch ethisch viel wertvoller, als jemand, der nur sein Ding durchzieht. Wenn ich so jemanden die Tür zuschlage, gebe ich Potential keine Chance. Wenn ich ihm aber Wertschätzung entgegenbringe, bekomme ich wirklich viel zurück.

 

Würden Sie Ihren männlichen Potentialträgern raten, in der Lebensphase mit kleinen Kindern selbstbewusst in Elternzeit oder Teilzeit zu gehen?

Wer als Mann bei der BVK als Referatsleiter oder Abteilungsteiler sagt: ich nehme mir Elternzeit und nehme das nicht im Minimum, sondern teile das gleichermaßen mit meiner Frau, ist nicht stigmatisiert. Wir haben mittlerweile auch einige Männer in Führung, die in Teilzeit oder im Homeoffice arbeiten, um sich in die Kindererziehung einzubringen – was für mich ein noch größerer Gradmesser der Gleichstellung ist als wenn das eine Frau macht.

Als bei mir das Thema Familienplanung aktuell war, wäre das noch nicht möglich gewesen. Aber ich hätte es trotzdem gemacht und werbe auch jetzt dafür, dass jeder selbstbewusst seinen eigenen Lebensplan verfolgen soll. Mein persönlicher Plan sah so aus: Meine Frau wollte gerne erst ihre Professur haben – sie ist eine von zwei Frauen unter 50 Professoren für Molekularbiologie – und sich dann dem Kinderkriegen widmen. Sie wäre danach relativ schnell zurück auf ihre Professur gegangen und ich hätte die Kinderbetreuung übernommen. Ich war damals Kapitalvorstand bei der BVK. Mir war klar, dass mich keiner mehr für voll nimmt, wenn ich als Mann in Babypause gehe. Deshalb wäre ich ausgestiegen, hätte mich erst mal ein paar Jahre darauf konzentriert und dann versucht in die Politik zu gehen. Wer weiß, vielleicht hätte mir die Kombination aus Finanz-Background und Hausmann ein paar Wählerstimmen eingebracht. Leider war uns dieses Glück nicht vergönnt. Meine Frau hat ihre Professur letztendlich zu spät für die Kinderplanung bekommen. Danach hat es mit den Kindern nicht mehr geklappt. Diese bittere Pille mussten wir für unsere Karrieren schlucken.

 

Gerade auf Topetagen ist die Vereinbarkeit von Kind und Karriere für Frauen immer noch schwierig und ein Grund dafür, warum es immer noch nicht viele Frauen bis nach ganz oben schaffen. Auch bei Ihnen…

Wir sind ein traditionelles Unternehmen. Wir haben das „Memorandum für Frauen in Führung“ unterschrieben, wir haben ein Positionspapier „Mixed Leadership – für mehr Frauen in Führung“ verabschiedet – wir wandeln uns, aber es braucht Zeit. Wenn wir aktuell auf den BVK-Vorstand blicken: nur Herren. Eine Ebene darunter, Bereichsleitung: nur Herren – bis auf eine Dame in der Stellvertretung, Frau Draws. Eine Ebene darunter, Abteilungsleitung: ja, da kommen dann vereinzelt Damen vor. Auf Referatsleiterebene haben wir bereits einen repräsentativen Frauenanteil. Und wenn wir auf unsere aktuellen Berufseinsteiger schauen: 11 Neuankömmlinge, 10 davon sind Frauen. So. Das steht exemplarisch für unsere Neueinstellungen, weil Frauen früher reif werden, die besseren Noten haben, in den Vorstellungsgesprächen besser rüberkommen und ihre Kraft auf die Straße bringen. Dieses Potential wird sich mit etwas Geduld bis nach oben arbeiten.

 

Kann das eine Quote beschleunigen?

Ja, mit Sicherheit. Ich habe vor kurzem ein kluges Statement dazu gehört: Man sollte eine Frauenquote von Minimum 30% einführen und wenn diese erreicht ist, sofort wieder abschaffen. Denn es braucht Seilschaften und Netzwerke, um nach oben zu kommen. Wenn diese auch für Frauen installiert sind, verselbständigen sie sich von selbst und brauchen keine Quote mehr.

 

Warum gibt es dann noch keine Quote bei der BVK?

Das hängt mit unserer Struktur zusammen. Die BVK ist mitgliederverwaltet. Blicken wir auf unsere Gremien – beispielsweise die Apothekerversorgung – dann sitzen da zu 80% Männer, obwohl die Geschlechterverteilung von Apothekerinnen und Apothekern genau umgekehrt ist. Und diese Männer sind das gewohnt, sie kennen es nicht anders und finden es auch gut so, wie es ist. Auf dieser Grundlage gestaltet sich eine Quotendiskussion etwas schwierig. Diese Schale gilt es aufzubrechen und Modelle im Einzelnen zu schaffen, bei denen wir sagen können: Schaut her! Es funktioniert doch!

 

Welchen Beitrag kann die BVK dafür konkret leisten?

Viele gute junge Frauen gehen bei uns beruflich einen vielversprechenden Weg bis sie in das Alter der Familiengründung kommen. Wenn sich die meisten Frauen dann bewusst für eine traditionelle Rollenverteilung entscheiden und zur mir sagen, sie möchten erstmal zu Hause bleiben und den Mann in die Arbeit schicken, dann kann ich sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Und das möchte ich auch nicht. Aber unsere Aufgabe muss sein, die Brücke zu schlagen. Zum einen müssen wir in der Zeit, in der sie nicht arbeitet, den Kontakt halten und sie immer wieder einbinden. Danach müssen wir ihr flexible Angebote für die Rückkehr machen sowie ihr Vertrauen entgegenbringen und sagen: in der Zeit, in der du deine Familie gemanagt hast, hast du für das Thema Führung viel gelernt, wir zählen auf dich! Wenn sie dann wieder an Bord ist, ist noch nichts verloren.

Und meine Botschaft an Frauen ist: Traut euch! Ich habe den Eindruck – [sein Blick geht zur Gleichstellungsbeauftragten der BVK] Frau Obermaier, Sie können das besser beurteilen – dass Männer risikofreudiger sind und sich selbstbewusster neuen Herausforderungen stellen. Ich hatte auch vor jedem Karriereschritt Zweifel, ob ich das schaffe. Aber ich habe mich einfach rein gestürzt, habe Fehler gemacht, daraus gelernt und war dann schon irgendwann der Aufgabe gewachsen. Männer haben manchmal keine Ahnung, aber machen einfach.

 

Susanne Obermaier: Ich finde, die Zurückhaltung und Bedachtheit von Frauen ist eine sehr hilfreiche Eigenschaft, die in der Arbeitswelt völlig verkannt wird! Ja, Frauen sind nicht so risikofreudig. Aber was die Risikobereitschaft der Männer bringt, hat uns die Bankenkrise gezeigt. Untersuchungen haben ergeben, dass es nicht so weit gekommen wäre, wenn mehr Frauen das Sagen gehabt hätten. Eine Arbeitswelt, die mehr Schein als Sein belohnt, ist meines Erachtens Vergangenheit und nicht Zukunft.

 

Daniel Just: Das ist richtig. Die Ergänzung aus beiden Komponenten bringt den Erfolg. Wahrscheinlich arbeite ich deshalb so gerne mit Frauen zusammen.

 

Welche Visionen haben Sie in Bezug auf die zukünftige Arbeitgeberattraktivität der BVK?

