Nachgefragt: Topsharing und Elternzeit – kann das funktionieren? Dr. Clara Kronberger und Nicole Gargitter von den Stadtwerken München im Interview

Vor einiger Zeit interviewten wir Frau Dr. Kronberger und Frau Nicole Gargitter schon einmal. Die beiden Frauen leiten zusammen den Bereich “Telekommunikation” bei den Stadtwerken München. Damals war Frau Kronberger bereits Mutter, heute ist Frau Gargitter in Elternzeit. Doch wie funktioniert Topsharing, wenn eine der beiden Führungskräfte plötzlich ausfällt? Welchen Herausforderungen sahen sich die beiden gegenüber? Und wie hat das Unternehmen das Modell weiterhin unterstützt? Diese und weitere Fragen beantworten die beiden Führungsfrauen im Interview mit dem MFF. 

 

Frau Kronberger, zum Zeitpunkt des letzten Interviews war Ihre Tochter drei Jahre alt, weshalb Sie sich bewusst für ein Teilzeitmodell mit 50% entschieden haben. Wie gestaltet sich das nun, da Frau Gargitter in Elternzeit ist? Wie haben sich die Anteile von Frau Gargitter neu verteilt?

Clara Kronberger (CK): Für die Zeit in der Nicole in Elternzeit ist, war klar, dass ich meine Stunden beträchtlich aufstocken werde. Derzeit arbeite 36h, also eher vollzeitnahe Teilzeit. Natürlich kann ich mit 36h nicht den gesamten Workload unserer bisherigen 60h abdecken. Wir haben allerdings einige Neuverteilungen vorgenommen z.B. haben wir zeitaufwendige Projektleitungen an Projektleiterinnen z.T: auch aus anderen Abteilung abgegeben. Außerdem haben wir noch während der Anwesenheit von Nicole Strukturen geschaffen die eine Verteilung der Aufgaben auf mehrere Schultern erlauben und auch nach der Rückkehr von Nicole zur Entlastung des Managements weiter beitragen können.

Nichts desto trotz bleiben natürlich auch ein paar Dinge liegen. Es ist in unserem Unternehmen nicht ungewöhnlich, dass Elternzeiten von Führungskräften durch kommissarische Übernahme der Leitungsposition von bereits vorhandenen Mitarbeitern ausgeglichen werden. Dann legen wir eben mehr Wert auf die Prio A und auf Führungsthemen und verschieben Prio B Themen. Zusätzlich gibt es nun auch eine Vertretung für die TK-Leitung. Bisher konnten wir uns gegenseitig vertreten und so war „die TK-Leitung“ nie im Urlaub. Für die Zeit von Nicoles Abwesenheit vertritt die TK-Leitung bei Abwesenheit (z.B. meinem Urlaub) ganz klassisch eine unserer Teamleitrinnen.

 

 Wie haben sich die Aufgabenbereiche neu verteilt?

CK: Es ist uns wichtig, dass wir weiterhin als Führungstandem gesehen werden, daran ändert auch eine zeitweilige Abwesenheit von Nicole nichts. Wir stehen auch zu strategisch relevanten Themen (und auch privat) weiterhin in engem Kontakt. Für die Zeit ihrer Abwesenheit bedeutet das allerdings, dass ich die Verantwortung für alle Themen der TK-Leitung übernommen habe. Ich delegiere allerdings Projektthemen, Terminteilnahmen und Ausarbeitungen z.T. an unseren technischen Referenten oder die einzelnen Teamleiter. Spezielle Aufgaben die besonders mit Nicoles Person verknüpft waren, hat sie gesondert umverteilt.

 

 Frau Gargitter, war der Schritt für Sie, in Elternzeit zu gehen, von vornherein klar oder haben Sie lange überlegen müssen, wie Sie diese Zeit gestalten?

Nicole Gargitter (NG): Ja, es war für mich klar, dass ich Elternzeit in Anspruch nehmen werde. Allerdings habe ich lange mit meinem Partner überlegt, wie wir diese Zeit gestalten bzw. unter uns aufteilen. Ich konnte mir vor der Geburt meiner Tochter nicht vorstellen, wie ich mich als Mutter fühlen werde bzw. welche Verteilung zwischen der Betreuung meiner Tochter und der Berufstätigkeit ich mir wünsche. Ehrlicherweise weiß ich das auch heute noch nicht so genau. Nach einer schlaflosen Nacht, nach der ich aktuell um ca. 4:30 Uhr die Vöglein zwitschern höre und den Morgen willkommen heiße, kommt es vor, dass ich mir wünsche, mit meinem Partner tauschen zu können und in die Arbeit gehen zu dürfen. J Ich denke, ich hadere wie jede Frau, die gerne in die Arbeit geht, mit der Vereinbarkeit der beiden Rollen – „Mutter“ und „Berufstätige“.

 

 

Und dabei geht es nicht nur um die organisatorische Vereinbarkeit; auch emotional bin ich noch dabei dies mit mir zu vereinbaren. Man möchte eine „gute Mutter“ sein und für dieses kleine Wunder, das man auf die Welt gebracht hat, da sein, und gleichzeitig merkt man, dass nur „Muttersein“ einen nicht erfüllt. Die Gesellschaft (Kollegen, Freunde etc.) spiegeln einem mit entsprechenden Aussagen zudem, dass es noch nicht „normal“ ist, dass Mutter und Vater sich gleichermaßen um die Betreuung der Kinder kümmern. Für mich persönlich hat sich in den ersten Wochen nach der Geburt herausgestellt, dass, so sehr ich meine Tochter auch liebe, mir die Arbeit und der Austausch mit den Kollegen sehr fehlen. Deshalb werde ich im August – nach zwei Monaten Mutterschutz und einem Monat Elternzeit – für einen Monat Vollzeit in die Arbeit gehen. In diesem Monat nimmt mein Partner Elternzeit und kümmert sich unter Tags um unsere Tochter. Ab Oktober komme ich Teilzeit in Elternzeit zurück; zunächst für ca. 2 Tage pro Woche und ab nächstem Mai, wenn unsere Tochter 1 Jahr wird und wir einen Kita-Platz gefunden haben, werde ich auf 30 Stunden in der Woche aufstocken. Ich bin sehr dankbar, einen Freund und Eltern an meiner Seite zu haben, die mich dabei unterstützen.

 

Zum Zeitpunkt des letzten Interviews stand ja auch schon im Raum, dass Frau Gargitter vielleicht einmal Kinder bekommen möchte. Haben Sie oft über dieses Szenario miteinander gesprochen und schon im Vorfeld Fragen und Organisatorisches geklärt oder haben Sie erst das Gespräch gesucht, als klar war, dass nun eine Veränderung ansteht?

CK: Ist es ja so, dass sich nicht alles mit Sicherheit vorherplanen lässt. Daher haben wir das Thema nur allgemein im Vorfeld besprochen. So war z.B. immer klar, dass unser Modell auf eine 30h/30h Teilzeit Teilung abzielt. Aber auch, dass dies nur dann wirklich spruchreif wird, wenn sich tatsächlich auch Nachwuchs bei Nicole ankündigt.

NG: Wie Clara sagt, haben wir erst dann ganz konkret über das Szenario gesprochen, als ich schwanger war. Mir erschien es davor nicht richtig, etwas zu planen, das ggf. gar nie eintreten wird. Man ist bei so etwas ja auch etwas vorsichtig. Als es allerdings dann soweit war, haben wir – ähnlich wie vor unserer Bewerbung auf die gemeinsame Führungsposition – ziemlich oft darüber gesprochen, wie wir die Zeit gestalten wollen, wie wir die Themen und Projekte aufteilen und welche Erwartungshaltung bzgl. Kommunikation untereinander in dieser Zeit besteht.

 

 Welchen Herausforderungen standen Sie beide gegenüber, als klar war, dass Frau Gargitter in Elternzeit gehen wird?

NG: Für mich gab es zwei große Herausforderungen. Zum einen musste ich lernen, mir wichtige Projekte und Themen „loszulassen“ und an Kollegen zu übergeben. Dies ist mir spätestens nach der Geburt meiner Tochter gut gelungen – ich hatte schlichtweg keine Zeit mehr, um an den Themen dran zu bleiben oder E-Mails zu lesen. So ein kleines Wesen ist wirklich ein Fulltimejob. J

Zum anderen war mir vor der Geburt meiner Tochter nicht so ganz klar, wieviel Abstand zur Arbeit ich tatsächlich möchte. Deshalb konnte ich auch Clara nicht verbindlich mitteilen, in welchen Abständen ich über die Arbeit und den aktuellen Stand informiert werden möchte. Wir haben uns dann darauf verständigt, dass wir definieren, zu welchen Themen sie mich informiert bzw. bei welchen Themen wir weiter gemeinsam Entscheidungen treffen. Diese Vorgehensweise hat bisher gut funktioniert.

