Bereits zum vierten Mal fand vom 11.bis 12. Oktober 2018 die herCAREER, die süddeutsche Karrieremesse für Absolventinnen, Frauen in Fach- und Führungspositionen und Existenzgründerinnen in München statt. Das Memorandum für Frauen in Führung (MFF) als Kooperationspartnerin der Messe war natürlich auch in diesem Jahr wieder mit einem Stand vertreten.
Im Zeichen unserer mutmacher.in Kampagne und dem diesjährigen MFF-Motto „Talente“ war das Motto unseres Standes „Mut zu Ihrem Talent“. Die Messebesucherinnen waren zum Mitmachen und Ausprobieren eingeladen. Am Stand hatten wir verschiedene Spiele, von Memorie über Geduldsspiele bis zu VierGewinnt, die wir mit der Aufforderung „Entdecke dein Talent“ den Besucherinnen zum Ausprobieren boten. Sehr schnell zeigten sich Talente, wie sich auf Ungewöhnliches einzulassen, durchzuhalten, wenn die Lösung nicht auf den ersten Blick ersichtlich wird, bzw. innovative Herangehensweisen zu wählen. Toll, wie viele das Angebot wahrgenommen haben, sich über ihr Talent Gedanken zu machen. Für alle sichtbar haben viele die Gelegenheit genutzt, ihre Sichtweise auf das Thema Talente zu kommunizieren und damit anderen neue Perspektiven mitzugeben. Die Messebesucherinnen vervollständigten die Aufschrift „Talent heißt….“ und gestalteten unseren Stand so laufend mit. Die Botschaft der Aktion ist „Probiere Dich aus! Entdecke Deine Talente! Geh mit deinen Stärken!“ Vielen Dank für’s Mitmachen.
Großer Beliebtheit erfreuten sich auch unsere MFF-Buttons. Alle Messebesucherinnen, die am MFF-Stand vorbeikamen, erhielten einen Button mit der Aufschrift „Ich bin ein Talent“ und konnten so ihren Rundgang auf der Messe sichtbar als Talente beginnen.
Auch dieses Jahr waren die Karriere-MeetUps bestens besucht. Inka Mammen, Senior Managerin bei Deloitte Consulting im Bereich Technology, gab einen authentischen Einblick in ihren Beraterinnenalltag bei Deloitte und ermutigte die Besucherinnen sich auch mit ungewöhnlichen Lebensläufen zu bewerben. Die Beratung biete viele Möglichkeiten, insbesondere für diejenigen, die Interesse hätten, sich stetig weiterzuentwickeln. Die Besucherinnen nutzen die Gelegenheit, ihre Chancen auf einen Job in der Beratung abzuklopfen und ihre Vorurteile gegenüber Beratungsunternehmen zu überprüfen. Die offene, interessierte und zugewandte Art von Frau Mammen hat alle Zweifel beseitigt und die Frauen mit Mut für ihre Gespräche auf der Messe ausgestattet.
Frau Dr. Thelen, Leiterin der Qualitätssicherung der Stadtwerke München, erzählte von ihrem spannenden Alltag und ihrer Karriere in einer Branche, in der Frauen immer noch unterrepräsentiert sind. Als promovierte Mikrobiologin hat sie sich ein Standing erarbeitet, das die jungen Frauen deutlich ermutigte sich nicht immer nur für Bereiche zu bewerben, in denen Frauen in der Überzahl sind. Denn gerade männerdominierte Bereiche bieten die Möglichkeit für Frauen sichtbar zu werden und auch Verantwortung zu übernehmen.
Heutzutage geben alle Unternehmen an Talente zu suchen. Was ein Talent ist, haben viele Unternehmen aber noch gar nicht definiert. Anders sieht es bei der LVM Versicherung in Münster aus.
Im dritten Karriere-MeetUp gab Beate Bünder, Leiterin der Personal- und Führungskräfteentwicklung der LVM Versicherung Einblick in ihre Talentauswahl. Um Talente zu entdecken, setzt die LVM-Versicherung auf Potentialindikatoren. Durch die geschlechtersensible Perspektive kann sie genderneutrale Verhaltensweisen und Eigenschaften identifizieren und Stereotypenbildung weitestgehend vermeiden. Im MeetUp wurden die Potentialindikatoren vorgestellt sowie die Fragen, die die meisten beschäftigen: Woran erkennen wir unsere Talente von morgen? Wie bereiten wir unsere Führungskräfte vor? Wie gehen wir mit unseren Talenten um? Im Austausch zeigte sich, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Talenten dabei hilft, potenziellen Bewerberinnen Orientierung zu geben und Unsicherheit abzubauen. Unternehmen tun also gut daran, wenn sie sich dem Thema widmen, um vor allem Frauen zu ermutigen sich zu bewerben.
Der große Andrang am Stand des Memorandums und von Cross Consult hat wieder gezeigt, wie vielfältig die Fragen der Messebesucherinnen sind. Von „Lohnt sich ein Wiedereinstieg nach 13 Jahren Elternzeit überhaupt noch?“ bis hin zu „Welches Unternehmen bietet Frauen, die Führungsambitionen haben, die besten Karriereperspektiven?“ war alles dabei.
Großes Lob an die herCAREER für das vielfältige Angebot, das klare mutmacher.in Qualitäten hatte.
Am 28. Juli trafen sich im Garchinger Technologie- und Gründerzentrum die Teilnehmerinnen des MentorING-Programms der TUM zu einer spannenden Veranstaltung: Bewerbungssimulationen. Das Besondere: kein einfacher Lebenslauf-Check, sondern ein einstündiges Interview mit erfahrenen Personalerinnen und Personalern, in denen auch das fachliche und organisationstechnische Wissen der Studentinnen abgeklopft wird. Keine einfache Aufgabe – aber die Teilnehmerinnen nahmen es gelassen. Sie haben dabei doppelten Einsatz bewiesen: Bewerbungen schreiben neben der Prüfungsvorbereitung, den letzten Vorlesungen und dem Fertigstellen der Abschlussarbeit. „Herausforderungen meistern“, ist im MentorING-Programm der TUM kein leerer Satz, sondern gelebte Praxis.
„Das MentorING-Programm wird von der TUM in Kooperation mit Cross Consult durchgeführt und unterstützt gezielt Studentinnen bei der Orientierung auf dem Arbeitsmarkt sowie der persönlichen und professionellen Entwicklung. Seit dem Programmstart 2002 haben mehr als 60 Unternehmen Mentorinnen und Mentoren entsandt und an der Entstehung eines tragfähigen Netzwerkes mitgewirkt. An dem Bewerbungstraining waren rund 20 Programmteilnehmerinnen beteiligt – und sechs Münchner Unternehmen: eSolve, die ESG, Knorr-Bremse, Intel, Gore und die Münchner Stadtwerke.“
Eine Besonderheit des Programms ist die direkte Verknüpfung des Studiums mit der Geschäftswelt. Die Mentorinnen und Mentoren geben den Teilnehmerinnen reale Einblicke in die Abläufe großer Unternehmen. Genauso gelten bei der Bewerbungssimulation die realen Anforderungen der Wirtschaft. Echte Personaler aus den Partnerunternehmen des Netzwerkes hatten sich die simulierten Bewerbungen auf reale Stellenangebote zuschicken lassen. Die Situation unterschied sich somit in keiner Weise von einem wirklichen Bewerbungsgespräch – und wer weiß: vielleicht blieb die ein oder andere Studentin auch wirklich als die beste Kandidatin für die Stelle in Erinnerung?
Unter diesen Voraussetzungen entstand ein Klima der besonderen Professionalität. Die Gespräche reichten von der Darstellung der eigenen Biographie bis hin zu tiefen fachlichen Diskussionen. Natürlich erstaunt es nicht, dass man vor dem Ausbildungshintergrund der Bewerberinnen und der technischen Aufgabenbereiche vieler Stellenangebote schnell über die Anwendbarkeit von Programmiersprachen oder die Verbesserungsmöglichkeiten satellitengesteuerter Rettungssysteme sprach. Genauso aber wurden die Bewerberinnen zur Reflexion persönlicher Misserfolge angehalten. Sind sie in der Lage, eigene Ansätze zu optimieren? Wenn sie ein gleiches Projekt noch einmal angingen, was würden sie anders machen? Es zeigt sich auch, dass die digitale Transformation längst in der Wirtschaft angekommen ist. Sind die Bewerberinnen mit agilem Projektmanagement vertraut? Können sie ihre Fähigkeiten in interdisziplinären Teams anwenden, relevante Informationen filtern und sie den richtigen Mitarbeitern zur Verfügung stellen? Wo würden sie sich selbst in einem Arbeitsprozess verorten, an dem gleichzeitig hunderte von Personen beteiligt sind?
