MutmacherInnen-Tipps in Krisenzeiten

Wir sitzen alle im selben Boot – im „Corona“-Boot. Ungläubig verfolgen wir in den vergangenen Tagen und Wochen die Geschehnisse, die unsere Freiheit in einem Umfang einschränken, wie wir das noch nie erlebt haben. Das betrifft nicht nur unsere Freizeit, das Reisen, die Arbeit, das geht ganz tief ins Privatleben. Kann ich Homeoffice machen, wie organisiere ich mich mit Kindern, welche Kontakte halte ich aufrecht, besuche ich meine Verwandte im Altenheim?
Wir stehen als gesamte Gesellschaft vor neuen Herausforderungen!

Können wir diese Krise nutzen, um alte Mechanismen etwa in der Kommunikation oder in unserem sozialen Leben zu verändern? Gibt es Bereiche, die wir radikal neu denken sollten? Es wäre zumindest wünschenswert, dass wir mit neuen Impulsen und Stärken aus dieser Krise kommen.

 

Wir stellen Ihnen hier interessante Aktionen und Links vor, die ihren Alltag vielleicht erfreuen oder erleichtern. Wir freuen uns, wenn Sie uns in einem Kommentar oder per Mail ebenfalls Ihre „Mutmacher“ oder innovative Ideen schicken, die wir hier darstellen! In diesem Sinne: #FlattenTheCurve!

 
Homeoffice
 

Und es geht doch

 
Das Wort Homeoffice ist gerade in aller Munde. Vor „Corona“ arbeiteten etwa 12 Prozent der Beschäftigen in Deutschland gelegentlich von zuhause, unter dem EU-Schnitt, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Jetzt scheint mutiert Homeoffice zum Allheilmittel, damit die Wirtschaft nicht komplett zusammenbricht. Aber MitarbeiterInnen können nicht einfach zum Homeoffice verpflichtet werden. Umgekehrt können sie ihre Arbeitnehmer auch nicht dazu verpflichtet.

 
Organisationspsychologin Jennifer Chatman erklärt auf tagesschau.de, wie der Umstieg auf das Homeoffice gelingt.

 

  • Wie Arbeit und Führung flexibler gedacht werden könnte, haben wir schon vor einiger Zeit in diesem Artikel aufgegriffen: Flexible Führung.

Wie das Arbeiten zuhause effektiver werden kann

Jetzt sind viele von uns im Homeoffice angekommen, aber zuhause am Schreibtisch sitzen ist das eine. Was ist, wenn dann die Kinder herumspringen und sich voller Energie über die ungewöhnlichen Zeiten freuen?  Auf Großeltern oder Spiel- und Lerngruppen kann man aufgrund der aktuellen Krise nicht zählen. Wie soll man da bitte konzentriert arbeiten? KiKA hat aus unserer Sicht nützliche Tipps zusammengestellt – wie beispielsweise Wochenplan, Zeiteinteilung oder Kommunikationsregeln. Hier Tipps zum effektiven Arbeiten zuhause. 

Dazu gibt es ein interessantes Interview von Kinder- und Jugendpsychotherapeut Dr. Christian Lüdke, der bestätigt: “Es ist für alle eine außergewöhnliche und schwierige Situation“ und ebenfalls mit praktischen Tipps unterstützt.

 

Kinderbetreuung

 

Hochkonjunktur beim Mathelehrer der Nation – Schulunterricht

Alle Eltern von kleinen und schulpflichtigen Kindern schwitzen. Wie sollen die nächsten Wochen gestaltet werden – ohne Kita, ohne Schule?

Schon seit 2011 erklärt Daniel Jung, der Mathelehrer Deutschlands, SchülerInnen und Eltern die Welt der Zahlen. Kostenlos können Interessierte nicht nur Mathe auch Biologie, Chemie oder Informatik in kurzen informativen Videos den Stoff erfassen, im eigenen Tempo und sehr prägnant erklärt.

 

Aber auch Geschichtsunterricht kann weiter unterhaltsam gelehrt werden
und für die englische Sprache empfehlen wir diese Plattform.
 
Eine sehr übersichtlich aufbereitete Lernseite hat ARD.de zusammengestellt. Sie ist gegliedert nach Vorschule, Grundschule, Mittel- und Oberschule und bündelt die Angebote aller öffentlich-rechtlichen Sender.