 

CK: In meinem Fall war klar, dass sich meine Aufteilung von Privat- und Berufsleben gravierend ändern würde. Bisher war ich nachmittags nicht mehr für das Tagesgeschäft verantwortlich – ich konnte zwar an meinen Themen weiterarbeiten aber ich musste nicht mehr verfügbar sein. Dies hat sich nun natürlich geändert. Zum einen arbeite ich jetzt einfach mehr Stunden, zum anderen verteile ich sie nach wie vor so, dass ich nachmittags (bis auf einen Wochentag) Zeit für meine Tochter habe. Das heißt aber natürlich, dass ich die Stunden abends dranhängen muss und auch nachmittags für dringende und wichtige Themen erreichbar bin.

Wir haben gerade gegen Ende der Schwangerschaft viele Gespräche geführt um die gegenseitigen Erwartungen und Wünsche zu verstehen und in Einklang zu bringen. Während ich lieber die Dinge plane und mich dann darauf festlege, ist für Nicole Flexibilität ein wichtiger Faktor, daher mussten wir beide viel Fingerspitzengefühl und Empathie aufbringen.

 

 Was ging Ihnen vor und während der Veränderungen durch den Kopf?

NG: Ich habe mich sehr über die Schwangerschaft gefreut und bin nun unglaublich glücklich, eine gesunde Tochter zu haben. Allerdings machen mir die Veränderungen auch heute noch etwas Angst. Man ist mit Kind deutlich fremdbestimmter als ohne. Es war mir klar, dass ich einen Teil meiner Freiheiten, die ich ohne Kind hatte, zunächst aufgeben muss z.B. spontane Treffen mit Freunden, Arbeiten ohne auf die Uhrzeit schauen zu müssen, spontane Urlaube etc. Tatsächlich fällt es mir immer noch etwas schwer, anzunehmen, dass nun Windeln wechseln und Füttern meinen Tagesablauf bestimmen und kaum Zeit für einen selbst oder die Beziehung bleibt. Das mag sehr egoistisch klingen, ist aber das Gefühl, das mich durchaus öfter beschleicht, wenn wir im Rhythmus der Schlafenszeiten unserer Tochter unsere Tage und Nächte verbringe. Auf unser Topsharingmodell bezogen war mir klar, dass ich mich auf Clara verlassen kann und hatte deshalb bezüglich der Führungsaufgabe unseres Bereiches keine Bedenken für meine Abwesenheit. Mir ging eher bereits durch den Kopf, wie es wohl wird, wenn ich in Teilzeit zurückkomme. Es stellen sich plötzlich ganz neue organisatorische Fragen für unser Modell.

CK: Ich habe mich sehr für Nicole gefreut, dass sie diese außergewöhnliche Erfahrung: Mutter zu werden, machen kann. Ich war auch gespannt auf die neue Herausforderung in Teilzeit allein verantwortlich zu sein. Auf der anderen Seite war mir schon klar, dass es ein Kraftakt werden würde und ich den täglichen Austausch mit Nicole sehr vermissen werde.

 

 Wie waren die Reaktionen des Umfelds und welche Unterstützung haben Sie von Seiten des Unternehmens erhalten, um die neue Situation zu gestalten?

CK: Unser Umfeld hat sehr positiv reagiert. Die Kollegen haben mir das Gefühl gegeben, dass sie mir die Erweiterung meiner Aufgaben zutrauen. Und gerade in so einer Situation, in der eine Führungskraft für mehrere Monate ausfällt oder ihre Arbeitszeit reduziert, liegt die Stärke des Topsharing Modells, denn die andere Führungskraft kann ohne große Einschwingphase übernehmen.

Unsere Vorgesetzten haben uns die maximale Unterstützung gewährt: sie haben uns das Thema selbst und eigenverantwortlich ausgestalten lassen und alle unsere Entscheidungen (Zeitdauer der Elternzeit, Themenverteilung, Arbeitszeitverteilung, etc.) so wie wir sie getroffen haben unterstützt. Das Credo war: ihr müsst euch mit euren Entscheidungen wohl fühlen und der Laden muss laufen. Diese Flexibilität rechne ich den Stadtwerken hoch an.

NG: Es haben sich alle sehr für mich gefreut und mir gratuliert. Zudem war es schön, von den Kollegen gespiegelt zu bekommen, dass ich ihnen fehlen werde und sie sich auf meine Rückkehr freuen. Einige Kollegen hatten Sorge, dass ein Teil meiner Aufgaben und Arbeitszeit auf ihre Schultern verteilt wird. Ich denke, diese Sorge konnten Clara und ich ihnen schnell nehmen, als wir ihnen die Verteilung der Themen und Projekte, die bisher bei mir lagen, vorgestellt haben. Wir haben z.B. unsere Teamleiter in diese Entscheidung eingebunden und sie nach ihrer Meinung gefragt. Wie Clara bereits sagte, haben uns unsere Vorgesetzten maximale Freiheit gelassen, diese Situation für uns zu gestalten. Die Offenheit der Führungskräfte – ein Topsharingmodell immer wieder an neue Gegebenheiten anzupassen – hat wesentlichen Einfluss auf den Erfolg solcher Modelle. Unsere Führungskräfte bzw. die SWM haben uns hierbei stets unterstützt.

 

 Was bedeutet die neue Situation für das Topsharing Modell?

NG: Es ist zwar eine neue Situation für uns bzw. das Modell, jedoch denke ich, dass weiterhin die gleichen Dinge wichtig sein werden. Dies ist v.a. der persönliche Austausch, um dem Topsharingpartner die eigenen Erwartungen und Wünsche offen mitzuteilen. Nur so kann dauerhaft ein Modell geschaffen werden, das beiden zusagt und in dem wir uns beide wohl fühlen und das Beste für das Unternehmen leisten können. Jeder muss das Modell an die eigene Situation und die eigenen Bedürfnisse anpassen. Clara und ich schaffen dies durch viele persönliche Gespräche. Organisatorisch werden wir nach meiner Rückkehr natürlich ein paar Änderungen vornehmen müssen. Wir müssen die Aufteilung der Arbeitszeit neu regeln und somit auch der Themen und Projekte.

CK: Mit jeder größeren Veränderung in so einem Modell muss man sich bewusst sein, dass auch wieder eine Findungsphase zwischen den Tandem Partnern eintritt. Es ist ja nicht so, als ob Nicole nach einigen Monaten wieder Vollzeit zurückkommt und alles wieder so wird wie vorher. Das Modell muss atmen und sich an unsere beiden Bedürfnisse und Notwendigkeiten anpassen. Aber uns ist bewusst, dass diese Anpassung kein Selbstläufer ist, wir lassen uns weiterhin von einem Coach begleiten und gehen sehr viel in persönlichen Austausch – das war immer unsere Stärke und wird es weiter sein.

 

 Hat sich das Verhältnis zu den Mitarbeiter*innen geändert, seit Frau Gargitter in Elternzeit ist und wenn ja, wie?

CK: Ich habe jetzt einen häufigeren Austausch mit den Mitarbeitern zu einer größeren Bandbreite an Themen. Das ist natürlich dem geschuldet, dass ich nun nahezu alle Themen der TK-Leitung selbst verantworte. Wir haben ein tolles Führungsteam bei TK, und ich empfinde die Kollegen als große Stütze, gerade in der jetzt sehr arbeitsintensiven Zeit. Aber ich würde nicht sagen, dass sich unser Umgang oder unser Verhältnis sehr stark verändert haben.

 

Das Interview führte Anna Karger

Wie Führung flexibel gestaltet werden kann

Es wird alles immer schneller!

 

Die Anforderungen an die Geschwindigkeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wie auch von Unternehmen ist dramatisch angestiegen. Während in früheren Zeiten Projekte nach sequentiellen Projektplänen bearbeitet wurden, herrscht heute das Motto des agilen Projektmanagements. Die vier Dimensionen des Begriffes AGIL, der als erstes vom Systemtheoretiker und Soziologen Talcott Parsons geprägt wurde, bestehen aus „Adaption“ (Anpassung), „Goal Attainment“ (Zielverfolgung), „Iteracy“ (Eingliederung) und „Latency“ (Aufrechterhaltung). Sie beschreiben die geforderten Fähigkeiten und Kompetenzen, um sich in der sich verändernden Umwelt den jeweiligen Rahmenbedingungen erfolgreich anpassen zu können. Diese Arbeitsweise bringt schnelle Prozesse mit sich, die weniger planbar sind und sich durch Rahmenbedingungen, Kundenaustausch und durch weitere Einflussfaktoren entwickeln.

 

Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten für die Verbindung von Arbeit und Leben

 

Das heißt aber nicht, dass sich diese Entwicklungen negativ auf die Mitarbeiter auswirken. Im Gegenteil, sie bringen auch viele Vorteile mit sich. Allen voran: Freiheit! Denn die neuen technologischen Möglichkeiten schaffen innovative Arbeitsmodelle, die es den Mitarbeitern wiederum erleichtern, Arbeit, Familienleben und Freizeit besser zu vereinbaren. Während es früher notwendig und üblich war, die Arbeitszeit vollständig im Unternehmen abzuleisten, gibt es hierfür heute keinen Anlass mehr. Telearbeit, mobiles Arbeiten, Homeoffice – Arbeiten kann von überall und jederzeit erledigt werden. Dafür reicht oftmals ein Tablet. Die Entscheidungsfreiheit über das Wann und Wo liegt beim Mitarbeiter. Für das Unternehmen zählt nur das Ergebnis.