Dass man sich während des Studiums mit solchen Fragestellungen beschäftigt, ist nicht selbstverständlich. Und gerade das macht die Stärke des Programms aus. Bei Veranstaltungen wie dem Bewerbungstraining bekommen die Teilnehmerinnen zielgerichtete Unterstützung und konkrete Verbesserungsvorschläge. Beispielweise, wenn es darum geht, wie man ein Anschreiben noch lesbarer machen kann, wie Distanz oder Offenheit die Gesprächsführung beeinflussen können oder wie man souverän mit unerwarteten Aufgaben umgeht. Unabhängig von den einzelnen Coachings entwickeln sich die Teilnehmerinnen aber auch innerhalb der Mentoring-Tandems weiter. Das Programm ist mit der Dauer eines Jahres so langfristig ausgelegt, dass die Mentees sich ein erstes berufliches Netzwerk aufbauen können. Besonders wichtig ist dabei natürlich die Beziehung zum eigenen Mentor / zur eigenen Mentorin. Aber auch die Netzwerkveranstaltungen im Programmverlauf helfen den Mentees, Kontakte zu anderen Firmenvertretern zu knüpfen.
Der langfristige Charakter des Programms bringt weitere Vorteile. In der unmittelbaren Beziehung zu den Mentorinnen und Mentoren bekommen die Mentees einen ganz persönlichen Blick auf den Berufsalltag. Sie können Themen aus dem Studium mit Menschen diskutieren, die in diesem Feld tatsächlich Berufserfahrung haben. Sie lernen verschiedene Firmen und unterschiedliche Unternehmenskulturen kennen. Sie erfahren im Austausch mit anderen Teilnehmerinnen, wie Prioritäten persönlicher Lebensplanung aussehen können – und können für sich selbst herausfinden, was sie eigentlich wollen. Diese Vielseitigkeit macht das MentorING-Programm besonders, und bietet den Teilnehmerinnen nicht nur profundes Kompetenztraining, sondern auch eine wirkliche Horizonterweiterung.
Autor: Maximilian Priebe
Über die letzte Veranstaltung innerhalb des MentorING-Programmes könnt ihr hier lesen:
Schon 2013 gab es laut KarriereSPIEGEL 200.000 Doktoranden und Doktorandinnen in Deutschland – seitdem sind die Zahlen noch angestiegen. Brauchen wir so viele Promotionen? Muss ich da mitmachen? Diese Fragen diskutierten am Montagabend, dem 7. Mai, Studentinnen der TU München mit Führungskräften aus Partnerunternehmen im Rahmen unseres MentorING-Programms. Forschungsmentalität und „Promotionszwang“ waren dabei nur einige Aspekte in den lebhaften Gesprächen. Promovierte und nicht-promovierte Mitarbeiterinnen berichteten von ihren Erfahrungen im Unternehmen und tauschten sich mit den Studentinnen über die Schwierigkeiten aus, für eine Doktorarbeit ein richtig gutes Thema zu finden. Hier lassen wir euch an ihren Überlegungen teilhaben und gehen der Frage nach: Promotion ja oder nein?
Das MentorING-Programm wird von der TUM in Kooperation mit Cross Consult durchgeführt und unterstützt Studentinnen bei der Orientierung auf dem Arbeitsmarkt sowie der persönlichen und professionellen Entwicklung. Seit dem Programmstart 2002 haben mehr als 60 Unternehmen Mentorinnen und Mentoren entsandt und an der Entstehung eines tragfähigen Netzwerkes mitgewirkt. Gastgeber des diesjährigen Treffens war Knorr-Bremse.
Drei Mal wurden die verschiedenen Aspekte der Entscheidungsfindung mit Kleingruppen von Führungskräften und Studentinnen beleuchtet. Und in allen Gesprächsrunden wussten die Teilnehmerinnen bereits: eine Promotion muss nicht der Normalfall sein. Nur ein kleiner Teil von denen, die während der drei Gesprächsrunden miteinander diskutierten, steckten tatsächlich gerade in einer Doktorarbeit oder hatten promoviert. Viele der anwesenden Mentorinnen berichteten, dass sie bewusst auf eine Promotion verzichtet haben und stattdessen Berufserfahrung sammeln konnten. Und gerade diese Praxiserfahrung hat ihnen letztendlich einen Einstieg in die gewünschten Firmenpositionen gebracht.
Es stellte sich also schnell heraus, dass zwischen der Promotion und dem Traumjob nicht immer ein zwingender Zusammenhang besteht. So kam auch die Frage auf, ob eine Promotion bei der Jobsuche nicht sogar hinderlich ist. Wie verkaufe ich es, dass ich drei Jahre oder mehr ganz außerhalb von Unternehmensstrukturen gearbeitet habe? Werde ich vielleicht genau deswegen nicht eingestellt, weil ich mich auf ein Thema spezialisiert habe, für das die Unternehmen gar keine Anwendungsbereiche haben? Bin ich „über-akademisiert“ für die freie Wirtschaft? Diese Bedenken betreffen besonders stark theoretische Disziplinen – wie die Mathematik.
Auf die Fachrichtung kommt’s an
Tatsächlich fällt auf, dass, sobald man die unterschiedlichen Fachrichtungen ins Auge fasst, der Doktortitel ganz verschiedene Funktionen erfüllt. In vielen Naturwissenschaften, vor allem in der Chemie, ist er eine fast notwendige Anforderung am Arbeitsmarkt. Der Medizin wird sogar vorgeworfen, dass ihr Doktortitel nur ein besserer Master sei – weil kaum ein Patient eine Ärztin nicht als „Frau Doktor“ anredet. In den Ingenieurswissenschaften zählt die Promotion hingegen eher zur Seltenheit. Es kommt also stark auf das jeweilige Umfeld an. Manche müssen promovieren, um in ihrem Bereich ernst genommen zu werden. Einige können promovieren, um sich ein besonderes Detailwissen zu verschaffen, das sie für ausgewählte Stellen in Unternehmen qualifiziert. In solchen Fällen ist die Passung wichtig – zwischen dem thematischen Bezug der Arbeit und der angestrebten Stelle. Wieder andere brauchen die Promotion für die eigene Karriere gar nicht – können es aus Forscherdrang und Idealismus aber trotzdem tun. In solchen Fällen ist natürlich die Identifikation mit dem Thema von besonderer Bedeutung.
In Kooperation mit Unternehmen – ja oder nein?
Bevor man für oder gegen eine Promotion entscheidet, sollte man also genau überlegen, wo man sich selbst verortet. Sind die eigenen Gründe für das Projekt klar, sollte noch die große Vielfalt an Möglichkeiten zur Promotion berücksichtigt werden. Von vielen Teilnehmerinnen wurde auf die Chance aufmerksam gemacht, dies direkt in der Industrie zu tun. In dieser Umgebung wären die Praxisbezüge des Themas offensichtlich – und die Übernahmechancen hoch. Für die Individualpromotion an der Uni spricht jedoch die thematische Freiheit und die Einbettung in den akademischen Kontext, falls diese Laufbahn noch eine Option ist. An diesem Punkt spielt die Frage der finanziellen Vergütung ebenfalls eine Rolle. Dazu hatten die Teilnehmerinnen ganz unterschiedliche Meinungen: ob man als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl oder als Promovend in einem Unternehmen mehr verdient, blieb letztlich unbeantwortet – und sollte im Vorfeld durchaus ermittelt werden. Langsam, aber sicher, erfreuen sich auch Graduiertenkollegs in angelsächsischer Tradition immer größerer Beliebtheit. In Ihnen forschen Promovierende in einem zumeist interdisziplinären Team gemeinsam an einem Thema – und können sich so bereits ein wissenschaftliches Netzwerk aufbauen. Eine Graduiertenschule kann besonders dann in Betracht gezogen werden, wenn man eine Promotion im Ausland erwägt oder innerhalb Deutschlands eine andere Studienkultur kennenlernen möchte.
Bei Abschluss des Abends stand fest, dass die Entscheidung für oder gegen die Promotion kaum eine Frage des „lohnenden Investments“ ist. Die Entscheidung hängt von den persönlichen Lebensumständen und den Zielvorstellungen ab, und prägt in jeder Weise die eigene Identität. Wer also Grundlagenforschung betreiben will, der sollte es tun. Wer direkt in den Beruf gehen möchte, der kann sich auch dort verwirklichen. Ohne Leidenschaft, das war allen klar, hätte beide Wege keinen Sinn.
Autor: Maximilian Priebe
Ob mit oder ohne Promotion, für die Bewältigung der Digitalisierung sind Fachkräfte gefragt – dazu mehr in unserem Interview mit dem Personalleiter der MTU Aero Engines:
Eine Promotion als Spiegel der Persönlichkeit – individuelle Lebensläufe sind bei Unternehmen gerne gesehen, erzählt der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Versorgungskammer, Daniel Just:
Digitalisierung – der aktuelle Schlüsselbegriff in deutschen Unternehmen. Alle sind davon betroffen. Alle müssen sich damit befassen. Alle sehen darin neue Chancen und zugleich große Herausforderungen. Bei einem der großen internationalen Player der Luftfahrt – Triebwerkshersteller MTU Aero Engines – stehen ebenfalls alle Zeichen auf Digitalisierung. Was sich in der Arbeitswelt 4.0 für die Mitarbeiter verändert, welche Talente dafür gefragt sind und wie neue Chancen für Frauen entstehen, erzählt MTU-Personalleiter Hans-Peter Kleitsch im MFF-Interview.