 
Freizeit zuhause gestalten

 

Fantastische Frauen – Lesetipp

Das letzte Treffen unserer Mitarbeiterin Tanja Anfang März führte nach Frankfurt. Dort zeigt (bis auf Weiteres geschlossen) die Schirn „Fantastische Frauen“. Tanja empfiehlt als literarische Abwechslung die Lektüre „Meine Schwester Frida“ von Bárbara Mujica – ein mitreißend erzähltes Portrait über eine faszinierende Frau und Künstlerin.
 

Durch die Museen der Welt

Schulangebote gibt es wie Sand am Meer. Aber beim Gang durch das „Digitale Klassenzimmer“ vom ZDF sind wir auf die Rubrik “Kunst” gestoßen. Und das ist sicher nicht

nur für Kinder und Jugendliche interessant. Ob Carl Spitzwegs „Der Witwer“, Lindberghs “Untold Stories” oder ein Gang über die Architekturbiennale: Für Kunstinteressierte ein spannender Gang durch Museen der Welt – von der Couch aus.

 

Gegen einsame Abende – Klavierkonzerte

Etwas Besonderes hat sich Pianist Igor Levit mit seinen Hauskonzerten einfallen lassen, die er täglich um 19 Uhr live spielt und auf Twitter überträgt. Auf wunderbare Weise hat er die auftrittsfreie Zeit genutzt, um auf digitalem Wege Musikliebhaber seine Kunst näher zu bringen, zu trösten, zu unterhalten.
https://twitter.com/igorpianist

 

 

Am 25. März aktualisiert. In Kürze erweitern wir die Liste, mit nützlichen Tipps und Anregungen in Zeiten der Corona-Krise. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen auf!

 

Diese Talente sind in Zeiten der Digitalisierung bei MTU gefragt

Digitalisierung der aktuelle Schlüsselbegriff in deutschen Unternehmen. Alle sind davon betroffen. Alle müssen sich damit befassen. Alle sehen darin neue Chancen und zugleich große Herausforderungen. Bei einem der großen internationalen Player der Luftfahrt Triebwerkshersteller MTU Aero Engines stehen ebenfalls alle Zeichen auf Digitalisierung. Was sich in der Arbeitswelt 4.0 für die Mitarbeiter verändert, welche Talente dafür gefragt sind und wie neue Chancen für Frauen entstehen, erzählt MTU-Personalleiter Hans-Peter Kleitsch im MFF-Interview.

 

Hans-Peter Kleitsch, Personalleiter MTU
Hans-Peter Kleitsch, Personalleiter bei MTU Aero Engines

Wie macht sich die Digitalisierung bei der MTU bemerkbar?
Sowohl in die Büros als auch in die Fertigungshallen ziehen in hohem Tempo stetig neue innovative Tools und Möglichkeiten der digitalen Datenverarbeitung ein. Mittlerweile hat bspw. jedes Triebwerk einen elektronischen Lebenslauf – genau wie Sie. Dieser wiederum macht eine sehr flexible und schnelle Wartung möglich, für die wir unsere Mitarbeiter an unseren Standorten auf der ganzen Welt vernetzen und koordinieren müssen. Für die Wartung nutzen wir dann wiederum Tools wie bspw. „Boroscoping“ – das heißt, wir gehen mit einem Spähauge ins Triebwerk und zoomen die kleinen Einzelteile auf dem IPad heran. Oder wir simulieren mithilfe von Computeranimationen bestimmte Arbeitsvorgänge. Wir haben gerade ein neues Tooling im Test, da können sie mit einem Barcode ein Triebwerk durch Animation in Einzelteile zerlegen. [Mehr zum “Digital Transformation Program” der MTU]

 

 

Wird die Arbeit in Ihren Fertigungshallen dann nur noch von Robotern erledigt oder legen ihre Mitarbeiter auch noch selbst Hand an?
Zumindest hoffe ich das! Scherz, wir haben nach wie vor viel Bedarf an manuellen Tätigkeiten, das ist auch ganz wichtig! Beim Zerlegen eines Triebwerks werden Sie Menschen nie ersetzen können!