 

Die Bereitschaft, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit flexiblen Arbeitsmodellen entgegenzukommen, wächst stetig. Dabei wird sehr vielfältig mit diversen Teilzeitvarianten gespielt – auch bei qualifizierten Tätigkeiten. Doch gilt dies auch für Führungskräfte? Auswertungen wie der von Cross Consult erhobene Benchmark zeigt eine andere Realität. Die tradierte Erwartung an Führungskräfte: anwesend sein, um ansprechbar zu sein und Entscheidungen treffen zu können, inhaltlich und fachlich das Team unterstützen und die Interessen der Abteilung oder des Teams zu vertreten. Das führt in vielen Fällen dazu, dass Führung nur in Vollzeit erfolgen kann. Obgleich dieser Anspruch in der Realität kaum erfüllt wird (Führungskräfte sind, auch wenn Sie Vollzeit arbeiten, kaum immer für ihr Team erreichbar), haben diese Erwartungen eine große Definitionsmacht für die selbstverständlichen Ansprüche an Führungskräfte. Noch weniger können sich etablierte Führungskräfte vorstellen, dass Führungsaufgaben auch auf zwei Personen verteilt werden könnten. Dabei eröffnet gerade diese Möglichkeit ungeahnte Potenziale für den Einzelnen, um Führungsverantwortung vom Umfang der Arbeitszeit zu entkoppeln und gleichzeitig für das Unternehmen einen hohen Mehrwert zu schaffen.

 

Führung ist teilbar!

 

Die Diskussion um geteilte Führungspositionen – sogenannte Jobsharing oder Topsharing-Tandems – entzündet sich in der Regel an den oben genannten vermeintlichen Selbstverständlichkeiten. Kulturelle Grundlage solcher Modelle ist ein partnerschaftliches Führungsverständnis, das eine gemeinsame Führungsverantwortung annimmt und so die Möglichkeit schafft, die Summe aller Führungstätigkeiten auf zwei Personen zu verteilen. In der Praxis sind dies nicht zwingendermaßen Modelle, in denen beide Tandempartner zu 50 Prozent arbeiten, sondern auch häufig Modelle, in denen eine Führungskraft z. B. 65 Prozent der vollen Arbeitszeit leistet und die zweite 80 Prozent oder auch mehr anwesend ist.

 

Was kann das Unternehmen gewinnen?

 

In erster Linie gewinnt das Unternehmen durch eine Verdopplung der Impulse, der Kreativität und der Verantwortungsübernahme für die erfolgreiche Führung eines Bereiches. Damit können auf der Führungsebene neue Perspektiven, Lösungen, Strategien diskutiert werden, bevor sie im Team eingebracht und umgesetzt werden. Zudem ermöglichen es Führungsduos, dass immer eine Führungskraft ansprechbar ist, da Ausfallzeiten wie Urlaub oder Krankheit wechselseitig kompensiert werden. Ein weiterer gewinnbringender Aspekt für Unternehmen ist, dass sich durch solche flexiblen Modelle ein größerer Personenkreis in den Unternehmen angesprochen fühlt und so ein größerer Pool an potenziellen Führungskräften erschlossen werden kann. Ein Aspekt, der gerade für die Gewinnung von Führungskräften aus der jüngeren Generation und der Steigerung des Frauenanteils in der Führung von großer Bedeutung ist.

 

Welche Herausforderungen stellen sich Führungsduos?

 

Die gemeinsame Tätigkeit in einer Führungsposition erfordert eine ganze Reihe klarer Vereinbarungen im Tandem und in der Arbeitsfamilie, also im unmittelbaren arbeitsorganisatorischen Umfeld. Innerhalb des Tandems sind zum einen Bereiche zu identifizieren, in denen klare Zuständigkeiten innerhalb des Tandems bestehen – das heißt, jeder hat seine eigenen Aufgaben. Zum anderen muss klar sein, für welche Bereiche eine dauerhafte gemeinsame Zuständigkeit herrscht. In der Zusammenarbeit mit der Arbeitsfamilie, also den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und der eigenen Führungskraft sowie den Kollegen und Kolleginnen auf der selben Ebene, sind ebenfalls klare Zuständigkeiten, Kommunikationsregeln und Themen zu bestimmen. Für jeden Tandempartner, jede Tandempartnerin bedeutet dies, dass es einen Mix aus individuellen Tätigkeiten und Verantwortungsbereichen gibt sowie Bereiche und Tätigkeiten, die innerhalb des Tandems in andauernder Kommunikation und Abstimmung bearbeitet werden. Erfolgskritisch für die Arbeit eines Führungstandems sind: das Maß der Selbstorganisation eines jeden Tandempartners, das gemeinsame partnerschaftliche Führungsverständnis und die kommunikative Umsetzung des laufenden Austausches. Die neuen Kommunikationstechnologien können den Abstimmungs- und Austauschaufwand erleichtern – vor allem wenn nicht beide Tandempartner oder Partnerinnen vor Ort im Büro sind. Die Akzeptanz und Wertschätzung aus der Arbeitsfamilie sind darüber hinaus wichtige Faktoren, die es dem Tandem leichter oder schwerer machen können, in den bestehenden – an Vollzeit orientierten – Strukturen als Führungskräfte zu agieren.

 

Die Veränderungen in der Arbeitswelt, die durch die Digitalisierung angetrieben werden, können daher auch vielfältige Chancen eröffnen, wie zukünftige Führungskräfte ihre Arbeits- und Lebensmodelle gestalten. Partnerschaftlichen Lebens- und Führungsmodellen gehört damit die Zukunft!

 

Autorin: Simone Schönfeld

(Der Artikel ist auch als Gastbeitrag im Ahochdrei-Magazin erschienen)

 

Ebenfalls bei Ahochdrei zu finden ist dieser Artikel über gute Kommunikation bei gendersensiblem Recruiting:

Erfolgreiches Recruiting


Und was könnte ein besseres Beispiel für das Teilen von Führungsverantwortung sein als dieses inspirierende Tandem von den Stadtwerken München?

Topsharing par excellence bei den SWM

Topsharing par excellence bei den SWM

Topf und Deckel, Blume und Biene, Bayern und Berge – all diese Vergleiche von perfekter Ergänzung reichen nicht aus, um das Topsharing-Tandem aus Clara Kronberger (rechts auf dem Bild) und Nicole Gargitter (links) bei den Stadtwerken München zu beschreiben. Die eine mit technischem, die andere mit betriebswirtschaftlichem Background – zusammen leiten sie den Bereich “Telekommunikation” mit 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Umsatz von 50 Millionen Euro. Als Kolleginnen über Jahre zusammengewachsen, kamen sie aus familiären Gründen auf die Idee, sich gemeinsam für eine Führungsposition zu bewerben. Sie konnten die Hausspitze durch ihr proaktives Engagement von ihrem Konzept überzeugen – weil sie einzeln spitze und zusammen unschlagbar sind.

 

Im Interview mit dem Memorandum für Frauen in Führung, dem die Stadtwerke München angehören, sprechen sie offen über ihr enges Verhältnis, anfängliche Probleme und wie sehr sie sich gegenseitig bereichern. Eines steht schon nach wenigen Minuten fest: Der Spaß kommt bei den beiden trotz der großen Verantwortung nie zu kurz.

 

Im Vorfeld haben wir Nicole Gargitter und Clara Kronberger einen Fragebogen zugeschickt, den sie unabhängig voneinander ausfüllen sollten. Ihre Antworten fließen in den Beitrag mit ein.

 

Wieso als Tandem?

Clara Kronberger (K.): Wir teilen seit sechs Jahren Büro und Aufgabenbereich, haben viele Projekte gemeinsam durchdacht, uns gegenseitig unterstützt und dabei gesehen, dass sich unsere Kompetenzen sehr gut ergänzen. Dazu kommt, dass ich wegen meiner dreijährigen Tochter nur zu 50% arbeiten möchte und Nicole sich auch irgendwann Kinder wünscht und nicht immer – wie im Moment noch – in Vollzeit arbeiten will. Weil diese Position mit dieser Führungsspanne und Budgetverantwortung für eine alleine in Teilzeit nicht machbar wäre, haben wir gesagt: 0,5+0,5=1.

 

Wie teilen Sie sich die Arbeit auf?

Nicole Gargitter (G.): Durch ein Coaching, das wir uns organisiert haben und Learning by Doing haben wir erkannt, dass es sinnvoll ist, gemeinsame Themen (wie Personalentscheidungen) und eigene Schwerpunkte zu haben – je nach Neigung und Dringlichkeit. Anfangs haben wir versucht alles gemeinsam zu bearbeiten, weil wir dem anderen nichts wegnehmen und stets am Ball bleiben wollten. Das hat aber dazu geführt, dass keiner mehr eine eigene Bühne hatte und ein Thema alleine angehen konnte.