Wie macht sich die Digitalisierung bei der MTU bemerkbar?
Sowohl in die Büros als auch in die Fertigungshallen ziehen in hohem Tempo stetig neue innovative Tools und Möglichkeiten der digitalen Datenverarbeitung ein. Mittlerweile hat bspw. jedes Triebwerk einen elektronischen Lebenslauf – genau wie Sie. Dieser wiederum macht eine sehr flexible und schnelle Wartung möglich, für die wir unsere Mitarbeiter an unseren Standorten auf der ganzen Welt vernetzen und koordinieren müssen. Für die Wartung nutzen wir dann wiederum Tools wie bspw. „Boroscoping“ – das heißt, wir gehen mit einem Spähauge ins Triebwerk und zoomen die kleinen Einzelteile auf dem IPad heran. Oder wir simulieren mithilfe von Computeranimationen bestimmte Arbeitsvorgänge. Wir haben gerade ein neues Tooling im Test, da können sie mit einem Barcode ein Triebwerk durch Animation in Einzelteile zerlegen. [Mehr zum “Digital Transformation Program” der MTU]
Wird die Arbeit in Ihren Fertigungshallen dann nur noch von Robotern erledigt oder legen ihre Mitarbeiter auch noch selbst Hand an?
Zumindest hoffe ich das! Scherz, wir haben nach wie vor viel Bedarf an manuellen Tätigkeiten, das ist auch ganz wichtig! Beim Zerlegen eines Triebwerks werden Sie Menschen nie ersetzen können!
Aber wenn wir mit Gästen durch unsere Fertigungshallen durchgehen, hören wir schon oft: „Hier wird ja gar nicht gearbeitet!“ Weil man einen Großteil der Arbeit nicht mehr sieht. Bei uns ist es nicht wuselig, es rennen keine Mitarbeiter herum und schleppen schwere Kisten. Wir haben viele Arbeitsplätze, die mit IT-Tools aufgerüstet sind.
Werden dadurch Leute abgebaut: Nein! Wir haben nach wie vor fast 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, genauso wie vor 10 Jahren. Wir setzen sie nur anders ein. Und wenn wir einstellen, stellen wir zunehmend mit anderen Profilen ein als vor zehn Jahren.
Was geschieht mit Ihren langjährigen, älteren Mitarbeitern? Haben die nicht Angst davor, auf der Strecke zu bleiben?
Angst ist – glaube ich – der falsche Ausdruck. Ja, die schnellen Entwicklungsphasen sind ein Thema. Da müssen wir immer hinterher sein und ausreichend Schulungen anbieten. Aber wir können das auch steuern: Diejenigen, die sich mit schnellen technologischen Innovationen schwerer tun, setzen wir in Bereichen ein, die mit weniger schnellen Veränderungen auskommen.
Und diejenigen, die sehr starkes Interesse haben, gehen an die Arbeitsplätze mit vielen Veränderungsraten pro Jahr.
Gerhard Hauptmann „Die Weber“ – hat ein Webstuhl die Arbeitsplätze ersetzt? Nein. Eine Grundangst ist natürlich trotzdem vorhanden. Die Arbeitsplätze werden sich verändern, aber sie werden den Menschen nicht ersetzen. Nur der Mensch hat die Eigenheit, auch manchmal paradox zu denken, was Maschinen nicht können.
Wie digital sind Sie unterwegs?
Ich bin privat noch deutlich digitaler unterwegs als beruflich. Weil wir bei MTU deutlich reglementierter sind und auch auf hohe Datenschutzregeln achten müssen. Ich haushalte allerdings mit meinen privaten Daten sehr stark und gebe nicht alles auf Facebook preis. Meine Frau ist in den Sozialen Medien aktiver.
Wie digital und mobil sind Ihre Mitarbeiter unterwegs?
Jeder erhält den digitalen Part, den er gerne haben möchte. Theoretisch könnte jeder einen Telearbeitsplatz beanspruchen oder Mobilwork machen. Das sind zwei verschiedene Sachen: Telearbeitsplatz ist immer zu Hause, Homeoffice, fester PC mit Standleitung. Und mobiles Arbeiten heißt, ich kann mit mobilen Endgeräten von überall aus arbeiten.
In der Praxis hängt das aber sehr stark von den Vorgesetzten ab. Wir als Unternehmen setzen keine Restriktionen. Ich habe als Führungskraft sehr gute Erfahrungen mit Mitarbeitern gemacht, die sowohl Telearbeit als auch Mobilwork in Anspruch nehmen. Das ist eine andere Form des Arbeitens, von der ich glaube, dass wir mehr Nutzen als Schaden haben. Für mich zählt das Ergebnis. Wie das zu Stande kommt, ist mir egal.
Das heißt, Sie überlassen Ihren Mitarbeitern völlig frei, wann und wie sie die Arbeit erledigen?
Ja! Ich bitte darum, Mails mit mehreren Empfängern nicht unbedingt am Sonntag zu verschicken, damit Externe nicht denken, meine Mitarbeiter müssen sieben Tage die Woche arbeiten. Oder um 23 Uhr. Weil ein anderer weiß ja nicht, dass sich die Mitarbeiterin dafür die Freiheit genommen hat, Mittwoch mittags zu gehen und die Sonne zu genießen…
Wie sollte Ihrer Meinung nach die Führungskraft der Zukunft aufgestellt sein?
Wir brauchen Führungskräfte mit mehr Mut und Zuversicht! Mut, den Mitarbeitern Freiheiten zu geben und Zuversicht, dass sie verantwortungsvoll damit umgehen. Weil jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin erstmal das Interesse hat, etwas gut zu machen. Subsidiarität ist für uns ein weiterer wichtiger Punkt.
Und die Führungskraft muss in Zeiten von Tele- und Mobilwork bereit ein, sich auf entsprechende Kommunikationstools einzulassen. Wir haben zum Beispiel an vielen PCs Webcams. Manche Teams schalten die nie aus. Da sitzt der eine Counterpart in den USA und der andere hier. Und die kommunizieren den ganzen Tag als würden sie sich im Büro gegenübersitzen. Das ist natürlich extrem. Sowas mache ich nicht. Aber ich habe auch Kontakte, die ich nur über Webcams oder Kollaborationstools pflege.
Welche Talente bei Mitarbeitern sind da gefragt?
Leute, die sich selbst organisieren und priorisieren können, die Arbeitsergebnisse gut strukturieren und ihre Daten und Ergebnisse gerne mit anderen teilen. Wir arbeiten inzwischen sehr viel mit agilen Arbeitsweisen – das bedeutet für uns eigenverantwortliche Prototypenentwicklung und Arbeit in crossfunktionalen Teams. Wenn früher eine oder zwei Personen bei einem Projekt mitgedacht haben, sind es jetzt zehn – an verschiedenen Standorten. Und diese zehn sind wiederum in andere Projekte eingebunden. Gerade von Neueinsteigern wünschen wir uns eine Offenheit für diese Strukturen. Wir suchen nach Leuten, die Lust haben, sich einzubringen und sagen: Das ist unser Baby und am Ende steht ein Produkt.
Wie identifizieren Sie solche Leute?
Mit Agile Work ist das ganz einfach. Ziehen Sie die in ein Projekt mit rein, lassen Sie sie eine Sequenz beim „Scrum“ mitlaufen. Dann merken Sie sofort, wie aufgeschlossen die sind. Sehr viel auch über Gespräche und „Was wäre wenn…“-Fragen. Gerade Fragestellungen, die nicht pauschal zu beantworten sind, geben viel über Kreativität preis. Wir wollen Leute haben, die ein bisschen Phantasie und Visionen mitbringen. Und die auch ein bisschen eckig sind. Die haben den Vorteil, dass Sie Bewegung ins System bringen und hinterfragen. Will ich nur Kritiker haben? Nein, es muss schon auch eine Lösungsidee dahinterstecken. Aber in aller Regel sind diejenigen, die ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchten, eher die besseren Leute.
Trifft das auch auf Frauen zu?
Ja klar! Frauen können neue Perspektiven im männlich dominierten Maschinenbaubereich einnehmen: Sie kommen auf Fragestellungen, die sich Männer nicht stellen. Die aber sehr wichtig sind. Gerade diese Ausgewogenheit, das Beleuchten eines Themas von verschiedenen Seiten, bringt den Erfolg.