Was ich bei der BVK im Vergleich zur Finanzwirtschaft sehr gut finde: Der Unterschied zwischen dem Gehalt einer Sekretärin und eines Vorstands ist nicht so groß. Deshalb haben wir ein viel stärkeres Wir-Gefühl und Verständnis füreinander. Klar muss Leistung honoriert werden, aber nicht ad absurdum – da sind die Banken zu weit gegangen, das haben wir bei der Finanzkrise gesehen. Bescheidenheit und Balance ist ein großer Vorteil, der für die Kammer als Arbeitgeber der Zukunft spricht.

Hinzukommt, dass wir nicht von einem anderen Konzern übernommen werden können und nicht so stark im Wettbewerb stehen. Wir können aus der Ruhe heraus eine Kraft entwickeln und müssen nicht jeder Mode hinterherlaufen, nur damit wir sexy sind. Wenn von oben alle zwei Jahre eine Restrukturierung angeordnet wird, entsteht durch die Neuorganisation auch immer ein hoher Kraftverlust bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir hingehen fahren einen Rhythmus des Wandels, der dem Menschen viel näher ist. Wenn man sich zu wenig bewegt, driftet man ab und wird langweilig. Wenn man sich zu viel bewegt, begeht man die gleichen Fehler wie andere. Diese Balance zu halten, das ist die Kraft der BVK – und die ist enorm an dieser Stelle!

 

Interview: Julia Schmid

 

In diesem Beitrag erzählt Christine Draws, oberste Führungsfrau der Bayerischen Versorgungskammer, mit welchen besonderen Herausforderungen Frauen in exponierter Position konfrontiert werden:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

 

In diesem Interview mit Dr. Maike Kolbeck, Referatsleiterin bei der Bayerischen Versorgungskammer, geht es um die Vereinbarkeit von Kind und Karriere:

Mutmacher.in für Karriere und Familie

 

Wie ein Senior Manager bei der Unternehmensberatung KPMG seine Elternzeit erlebt hat, erfahrt ihr hier:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

SWM-Frauennetzwerk: „Der Austausch gibt so viel Energie!“

Es sind gerade Schulferien in Bayern als Ines Lindner für ein Telefoninterview mit dem Memorandum für Frauen in Führung zur Verfügung steht. Deshalb hat die Betriebswirtin ihre Tochter mit in die Arbeit gebracht – ein Angebot ihres Arbeitgebers Stadtwerke München (SWM). Während die 11-Jährige im Nebenbüro mit anderen Kindern liest, malt und bastelt, spricht Ines Lindner mit großer Leidenschaft über ihr „zweites Kind“: das Frauennetzwerk Expertisen der SWM. Die 44-Jährige ist Mitbegründerin und Teil des fünfköpfigen Kernteams. Sie selbst bezeichnet ihr Engagement nur als „Hobby“, denn im Berufsalltag hat ihre Teamleiter-Rolle klare Priorität – und zu Hause natürlich die Familie. Aus ihrem Hobby ist innerhalb von drei Jahren eine intern wie extern etablierte Plattform geworden, die sich jetzt im Dezember für alle Mitarbeiterinnen der SWM geöffnet hat. “Rund 70 Frauen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen waren bei der ersten großen Veranstaltung dabei – ein voller Erfolg”, berichtet Ines Lindner in einem zweiten Telefonat stolz.

 

Das SWM-Frauennetzwerk Expertisen heißt neuerdings alle Frauen bei den Stadtwerken willkommen. Was haben die Mitarbeiterinnen zu erwarten?

Wir veranstalten regelmäßig Frühstück- und Lunchtermine sowie kleinere Treffen, bei denen unsere Mitglieder Aufgaben und Lösungen vorstellen. Durch die breitgefächerten Themengebiete der SWM (Verkehr, Bäder, Telekommunikation, Gas, Strom, Wasser, Labor usw.) ergibt sich ein sehr abwechslungsreiches Programm. Zudem organisieren wir einmal im Quartal eine große Vortragsveranstaltung mit Topreferenten. Sie setzen Impulse zu Frauen- und Zukunftsthemen über die wir dann im Anschluss diskutieren können. Wir verstehen uns nicht als Kaffeeklatsch-Runde, sondern bieten gute Vorträge mit Mehrwert, die Themen kontrovers beleuchten. Unser Ziel ist, dass jede Teilnehmerin neuen Input mit an den Arbeitsplatz oder nach Hause nehmen kann.

 

Bisher waren wir in kleinerer Runde unterwegs und haben uns an die weiblichen Führungskräfte gerichtet. Die Öffnung für alle Mitarbeiterinnen wird neue organisatorische Herausforderungen aber auch große Chancen mit sich bringen. Wir werden Anfang 2018 Fokus-Themen erarbeiten, die wir dann im Laufe des Jahres sukzessive angehen.

 

Welcher Mehrwert entsteht durch die Öffnung?

Ich denke, dass gerade Frauen, die noch nicht in Führungspositionen angekommen sind, aber sich beruflich und fachlich weiterentwickeln möchten, verstärkt von unserem Netzwerk profitieren können. Frauen brauchen und wünschen sich Vorbilder – andere Frauen, die Herausforderungen bereits gemeistert haben und ihre Erfahrungen weitergeben möchten. Ich hoffe, wir können mit unseren Geschichten für viele Frauen in diese Vorbildrolle schlüpfen und sie motivieren, neue Wege zu gehen, innovativ zu denken und sich mehr zuzutrauen.

 

Warum braucht es überhaupt ein Frauennetzwerk?

Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Mehrwert einer höheren Chancengleichheit in der Arbeitswelt und von gemischten Führungsteams ist längst bewiesen. Die SWM wollen sich kulturell weiterentwickeln, flexibler werden, übergreifender arbeiten, um noch mehr auf Kundenbedürfnisse einzugehen und natürlich um Geschäftspotentiale auszuschöpfen.

Frauen besetzen nur 16% der Führungspositionen – wobei man dazu sagen muss, dass der Anteil von Frauen im gesamten Unternehmen mit 21% relativ gering ist. Viele Maßnahmen, die auf einen Ausgleich abzielen, bleiben gute Intensionen und greifen nicht weit genug. Hier möchten wir ansetzen: Frauen, die wirklich aktiv Themen und Kultur in unserem Haus gestalten wollen, zusammen zu bringen und gemeinsam den Einfluss darauf erhöhen, wie sich die SWM als Unternehmen weiterentwickelt. Das bezieht sich z.B. auf die Vereinbarkeitsfrage von Familie und Beruf, oder auf den Arbeitsstil von Frauen, der sich oftmals von dem der Männer unterscheidet. Allgemein möchten wir alle Ebenen für unterschiedliche Herangehensweisen und Bedürfnisse sensibilisieren.

 

Wie schätzen Sie generell die Networking-Qualitäten von Frauen ein?

Bei der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Unterstützung von Frauen ist noch Luft nach oben. Seilschaften funktionieren teilweise, aber oftmals unterstützen wir uns weniger als wir könnten. Männer sehen den Erfolg anderer oft sportlicher, nehmen Wettbewerb anders wahr. Gönnen wir Frauen uns das wirklich, wenn tatsächlich eine von uns ganz oben landet?

Auf der anderen Seite lerne ich durch das Netzwerk so viele Frauen kennen, die sich gegenseitig befördern, so dass ich das auch gar nicht verallgemeinern möchte.

 

Fällt Ihnen ein Beispiel ein, in dem das Frauennetzwerk bereits etwas Positives bewirkt hat?