K.: Auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt: ich bin vormittags da und eher der Ansprechpartner für die frühen Vögel und langfristen Anliegen. Nicole ist diejenige, die schneller agieren kann und rund um die Uhr greifbar ist. Aber wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden, sodass wir vor Mitarbeitern immer beide sprechfähig sind.

 

Sie sprechen von einem Lernprozess – wo hat es am Anfang gehapert?

K.: Ich würde unser Modell mit einer Beziehung vergleichen. Wir haben uns auf einer völlig anderen Ebene nochmal kennen gelernt – gegenseitig und uns selbst. Was ist dem anderen wichtig? Wo sind die feinen Unterschiede?

G.: Wir sind anfangs immer mal wieder in Konfliktsituationen gelaufen, die von keinem böse gemeint waren. Als wir beim Coaching über Punkte gesprochen haben, die uns stören, haben wir gemerkt, dass das oft nichts mit dem anderen zu tun hatte, sondern mit der eigenen Bewertung der Situation. Manchmal ist man selbst unsicher oder wünscht sich mehr Sichtbarkeit und projiziert das auf den anderen.

K.: Durch Nicole habe ich gelernt, meine Sichtweisen immer zu reflektieren. Das sind wichtige Selbsterfahrungswerte, die mich auch fachlich enorm weitergebracht haben.

 

Welche Stärken hat aus Ihrer Sicht Ihre Tandem-Partnerin?

Clara Kronberger über Nicole Gargitter: Direktheit, Loyalität, Herzlichkeit, fachliches Verständnis sowohl für wirtschaftlich komplexe Themen als auch für Telekommunikation, Networking Kompetenz, Offenheit, geht auf alle Menschen unvoreingenommen zu, kann gut fokussieren und priorisieren, Engagement, Motivation, Verbindlichkeit, Präzision, Reflexionsfähigkeit, Kommunikativ

Nicole Gargitter über Clara Kronberger: begeisterungsfähig, lustig, emotional, loyal, zuverlässig, ehrlich, entscheidungsstark, durchsetzungsstark, intelligent, strukturiert, strategisch

 

So wie sie die Stärken der jeweils anderen beschreiben, scheinen Sie beide sehr unterschiedliche Persönlichkeiten zu sein. Konnten Sie das von Anfang an produktiv für sich nutzen?

G.: Clara ist eher die Strategin und hat die Richtung im Blick, ich versuche die zwischenmenschlichen Komponenten im Blick zu behalten und sehr stark auf die Zahlen zu schauen. Diese Synergien haben wir sehr früh verstanden zu nutzen.

K.: Nicole ist Herz und Zunge unseres Tandems, aber wir sind beide leidenschaftliche und emotionale Personen. Damit beflügeln wir uns gegenseitig. Meistens. Manchmal kann das auch in den Abgrund führen. Aber Gott sei Dank nur sehr selten und wir finden auch immer wieder raus (beide lachen)….

 

In welcher Sache gehen Ihre Meinungen am weitesten auseinander?

K.: “Wie man mit und in hierarchischen Systemen mit Vorgesetzten und Mitarbeitern umgehen sollte.”

G.: “Bedeutung von Hierarchie”

 

Beim Thema “Hierarchien” sind Sie sich einig, dass Sie sich nicht einig sind. Was hat es damit auf sich?

K.: (Lacht) Wir haben ein etwas unterschiedliches Verständnis dafür, wofür Hierarchien gut sind. Während es mir nicht so schwer fällt zu akzeptieren, dass es Hierarchien und damit einhergehende Regeln gibt, würde Nicole oft lieber den direkten Weg nutzen, wenn er schneller und effizienter ist. Da kommen wir immer mal wieder in lustige Situationen.

 

Also ihre Uneinigkeit sieht dann so aus, dass sie darüber lachen?

G.: Ja, weil es in dieser Hinsicht oft so ist, dass ich in Fettnäpfchen trete und Clara muss mir dann immer erklären warum ich da rein getreten bin.

 

Waren Sie beide schon mal so von Ihrem Standpunkt überzeugt, dass es zu keiner Einigung kam?

G.: Nein, das ist uns noch nie passiert.

K.: Es war uns aber auch von vornherein klar: das darf nicht passieren!

G.: Man ärgert sich vielleicht Mal kurz über etwas, das die andere gemacht hat. Aber ich weiß immer – und das mein ich so zu 100% – dass Clara das nie aus böser Absicht tun würde oder weil sie mir schaden will. Sondern weil’s halt einfach in der Hektik passiert ist. Wir unterstellen uns beide grundsätzlich nur das Positive.

 

Trauen Sie dieses Fingerspitzengefühl auch Männern zu?

K.: (lacht) Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

G.: Männer schaffen das auch, aber wahrscheinlich mit anderen Bewältigungsmechanismen. Wir diskutieren halt abends nochmal zwei Stunden am Telefon, weil wir das beide unbedingt klären möchten. Ich könnte mir vorstellen, dass Männer dieses Bedürfnis vielleicht weniger haben und Uneinigkeiten dann so regeln: Abhaken ohne groß drüber zu reden, oder einfach mal auf ein Bier gehen und dann ist danach wieder alles ok.

 

Die Kehrseite Ihres Ausdiskutierens ist aber auch ein zeitlicher und emotionaler Zusatzaufwand…

G.: Den Abstimmungsaufwand muss jedes Topsharing- oder Jobsharing-Tandem bewältigen. Aber uns hilft das gleichzeitig, in der Führungsaufgabe zu wachsen und voneinander zu lernen. Und wir sehen einen Mehrwert darin, dass wir uns gegenseitig und auch uns selbst besser kennen lernen. Das ist uns beiden der Zeitaufwand wert.

K.: Und wir haben dabei auch ziemlich viel Spaß!

 

Können Sie sich an eine Entscheidung/berufliche Situation erinnern, bei der Sie vom Wissen/der Kompetenz Ihrer Tandem-Partnerin profitiert haben?

K.: Immer wenn es um wirtschaftlich komplexere Themen geht. Außerdem immer dann wenn es mehr um persönliche Vernetzung und weniger um Standardprozesse geht (also meistens ;-). In jeder Situation als Reflexionspartnerin, um mein eigenes Verhalten aus Ihrer Perspektive zu sehen.

G.: Im Umgang mit hierarchischen Menschen und im Umgang mit meinen eigenen Ängsten und Unzulänglichkeiten.

 

Wollen Sie eigentlich jemals wieder ohneeinander arbeiten?

K.: Mein Lebens- und Familienmodell hängt untrennbar mit diesem Topsharing-Modell zusammen, das merke ich immer wieder wenn Nicole in ihren verdienten Urlaub geht und ich es nicht mehr schaffe, die 50% zu halten. Aber deswegen sind wir nicht für Ewigkeiten aneinander gekettet. Wir wollen uns auch die Freiheit geben, uns zu entwickeln. Aber wir könnten natürlich auch zusammen weiter nach oben gehen – (lacht).

G.: Oh ja, das könnte ich mir auch sehr gut vorstellen. Aber ich muss ehrlich sein: ich möchte zwar Kinder, aber sollte das nicht klappen, stellt sich bei mir vielleicht irgendwann die Frage, ob ich mich dann verstärkt meiner Karriere zuwende und in eine Richtung gehen möchte, die Clara dann nicht mehr mitgehen will.

Aber wenn das mit den Kindern klappt, könnte ich mir sehr gut vorstellen, mit Clara bis nach oben durchzumarschieren.

 

Beschreiben Sie Ihr Duo mit einem Satz…

K.: Wir können uns auf einander verlassen und ergänzen uns mit unseren jeweiligen Fähigkeiten und Stärken.

G.: Unser Duo profitiert von 100%igem Commitment und Vertrauen zueinander und zur Sache.

Interview: Julia Schmid

 

Hier geht’s zu einer weiteren Führungsfrau der Stadtwerke München, die Lust aufs Nachmachen bereitet:

Mutmacher.in für „einfach ausprobieren“

Eine Analyse zu flexiblen Arbeitsmodelle in Unternehmen nimmt dieser Beitrag vor:

Flexible Arbeitswelten für Frauen und Männer – nur nicht auf den Topetagen

 

Und auch Männer kommen bei uns zu Wort:

„Meine Work-Life-Balance stimmt“

Flexible Arbeitswelten für Frauen und Männer – nur nicht auf den Topetagen

Die gute Nachricht zuerst: Es tut sich was für Frauen und Männer in der Arbeitswelt!

 

Im aktuellen Benchmark des Memorandums für Frauen in Führung (kurz MFF), an dem acht Unternehmen teilgenommen haben, zeigen sich wesentliche Entwicklungen in den Bereichen Frauen in Führungspositionen, Umfang der Teilzeittätigkeit von Frauen und Männern, Inanspruchnahme von Elternzeit durch Frauen und Männer und Angebote zu flexiblen Arbeitszeitmodellen. Weitere Benchmark-Ergebnisse und Grafiken finden sich auf der Homepage des MFF unter dem Menüpunkt “Benchmark”.