Und ich sage ganz offen: Da sind wir noch nicht gut genug, weil wir mit 15% Frauenanteil immer noch zu wenige haben. Auch in Führungspositionen. Wir konnten in diesem Jahr vier Positionen der leitenden Angestellten [in der Hierarchie zwei Ebenen unter dem Vorstand] mit Frauen besetzen. Wäre schön, wenn das jedes Jahr klappen würde.
Die Digitalisierung und die flexibleren Arbeitsstrukturen sollen bessere Chancen für Frauen mit Karriereambitionen mit sich bringen, weil sie Arbeit und Familie besser vereinbaren können…
Für Männer auch!
Ja, auch für Männer. Nehmen das schon welche bei Ihnen in Anspruch?
Ja, es werden langsam mehr, aber es könnte schneller gehen. In Elternzeit gehen in erster Linie immer noch Frauen.
Aber ja, Sie haben Recht, vor allem für Frauen mit Familienverantwortung verringert der Freiheitsgrad bei der Arbeitszeitgestaltung die Nachteile gegenüber Männern. Wir haben hier im HR zwei weibliche Führungskräfte, die sich einen Job teilen. Topsharing – das funktioniert sehr gut. Es bringt zwar einen größeren Koordinationsaufwand mit sich, aber der Mehrwert überwiegt: Zum einen haben die beiden immer einen Sparingspartner bei Führungsfragen. Zum anderen muss ich als Vorgesetzter auch ehrlich zugeben, dass ich mehr als die vertraglich geschuldeten 100% Arbeitsleistung bekomme. Und ich muss nie Ausfälle kompensieren.
Es ist nicht jede Führungsaufgabe teilbar. Aber viele. Das kam bisher nur nicht zustande, weil man noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht hat. Ich glaube, da geht noch deutlich mehr als wir uns zutrauen.
Welche Maßnahmen setzen Sie konkret um, um mehr Frauen für die MTU zu gewinnen und zu fördern.
Wir haben einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, der die unterschiedlichsten Altersgruppen und Hierarchiestufen abdeckt. Ein Fokus liegt ganz klar auf dem Thema Hochschulmarketing um junge Potentialträgerinnen von Anfang an im Unternehmen zu entwickeln und den Frauenanteil in der aktiven Belegschaft nachhaltig zu erhöhen. Zudem gibt es Standardmaßnahmen, wie den Girls`Day, Praktikaangebote oder die Summer University. Auch individuelle Weiterentwicklungsangebote, z.B. Mentoring-Programme, interne Führungskräfteschulungen und natürlich ein ausgereifter Talent-Management-Prozess sind implementiert. Hinzu kommen natürlich sehr gute Rahmenbedingungen, wie attraktive Konditionen, Gleitzeitmodelle, flexibles Arbeiten, oder Homeoffice.
Als MFF-Unternehmen haben Sie sich auch das Ziel gesetzt, die gesamte Unternehmenskultur und Unternehmensspitze in einen gendersensiblen Changeprozess mitzunehmen. Auch wenn er sich noch nicht so deutlich in den Zahlen niederschlägt – macht sich bereits ein Kulturwandel bemerkbar?
Wenn ich sieben Jahre zurückdenke: Da hieß es bei der Besetzung von Führungspositionen noch: „Wir sollen uns explizit auch Frauen anschauen? Schwierig, haben wir überhaupt welche?“ Diese Diskussion gibt’s heute nicht mehr. Ein Pool aus Frauen und Männern ist selbstverständlich. Da merkt man schon, dass sich etwas geändert hat.
Aber worin wir noch besser werden müssen, ist Begeisterung bei Frauen für unsere Arbeit zu schaffen. Wir sind noch zu typisch Ingenieursbetrieb: leise, vornehm, alles geprüft, sehr analytisch. Doch wir müssen zeigen, dass es Spaß macht, sich mit Technik zu beschäftigen. Diese Maschinen kann man erleben, kann man sehen, kann man fühlen. Nicht nur das rein verschulte in den Vordergrund stellen. Sondern Kreativität mit Entdeckergeist und Wissen verknüpfen – ich glaube, das können Frauen besonders gut und dafür möchten wir sie begeistern.
Sie haben im Moment 350 Stellen zu besetzen – eine gute Gelegenheit!
In diesem Beitag erzählt eine Führungsfrau der MTU, Dr. Inga Stoll, wie ihr Arbeitsalltag als Abteilungsleiterin aussieht und wie er sich mit zwei Kindern vereinbaren lässt:
“Die Zeiten waren noch nie so gut für uns”, mit diesem Statement hat Diana Patrizia Eid ihren Vortag beim “Memorandum für Frauen in Führung” (MFF) eröffnet und den 13 anwesenden Personalverantwortlichen aus neun Unternehmen auf Anhieb eine gehörige Portion Mut verpasst. “Endlich erhält das Recruiting die Aufmerksamkeit, die wir immer haben wollten”, fügte sie, die Head of Global Recruiting bei der Dräxlmaier Group ist, hinzu. MFF-Initatorin Dr. Nadja Tschirner konnte die Führungsfrau des weltweit agierenden Automobilzulieferers als Rednerin für das MFF-Kompetenzforum am 04. Mai 2018 beim Gastgeber Bayerische Landesbank gewinnen.
Das MFF ist als Initiative für mehr Mixed Leadership entstanden und zu einem Siegel für moderne, flexible und gendergerechte Arbeitgeber gewachsen. Die Personalverantwortlichen (meist auch Diversity-Beauftragte) aus den Unternehmen, die das MFF unterzeichnet haben, treffen sich in regelmäßigen Abständen in Kompetenzforen, um ihre Erfahrungen zu teilen, voneinander zu lernen und aus der Diskussion neue Impulse in ihre Unternehmen mitzunehmen. Dieses Jahr widmen sich die Kompetenzforen dem Themenschwerpunkt “Talente“. In der ersten Sitzung des Jahres lag der Fokus auf dem Talent-Recruiting: “Talente erkennen und gewinnen – Recruitingstrategien in Zeiten von Digitalisierung und Social Media”. Dem MFF immanent ist der Blick auf Themen mit Genderfokus sowie die Berücksichtigung von Chancen und Risiken für Frauen. An der aktuellen Sitzung beteiligten sich Vertreterinnen und Vertreter der Bayerischen Versorgungskammer, der Bayerischen Landesbank, der Landesbausparkasse Bayern, den Beratungsunternehmen Deloitte und KPMG sowie BayWa und Hubert Burda Media.
“Was ist eigentlich ein Talent?”- fragte MFF-Initiatorin Dr. Nadja Tschirner in einem kleinen Impulsvortrag zu Beginn der Veranstaltung. Und schickte vorab, dass auf die Frage nach geschätzten Talenten und Kompetenzen der Antwortgeber meist die eigene Persönlichkeit mit einfließen lässt – das heißt eigentlich ein Abbild seines Gleichen sucht und diese Frage sehr subjektiv beantwortet. Doch rein definitorisch betrachtet, ist ein Talent eine Veranlagung zur Leistung auf einem bestimmten Gebiet, deren Ausprägung durch zwei Komponenten determiniert ist: die eigene Motivation und die passende Förderung.
Auf den Impulsvortrag folgte eine Vorstellungsrunde, in der die Personalverantwortlichen der MFF-Unternehmen für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Talent-Anforderungen ihrer Unternehmen reflektierten – vor allem in Hinblick auf die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Abgesehen von den sehr branchenspezifischen Anforderungen, die sich selbstverständlich aus der Unterschiedlichkeit der Unternehmen ergaben, zeichneten sich doch gemeinsame Nenner ab.
Das suchen unsere MFF-Unternehmen:
Nahezu unabhängig vom Stellenprofil: technikaffine Talenten, die einen sicheren Umgang mit digitalen Technologien und Medien beherrschen. Eine Mischung aus Fachkraft und IT-Experte galt dabei als heißer Favorit;
Einige Unternehmen nannten nach wie vor Elite-Denken und Noten als ausschlaggebende Einstellungskriterien. Doch waren sich die entsprechenden Personalverantwortlichen im Klaren, dass es sich dabei um tradierte Vorstellungen handelt, die den Anforderungen der Zukunft nicht gerecht werden;
Wichtig bei der Kandidatinnen- und Kandidatenwahl erwies sich in der Runde auch das Kriterium Werte- bzw. Kulturpassung;
Ebenso wie eine hohe Lernbereitschaft;
Als neuen Trend identifizierten die MFF-Unternehmensvertreterinnen und Vertreter die Suche nach abwechslungsreichen Lebensläufen und die Abkehr von klassischen Profilen. Kandidatinnen und Kandidaten, die diverse Erfahrungen – gerne aus unterschiedlichen Branchen, Ländern oder Unternehmen – mitbringen und einen individuellen Karriereweg vorzuweisen haben, gelten als zunehmend attraktiv;
Damit rücken auch Frauen verstärkt in den Fokus, die oftmals aufgrund familiärer Situationen individuellere Lebensläufe mitbringen als Männer;
Die wohl größte Einigkeit in der Runde bestand darin, dass niemand eine 100-Prozentige Antwort darauf geben kann, welche Talente heute gebraucht werden, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Gastrednerin Diana Patrizia Eid verfolgte die Ausführungen sehr aufmerksam und griff in ihrem anschließenden Vortrag zum Talent-Recruiting bei der Dräxlmaier Group einige Impulse der Runde mit auf. Ihr Statement, die Zeiten seien für Personaler noch nie so gut gewesen, bezog sich auf die Tatsache, dass Unternehmen derzeit händeringend nach qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern suchen und daraus hohe Erwartungen ans Recruiting sowie eine immense Erfolgsabhängigkeit resultieren. Das bringt Druck mit sich, aber auch Macht und damit neue Chancen. Der Rat von Diana Patrizia Eid: “Genießen Sie das Spotlight und nutzen Sie es, um etwas zu bewegen.”