Ich stelle an mir selbst fest, dass mich die Reflexion mit anderen und die Energie, die ich daraus ziehe, als Führungskraft enorm vorangebracht hat. Im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen wurde mir für Dezember ein nächster Karriereschritt angeboten, den ich mit einem guten Gefühl angenommen habe. Ich weiß nicht, ob es mir auch ohne die vielen Gespräche und den Rückhalt durch andere Führungsfrauen so ergangen wäre.

Im Unternehmen trägt unsere Arbeit zum kulturellen Wandel und zur Schärfung der Sicht auf die Themen Frauenförderung, Diversität und Führungsstil bei.

 

Wurden Sie beim Aufbau Ihres Netzwerks vom Unternehmen unterstützt?

Sagen wir es so: Es ist unser Hobby und der Job hat Vorrang. Ich kann nicht zu meinem Chef sagen: Diese Woche habe ich zwei Stunden fürs Frauennetzwerk gearbeitet, deswegen konnte ich meine Aufgaben nicht erledigen. Wir bekommen also keinen Zeitausgleich für unser Engagement. Aber wir haben uns mit der Geschäftsführung abgestimmt: Das Unternehmen stellt uns ein Budget zur Verfügung und akzeptiert uns als offizielles Frauennetzwerk der SWM. Dass wir uns mittlerweile auch extern mit großen Frauennetzwerken Münchner Firmen wie Intel, BMW, Accenture vernetzen, hat unser Ansehen intern nochmal gesteigert.

 

Wie sieht das externe Networking aus?

Wir treffen uns ca. alle 6 Wochen in einem anderen Unternehmen mit einer eigenen Agenda – für unser junges Frauennetzwerk ein wertvoller Erfahrungstausch. Manche dieser Netzwerke existieren schon seit 15 Jahren, haben verschiedenste Phasen erlebt und wissen, welche Themen immer wieder auf die Agenda gezogen werden müssen, um im Unternehmen etwas zu bewirken.

 

Welcher persönliche Antrieb steckte hinter Ihrem Engagement?

Vor meiner Zeit bei den Stadtwerken war ich im Mittelstand tätig. Als ich nach acht Monaten Elternzeit in den Job zurückkehrte, wurde mir mitgeteilt, dass es meine Aufgaben aufgrund mangelnder Arbeit nicht mehr gibt. Interessanterweise saßen die männlichen Kollegen freitags bis 19 Uhr im Büro, weil sie viel zu tun hatten. Eine Halbtags-Unterstützung hätte ihnen sicher nicht geschadet. Da fühlt man sich nicht mehr gut aufgehoben.

 

Es ist zum einen diese persönliche Erfahrung, durch die ich relevante Stellschrauben erkannt und gesellschaftliche Entwicklungen reflektiert habe. Zum anderen auch mein Interesse für Innovationen. In jedem Vortrag über die Zukunft der digitalen Arbeitswelt oder Transformation, den ich gehört habe, geht es wenig um Technik, sondern mehr um Kultur und darum, wie wir zusammenarbeiten wollen und wie wir dafür die modernen Instrumente nutzen können. Das sind Fragen, die auf uns alle Niederschlag finden und in die Frauenförderung einfließen.

 

Zudem sind die SWM ein lebensnotweniger Dienstleister unserer Stadt, der am Puls der Zeit bleiben will. Etwas dazu beitragen zu können, macht mir Freude.

 

Sie scheinen eine große Leidenschaft für Fortschritt zu haben…

Das stimmt, Leidenschaft haben wir alle im Kernteam. Das gibt uns Energie. Der zusätzliche Arbeitsaufwand ist natürlich auch kräftezerrend, aber die Energie kommt durch den Austausch mit interessanten Frauen wieder zurück. Das macht wirklich Spaß.

 

Interview: Julia Schmid

 

Einen Beitrag über die Bedeutung von Netzwerken für weibliche Karriereverläufe findet ihr hier:

Welche Bedeutung haben Netzwerke?

 

Und zu einem weiteren SMW-Interview – mit einem Topsharing-Tandem – geht’s hier:

Topsharing par excellence bei den SWM

Topsharing par excellence bei den SWM

Topf und Deckel, Blume und Biene, Bayern und Berge – all diese Vergleiche von perfekter Ergänzung reichen nicht aus, um das Topsharing-Tandem aus Clara Kronberger (rechts auf dem Bild) und Nicole Gargitter (links) bei den Stadtwerken München zu beschreiben. Die eine mit technischem, die andere mit betriebswirtschaftlichem Background – zusammen leiten sie den Bereich “Telekommunikation” mit 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Umsatz von 50 Millionen Euro. Als Kolleginnen über Jahre zusammengewachsen, kamen sie aus familiären Gründen auf die Idee, sich gemeinsam für eine Führungsposition zu bewerben. Sie konnten die Hausspitze durch ihr proaktives Engagement von ihrem Konzept überzeugen – weil sie einzeln spitze und zusammen unschlagbar sind.

 

Im Interview mit dem Memorandum für Frauen in Führung, dem die Stadtwerke München angehören, sprechen sie offen über ihr enges Verhältnis, anfängliche Probleme und wie sehr sie sich gegenseitig bereichern. Eines steht schon nach wenigen Minuten fest: Der Spaß kommt bei den beiden trotz der großen Verantwortung nie zu kurz.

 

Im Vorfeld haben wir Nicole Gargitter und Clara Kronberger einen Fragebogen zugeschickt, den sie unabhängig voneinander ausfüllen sollten. Ihre Antworten fließen in den Beitrag mit ein.

 

Wieso als Tandem?

Clara Kronberger (K.): Wir teilen seit sechs Jahren Büro und Aufgabenbereich, haben viele Projekte gemeinsam durchdacht, uns gegenseitig unterstützt und dabei gesehen, dass sich unsere Kompetenzen sehr gut ergänzen. Dazu kommt, dass ich wegen meiner dreijährigen Tochter nur zu 50% arbeiten möchte und Nicole sich auch irgendwann Kinder wünscht und nicht immer – wie im Moment noch – in Vollzeit arbeiten will. Weil diese Position mit dieser Führungsspanne und Budgetverantwortung für eine alleine in Teilzeit nicht machbar wäre, haben wir gesagt: 0,5+0,5=1.

 

Wie teilen Sie sich die Arbeit auf?

Nicole Gargitter (G.): Durch ein Coaching, das wir uns organisiert haben und Learning by Doing haben wir erkannt, dass es sinnvoll ist, gemeinsame Themen (wie Personalentscheidungen) und eigene Schwerpunkte zu haben – je nach Neigung und Dringlichkeit. Anfangs haben wir versucht alles gemeinsam zu bearbeiten, weil wir dem anderen nichts wegnehmen und stets am Ball bleiben wollten. Das hat aber dazu geführt, dass keiner mehr eine eigene Bühne hatte und ein Thema alleine angehen konnte.

K.: Auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt: ich bin vormittags da und eher der Ansprechpartner für die frühen Vögel und langfristen Anliegen. Nicole ist diejenige, die schneller agieren kann und rund um die Uhr greifbar ist. Aber wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden, sodass wir vor Mitarbeitern immer beide sprechfähig sind.

 

Sie sprechen von einem Lernprozess – wo hat es am Anfang gehapert?

K.: Ich würde unser Modell mit einer Beziehung vergleichen. Wir haben uns auf einer völlig anderen Ebene nochmal kennen gelernt – gegenseitig und uns selbst. Was ist dem anderen wichtig? Wo sind die feinen Unterschiede?