 

Der Benchmark des MFF wird seit dem Jahr 2010 jährlich durchgeführt und kann damit relevante Entwicklungen in den Unternehmen über die Jahre hinweg abbilden. Beim Benchmark 2016 haben sich die Unternehmen BayernLB, Bayerische Versorgungskammer, Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, GEWOFAG, LBS Bayern, LVM Versicherung und SWM Stadtwerke München beteiligt.

 

Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen in den Räumlichkeiten von MFF-Mitglied Bayerische Versorgungskammer.
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen in den Räumlichkeiten von MFF-Mitglied Bayerische Versorgungskammer. Foto: BVK

 

Es zeigt sich: Die Arbeitswelt ist in den vergangenen sieben Jahren geschlechtergerechter und flexibler geworden.  ABER: es fehlen noch wesentliche Schritte, um die Ziele des MFF zu erreichen.

 

Diese positiven Veränderungen zeigen sich in den Unternehmen:

  • Der Anteil von Frauen auf den unteren Führungsebenen hat in den vergangenen sieben Jahren kontinuierlich zugenommen. Während Ende 2010 der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Mittel bei 23% bei allen am Benchmark beteiligten Unternehmen lag, hat sich der Anteil bis 2016 auf 32% erhöht. Dieser neunprozentige Anstieg in sieben Jahren macht deutlich, dass sich die Integration von Frauen auf den Führungspositionen nachhaltig und mit einer erfreulichen Geschwindigkeit vollzieht. Setzt sich der positive Trend so fort, dann können wir bei den Unternehmen, die sich seit 2010 am Benchmark beteiligen, bereits 2022 einen durchschnittlichen Anteil von über 50% Frauen in Führungspositionen erwarten.
  • Mehr als ein Drittel der Beschäftigten bei den am Benchmark beteiligten Unternehmen arbeiteten 2016 in Teilzeitmodellen. Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen und Männer hat sich damit seit 2010 von 28% aller Beschäftigten auf 34% erhöht. Von Teilzeit als Ausnahmemodell kann daher kaum mehr gesprochen werden und die Ergebnisse spiegeln die gesellschaftlichen Bedürfnisse wider. Der Wunsch der Beschäftigten neben einer qualifizierten Erwerbstätigkeit auch anderen Lebensbereichen mit Energie und Aufmerksamkeit nachgehen zu können, wird immer lauter. Neben Gründen der familiären Vereinbarkeit oder der Pflege von Familienangehörigen zeigt sich längst der individuelle Wunsch nach einer ausgeglichenen Mischung von Arbeit und Leben. Besonders bemerkenswert ist, dass der Anteil der Männer, die in Teilzeit arbeiten in den vergangenen sieben Jahren ebenfalls kontinuierlich angestiegen ist. Ein Trend, der sich bei beiden Geschlechtern zeigt und damit die Zuschreibung von „Teilzeit ist Frauensache“ langfristig verändern wird.
  • Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist bei Männern – wie bei Frauen – mittlerweile gängige Praxis, auch wenn die Männer in der Regel bei den gesetzlich motivierten zwei Monaten bleiben.
  • Die angebotenen Arbeitszeitmodelle werden immer vielfältiger. Dies zeigt sich sowohl beim Einsatz neuer Kommunikationstools, die eine fortlaufende ortsunabhängige Kommunikation fördern sollen. Deutlich wird der Wandel auch daran, dass die Nutzung von Homeoffice mit neuen Modellen – wie dem „Flexitag“ – von der Ausnahme zum Standard gemacht werden soll. Die bisher notwendige Rechtfertigung seitens des Mitarbeiters, warum er denn gerade heute im Homeoffice arbeiten will, ist damit nicht mehr notwendig und gibt den Beschäftigen die Freiheit für sich zu entscheiden, wo die Arbeit am besten erledigt werden kann.

Diese „ABER“ lassen sich erkennen:

  • Der Anteil von Frauen in Führungspositionen wächst ausschließlich auf den unteren Führungsebenen, wie Team- und Abteilungsleiterinnen. Auf den oberen Führungsebenen stagnieren die Anteile von Frauen auf diesen Positionen oder sind bei einigen Unternehmen sogar rückläufig. Die „Glass Ceiling“ („Gläserne Decke“) zeigt sich hier in den Daten ganz deutlich und macht klar, dass es auch heute für Frauen immer noch fast unmöglich ist, bis in die Vorstandsebene zu kommen. Klar wird damit auch, dass es nur mit weiteren umfassenden Maßnahmen gelingen kann, mehr Frauen den Aufstieg in die Top-Etagen zu ermöglichen. Dazu gehört zum einen, dass die systematische Förderung von Frauen auf den unteren Führungsebenen beibehalten wird. Zum anderen müssen Angebote für mehr Frauen in Top-Etagen wie z.B. Mentoring-Programme, Coaching und Sponsoring-Angebote ausgebaut werden. Hier gilt es sowohl strukturelle alsauch kulturelle Barrieren zu überwinden und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es für Frauen attraktiv machen, Verantwortung in der ersten Reihe zu übernehmen.
  • Teilzeit hat Konjunktur – aber nicht auf den Topetagen. Die Zunahme von Führungsmodellen in Teilzeit endet auf Abteilungsleiter-Ebene. In nur drei von acht Unternehmen arbeitet jeweils eine Person auf der Ebene der Bereichsleitung in Teilzeit. Modelle wie Top-Sharing, also eine geteilte Führungsverantwortung, sind aktuell ausschließlich auf die unteren Führungsebenen beschränkt.  Auf den oberen Führungsebenen dominiert nach wie vor die Kultur der ständigen Erreichbar- und Verfügbarkeit. Dabei wäre gerade hier eine Flexibilisierung wichtig, um Top-Positionen für Frauen attraktiv zu machen – ein Kriterium das im Übrigen auch zunehmend für männliche Nachwuchstalente an Bedeutung gewinnt.
  • Dass immer mehr Männer Elternzeit in Anspruch nehmen – wenn auch nur für zwei Monate – ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Doch das scheint sich erstaunlich wenig auf die Arbeitsteilung in den Familien auszuwirken. Interessanterweise hat von den am Benchmark beteiligten Unternehmen bisher nur ein Unternehmen spezifische Angebote, die auch Väter ansprechen. Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass junge Väter sehr kritisch abwägen, wann und wie lang sie sich eine Familienauszeit genehmigen können, ohne Karriereeinbußen befürchten zu müssen. Ein klares Signal dahingehend, dass sich die Kultur einer „AllzeitBereitErwartung“ an die Männer noch nicht verändert hat. Hier kann es nur hilfreich sein, männliche Vorbilder und Rollenmodelle aufzuzeigen, die für sich eine gelungene Balance aus Verantwortung in der Familie und einer qualifizierten Tätigkeit gefunden haben.
  • Die neuen Arbeitszeitmodelle fordern mehr von den Menschen! Es geht darum, individuell Verantwortung für das Gelingen der Arbeit, der Kommunikation, der eigenen Einbindung ins Team und der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen zu übernehmen. Die Bedürfnisse sind vielfältig. So zeigt sich, dass der Wunsch eine soziale und kommunikative Anbindung im Büro zu haben, ein wesentlicher Wohlfühl-Faktor für viele Beschäftigte ist. Gerade im Home-Office lauert auch die Gefahr, kein Ende bei der Arbeit zu finden und weit mehr Zeit zu investieren, als man offiziell arbeiten müsste. Wie Unternehmen hier konstruktive Rahmenbedingungen setzen können, zeigt sich an der Diskussion über eine zeitlich begrenzte Diensthandy-Nutzung.
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen. Foto: BVK
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen. Foto: BVK

Der Weg zu einer gendergerechten Arbeitswelt

Die bereits errungenen Erfolge und die noch offenen Baustellen machen deutlich: Unternehmen, Vorstände, Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen vor der Herausforderung, Arbeit auf allen Ebenen flexibler und vorurteilsfreier zu gestalten und stärker nach den realen Bedürfnissen als nach alten Strukturen auszurichten. Zentral ist, dass dies bis in die höchste Ebene geschieht, denn an ihr orientieren sich die unteren Ebenen und nur so können es Frauen bis an die Spitze schaffen.

Das Memorandum für Frauen in Führung stellt daher einen gemeinsamen Kulturwandel in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit, der nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten sich nicht als Kunde, sondern als Teil der Lösung verstehen.

 

Autorin: Simone Schönfeld

(Eine der Initiatorinnen des MMF und

Geschäftsführerin der genderspezialisierten Unternehmensberatung Cross Consult)

 

KPMG-Mitarbeiter Daniel Jagar ist selbstbewusst in seine 4-monatige Elternzeit gegangen:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Dass Frauen in Toppositionen oft unter besonderer Beobachtung stehen, kann Christine Draws, Führungsfrau bei der Bayerischen Versorungskammer, bestätigen:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

“Meine Work-Life-Balance stimmt”

Ein Interview mit Klaus Hörmannskirchner, Abteilungsleiter für Organisationsentwicklung und -beratung bei der Bayerischen Landesbausparkasse (LBS Bayern).