Autorin: Julia Schmid
Hier geht’s zu Beiträgen, die Einblicke in die Unternehmenskultur von MFF-Unterzeichnern gewähren:
Morgens, beim Scrollen auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn. Mittags, beim kurzen Checken der privaten E-Mails. Abends, beim Surfen auf der Couch. Stellenanzeigen erreichen potentielle Kandidatinnen und Kandidaten heute rund um die Uhr über Soziale Netzwerke, zielgerichtete Werbebanner, Karriere- und Jobportale, die alle Zielgruppen und Regionen bedarfsorientiert bedienen. Ca. 40% der Nutzer, die eine Stellenanzeige aufrufen, kommen dabei von mobilen Endgeräten. In Zeiten von Fachkräftemangel und nahezu Vollbeschäftigung sind Talente hart umkämpfte und existentielle Rohstoffe. Gleichzeitig waren auch die Möglichkeiten für Unternehmen noch nie so groß, pass-genau die Talente zu erreichen, die die gesuchten Kompetenzen mitbringen. Und manche modernen Methoden sorgen sogar für mehr Chancengleichheit!
Eine Stellenanzeige in der Tageszeitung ist dabei nur mehr ein kleiner Baustein einer komplexen Architektur, die verschiedenste Plattformen, Formate und Anbieter umfasst. Unternehmen zu Hilfe eilen beispielsweise zahlreiche Recruiting-Unternehmen, Headhunter, aber auch Werbeagenturen, die sich auf Employer Branding spezialisieren. Und in den Unternehmen selbst ist das Thema Recruiting oftmals eng mit Employer Branding verzahnt und nicht mehr nur in den Personalabteilungen angesiedelt, sondern mit der Unternehmenskommunikation vernetzt.
Auf welche kreativen Formate Unternehmen dabei heutzutage zurückgreifen, zeigt unser Ranking der aktuellen Recruiting-Trends – inklusive Potentialanalyse:
Mobile Recruiting ist als technische Antwort auf das Nutzerverhalten der Zielgruppe zu sehen. Dabei soll nicht nur die Stellenanzeige mobil auf dem Smartphone zu sehen sein, sondern möglichst viele Schritte des Bewerbungsprozesses einfach und schnell übers Smartphone erledigen werden können. Zusätzlich erhalten sie eine E-Mail mit der Aufforderung, die noch aussehenden Dokumente (Lebenslauf, Arbeitsproben etc. ) innerhalb der nächsten fünf Werktage zu ergänzen. Die Realität sieht im Moment noch so aus, dass nicht einmal die Hälfte der unternehmenseigenen Karriereportale responsiv sind und das Ausfüllen der Masken nur über die Desktop-Ansicht handhabbar ist.
Potential: Sehr hoch! Kaum ein Relaunch eines Karriereportals wird in Zukunft Mobile Recruiting ignorieren können.
Vorteil für Unternehmen: Es gehen nicht mehr so viele Kandidaten verloren, die morgens mit großem Interesse eine Stellenanzeige am Smartphone gesehen haben, aber sich abends nicht mehr extra an den Desktop setzen und die Bewerbung angehen möchten. Zudem können offene Stellen schneller nachbesetzt werden.
Vorteil für BewerberInnen: Der zeitliche Aufwand für eine Bewerbung wird klar minimiert und die Hürde, sich bei einem Veränderungswunsch mit einem Stellenwechsel auseinander zu setzen kleiner.
Candidate Journey: Dieser Begriff meint die Gesamtheit aller Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und BewerberInnen und deren individuelle Erfahrungen im Bewerbungsprozess. Seitens des Unternehmens versuchen Recruiter die Kandidaten-Perspektive einzunehmen und sich in den gesamten Ablauf – vom ersten Kontakt bis zur Zu- oder Absage – hineinzuversetzen, um jeden einzelnen Schritt so reibungslos wie möglich zu gestalten. Ausschlaggebend dafür sind unter anderem: persönlicher Kontakt, individuelle Benachrichtigungen, schnelle Rückmeldungen, technisch optimierte Verfahren, positive Außenwirkung durch MitarbeiterInnen, klare Anzeigen, erkennbare Ansprechpartner und letztendlich Bewerberfeedback.
Potential: Hoch!
Vorteil für Unternehmen: Die Zahl der Bewerbungsabbrüche und die Gefahr, Toptalente im Laufe der Bewerbungsphase an die Konkurrenz zu verlieren, können dadurch minimiert werden.
Vorteil für BewerberInnen: Wertschätzung! Ein nicht zu gering zu bewertendes Entscheidungskriterium von Jobsuchenden…
Roborecruiting: Dabei handelt es sich um smarte Programme die zum einen für automatisierte Dialogsysteme eingesetzt werden. Roborecruiting umfasst aber auch Softwarelösungen, die Bewerberdaten wie Lebenslauf, Anschreiben und Arbeitsproben selbstständig analysieren und den HR-Verantwortlichen ein fertiges Kandidaten-Ranking nach Passung liefern. Sie durchforsten auch Businessnetzwerke wie Xing und LinkedIn.
Potential: Hoch – aber mit Vorsicht zu genießen. Denn das Antworten-Repertoire und die Intelligenz eines Roboters enden an einem bestimmten Punkt, bzw. werden für den Nutzer auch irgendwann spürbar, weshalb der persönliche Kontakt nie vollständig ersetzt werden sollte!
Vorteil für Unternehmen: Einsparung personeller Ressourcen und schnellere Reaktionszeiten.
Vorteil für BewerberInnen: Erspart das mühsame Durchforsten der FAQ’s bei auftretenden Fragen und das z.T. lange warten auf Antworten. Und: Roboter diskriminieren nicht und werten nicht nach persönlicher Sympathie. Einzig die Fakten zählen, das ermöglicht einen fairen Prozess und Chancengleichheit.
Gamification: Es kann sich dabei um einen Werbebanner in der U-Bahn handeln, der einen Code in Programmiersprache und die aktivierende Aufforderung ihn zu entschlüsseln enthält. Oder eine App, die auf spielerische Weise Aufgaben stellt, die nur mit spezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse gelöst werden können. Games werden vor allem zur Gewinnung von „Techies“ in Recruiting-Strategien integriert.
Potential: Mittel – branchenspezifisch. Da der Aufwand für die Implikation solcher Anwendungen sehr hoch ist, wird Gamification vermutlich zu keinem Massentrend bei Recruiting-Strategien werden.
Vorteil für Unternehmen: Technologieaffine Talente werden in ihrer Interessenslandschaft abgeholt. Und es wird dadurch bereits eine Vorselektion von geeigneten Kandidaten getroffen – Personen, die den Code nicht lesen können, fühlen sich schon mal nicht angesprochen und Personen, die sich dem Lösen einer Aufgabe widmen und daran scheitern, werden den Bewerbungsprozess auch nicht weiterverfolgen.
Vorteil für BewerberInnen: Entertainment!
Reverse Recruiting ist mehr als das seit einigen Jahren von Recruiting-Agenturen und Headhuntern praktizierte „Active Sourcing“ – also das gezielte suchen auf Jobmessen, in beruflichen Netzwerken oder Datenbanken nach geeigneten KandidatInnen. Beim Reverse Recruiting geht das Unternehmen oder der Recruiter auf das Talent zu und durchläuft die gleichen Prozesse, die normalerweise eine Kandidatin / ein Kandidat durchläuft. Das heißt, ein individuelles Anschreiben ist Pflicht. Hinzu kommen gut aufbereitete Informationen über das Unternehmen und die Stelle, sowie eventuell ansprechende Image-Videos. Keine Massenmails, keine allgemeinen Formulierungen.
Potential: Mittel. Unternehmen müssen erhebliche Vorarbeit leiten, ohne zu Wissen, ob das Talent generell überhaupt Interesse an der Stelle hätte. Dieses aufwendige Vorgehen wird innerhalb der Unternehmen voraussichtlich nur für die Besetzung von Führungspositionen umsetzbar sein – oder eine zwingende Alternative für Brachen darstellen, die auf andere Weise überhaupt keine geeigneten Bewerbungen erhalten.