G.: Wir sind anfangs immer mal wieder in Konfliktsituationen gelaufen, die von keinem böse gemeint waren. Als wir beim Coaching über Punkte gesprochen haben, die uns stören, haben wir gemerkt, dass das oft nichts mit dem anderen zu tun hatte, sondern mit der eigenen Bewertung der Situation. Manchmal ist man selbst unsicher oder wünscht sich mehr Sichtbarkeit und projiziert das auf den anderen.

K.: Durch Nicole habe ich gelernt, meine Sichtweisen immer zu reflektieren. Das sind wichtige Selbsterfahrungswerte, die mich auch fachlich enorm weitergebracht haben.

 

Welche Stärken hat aus Ihrer Sicht Ihre Tandem-Partnerin?

Clara Kronberger über Nicole Gargitter: Direktheit, Loyalität, Herzlichkeit, fachliches Verständnis sowohl für wirtschaftlich komplexe Themen als auch für Telekommunikation, Networking Kompetenz, Offenheit, geht auf alle Menschen unvoreingenommen zu, kann gut fokussieren und priorisieren, Engagement, Motivation, Verbindlichkeit, Präzision, Reflexionsfähigkeit, Kommunikativ

Nicole Gargitter über Clara Kronberger: begeisterungsfähig, lustig, emotional, loyal, zuverlässig, ehrlich, entscheidungsstark, durchsetzungsstark, intelligent, strukturiert, strategisch

 

So wie sie die Stärken der jeweils anderen beschreiben, scheinen Sie beide sehr unterschiedliche Persönlichkeiten zu sein. Konnten Sie das von Anfang an produktiv für sich nutzen?

G.: Clara ist eher die Strategin und hat die Richtung im Blick, ich versuche die zwischenmenschlichen Komponenten im Blick zu behalten und sehr stark auf die Zahlen zu schauen. Diese Synergien haben wir sehr früh verstanden zu nutzen.

K.: Nicole ist Herz und Zunge unseres Tandems, aber wir sind beide leidenschaftliche und emotionale Personen. Damit beflügeln wir uns gegenseitig. Meistens. Manchmal kann das auch in den Abgrund führen. Aber Gott sei Dank nur sehr selten und wir finden auch immer wieder raus (beide lachen)….

 

In welcher Sache gehen Ihre Meinungen am weitesten auseinander?

K.: “Wie man mit und in hierarchischen Systemen mit Vorgesetzten und Mitarbeitern umgehen sollte.”

G.: “Bedeutung von Hierarchie”

 

Beim Thema “Hierarchien” sind Sie sich einig, dass Sie sich nicht einig sind. Was hat es damit auf sich?

K.: (Lacht) Wir haben ein etwas unterschiedliches Verständnis dafür, wofür Hierarchien gut sind. Während es mir nicht so schwer fällt zu akzeptieren, dass es Hierarchien und damit einhergehende Regeln gibt, würde Nicole oft lieber den direkten Weg nutzen, wenn er schneller und effizienter ist. Da kommen wir immer mal wieder in lustige Situationen.

 

Also ihre Uneinigkeit sieht dann so aus, dass sie darüber lachen?

G.: Ja, weil es in dieser Hinsicht oft so ist, dass ich in Fettnäpfchen trete und Clara muss mir dann immer erklären warum ich da rein getreten bin.

 

Waren Sie beide schon mal so von Ihrem Standpunkt überzeugt, dass es zu keiner Einigung kam?

G.: Nein, das ist uns noch nie passiert.

K.: Es war uns aber auch von vornherein klar: das darf nicht passieren!

G.: Man ärgert sich vielleicht Mal kurz über etwas, das die andere gemacht hat. Aber ich weiß immer – und das mein ich so zu 100% – dass Clara das nie aus böser Absicht tun würde oder weil sie mir schaden will. Sondern weil’s halt einfach in der Hektik passiert ist. Wir unterstellen uns beide grundsätzlich nur das Positive.

 

Trauen Sie dieses Fingerspitzengefühl auch Männern zu?

K.: (lacht) Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

G.: Männer schaffen das auch, aber wahrscheinlich mit anderen Bewältigungsmechanismen. Wir diskutieren halt abends nochmal zwei Stunden am Telefon, weil wir das beide unbedingt klären möchten. Ich könnte mir vorstellen, dass Männer dieses Bedürfnis vielleicht weniger haben und Uneinigkeiten dann so regeln: Abhaken ohne groß drüber zu reden, oder einfach mal auf ein Bier gehen und dann ist danach wieder alles ok.

 

Die Kehrseite Ihres Ausdiskutierens ist aber auch ein zeitlicher und emotionaler Zusatzaufwand…

G.: Den Abstimmungsaufwand muss jedes Topsharing- oder Jobsharing-Tandem bewältigen. Aber uns hilft das gleichzeitig, in der Führungsaufgabe zu wachsen und voneinander zu lernen. Und wir sehen einen Mehrwert darin, dass wir uns gegenseitig und auch uns selbst besser kennen lernen. Das ist uns beiden der Zeitaufwand wert.

K.: Und wir haben dabei auch ziemlich viel Spaß!

 

Können Sie sich an eine Entscheidung/berufliche Situation erinnern, bei der Sie vom Wissen/der Kompetenz Ihrer Tandem-Partnerin profitiert haben?

K.: Immer wenn es um wirtschaftlich komplexere Themen geht. Außerdem immer dann wenn es mehr um persönliche Vernetzung und weniger um Standardprozesse geht (also meistens ;-). In jeder Situation als Reflexionspartnerin, um mein eigenes Verhalten aus Ihrer Perspektive zu sehen.

G.: Im Umgang mit hierarchischen Menschen und im Umgang mit meinen eigenen Ängsten und Unzulänglichkeiten.

 

Wollen Sie eigentlich jemals wieder ohneeinander arbeiten?

K.: Mein Lebens- und Familienmodell hängt untrennbar mit diesem Topsharing-Modell zusammen, das merke ich immer wieder wenn Nicole in ihren verdienten Urlaub geht und ich es nicht mehr schaffe, die 50% zu halten. Aber deswegen sind wir nicht für Ewigkeiten aneinander gekettet. Wir wollen uns auch die Freiheit geben, uns zu entwickeln. Aber wir könnten natürlich auch zusammen weiter nach oben gehen – (lacht).

G.: Oh ja, das könnte ich mir auch sehr gut vorstellen. Aber ich muss ehrlich sein: ich möchte zwar Kinder, aber sollte das nicht klappen, stellt sich bei mir vielleicht irgendwann die Frage, ob ich mich dann verstärkt meiner Karriere zuwende und in eine Richtung gehen möchte, die Clara dann nicht mehr mitgehen will.

Aber wenn das mit den Kindern klappt, könnte ich mir sehr gut vorstellen, mit Clara bis nach oben durchzumarschieren.

 

Beschreiben Sie Ihr Duo mit einem Satz…

K.: Wir können uns auf einander verlassen und ergänzen uns mit unseren jeweiligen Fähigkeiten und Stärken.

G.: Unser Duo profitiert von 100%igem Commitment und Vertrauen zueinander und zur Sache.