 

„Es ist alles eine Frage der Organisation“ – nach diesem Motto arbeitet und lebt Klaus Hörmannskirchner und schafft damit einen eleganten Spagat zwischen effizienter Führungskraft bei der LBS Bayern und engagiertem Familienvater, der jeden Abend seine Kinder ins Bett bringt und sich zwei Monate Elternzeit gönnt. In unserem Interview lässt sich der Zweifach-Papa in die „strategisch taktische Planung seines Berufs- und Familienlebens“ schauen und rät vor allem Frauen mit Ambitionen auf Kind und Karriere zu mehr Kalkül in der Lebensplanung.

 

Männer und Elternzeit – bei der LBS Bayern akzeptiert?

Bei der LBS ist das absolut Usus. Einige Kollegen haben schon bei mehreren Kindern Elternzeit genommen. Das ist nur eine Planungsfrage innerhalb der jeweiligen Einheit.

 

Inwiefern?

Ich habe zwei Mal einen Monat genommen. In dieser Zeit hat mein Stellvertreter die Abteilungsfunktionen übernommen. Mit dieser Vertretungsfunktion ist das zu handhaben, denn rein theoretisch könnte ich auch Mal vier Wochen Urlaub haben.

 

Immer mehr Männer nehmen Elternzeit, aber nicht über die Standard-Zwei-Monate hinaus. Warum auch Sie nicht?

Rein gesetzlich hätte ich mehr nehmen können, aber meine Frau wollte jetzt beim zweiten Kind etwas länger zu Hause bleiben, weil unsere ältere Tochter in diesem Jahr eingeschult wird. Daher war das Ganze auch eine Kostenfrage. Durch das  Elterngeld werden zwar grundsätzlich ca. zwei Drittel des entgangenen Einkommens aufgefangen, aber es gibt die Deckelung bei 1.800 Euro. Je nach Einkommen, ist der Unterschied schon deutlich zu spüren. Und das gerade zu einer Zeit, in der die monetären Grundlagen essentiell sind. Nach zwei Monaten fällt dann auch das weg und die Familie müsste alles aus dem Ersparten nehmen. Daher war das für mich keine Option.

 

Hatten Sie auch beim ersten Kind Elternzeit?

Nein, damals habe ich noch für eine andere Firma gearbeitet, da war das etwas schwieriger.

 

Dann ist es vom Unternehmen abhängig, ob Männer sich trauen, Elternzeit zu nehmen?

Das würde ich schon sagen! Und bei Frauen wirken sich die Unterschiede in der Familienfreundlichkeit noch viel extremer aus. Da kann ein Kind bei manchen Unternehmen immer noch einen echten Karriereknick oder sogar das vollständige „Karriere Aus“ bedeuten.
Ich kenne einen Fall: Frau – sehr erfolgreich in einer Leitungsfunktionen  – bekommt ein Kind. Nach der Elternzeit sagt das Unternehmen „klar können Sie wieder anfangen – in Vollzeit“. Teilzeit geht aufgrund der Anforderungen an die Position nicht. Und dann? Entweder karrieretechnisch zurückfallen. Oder – wenn nicht der Mann zurücksteckt – arbeiten beide schnell wieder in Vollzeit, verfolgen ihre Karriere und die Kinder wachsen quasi ohne Eltern auf. Ich kenne Paare, bei denen ist genau das der Fall. Beide gehen weiter den Karriereweg nach dem Motto „I want it all“. Aber wenn das auf die Kosten der Kinder geht, weiß ich nicht, ob das der richtige Weg ist. Das muss aber Jeder für sich selbst entscheiden.

 

Was ist Ihrer Meinung nach der richtige Weg?

Aus meiner Sicht sind Frauen mit einer gewissen strategisch taktischen Planung in Bezug auf das Thema Familie und Beruf gut beraten. Blauäugig da rein zu gehen und sich darauf zu verlassen, dass der Arbeitgeber schon etwas für einen tun wird, kann gewaltig schiefgehen.

 

Und wie sieht diese Taktik aus?

Die Idealvorstellung: Als Frau die studiert hat, müsste man eigentlich so früh wie möglich sagen: ich suche bewusst nach einer Tätigkeit und einem familienfreundlichen Arbeitgeber, der es mir ermöglicht, auch mit Kind in derselben Komplexität mit denselben Herausforderungen aber in dosierter Zeit arbeiten zu können. Vor der Familiengründung versucht man noch so viel wie möglich zu erreichen und eine Position einzunehmen, in die man nach dem Kind wieder zurückkehren kann, ohne nach unten zu fallen. Und nach ein paar Jahren geht’s weiter. Sie können nicht das ganze Leben planen, aber sie können gewisse Rahmenbedingungen beeinflussen. Das entspannt dann die Rückkehr aus der Elternzeit ins Berufsleben enorm, wenn man weiß dass grundsätzlich alles geregelt ist.
Zusätzlich kann es sehr von Vorteil sein, auch während der vollständigen Abwesenheit innerhalb der Elternzeit immer zu versuchen, den Kontakt zur Firma zu halten, z.B. die Kollegen mit dem Kind besuchen, auf Mitarbeiterfeiern gehen, oder einfach mal die Kollegen oder den Chef/die Chefin anrufen. Dadurch ist man nicht aus der Welt und man bekommt mit, was in der Firma läuft.

 

Warum müssen sich nur Frauen darüber Gedanken machen?

Das kann genauso gut für einen Mann gelten. Ich sage es anders: Einer – egal ob Mann oder Frau – sollte sich auf das Thema Karriere konzentrieren und einer – so lange er in der Phase der intensiveren Kinderbetreuung steckt und nicht Vollzeit arbeiten kann – muss Positionswahrung betreiben.

 

Moderne Arbeitsmodellen wie Jobsharing und Topsharing (zwei teilen sich einen Job bzw. eine Führungsposition) sollen aber genau das erleichtern…

Auf der Mitarbeiterebene mag das gut funktionieren. Auf der Führungsebene halte ich das für schwierig. Man muss so ein Konstrukt immer in 360 Grad betrachten – auch die Ebene darunter und darüber. Plötzlich hat das Team zwei Chefs. Z.B., der eine Chef ordnet an einem Tag was an, der andere frägt am nächsten Tag: was machen Sie da eigentlich? Für Mitarbeiter ist es eine zusätzliche Belastung, mit zwei unterschiedlichen Führungsstilen konfrontiert zu werden. Dass sich zwei Führungskräfte in jedem Punkt ähnlich und eins sind, ist sehr unwahrscheinlich.
Für die darüber liegende Ebene bzw. die Personalabteilung bedeuten zwei Führungskräfte auch doppelten Verwaltungsaufwand. Und wenn einer der beiden sagt, ich will wieder mehr arbeiten, dann kann dieses aufwändige Konstrukt evtl. nicht mehr aufrechterhalten werden.
Ich will damit nicht sagen, dass so etwas nicht funktionieren kann, aber die Wahrscheinlichkeit, dass alle diese Faktoren zusammenpassen und auch dauerhaft stabil bleiben, stelle ich mir als gering vor.

 

Hat die LBS Bayern dieses Modell im Einsatz?

Es wird angeboten, allerdings im Moment von keinem Mitarbeiter in Anspruch genommen. Aber wir haben Führungskräfte in Teilzeit. Und hier zeigt sich, dass das Funktionieren stark von der Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter abhängt und von den eigenen Aufgaben. Wenn man eine Leitungsfunktion bekleidet, in der man für Eskalationen zur Verfügung stehen muss, ist das schwierig, wenn man erst drei Tage nach der Eskalation wieder im Büro ist.

 

Das ließe sich mit Homeoffice abfangen…

Homeoffice ist nicht die Pauschallösung von Teilzeit. Ich kenne auch Beispiele aus dem Bekanntenkreis, bei denen auf dem Papier 80% Arbeitszeit steht, aber zu Hause mit Laptop und Diensthandy kann das unterm Strich schon bis 110% gehen. Das ist aber eigentlich nicht der Sinn. Ich persönlich gehe lieber Vollzeit von 8 bis 17 Uhr in die Arbeit und danach hat die Familie meine volle Aufmerksamkeit.

 

Das funktioniert bei Ihnen immer?

In der Regel komme ich trotz Pendeln jeden Tag um ca. 18 Uhr nach Hause. Natürlich gibt es auch Tage die länger sind. Aber soweit mir das möglich ist, versuche ich das zu steuern. Mir ist bewusst, dass das derzeit eine Luxussituation ist. Wir können gemeinsam Abendessen, ich kann noch mit den Kindern spielen. Dann bring ich eine Tochter ins Bett und meine Frau die andere. Es ist alles eine Frage der Organisation.

Natürlich habe ich dadurch in der Arbeit einen sehr dicht gedrängten 8-Stunden-Zeitplan. Teilweise mit halbstündigen Termine ohne Übergang zum nächsten. Das muss man können und mögen. Ich mach halt viel über die Effizienz, was für die LBS einen deutlichen Mehrwert darstellt, da ich mit dieser Vorgehensweise nur überschaubare Überstunden generiere. Insgesamt ist mein Vorteil, dass meine Work-Life-Balance stimmt und dass ich Privat- und Berufsleben in der wenigen Zeit die ich habe – 24h am Tag – ganz gut darstellen kann.
Auch im Privatleben versuche ich, notwendige Tätigkeiten zu optimieren, um mehr Qualitytime für meine Familie und mich zu haben.