Vorteil für Unternehmen: Das Unternehmen kann die Vorauswahl der KandidatInnen selbst bestimmen und sehr spezifischen Priorisierungen des Stellenprofils nachgehen.
Vorteil für BewerberInnen: KandidatIn erkennt, dass sich das Unternehmen explizit mit ihm und seinem Werdegang auseinandergesetzt hat und fühlt sich wertgeschätzt. Das kann sich sehr entscheidend auf den Entscheidungsprozess auswirken, falls mehrere Unternehmen zur Wahl stehen.
LinkedIn-Recruiting ist aktuell ein viraler Trend im internationalen Recruiting – die Haltbarkeitsdauer ist allerdings fraglich. Recruiter oder auch Führungskräfte mit hoher Reichweite auf LinkedIn veröffentlichen ein Posting, in dem sie eine zu besetzende Position kurz beschreiben und den Hinweis geben, dass Interessenten den Post einfach liken sollen. Passende Profile werden daraufhin vom Unternehmen gezielt gefiltert und angesprochen.
Potential: Niedrig – sofern die Maßnahme isoliert angewendet wird. Ernsthafte Interessenten sind von Spaßkandidaten oder Sympathisanten der Aktion nur schwer zu unterscheiden. Und geht das Posting viral, sammeln sich schnell einige tausend Likes. Ein qualitativer Auswahlprozess ist dabei fast unmöglich. Eine effizienten Lösung könnte sein, dass sich an LinkedIn-Recruiting ein automatisiertes Roborecruiting anschließt und letztendlich in gezieltes Reverse Recruiting übergeht.
Vorteil für Unternehmen: Sehr schnelle, einfache und günstige Art des Erstkontakts.
Vorteil für BewerberInnen: Noch unkomplizierter geht’s nicht!
Autorin: Julia Schmid
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Mit Angeboten wie Topsharing werden Führungspositionen auch für Frauen mit Familie immer interessanter:
Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bayerischen Versorgungskammer, Daniel Just, über Konditionen, die Top-Arbeitgebern Talenten heutzutage bieten müssen:
Die Digitalisierung weht bei nahezu allen deutschen Unternehmen über die Flure. Auf den Vorstandsetagen genauso wie in Produktionshallen. In Personalabteilungen ebenso wie in der IT. Die Changeprozesse der Digitalisierung verändern Arbeitsmethoden und Arbeitskultur zum Teil fundamental. Das hat natürlich auch Konsequenzen für die Anforderungen an Mitarbeiter. Sie benötigen zunehmend andere Kompetenzen, um optimale Ergebnisse unter neuen Vorzeichen zu erzielen. Fachkompetenzen bilden nach wie vor die Grundlage einer wertvollen Arbeitskraft. Doch ist Wissen im Zeitalter von Industrie 4.0 zu einem schnell überholen Gut geworden und hat durch die ständige Verfügbarkeit und Abrufbarkeit an Exklusivität verloren. Zunehmend rücken „Softskills“ auf der Prioritätenliste von Arbeitgebern nach oben, die vor zehn Jahren höchstens in Grundschulzeugnissen standen. Aber ja, Unternehmen wollen heute Talente, die neugierig durch die Welt gehen wie entdeckungsfreudige Kinder! Neugier ist eine der Top-Kompetenzen, die den Mitarbeiter dazu befähigen, die schnellen Veränderungsprozesse durch die Digitalisierung bestmöglich zu bewältigen und den entscheidenden Vorteil für Unternehmen zu bringen.
Diese Kompetenzen sind in Zeiten der Digitalisierung gefragt:
Entwicklungsbereitschaft: So schnell wie neue IT-Tools auf den Markt kommen, so schnell können sich auch Arbeitsprozesse in technologiegetriebenen Unternehmen verändern – in manchen Bereichen halbjährlich. Facharbeiter konnten früher ihre in der Ausbildung erworbenen Fertigkeiten fast ein ganzes Arbeitsleben lang anwenden. Heute ändern sich die Anforderungen in viel schnelleren Zyklen. Daher ist die Bereitschaft, diese schnellen Entwicklungen mitzugehen, Veränderungen positiv anzunehmen und sich in neue Bereiche schnell einarbeiten zu können, eine zentrale Kompetenz für Unternehmen. Stichwort: Lebenslanges Lernen!
Lösungsorientiertes Denken: Das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ändert sich im Zuge der Digitalisierung und der dezentralen Arbeit ebenfalls. Wenn ein Problem auftritt, an die Tür des Chefs zu klopfen und ihn zu fragen, wie es gelöst werden kann – diese Form der Obrigkeitshörigkeit ist in der modernen Arbeitswelt theoretisch nicht mehr vorgesehen. Führungskräfte werden zu Managern ihres Teams und unterstützen den Mitarbeiter dabei, eigenständig und autark Projekte bearbeiten zu können. Mitarbeiter, die in diesem Arbeitsverhältnis nicht gleich vor dem ersten Problem kapitulieren, sondern kreative Wege suchen, um neue Lösungen zu finden, sind heute gefragt!
Kritisches Denken: Mit dem sich wandelnden Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter wird auch die Fähigkeit Dinge zu hinterfragen immer wichtiger. Typische Ja-Sager, die blind Befehle von oben ausführen, bringen Unternehmen nicht mehr weiter. Den Unterschied zwischen Fortschritt und Stillstand machen mitdenkende Mitarbeiter. Wollen Unternehmen nur noch Leute, die alles kritisieren? Nein, das sicher auch nicht. Eine gute Mischung aus positiver Kritik und konstruktiven Verbesserungsvorschlägen garantiert Erfolg.
Emotionale Intelligenz: In dieser Hinsicht werden uns Maschinen nie das Wasser reichen können! Daher wird emotionale Intelligenz, also die Fähigkeit, die Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren, zu einem der Top Skills in naher Zukunft werden. Empathiefähigkeit spielt dabei ebenso eine Rolle wie das Wahrnehmen und Kontrollieren eigener Emotionen. Für die Besetzung von Führungspositionen wird die emotionale Intelligenz bereits jetzt als wichtiger erachtet als der Intelligenzquotient.
Selbstorganisation: Homeoffice, Telearbeit, Mobile Working, flexible Arbeitszeiten – die Freiheiten, die Mitarbeiter von ihren Unternehmen zur Gestaltung ihrer Arbeit erhalten werden immer größer. Was zählt sind die Ergebnisse. Wann und wo diese Ergebnisse erarbeitet werden, rückt immer weiter in den Hintergrund. Diese Freiheiten bringen viele Vorteile für den Einzelnen mit sich, doch verlangen sie auch ein Höchstmaß an Selbstorganisation und Selbstdisziplin. Ein Beispiel: Wenn man sich die Freiheit gönnt, bei Badewetter das Büro mittags zu verlassen, muss man auch die Disziplin aufbringen, sich abends zu Hause nochmals hinzusetzen und konzentriert zu arbeiten.
Priorisierung: Die Aufgaben-Taktung in Unternehmen wird durch die beschleunigten Prozesse immer höher. Das erfordert auch andere Methoden der Bearbeitung. Wer nach dem Motto „eins nach dem anderen“ arbeitet, wird schnell das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr sehr. In agilen Projektmanagement-Tools wie „Scrum“ arbeiten viele Mitarbeiter an vielen Projekten gemeinsam in unterschiedlichen Zyklen und verschiedenen Rollen. Eine Priorisierung von Aufgaben ist dem System immanent. Doch auch abseits agiler Projektarbeit müssen Mitarbeiter bei einer Vielzahl von Aufgaben zwischen dringenden und weniger dringenden, kurzfristigen und langfristigen sowie zwingend notwendigen und obligatorischen Erledigungen priorisieren und gegebenenfalls auch einmal etwas ablehnen können!
Neugier: Während der Begriff unter “Erwachsenen” auch eine negative Konnotation als Sensationslust erfahren hat, stellen sich Recruiter aktuell darunter vor allem aufgeschlossene Talente vor, die den Mut haben, neue Wege zu gehen, sich auf Innovationen einzulassen und positiv auf Veränderungen zuzuschreiten. Das muss nicht zwangsläufig im technologischen Bereich sein. Das kann sich z.B. auch auf Lebens- und Arbeitsmodelle beziehen oder auf Konsum- und Dienstleistungstrends. Wie eingangs beschrieben: Sich eine kindliche Neugier zu erhalten gilt heutzutage nicht als unreif sondern als fortschrittlich.