Interview: Julia Schmid

 

Hier geht’s zu einer weiteren Führungsfrau der Stadtwerke München, die Lust aufs Nachmachen bereitet:

Mutmacher.in für „einfach ausprobieren“

Eine Analyse zu flexiblen Arbeitsmodelle in Unternehmen nimmt dieser Beitrag vor:

Flexible Arbeitswelten für Frauen und Männer – nur nicht auf den Topetagen

 

Und auch Männer kommen bei uns zu Wort:

„Meine Work-Life-Balance stimmt“

So gelingt Karriere in Teilzeit

Mirjam Giorgini macht vielen Frauen Mut, die daran zweifeln, dass beides möglich ist: Verantwortung im Job UND Zeit für Kinder. Die 37-Jährige hat Karriere im Bereich “Audit” beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG in Köln gemacht, den Aufstieg zur Partnerin direkt nach der Elternzeit gemeistert und arbeitet in Teilzeit – denn: „Ich habe kein Kind bekommen, um keine Zeit mit meiner Tochter zu verbringen“, sagt Mirjam Giorgini. Dem Memorandum für Frauen in Führung, das auch KPMG unterzeichnet hat, gewährt sie Einblicke in ihren Arbeitsalltag als Führungsfrau mit 80% Arbeitszeit.

 

Teilzeit ist bei Ihnen keine Sackgasse – Sie wurden nach der Babypause sogar befördert, wie kam es dazu?

Mirjam Giorgini: Ich hatte mich schon vor meiner Schwangerschaft für die Position als Partnerin beworben und war für die Beförderung vorgesehen. Dann wurde ich mitten im Auswahlprozess schwanger. Aber KPMG hat Wort gehalten und mich ein Jahr nach meiner Elternzeit zur Partnerin bestellt. Allerdings war es für meinen zukünftigen Verantwortungsbereich erforderlich, dass ich sofort mit mindestens 80 Prozent wieder einsteige. Ich hätte gerne nach der Elternzeit erstmal mit weniger angefangen, allerdings war das bei mir wegen des zu betreuenden Mandantenportfolios leider nicht möglich. Dafür konnte ich aber Arbeitszeit und -ort flexibel gestalten.

 

Wie funktioniert Ihr Arbeitsmodell im Alltag?

Ein Kind funktioniert nicht nach Plan und die eigene Einstellung ändert sich mit Kind auch vollkommen. Nur mit einem guten Netzwerk und viel Kommunikation sind die täglichen Herausforderungen zu meistern. Und die Flexibilität, die ich von KPMG und meinem Team bekomme, ist ein Geben und Nehmen. Wir hatten beispielsweise kürzlich zwei Kollegen, die über eine längere Abwesenheit vertreten werden mussten. Da bin ich auch eingesprungen und habe weit mehr geleistet als es meine Aufgabe gewesen wäre. Vor allem aber überlege ich mir sehr genau, wofür ich welche Zeit aufwende und wie ich den Tag plane. Was mir dabei auch sehr wichtig ist, ist das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen zwischendurch. Damit ich mich auf mein Team verlassen kann – und anders wären die 80 Prozent nicht möglich – nehme ich mir zwischendurch immer Zeit für einen privaten Plausch.

 

Sie haben nach dem Studium bei KPMG begonnen und sind auf direktem Weg zur Partnerin durchmarschiert. War das von Anfang an ihr Ziel?

Nein. Ich war damals sehr jung, 24 Jahre, und wollte alles auf mich zukommen lassen. Was ich schon im Blick hatte, war das Steuerberater-Examen. Das hat zum Glück beim ersten Versuch geklappt. Meine Mitstreiter haben damals alle gesagt: „Komm, wir versuchen sofort noch den Wirtschaftsprüfer drauf zu setzen, sonst machen wir das nicht mehr.“ Da habe ich mich angeschlossen. Ich hatte dann das Glück einen Mentor zu finden – er war von Anfang an von meiner Leistung überzeugt und hat mich seit der bestandenen Prüfung zur Wirtschaftsprüferin auf dem Weg zur Partnerin unterstützt und begleitet.

 

Warum gibt es trotz Flexibilitätsangebot immer noch wenige Frauen in der Position?

Die Wirtschaftsprüfungsbranche ist schon noch eine Männerdomäne und es ist nicht immer einfach, sich in diesem Umfeld durchzusetzen. Auch ich bin mit Fragen konfrontiert worden: ‚Wie willst du das schaffen? Beruf und Familie, ist das in der Position überhaupt realisierbar?‘ Da benötigt man ein starkes Rückgrat und ein gut funktionierendes Netzwerk, um zu sagen, ich trau mir das trotzdem zu und stelle mich der Herausforderung. Und zum anderen ist es bis zu den beiden Berufsexamina manchmal ein langer und harter Weg. Wenn man auch nach drei Versuchen nicht erfolgreich war, muss man sich innerhalb der KPMG neu orientieren und Alternativen zur geplanten Karriere finden, da in der Wirtschaftsprüfung das WP-Examen für die Beförderung zum Manager notwendig ist. Das schreckt viele ab. Zudem benötigen Frauen wie Männer für die Akzeptanz flexibler Arbeitsmodelle neben ihrer fachlichen Fähigkeit die Anerkennung und Unterstützung im Management.

 

Was sollte sich ändern, damit noch mehr Frauen Karriere in Teilzeit machen können?

Mehr Frauen in Führungspositionen, die andere Frauen in ihrem Berufsalltag unterstützen, die Möglichkeiten für Beruf und Familie aufzeigen und die selbst nicht kritischer sind als Männer. In unserer Branche wird zudem bereits überlegt, wie man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter früher zu den Examina bewegen kann. Der andere Ansatzpunkt ist die interne Akzeptanz. Ein Beispiel: Telefonkonferenzen für die Besprechung interner Angelegenheiten wurden oft zwischen 17 und 19 Uhr eingestellt. Meetings fanden häufig nachmittags in Düsseldorf statt. Wie soll ich das als Mutter schaffen? Anfangs wusste ich nicht damit umzugehen. Irgendwann habe ich das Thema offen angesprochen und darum gebeten, die Termine zu günstigeren Zeiten zu legen. Und siehe da, es war überhaupt nicht böse gemeint, sondern einfach nicht präsent. Mittlerweile hat sich das wunderbar eingespielt.

 

In Skandinavien ist es üblich, dass ab 16 Uhr keine Termine eingestellt werden. Warum klappt das in Deutschland – der Wirtschaftsnation schlechthin – nicht?

Skandinavien ist zum Beispiel stärker davon geprägt, dass mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen arbeiten und Männer wie Frauen ein Interesse daran haben, beruflich erfolgreich zu sein und gleichzeitig ein intaktes Familienleben zu führen. In Deutschland ist es tatsächlich immer noch so, dass mehrheitlich der Mann im Job den Erfolg hat und die Frau in Teilzeit arbeitet. Zwar ist es in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich und auch bei KPMG hat sich der Anteil der Partnerinnen in den letzten drei Jahren um mehr als 40% erhöht, aber auch in meinem direkten Umfeld befinden sich fast nur Partner, die mit den alltäglichen Herausforderungen der Kinderbetreuung kaum konfrontiert sind.

 

Warum haben Sie sich mit Ihrem Mann nicht anders organisiert?

(Mirjam Giorgini lacht bei dieser Fragen und sagt:) Ja, das ist interessant. Wahrscheinlich weil ich schon immer die treibende Kraft war, die Kinder wollte. Hinzu kam der Spagat mit dem Jobangebot. Da habe ich für mich beschlossen: Ich möchte ein Kind und weiter im Beruf bleiben, das heißt aber dann nicht, ich arbeite 100% oder 120% und mein Mann übernimmt in Vollzeit die Erziehung unserer Tochter. Zusätzlich kam bei meinem Mann das Pendeln hinzu. Und ich muss sagen, für mich ist Laura der perfekte Ausgleich. Ich bin eigentlich ein Workaholic, arbeite gerne und viel. Laura erdet mich total. Ich würde das Muttersein auf keinen Fall missen wollen.