 

Interview: Julia Schmid

 

Über die LBS Bayern: Die Bayerische Landesbausparkasse verhilft seit über achtzig Jahren breiten Bevölkerungsschichten in Bayern zum Erwerb und Erhalt von Wohneigentum. Als Bausparkasse der Sparkassen ist die LBS Bayern überall im Freistaat präsent und sorgt unter dem Leitmotiv „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause“ dafür, dass jeden Tag neue Grundsteine für die eigenen vier Wände gelegt werden. Die LBS Bayern ist mit 1,6 Millionen Kunden die führende Bausparkasse in Bayern. 716 Mitarbeiter arbeiten für die LBS im Innendienst, 635 im Außendienst. Mit der Unterzeichnung des „Memorandums für Frauen in Führung“ strebt die LBS Bayern eine ausgewogene Beteiligung von Frauen und Männern in Führung an.
 

 

Ein weiteres Interview mit einer LBS-Mitarbeiterin zum Thema “Dual Career” findet ihr übrigens hier:

Mutmacher.in für Dual Career


 

In diesem Beitrag geht’s um ein Elterntraining, das  die LBS-Bayern ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anbietet:

Elterntraining für LBS-Mitarbeiter

10 Gründe, warum Jobsharing das coolere Teilzeit ist

Carla und Madita teilen sich zwei Jobs. Mit dem einen verdienen sie ihren Lebensunterhalt, mit dem anderen verwirklichen sie sich selbst. Das Interview der beiden Kolleginnen auf „Gründerszene.de“ zeigt, dass Jobsharing nicht nur ein attraktives Arbeitsmodell für Eltern ist, sondern auch für junge Startup-Gründerinnen und Gründer, Menschen mit einer Leidenschaft für soziales Engagement, Personen mit Pflegefällen in der Familie oder einfach für vielfach Interessierte. Aber das geht doch auch mit Teilzeit!? Worin liegen die Vorteile von Jobsharing? Das klären wir in unserem Blogbeitrag.

 

Was ist Jobsharing?

Jobsharing heißt: Ein Job, zwei Mitarbeiter – sprich, wenn sich mindestens zwei Beschäftigte eine Vollzeitstelle teilen. Die Aufteilungsmöglichkeiten sind vielfältig: Der eine übernimmt den Vormittag, der andere den Nachmittag. Auch verschiedene Wochentage bieten sich an. Wenn sich Jobsharer nicht den Arbeitsplatz teilen, sind natürlich auch Überschneidungen möglich und manchmal sogar sinnvoll – z.B. für Übergaben, Absprachen, Meinungsaustausch, wichtige Termine.

Nach der gesetzlichen Grundlage (Paragraf 13 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes) können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass sich mehrere Beschäftigte die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht. Sprich der Mitarbeiter muss dem Vorgesetzten das Model vorschlagen und auf Entgegenkommen hoffen.

 

Was sind die Vorteile von Jobsharing gegenüber Teilzeitarbeit?

  1. Zwei Köpfe denken besser als einer: Beim Jobsharing kommt es nicht darauf an, dass das Tandem genau den gleichen beruflichen Background und die gleichen Kompetenzen mitbringt. Im Gegenteil, es kann sogar von Vorteil sein, wenn sich das Wissen und die Fähigkeiten im Tandem ergänzen. Das Unternehmen profitiert von erweitertem Knowhow und die Jobsharer erweitern ihren Horizont durch gegenseitiges Lernen. Nicht zu vergessen: Das kreative Potential, das in zwei Köpfen steckt!
  2. Größere Sorgfalt: Gegenseitige Kontrolle soll keine negativen Assoziationen der Überwachung wecken. Vielmehr geht es um die Vorteile des Vieraugen-Prinzips, das gerade bei wichtigen Entscheidungen, komplizierten Dokumenten oder verzwickten Fällen vor Fehlern bewahrt. Zeitlich ist es unrealistisch, dass der Tandempartner jede Email oder jedes Schriftstück vor der Weitergabe gegenliest – dies würde auch den Handlungsspielraum des Einzelnen zu sehr einschränken. Aber es gibt Sicherheit, sich theoretisch bei jemanden rückversichern zu können und es verändert die Fehlerkultur.
  3. Es bleibt weniger liegen: Ist eine Stelle „nur“ in Teilzeit besetzt, heißt das auch, dass sich in der unbesetzten Zeit niemand um die Aufgaben kümmert. Beim Jobsharing bleibt die Arbeit nicht mehr „liegen“ bis Mitarbeiter A wieder an den Arbeitsplatz zurückkehrt, sondern wird von Mitarbeiter B in der Zwischenzeit erledigt. Das nimmt zum einen Stress von den Arbeitnehmern und bringt für den Arbeitgeber den Vorteil, dass Aufgaben schneller abgearbeitet werden können, als von einer Teilzeitkraft.
  4. Gleiche Chance für Mütter: Dass Familie und Karriere für Frauen in Deutschland immer noch schwer miteinander zu vereinbaren sind, ist ein weitläufig bekanntes und vieldiskutiertes Problem. Topausgebildete Frauen, können oder möchten als Mütter häufig nicht mehr in ihre Führungsposition zurückkehren, weil sie aus Zeitgründen lieber in Teilzeit arbeiten möchten aber damit den Anforderungen an eine Führungskraft nicht mehr gerecht werden. Mit dem Jobsharing-Modell, das sich auf Führungsebene auch Topsharing-Modell nennt, besteht die Möglichkeit, dass sich zwei Topfrauen mit Kindern eine Führungsposition teilen. Oder eine Nachwuchsführungskraft die Chance auf einen Aufstieg bekommt, der ihr ansonsten noch nicht geboten worden wäre.
  5. Flexiblere Terminwahrnehmung: Arbeitet ein Mitarbeiter in Teilzeit, kann er nur zu einer bestimmten Zeit Termine wahrnehmen – z.B. nur vormittags oder an bestimmten Wochentagen. Das kann im Team zu Koordinierungsproblemen oder in Führungspositionen gar zu Terminkonflikten führen, bei denen sich die Führungskraft entscheiden muss, ob sie es sich leisten kann, an bestimmten Meetings nicht teilzunehmen. Beim Jobsharing ist gewährleistet, dass so gut wie alle Termine von einem der beiden im Tandem wahrgenommen werden.
  6. Unliebe Aufgaben aufteilen: Es gibt kaum einen Job, der nicht auch Aufgaben mit sich bringt, die einem lästig sind. Seien es Verwaltungsaufgaben, Ablage oder Datenauswertung – der Grad der Abneigung ist subjektiv. Umso besser, denn im Tandem können unliebsame Aufgaben untereinander aufgeteilt werden und treffen den Einzelnen dann nur halb so oft. Oder die Vorlieben des Tandems ergänzen sich sogar in dem Maße, dass sie die unliebsamen Aufgaben des Einen, die Vorlieben des Anderen sind…
  7. Mehreren (Privat-)Anliegen nachgehen: Wie eingangs beschrieben, ist Jobsharing nicht nur ein attraktives Modell für Eltern – Mütter wie Väter – die gerne mehr Zeit mit Ihrer Familie verbringen möchten. Im Fall von Carla und Madita ermöglicht Jobsharing auch Startup-Gründerinnen, die noch am Anfang ihrer Idee stehen, sich ein Einkommen zu sichern und trotzdem Zeit für die Umsetzung der eigenen Visionen zu haben. Andere wiederum engagieren sich beispielsweise mit großer Leidenschaft für die Flüchtlingshilfe und finden ihre Erfüllung nicht im Job, sondern im sozialen Engagement. Wieder andere möchten ihren dementen Vater zu Hause pflegen und müssen die Wochenarbeitszeit reduzieren.
  8. Arbeitgeberattraktivität steigern: Die Bedürfnisse unserer individualisierten Gesellschaft werden immer vielfältiger und für den Mitarbeiter auch immer bedeutender. Work-Life-Balance, persönliche Freiheit, die Frage nach dem Glück beeinflussen bei der jetzt ins Berufsleben eintretenden Generation Z fast noch stärker die Auswahl ihres Arbeitsplatzes und ihres Arbeitgebers, als Gehalt und Position. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels ist es für Unternehmen essentiell, im Wettbewerb um gut ausgebildete Nachwuchskräfte bestehen zu können. Angebote wie Jobsharing und Topsharing steigern die Attraktivität als Arbeitgeber.
  9. Schulung wichtiger Kompetenzen: Kommunikationsfähigkeit, Zeitmanagement, Selbstorganisation werden im digitalen Zeitalter immer mehr zu Schlüsselkompetenzen. Durch die Digitalisierung und Globalisierung kann Arbeit zu jeder Zeit und von jedem Ort aus erledigt werden. Starre Arbeitsbedingungen werden immer weiter aufgeweicht zu Gunsten der Flexibilisierung. Doch diese Entwicklung Bedarf eines höheren Maßes an Organisationsfähigkeit. Zum einen, um trotzdem klare Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit setzten zu können. Zum anderen, um Absprachen und Teamarbeit erfolgreich zu koordinieren, auch wenn sich die Kollegen nicht mehr face-to-face gegenüberstehen. Das sind auch die Herausforderungen, die Jobsharing-Tandems begegnen müssen. Sie können quasi im Kleinen bereits üben, was immer im Großen von Mitarbeitern mehr und mehr verlangt werden wird.
  10. Sharing is caring und außerdem hip: Teilen ist das neue Haben! Dieser Trend zeigt sich nicht nur an der steigenden Beliebtheit von Angeboten wie Carsharing (DriveNow, car2go, etc.), Wohnungs-Sharing (AirBnB, Lovehomeswap) oder gar Sharing von Gebrauchsgegenständen (Wir.de, Leihdirwas ). Die junge Generation denkt weniger konsumorientiert, mehr nachhaltig und pragmatisch nach dem Motto „ich brauch keine Bohrmaschine, sondern ein Loch in der Wand!“ Vertreter dieser Generation – gerade die Informierten und Interessierten unter ihnen – sind offen für Sharing-Angebote in jeder Lebenslage und stellen diese Ansprüche letztendlich auch an ihren Arbeitgeber.