Diese Kompetenzen spielen nicht nur bei der Suche neuer Talente für Unternehmen einen große Rolle, sondern auch bei der Weiterentwicklung von bestehenden Mitarbeitern. Die Unternehmen, die das Memorandum für Frauen in Führung unterschrieben haben, nehmen sich in diesem Jahr schwerpunktmäßig dem Thema “Talente” an und beleuchten es in regelmäßigen Kompetenzforen in allen Facetten – vom Recruiting, über die Entwicklung, und dem Management bishin zur langfristigen Bindung. Ihre Antworten, konkrete Praxisbeispiele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse rund um diesen Themenkomplex, finden sich im Laufe des gesamten Jahres immer wieder hier auf dem Blog.
Das Memorandum für Frauen in Führung ist ein Zusammenschluss 18 namhafter Unternehmen, die sich gemeinsam den Anforderungen der Zeit stellen und sich gegenseitig dabei unterstützen, innovative, flexible, gendergerechte und damit attraktive und zukunftssichere Arbeitgeber zu bleiben.
Autorin: Julia Schmid
Was ist eigentlich genau mit dem Begiff “Talent” gemeint? Wer ist ein Talent und wie werde ich eins. Das erfahrt ihr in diesem Blogbeitrag:
Der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Versorgungskammer, Daniel Just, schildert im Interview, was moderne Arbeitgeber ihren Top-Talenten heute bieten müssen:
Niemand würde bezweifeln, dass Usain Bolt ein außergewöhnliches sportliches Talent ist. Nicht in allen Bereichen lassen sich Talente so eindeutig identifizieren und messen wie im Sport. Unternehmen können Bewerber schlecht im 100m-Lauf gegeneinander antreten lassen. Und doch sind „Talente“ für sie das „Must-have“ des Jahrhunderts und das Keyword für alle Anstrengungen der HR-Abteilungen. Die zentralen Herausforderungen sind dabei: Wie erkenne ich Talente, wie gewinne ich sie für mich, wie manage ich sie, wie entwickle ich sie weiter und wie binde ich sie langfristig an mein Unternehmen – und das alles unter den großen Insignien der Digitalisierung und Globalisierung? Allen voran bleibt die Frage zu klären: Was ist eigentlich dieses „Talent“?
Das Memorandum für Frauen in Führung ist ein Zusammenschluss 18 namhafter Unternehmen, die sich gemeinsam den Anforderungen der Zeit stellen und sich gegenseitig dabei unterstützen, innovative, flexible, gendergerechte und damit attraktive und zukunftssichere Arbeitgeber zu bleiben. In diesem Jahr 2018 widmen sich die MFF-Unternehmen schwerpunktmäßig dem Thema „Talente“ und gehen in fünf Kompetenzforen eben diese Herausforderungen an. Ihre Antworten, konkrete Praxisbeispiele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse rund um diesen Themenkomplex, finden sich im Laufe des gesamten Jahres immer wieder hier auf dem Blog.
Begriffsklärung
Laut Duden ist ein Talent jemand, der ein Talent hat. Ein Talent ist eine Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen bzw. überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten Gebiet befähigt. Eine Begabung ist eine positive Eigenschaft, also eine Stärke. Sie ist angeboren und keine erlernte Fähigkeit, aber deshalb noch nicht automatisch eine Leistung, sondern das Potential zu einer überdurchschnittlichen Leistung. Dieses Potential schlummert im Verborgenen wenn es nicht adäquat gefördert wird – im Sport durch Training, auf musischem Gebiet durch Übung und im beruflichen Kontext durch entsprechende Praxiserfahrung. Eine lernförderliche Umgebung und die Bereitschaft, bzw. Motivation zur Förderung der Begabung wirken sich zusätzlich positiv auf das Leistungsresultat aus. Kommt eine der Komponenten über die Maßen zum Tragen kann sie einen Mangel auf anderer Ebene kompensieren. Im Sport bedeutet das beispielsweise, dass ein weniger begabter Sportler durch Fleiß und richtiges Training erfolgreicher abschneiden kann als ein hochbegabter Sportler, der weniger Arbeit investiert hat.
Talente bzw. Stärken hat jeder, die meisten sogar mehrere. Sie lassen sich clustern in intellektuelle Begabungen (bspw. numerisch, logisch, sprachlich) und nicht-intellektuelle (musisch, sportlich, künstlerisch), aber sie können auch sehr individueller Natur sein und beispielsweise soziale wie emotionale Ebenen betreffen. Manche zeichnen sich schon in der Kindheit ab. Andere treten erst im Erwachsenenalter in Erscheinung. Wieder andere schlummern gänzlich im Verborgenen, weil sie nie die Chance hatten, sich bemerkbar zu machen. Häufig entdecken Eltern oder Lehrer bestimmte Begabungen an Kindern und arrangieren eine entsprechende Förderung.
Die Identifikation eigener Talente im Erwachsenenalter fällt dagegen oft schwerer, weil wir uns oft über unsere Schwächen ärgern und unsere Stärken als selbstverständlich hinnehmen anstatt sie als etwas Besonderes wahrzunehmen. Wissenschaftlich basierte Persönlichkeitstests von „Gallup“ oder „DISG“ finden seit Jahrzehnten große Verbreitung. Mittlerweile sollen zahlreiche Online-Tests bei der Identifizierung eigener Talente helfen.
Gefragte Talente
Talentsichtung und -findung ist nicht mehr ausschließlich im Spitzensport angesiedelt, sondern auch fester Bestandteil des Personalwesens in großen Unternehmen – und das nicht nur im Hinblick auf Toppositionen. Der Grund dafür ist, dass sich die Ansprüche an Mitarbeiterkompetenzen in Zeiten der Digitalisierung wandeln. Neu gefragte Kompetenzen, die vor zehn Jahren noch kaum Beachtung fanden, sind beispielsweise Social Media Intelligenz, Design Mindset, Virtual Collaboration, Working out Loud oder Resilienz. Auch die persönliche Wertehaltung, Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein oder Nachhaltigkeitsdenken werden für Unternehmen immer bedeutungsvoller. Fachwissen scheint dagegen immer mehr in den Hintergrund zu rücken.
Auf die Wissensgesellschaft folgt die Kompetenzgesellschaft
Warum das so ist? Weil durch den fortschreitenden Einzug des Internets in unseren Alltag, unsere Prozesse und unser gesamtes Leben sowie durch den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Wissen immer und überall verfügbar und abrufbar ist, deshalb an Wert verliert und sich darüber hinaus schnell überholt. Das heißt, für Mitarbeiter wird es immer weniger entscheidend sein, was sie wissen, sondern wie sie Wissen am effektivsten einsetzen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie hat bereits im Lehrplan an Schulen Niederschlag gefunden. Die reine Wissensvermittlung im Frontalunterricht wird abgelöst von Methodentraining, das darauf abzielt, Kompetenzen zu entwickeln – und zwar selbstständig und ein Leben lang, um in der sich schnell wandelnden Arbeitswelt handlungsfähig zu bleiben. Auf die Wissensgesellschaft folgt die Kompetenzgesellschaft, in der ein Großteil der heutigen Grundschüler in Jobs arbeiten wird, die aktuell noch nicht existieren.
Das macht es auch im Unternehmens-Recruiting schwerer, Talente und Potentialträger zu identifizieren, mit denen Unternehmen sich für die Herausforderungen der Zukunft wappnen. Mittels Einstellungs- und Intelligenztests lassen sie sich nicht mehr in Gänze ermitteln – schon gar nicht für noch nicht existente Jobs. Hinzu kommt, dass in Zeiten geringer Arbeitslosigkeit und hohen Fachkräftemangels oft zu wenige interessierte Bewerber zur Auswahl stehen, die untereinander verglichen werden könnten. Umso wichtiger wird es neben kreativem Arbeitgebermarketing und Personalmarketing 4.0, auch bei bestehenden Mitarbeitern verborgene Talente zu erkennen und sie immer wieder neu hinsichtlich aktueller Anforderungen zu scannen. Genau darüber tauschen sich MFF-Unternehmen beim ersten MFF-Kompetenzforum 2018 am 5. März aus. Unter dem Topic „Wie erkenne ich Talente in Zeiten der Digitalisierung“ berichten MFF-Unternehmen aus ihrer Praxis, formulieren Schwierigkeiten und gewähren sich gegenseitig Einblicke in Lösungsansätze. Sie wollen auch mit Ihrem Unternehmen dabei sein? Dann kontaktieren Sie uns unter info@mff-memorandum.de und werden Sie Teil unseres Netzwerkes. Wir freuen uns über neue Impulse!
Autorin: Julia Schmid
MFF-Unternehmen legen ihre Entwicklungen regelmäßig in einem gemeinsamen Benchmark offen. Hier geht`s zu den aktuellsten Ergebnissen:
Viele Väter der neuen Generation wollen neben dem Job mehr Zeit für die Familie haben. Dennoch gehen die wenigsten von Ihnen in Teilzeit. Oft stehen finanzielle Abwägungen im Vordergrund. Hinzu kommt die Angst vor Karriereeinbußen. Und die Tatsache, dass sich Unternehmensangebote für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch überwiegend an Frauen richten. Der Wunsch von jungen Väter in Teilzeit zu gehen, ist für viele Arbeitgeber noch Neuland. Wir sind auf einen Vater gestoßen, der den Schritt gewagt hat und von seinem Unternehmen dabei unterstützt wird.