 

Hatte ihr Mann Elternzeit?

Nein, dies war leider zu dem Zeitpunkt bei seinem Arbeitgeber nicht zu realisieren.

 

Aber er hat einen gesetzlichen Anspruch darauf!

Der gesetzliche Anspruch ist das eine, die Umsetzung für die Eltern sieht da aber anders aus. Hier sind Abstimmungen mit den jeweiligen Arbeitgebern erforderlich und müssen immer mit dem Job in Einklang zu bringen sein, gerade wenn es um längere Projekte geht. Dafür bleibt er jetzt drei Monate zu Hause und kann die Zeit mit unserer Tochter nutzen.

 

Würden Sie für ein zweites Kind einen Karriererückschritt in Kauf nehmen?

Warum sollte ich das? Ein zweites Kind heißt doch nicht Karriererückschritt, sondern ist eine neue Herausforderung, der ich mich jederzeit stellen würde. Es gibt bei KPMG auch andere Partnerinnen mit mehreren Kindern und ich möchte ein Vorbild sein, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie funktionieren kann, dafür stehe ich.

 

Interview: Julia Schmid

 

Und so sieht ein typischer Arbeitstag von Mirjam Giorgini aus…

 

Als Partnerin im Bereich Audit (Prüfungen von Konzern- und Jahresabschlüssen) stehen gerade in der Busy-Season – das heißt bei mir in der Zeit zwischen Anfang Februar und Ende Juni, in der die meisten Abschlüsse und Aufsichtsratssitzungen stattfinden – viel Arbeit und enge Fristen an. So schaffe ich mein Pensum während dieser Phase in Teilzeit:

 

Zwischen 8:00 – 8:30 Uhr bringe ich auf dem Weg zur Arbeit unsere Tochter Laura in den Kindergarten. Mein Mann musste bisher nach Düsseldorf pendeln, deshalb habe ich das Bringen und Abholen übernommen. Bald arbeitet er in Köln, vielleicht organisieren wir uns dann anders.

 

Ab 9:00 Uhr bin ich im Büro oder beim Kunden. Da meine Arbeitszeit begrenzt ist, starte ich sofort von null auf hundert – einen gemütlichen Start in den Arbeitstag gibt es bei mir nicht. Wenn Mandantentermine auswärts anstehen, versuche ich sie mir auf die Zeit zwischen 9 Uhr und 16 Uhr zu legen, um Laura am Nachmittag pünktlich wieder abholen zu können. Ich bin überwiegend für den Bereich NRW zuständig, die meisten Mandate kann ich an einem Tag gut abfahren. Ich bin häufig und gerne bei meinen Kunden und Teams vor Ort, vor allem bei Gesprächen mit der Geschäftsführung, dem Aufsichtsrat und selbstverständlich auch bei offenen Fragen oder zur Unterstützung meines Teams.

 

12:30 – 13:00 Uhr: Meine Mittagspause verbringe ich am Arbeitsplatz. Für eine halbe Stunde schließe ich meine Tür, lese und erledige Dinge, für die ich Ruhe brauche.

 

Ab 16:30 Uhr: An drei Tagen in der Woche hole ich Laura zwischen 16:30 Uhr und 17 Uhr vom Kindergarten ab. An den anderen beiden Tagen haben wir eine „Leihoma“ und ich kann an diesen Tagen die Zeiträume flexibel steuern und bei Bedarf etwas länger arbeiten. KPMG hat uns über den Elternservice AWO eine pensionierte Kindergartenleiterin vermittelt, die eine neue Aufgabe gesucht hat. Lauras Großeltern leben leider nicht in Köln, deshalb ist das für uns perfekt. Und Laura mag sie total gerne. Sie gehört mittlerweile zur Familie und ist genau wie die Großeltern bei Geburtstagsfeiern dabei.

 

Manchmal muss ich zwischen 17 Uhr und 19 Uhr zu Hause noch ein wichtiges Telefonat wahrnehmen. Dann kommt es schon mal vor, dass Laura zu unserer Nachbarin zum Spielen geht. Aber das soll die Ausnahme bleiben, denn ich habe kein Kind bekommen, um neben meinem verantwortungsvollen Job überhaupt keine Zeit mehr mit der Kleinen zu verbringen. Unter der Woche ist unsere gemeinsame Zeit zwischen 17 Uhr und 20 Uhr ohnehin kurz.

 

Nach einem gemeinsamen Abendessen bringen mein Mann oder ich Laura um ca. 20 Uhr ins Bett. Danach fahre ich regelmäßig nochmal den Rechner hoch. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, dass sie mich immer anrufen können, aber oft warten sie bis nach 20 Uhr. Die Arbeitszeit bis ca. 23 Uhr kommt in der Busy-Season zu meiner 80%-Regelung nochmal on top, dafür kann ich mir die Zeit im Sommer wieder frei nehmen. Das schätze ich wirklich sehr an KPMG. Auf das ganze Jahr gesehen, funktioniert das mit der 80%-Regelung gut, vor allem was meine Mandatsverantwortung und mein Team angeht.

 

Hier erzählt Birgit Derks, Referatsleiterin bei der Bayerischen Versorgungskammer, wie sie ihre Führungsposition in Teilzeit mit zwei Kindern vereinbart:

Karriere-Talk mit Birgit Derks, BVK

 

Stephanie Vischer, Mutter und Abteilungsleiterin bei LBS Bayern, möchte genau so Karriere machen können wie ihr Mann:

Karriere-Talk mit Stephanie Vischer, LBS Bayern

 

Daniel Jagar ist Senior Manager bei KPMG und arbeitet flexibel, um möglichst viel Zeit für die Familie zu haben:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Flexible Arbeitswelten für Frauen und Männer – nur nicht auf den Topetagen

Die gute Nachricht zuerst: Es tut sich was für Frauen und Männer in der Arbeitswelt!

 

Im aktuellen Benchmark des Memorandums für Frauen in Führung (kurz MFF), an dem acht Unternehmen teilgenommen haben, zeigen sich wesentliche Entwicklungen in den Bereichen Frauen in Führungspositionen, Umfang der Teilzeittätigkeit von Frauen und Männern, Inanspruchnahme von Elternzeit durch Frauen und Männer und Angebote zu flexiblen Arbeitszeitmodellen. Weitere Benchmark-Ergebnisse und Grafiken finden sich auf der Homepage des MFF unter dem Menüpunkt “Benchmark”.

 

Der Benchmark des MFF wird seit dem Jahr 2010 jährlich durchgeführt und kann damit relevante Entwicklungen in den Unternehmen über die Jahre hinweg abbilden. Beim Benchmark 2016 haben sich die Unternehmen BayernLB, Bayerische Versorgungskammer, Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, GEWOFAG, LBS Bayern, LVM Versicherung und SWM Stadtwerke München beteiligt.

 

Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen in den Räumlichkeiten von MFF-Mitglied Bayerische Versorgungskammer.
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen in den Räumlichkeiten von MFF-Mitglied Bayerische Versorgungskammer. Foto: BVK

 

Es zeigt sich: Die Arbeitswelt ist in den vergangenen sieben Jahren geschlechtergerechter und flexibler geworden.  ABER: es fehlen noch wesentliche Schritte, um die Ziele des MFF zu erreichen.