 

Zugegeben, es handelt sich hierbei um eine etwas einseitige Betrachtungsweise. Denn Jobsharing bringt duchaus auch einige Herausforderungen mit sich, die erst einmal gemeistert werden müssen, bevor das Tandem auf Erfolgskurs fährt. Mehr dazu im nächsten Blogartikel. Der passende Tandempartner muss auch erst einmal gefunden sein – in kleineren Unternehmen ein wohl sehr schwieriges bis unmögliches Unterfangen. Natürlich kann Jobsharing nicht der Königsweg für alle Bedürfnisse, alle Mitarbeiter und alle Unternehmen sein. Doch Untersuchungen zeigen, dass der Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen sowohl bei Vertreterinnen der jungen Generation, als auch für die der älteren im Sinne von Altersteilzeit, durchaus vorhanden ist. Sich wandelnde gesellschaftliche Bedürfnisse stellen Unternehmen meist im Laufe der Zeit von alleine vor Herausforderungen, deren Lösung das volle Potential manchmal erst in der Umsetzung zeigt.

 

Autorin: Julia Schmid

So klappt Jobsharing

„Gegenseitiges Vertrauen, kein Konkurrenzgedanke, Flexibilität und Professionalität“ sind nötig, damit das Tandem im Jobsharing-Modell funktioniert und harmoniert, erzählt Dr. Virginia Bastian aus eigener Erfahrung. Die Managerin von Nestlé (Human Resources Group Manager) kehrte ein halbes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter in ihre Führungsposition zurück, teilte sich den Job mit ihrer Elternzeitvertretung und bildete damit das erste Jobsharing-Tandem auf Managementebene bei Nestlé.

 

Ergänzend zum Artikel „10 Gründe warum Jobsharing das coolere Teilzeit ist“ geht es in diesem Blogbeitrag darum, welche Herausforderungen das neue Trend-Modell meistern muss und wie der Erfolg des Tandems gewährleistet werden kann.

 

Absprache ist das A und O. Absprache kann heißen, dass sich das Tandem regelmäßig zu Beginn der Woche überlegt, wie es sich aufteilt oder vor Start jeden Monats und/oder gar am Anfang des Jahres. Es müssen Fragen geklärt werden wie: Wer arbeitet wann? Wer ist wann an welchem Ort? Wer nimmt welche Termine wahr? Bearbeitet jeder unterschiedliche Themen oder arbeiten beide an einem? Abhängig von den To-Dos und den Kapazitäten des Arbeitsplatzes sollte sich das Tandem zudem überlegen, wann das nacheinander und wann das zeitgleiche Arbeiten sinnvoller ist. Überlappungen können für Absprachen, Meinungsaustausch oder wichtige Termine hilfreich sein.

 

Darüber hinaus sind gute Übergaben und Transparenz von großer Bedeutung für effektives Arbeiten und das Vermeiden von Doppelstrukturen. Den Tandem-Partner bei jeder E-Mail in CC zu setzen, ist eine Möglichkeit. Für Jobs, die einen hohen Kommunikationsaufwand und damit eine zu belastende E-Mail-Flut mit sich bringen, kann es zur besseren Übersicht helfen, alle Tätigkeiten in einer Liste zu dokumentieren oder gar mit einer professionellen Projektmanagement-Software zu arbeiten.

 

Der sicherste Weg, um das Tandem schnell zum Erfolg zu führen, sind begleitende Schulungen und Workshops. Dies betrifft nicht nur die Unterstützung bei der Einführung in Organisations- und Kommunikationstools, sondern auch Hilfestellungen für Fragen auf zwischenmenschlicher Ebene. Wenn zwei Menschen so eng zusammenarbeiten (müssen) bleiben Konflikte und Meinungsverschiedenheiten oft nicht aus. Es ist nur die Frage, wie das Tandem diese Konflikte konstruktiv lösen und gestärkt daraus hervorgehen kann.

 

Ehrlichkeit statt Eitelkeit ist auch ein wichtiges Mantra. Gerade wenn mal etwas schief läuft ist es wichtig, die Probleme und Fehler offen zu besprechen anstatt über unausgesprochenen Verantwortungszuschreibungen zu brüten oder gar hinter dem Rücken zu lästern. Sollten sich Disharmonien einschleichen, ist es wichtig schnell zu handeln, um das Tandem wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Das Einschalten eines Vermittlers kann für eine objektive Einschätzung der Lage und das Einlenken beider Parteien helfen. Wiederum ist es auch bei Erfolgen wichtig, dass das Ergebnis als Leistung beider Tandempartner kommuniziert wird. Gerade wenn die Tandem-Partner in ihrem Auftreten und ihrer Präsenz sehr unterschiedlich sind, ist es von großer Bedeutung, dass kein Ungleichgewicht bei der Sichtbarkeit im Unternehmen und somit einseitige Unzufriedenheit entsteht.

 

Die Fähigkeit Aufgaben tatsächlich abgeben zu können, darf nicht unterschätzt werden. Als Arbeitnehmer werden wir von Anbeginn unserer Karriere dazu erzogen, alles selbst erledigen, stets den kompletten Überblick haben und immer souverän wirken zu müssen. Mit dem Jobsharing-Modell muss das Tandem lernen gemeinsam anstatt parallel zu arbeiten. Sonst landen beide im Endeffekt im klassischen Teilzeit-Modell. Und dies ließe sich auch mit geringerem Koordinierungsaufwand umsetzen – doch dann bleiben auch die vielen Vorteile auf der Strecke. Coachings und Mentoring-Programme helfen dabei, eigene Verhaltensmuster, Rollenerwartungen und stereotypes Denken zu reflektieren, Handlungsbedarf wahrzunehmen und gegebenenfalls sich selbst zu optimieren. Dr. Virginia Bastian hat beispielsweise am Cross-Mentoring-Programm unserer Unternehmensberatung Cross Consult teilgenommen – im Jahr 2012 als Mentee, vier Jahre später als Mentorin. Das Cross-Mentoring-Programm beinhaltet die Besonderheit, dass Mentees und Mentoren aus unterschiedlichen Unternehmen ein Tandem bilden. Somit ist ein angstfreier Austausch möglich, bei dem Probleme und eigene Defizite offen besprochen werden können, ohne dass der Mentee Sorge haben muss, seine Schwachstellen könnten im Unternehmen durchsickern. Zum anderen blicken alle Teilnehmer über den Tellerrand hinaus und lernen durch den Vergleich mit anderen Betriebspraktiken dazu.

 

„Zwar brauchte es am Anfang etwas Zeit, bis sich die Dinge eingespielt hatten, für uns, für unser Team und unsere Kollegen”, sagt Dr. Virgina Bastian. Doch die Nestlé-Führungsfrau ist vom Jobsharing-Modell vollends überzeugt und spricht von insgesamt nur positiven Erfahrungen. “Am Ende konnte ich viel lernen – Vertrauen aufbauen, delegieren, andere Vorgehensweisen akzeptieren”. Mit dem Jobsharing-Modell konnte sie trotz Elternschaft ihre Führungsposition weiter wahrnehmen und zusätzlich Kompetenzen wie Abstimmungsgeschick, Effizienz und Flexibilität stärken. Deshalb ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch immer kein Kinderspiel, aber flexiblere Strukturen machen Kind-und-Karriere-Konstellationen möglich, die noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wären.

 

Von ihrem Jobsharing-Modell berichtet Dr. Virginia Bastian übrigens auch im Buch “Mut zu Kindern und Karriere” , in dem 40 Working Moms erzählen, wie sie Karriere und ein erfülltes Familienleben in Einklang bringen – herausgegeben vom Netzwerk “Working Moms”.

 

Autorin: Julia Schmid