Felix Englberger verantwortet bei OSRAM im Einkauf die Themen rund um „People Excellence“. Das heißt, er entwirft und organisiert Trainings- und Weiterbildungsmodelle, die die systematische Weiterentwicklung von Kolleginnen und Kollegen sowie die Unterstützung einer gewissen „Sichtbarkeit“ von Talenten beim Management jeden Alters und jeder Herkunft in den Blick nehmen. Und das in Teilzeit mit 65%. Warum er in Teilzeit arbeitet, wie er sich mit seiner Frau organisiert und welche Vorteile er daraus zieht, schildert er hier für uns. Denn er möchte seine positiven Erfahrungen mit anderen teilen und zeigen: Väter traut euch – es lohnt sich!
“Ich arbeite seit 16 Monaten in Teilzeit. Und zwar NICHT in Elternzeit-Teilzeit, sondern in „normaler“ Teilzeit. Ich betone den Unterschied deshalb, weil ich der Meinung bin, dass sehr viel mehr Väter in Teilzeit arbeiten könnten (und sollten), nicht „nur“ basierend auf rechtlichen Grundlagen und auch nicht nur, wenn die Kinder im Baby- oder Windel-Alter sind. Mein Arbeitgeber OSRAM und auch meine Vorgesetzten unterstützen dies im Übrigen sehr.
Unser Modell sieht so aus, dass ich an drei Tagen die Woche arbeite – also formal 65%. In der Realität wird es etwas mehr sein, was aber für mich völlig in Ordnung ist. Wenn ich arbeite, ist meine Frau für unsere beiden Jungs zu Hause bzw. organisiert das Bringen und Abholen in den Kindergarten, zum Turnen und andere Gruppen. An den beiden Tagen, die ich mit den Kindern zu Hause bin, arbeitet meine Frau wiederum in ihrer eigenen Praxis.
Für meine Frau und mich ist dieses Modell ein Geschenk. Jedes Elternteil kann viel Zeit mit den Kindern verbringen und gleichzeitig kann jeder seinem (Teilzeit)-Job nachgehen. Dann noch zwei gemeinsame Wochenend-Tage! Wir denken auch, dass dies ein Arbeit- und Familienmodell ist, welches nachhaltiger glücklich macht und welches wir – zumindest für die Zeit, in der unsere Kinder auch wirklich Lust auf viel Zeit mit uns haben, als das beste ansehen. Bei uns entfallen viele Diskussionen, die andere Familien führen müssen wie z.B.: Kind krank – wer kann heute zu Hause bleiben???
Uns mag etwas finanzieller Spielraum verlorengehen. Zeit für Familie und eine wunderbare Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind für uns aber auf alle Fälle wichtiger als zwei Winter- und zwei Sommerurlaube pro Jahr.
Und ich habe im Umfeld des OSRAM-Managements die Erfahrung gemacht, dass es durchaus gesehen und geschätzt wird, wenn jemand in Teilzeit vollen Einsatz bringt. Zumal man die besten Einfälle sowieso zu Hause hat und nicht hier im Großraumbüro 😉 Lange Rede, kurzer Sinn: Es könnten – meiner Meinung nach – viel mehr Männer (zumindest phasenweise) in Teilzeit arbeiten. Man muss sich eben nur trauen und selbst eingestehen können, dass in der Arbeit auch mal etwas ohne einen geht oder dass „andere Dinge“ vielleicht genauso wichtig sein sollten wie der Job als „Komfortzone“. Zeit zu Hause ist ebenso anstrengend! Und wer im Job viel erreichen kann, der sollte auch diese „Home-Work“ meistern können 😉 Wer sich in erster Linie über seinen Beruf definiert und vor allem dort Bestätigung findet, für den ist mein Modell sicher ungeeignet.”
Text: Felix Englberger
Hier geht’s zu einem Artikel über einen KPMG-Mitarbeiter, der eine längere Auszeit für seine Tochter genommen hat:
Die Süddeutsche Zeitung setzt auf unsere Expertise! Am 19.08.2017 ist in der Wochenendeausgabe einer der renommiertesten Tageszeitungen Deutschlands ein substantielles Interview erschienen, das SZ-Autorin Gunda Achterhold mit MFF-Initiatorin Simone Schönfeld geführt hat. Darin geht es um die besondere Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen, den daraus resultierenden Druck und darum, wie Unternehmen in Zukunft Führungspositionen gestalten müssen, damit sie für die nachfolgenden Generationen überhaupt noch attraktiv sind – sowohl für Männer als auch für Frauen.
SZ: Frau Schönfeld, was zeichnet Unternehmen aus, in denen besonders viele Frauen in Führung sind?
Simone Schönfeld: Wer Frauen Zugänge eröffnen will, muss alle bestehenden Strukturen in den Blick nehmen. Mentoring, Trainings oder interne Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung sind wichtige Maßnahmen auf persönlicher Ebene. Aber es liegt eben nicht an den Frauen allein. Arbeitszeitmodelle, Präsenzzeiten, Beurteilungsverfahren – auf allen Ebenen müssen die Rahmenbedingungen überprüft werden. So sind zum Beispiel Auslandsaufenthalte als Muss-Kriterium im Talentmanagement oft schwierig für Frauen mit Partner oder Familie. Sie sehen das eher als Hürde.
Etliche Top-Managerinnen sind in den letzten Jahren gescheitert. Woran liegt das?
Minderheiten fallen stärker auf, wir sprechen von dem “Token-Phänomen“. Frauen an der Spitze sind extrem sichtbar, sie erfahren viel mehr Aufmerksamkeit als ihre männlichen Kollegen. So entsteht Druck. Niemandem, selbst in so hohen Positionen, wird immer alles gelingen. Der Unterschied liegt darin, wie es diskutiert und in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Gilt das auch auf anderen Ebenen?
Überall dort, wo sich Frauen in einem sehr männerlastigen Umfeld bewegen, etwa auch im Mint-Bereich. Grundsätzlich beobachten wir im unteren und mittleren Management jedoch deutliche Fortschritte. Die Quote der Frauen in Teamleitungspositionen hat sich stark erhöht – sie schließen schon fast gleich auf. Dieser positive Trend setzt sich allerdings auf exponierteren Positionen nicht durch.
Und warum geht es dann einfach nicht weiter?
Führungspositionen sind ein rares Gut. Und damit natürlich auch umkämpft. Diejenigen, die nach 18 Uhr noch da sind, setzen die Standards. Daran hat sich in vielen Unternehmen noch nichts geändert. Wer eher geht, fällt heraus aus der Zielgruppe jener, die als ambitionierte Nachwuchskräfte gehandelt werden.
Sehen Sie positive Entwicklungen?
Es ist schon einiges in Bewegung. Beispielsweise dort, wo Mitarbeiter in globalen Teams arbeiten. Über Länder und Zeitzonen hinweg entstehen andere Freiräume und damit mehr Flexibilität. Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten können hier das Management von Teams, in denen Vollzeit und Teilzeit gearbeitet wird, vereinfachen. Damit werden Kriterien wie die Präsenz vor Ort oder auch das Geschlecht zweitrangig. Dafür werden Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit immer wichtiger – traditionelle Stärken von Frauen.
Diese zeitliche Flexibilität schätzen zunehmend auch junge Männer. Ist das nicht eine Generationenfrage?
Der Bruch kommt mit dem ersten Kind, das zeigen Studien ganz klar. Während Frauen Arbeitszeit reduzieren, zeigen Männer ein traditionelles Ernährerverhalten und arbeiten mehr – auch wenn sie das eigentlich gar nicht wollen. Dieses Dilemma können Unternehmen individuell nicht lösen. Wenn das oberste Management ein partnerschaftliches Miteinander vorlebt und vielleicht selbst in Elternzeit geht, ist das jedoch ein starker Treiber für kulturelle Veränderungsprozesse.
Aber genau diese partnerschaftlich orientierten Kräfte wollen gar nicht mehr an die Spitze, Frauen wie Männer.
Tatsächlich bewerben sich intern immer weniger Mitarbeiter um Führungspositionen – das gilt für beide Geschlechter. Für die Unternehmen ist das eine riesige Herausforderung, gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel. In den nächsten Jahren werden im Management viele Stellen frei. Da sehe ich allerdings auch ein enormes Potenzial. Wie lässt sich Führung so gestalten, dass sie für die nachwachsenden Generationen wieder attraktiv ist? Unternehmen werden gezwungen sein, darüber nachzudenken. Und damit eröffnen sich auch für Frauen neue Perspektiven.