 

Diese positiven Veränderungen zeigen sich in den Unternehmen:

  • Der Anteil von Frauen auf den unteren Führungsebenen hat in den vergangenen sieben Jahren kontinuierlich zugenommen. Während Ende 2010 der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Mittel bei 23% bei allen am Benchmark beteiligten Unternehmen lag, hat sich der Anteil bis 2016 auf 32% erhöht. Dieser neunprozentige Anstieg in sieben Jahren macht deutlich, dass sich die Integration von Frauen auf den Führungspositionen nachhaltig und mit einer erfreulichen Geschwindigkeit vollzieht. Setzt sich der positive Trend so fort, dann können wir bei den Unternehmen, die sich seit 2010 am Benchmark beteiligen, bereits 2022 einen durchschnittlichen Anteil von über 50% Frauen in Führungspositionen erwarten.
  • Mehr als ein Drittel der Beschäftigten bei den am Benchmark beteiligten Unternehmen arbeiteten 2016 in Teilzeitmodellen. Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen und Männer hat sich damit seit 2010 von 28% aller Beschäftigten auf 34% erhöht. Von Teilzeit als Ausnahmemodell kann daher kaum mehr gesprochen werden und die Ergebnisse spiegeln die gesellschaftlichen Bedürfnisse wider. Der Wunsch der Beschäftigten neben einer qualifizierten Erwerbstätigkeit auch anderen Lebensbereichen mit Energie und Aufmerksamkeit nachgehen zu können, wird immer lauter. Neben Gründen der familiären Vereinbarkeit oder der Pflege von Familienangehörigen zeigt sich längst der individuelle Wunsch nach einer ausgeglichenen Mischung von Arbeit und Leben. Besonders bemerkenswert ist, dass der Anteil der Männer, die in Teilzeit arbeiten in den vergangenen sieben Jahren ebenfalls kontinuierlich angestiegen ist. Ein Trend, der sich bei beiden Geschlechtern zeigt und damit die Zuschreibung von „Teilzeit ist Frauensache“ langfristig verändern wird.
  • Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist bei Männern – wie bei Frauen – mittlerweile gängige Praxis, auch wenn die Männer in der Regel bei den gesetzlich motivierten zwei Monaten bleiben.
  • Die angebotenen Arbeitszeitmodelle werden immer vielfältiger. Dies zeigt sich sowohl beim Einsatz neuer Kommunikationstools, die eine fortlaufende ortsunabhängige Kommunikation fördern sollen. Deutlich wird der Wandel auch daran, dass die Nutzung von Homeoffice mit neuen Modellen – wie dem „Flexitag“ – von der Ausnahme zum Standard gemacht werden soll. Die bisher notwendige Rechtfertigung seitens des Mitarbeiters, warum er denn gerade heute im Homeoffice arbeiten will, ist damit nicht mehr notwendig und gibt den Beschäftigen die Freiheit für sich zu entscheiden, wo die Arbeit am besten erledigt werden kann.

Diese „ABER“ lassen sich erkennen:

  • Der Anteil von Frauen in Führungspositionen wächst ausschließlich auf den unteren Führungsebenen, wie Team- und Abteilungsleiterinnen. Auf den oberen Führungsebenen stagnieren die Anteile von Frauen auf diesen Positionen oder sind bei einigen Unternehmen sogar rückläufig. Die „Glass Ceiling“ („Gläserne Decke“) zeigt sich hier in den Daten ganz deutlich und macht klar, dass es auch heute für Frauen immer noch fast unmöglich ist, bis in die Vorstandsebene zu kommen. Klar wird damit auch, dass es nur mit weiteren umfassenden Maßnahmen gelingen kann, mehr Frauen den Aufstieg in die Top-Etagen zu ermöglichen. Dazu gehört zum einen, dass die systematische Förderung von Frauen auf den unteren Führungsebenen beibehalten wird. Zum anderen müssen Angebote für mehr Frauen in Top-Etagen wie z.B. Mentoring-Programme, Coaching und Sponsoring-Angebote ausgebaut werden. Hier gilt es sowohl strukturelle alsauch kulturelle Barrieren zu überwinden und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es für Frauen attraktiv machen, Verantwortung in der ersten Reihe zu übernehmen.
  • Teilzeit hat Konjunktur – aber nicht auf den Topetagen. Die Zunahme von Führungsmodellen in Teilzeit endet auf Abteilungsleiter-Ebene. In nur drei von acht Unternehmen arbeitet jeweils eine Person auf der Ebene der Bereichsleitung in Teilzeit. Modelle wie Top-Sharing, also eine geteilte Führungsverantwortung, sind aktuell ausschließlich auf die unteren Führungsebenen beschränkt.  Auf den oberen Führungsebenen dominiert nach wie vor die Kultur der ständigen Erreichbar- und Verfügbarkeit. Dabei wäre gerade hier eine Flexibilisierung wichtig, um Top-Positionen für Frauen attraktiv zu machen – ein Kriterium das im Übrigen auch zunehmend für männliche Nachwuchstalente an Bedeutung gewinnt.
  • Dass immer mehr Männer Elternzeit in Anspruch nehmen – wenn auch nur für zwei Monate – ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Doch das scheint sich erstaunlich wenig auf die Arbeitsteilung in den Familien auszuwirken. Interessanterweise hat von den am Benchmark beteiligten Unternehmen bisher nur ein Unternehmen spezifische Angebote, die auch Väter ansprechen. Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass junge Väter sehr kritisch abwägen, wann und wie lang sie sich eine Familienauszeit genehmigen können, ohne Karriereeinbußen befürchten zu müssen. Ein klares Signal dahingehend, dass sich die Kultur einer „AllzeitBereitErwartung“ an die Männer noch nicht verändert hat. Hier kann es nur hilfreich sein, männliche Vorbilder und Rollenmodelle aufzuzeigen, die für sich eine gelungene Balance aus Verantwortung in der Familie und einer qualifizierten Tätigkeit gefunden haben.
  • Die neuen Arbeitszeitmodelle fordern mehr von den Menschen! Es geht darum, individuell Verantwortung für das Gelingen der Arbeit, der Kommunikation, der eigenen Einbindung ins Team und der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen zu übernehmen. Die Bedürfnisse sind vielfältig. So zeigt sich, dass der Wunsch eine soziale und kommunikative Anbindung im Büro zu haben, ein wesentlicher Wohlfühl-Faktor für viele Beschäftigte ist. Gerade im Home-Office lauert auch die Gefahr, kein Ende bei der Arbeit zu finden und weit mehr Zeit zu investieren, als man offiziell arbeiten müsste. Wie Unternehmen hier konstruktive Rahmenbedingungen setzen können, zeigt sich an der Diskussion über eine zeitlich begrenzte Diensthandy-Nutzung.
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen. Foto: BVK
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen. Foto: BVK

Der Weg zu einer gendergerechten Arbeitswelt

Die bereits errungenen Erfolge und die noch offenen Baustellen machen deutlich: Unternehmen, Vorstände, Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen vor der Herausforderung, Arbeit auf allen Ebenen flexibler und vorurteilsfreier zu gestalten und stärker nach den realen Bedürfnissen als nach alten Strukturen auszurichten. Zentral ist, dass dies bis in die höchste Ebene geschieht, denn an ihr orientieren sich die unteren Ebenen und nur so können es Frauen bis an die Spitze schaffen.

Das Memorandum für Frauen in Führung stellt daher einen gemeinsamen Kulturwandel in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit, der nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten sich nicht als Kunde, sondern als Teil der Lösung verstehen.

 

Autorin: Simone Schönfeld

(Eine der Initiatorinnen des MMF und

Geschäftsführerin der genderspezialisierten Unternehmensberatung Cross Consult)

 

KPMG-Mitarbeiter Daniel Jagar ist selbstbewusst in seine 4-monatige Elternzeit gegangen:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Dass Frauen in Toppositionen oft unter besonderer Beobachtung stehen, kann Christine Draws, Führungsfrau bei der Bayerischen Versorungskammer, bestätigen:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

Mutmacher.in für Erfolg im Job

Andrea Kemmer hat mit 24 Jahren nach dem Ingenieursstudium ihre berufliche Laufbahn bei KPMG begonnen und sich dort innerhalb von 10 Jahren in einem sehr männlich dominierten Umfeld zu einer der jüngsten Partnerinnen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hochgearbeitet. Sie kennt die Hürden und weiß welches Rüstzeug nötig ist, um Erfolg zu haben. Auf der herCAREER wird sie in dem von uns präsentierten KarriereMeetUp „Erfolg im Job – Karrieretipps für junge Frauen in der Beraterbranche mit Do’s and Don’ts auf dem Weg nach oben“ den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wichtige Informationen und Tipps über eine Karriere in der Beraterbranche weitergeben. Das KarriereMeetUp findet am Freitag, den 13.10.2017, von 11 bis 12 Uhr auf der ausgeschilderten Fläche gegenüber des Haupteingangs statt.

 

Was ist denn der wichtigste Karrieretipp, den Sie in Ihrer Laufbahn gelernt und umgesetzt haben?

Drei Prinzipien versuche ich immer zu beherzigen: Geben und Nehmen ist gleich wichtig, die eine Hand wäscht die andere und man arbeitet besser zusammen als gegeneinander. Ich setze mich durch mit Humor und Empathie, manchmal auch mit ein wenig Selbstironie – und man sollte  nicht alles persönlich nehmen.

 

 Wie wichtig sind Mentoren oder Unterstützer an der Seite?

Sie sind essentiell wichtig! Jeder Mensch braucht Rat oder einen Sparringspartner. Mentoren zu finden, das kann man aber nicht erzwingen – die kommen einfach… Ich muss aber gestehen, dass weibliche Vorbilder für mich eigentlich keine große Rolle gespielt haben, sondern dass ich so erzogen wurde, dass jeder Mensch unabhängig vom Geschlecht mit der richtigen Motivation das tun kann, was er oder sie möchte.

 

Gab es schon in Ihrer Kindheit eine Frau, die Ihnen Mut gemacht hat?

Mut machen mir die Frauen in meinem engen Umfeld und Freundeskreis, die allein ihrem individuellen und sehr unterschiedlichen Feldern sehr erfolgreich sind. Wir unterstützen und fördern uns gegenseitig.

 

Wie gehen Sie heute damit um, als eine von immer noch relativ wenigen Frauen in so exponierter Position zu stehen?

Ich lasse mich nicht davon beirren, wenn komische Sprüche kommen oder ich das Gefühl habe nicht ernst genommen zu werden. Schon früh habe ich mir angewöhnt, mich von solchen Situationen nicht verunsichern zu lassen, das kann man richtig üben. Ich sage stattdessen meine Meinung und diskutiere mit. Ich möchte mir über Kompetenz und kollegiale Zusammenarbeit Respekt erarbeiten.

 

Was muss passieren, damit es mehr Frauen wie Sie in die oberste Führungsriege schaffen?

Wir Frauen müssen uns trauen! Ich bin der Überzeugung, dass Frauen alles erreichen können was sie wollen. Wichtig dafür sind Mut und Selbstbewusstsein. Pauschal eine Führungsposition zu fordern, weil man eine Frau ist, ist für mich nicht der Weg – die Kollegen in der täglichen Arbeit davon überzeugen, dass man gute Ideen und Impulse hat und dann auch zum richtigen Zeitpunkt einmal fordern und zur eigenen Karriere Klartext reden, das erfordert Mut und mehr Vertrauen in sich selbst.

 

Das Interview ist ebenfalls auf der Homepage der herCAREER erschienen.

 

In einem weiteren KarriereMeetUp könnt ihr euch mit Dr. Maike Kolbeck austauschen:

Mutmacher.in für Karriere und Familie

 

Und hier findet ihr ein Interview mit einem anderen KPMG-Mitarbeiter:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Gemeinsam mutig sein auf der HerCareer 2017

Nächste Woche ist es zum 3. Mal so weit: Die herCAREER wird zum Place-to-be für alle berufsinteressierten Frauen – Männer sind selbstverständlich auch herzlich willkommen! Am 12. und 13. Oktober dreht sich bei der Messe im MTC München wieder alles um die Karriereplanung aus weiblicher Perspektive.

 

Mit dem Memorandum für Frauen in Führung sind wir Kooperationspartner der Messe und neben 190 anderen Unternehmen mit einem Stand vertreten. Dieses Jahr steht bei uns alles unter dem Motto “mutmacher.in”

 

In drei KarriereMeetUps bieten wir einen exklusiven Austausch mit spannenden Top-Frauen, die mit ihrer Geschichte Mut machen, sich mehr zuzutrauen:

  • Donnerstag, 12.10.2017, 11:00 Uhr:  MeetUp mit Dr. Maike Kolbeck, Referatsleiterin Unternehmenskommunikation und Pressesprecherin der Bayerischen Versorgungskammer zum Thema “Augen auf bei der Arbeitgeber- und Partnerwahl” – wenn ihr vorab mehr über Dr. Maike Kolbeck erfahren wollt, hier geht’s zum MFF-Interview mit der Zweifach-Mama: Dr. Maike Kolbeck
  • Donnerstag, 12.10.2017, 16:00 Uhr: MeetUp mit Katharina Heininger, Sachgebietsleitung SAP-Anwendungen der GEWOFAG Holding GmbH zum Thema: “Wir brauchen Mutmacherinnen – Ein Beispiel zum Nachmachen!”
  • Freitag, 13.10.2017, 11:00 Uhr: MeetUp mit Andrea Kemmer, Partnerin im Bereich Consulting Financial Services bei KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Thema: “Erfolg im Job – Karrieretipps für junge Frauen in der Beraterbranche”

 

Darüber hinaus starten wir auf der Messe auf unserer Facebook-Seite mutmacher.in eine Mutmacher-Aktion bei der ihr alle mitmachen und einen tollen Preis gewinnen könnt – eine ganz persönliche MENTORIN! Und als Dankeschön fürs Mitmachen gibt’s einen Coffe-to-go-Becher direkt auf die Hand.  Unser MFF-Stand befindet sich übrigens gleich gegenüber dem Haupteingang. Über uns erhaltet ihr einen Rabatt von 75% auf das Tagesticket. Bitte nutzt dafür diesen Link.

 

Und für alle, die sich für Mentoring interessieren, steht am Freitag MFF-Initiatorin und Cross Consult Geschäftsführerin Simone Schönfeld bei der Diskussion “Cross Mentoring – das Beste für ihre Karriere?!” auf der großen Bühne – 13.10.2017 von 12:15 Uhr – 13:00.

 

Autorin: Julia Schmid

Hier geht’s zu unseren mutmacher.in(nen)

 

Das waren unsere Auftritte bei der HerCAREER 2016:

Buchpräsentation „Clever aus der Abseitsfalle“

Karriere-Talk mit Marianne Both, BSH

Stereotype unter der Lupe