 

Aber wenn wir mit Gästen durch unsere Fertigungshallen durchgehen, hören wir schon oft: „Hier wird ja gar nicht gearbeitet!“ Weil man einen Großteil der Arbeit nicht mehr sieht. Bei uns ist es nicht wuselig, es rennen keine Mitarbeiter herum und schleppen schwere Kisten. Wir haben viele Arbeitsplätze, die mit IT-Tools aufgerüstet sind.

 

Werden dadurch Leute abgebaut: Nein! Wir haben nach wie vor fast 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, genauso wie vor 10 Jahren. Wir setzen sie nur anders ein. Und wenn wir einstellen, stellen wir zunehmend mit anderen Profilen ein als vor zehn Jahren.

 

Was geschieht mit Ihren langjährigen, älteren Mitarbeitern? Haben die nicht Angst davor, auf der Strecke zu bleiben?
Angst ist – glaube ich – der falsche Ausdruck. Ja, die schnellen Entwicklungsphasen sind ein Thema. Da müssen wir immer hinterher sein und ausreichend Schulungen anbieten. Aber wir können das auch steuern: Diejenigen, die sich mit schnellen technologischen Innovationen schwerer tun, setzen wir in Bereichen ein, die mit weniger schnellen Veränderungen auskommen.

 

Und diejenigen, die sehr starkes Interesse haben, gehen an die Arbeitsplätze mit vielen Veränderungsraten pro Jahr.

 

Gerhard Hauptmann „Die Weber“ – hat ein Webstuhl die Arbeitsplätze ersetzt? Nein. Eine Grundangst ist natürlich trotzdem vorhanden. Die Arbeitsplätze werden sich verändern, aber sie werden den Menschen nicht ersetzen. Nur der Mensch hat die Eigenheit, auch manchmal paradox zu denken, was Maschinen nicht können.

 

Wie digital sind Sie unterwegs?
Ich bin privat noch deutlich digitaler unterwegs als beruflich. Weil wir bei MTU deutlich reglementierter sind und auch auf hohe Datenschutzregeln achten müssen. Ich haushalte allerdings mit meinen privaten Daten sehr stark und gebe nicht alles auf Facebook preis. Meine Frau ist in den Sozialen Medien aktiver.

 

Wie digital und mobil sind Ihre Mitarbeiter unterwegs?

Jeder erhält den digitalen Part, den er gerne haben möchte. Theoretisch könnte jeder einen Telearbeitsplatz beanspruchen oder Mobilwork machen. Das sind zwei verschiedene Sachen: Telearbeitsplatz ist immer zu Hause, Homeoffice, fester PC mit Standleitung. Und mobiles Arbeiten heißt, ich kann mit mobilen Endgeräten von überall aus arbeiten.

 

In der Praxis hängt das aber sehr stark von den Vorgesetzten ab. Wir als Unternehmen setzen keine Restriktionen. Ich habe als Führungskraft sehr gute Erfahrungen mit Mitarbeitern gemacht, die sowohl Telearbeit als auch Mobilwork in Anspruch nehmen. Das ist eine andere Form des Arbeitens, von der ich glaube, dass wir mehr Nutzen als Schaden haben. Für mich zählt das Ergebnis. Wie das zu Stande kommt, ist mir egal.

 

Das heißt, Sie überlassen Ihren Mitarbeitern völlig frei, wann und wie sie die Arbeit erledigen?
Ja! Ich bitte darum, Mails mit mehreren Empfängern nicht unbedingt am Sonntag zu verschicken, damit Externe nicht denken, meine Mitarbeiter müssen sieben Tage die Woche arbeiten. Oder um 23 Uhr. Weil ein anderer weiß ja nicht, dass sich die Mitarbeiterin dafür die Freiheit genommen hat, Mittwoch mittags zu gehen und die Sonne zu genießen…

 

Wie sollte Ihrer Meinung nach die Führungskraft der Zukunft aufgestellt sein?
Wir brauchen Führungskräfte mit mehr Mut und Zuversicht! Mut, den Mitarbeitern Freiheiten zu geben und Zuversicht, dass sie verantwortungsvoll damit umgehen. Weil jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin erstmal das Interesse hat, etwas gut zu machen. Subsidiarität ist für uns ein weiterer wichtiger Punkt.

 

Und die Führungskraft muss in Zeiten von Tele- und Mobilwork bereit  ein, sich auf entsprechende Kommunikationstools einzulassen. Wir haben zum Beispiel an vielen PCs Webcams. Manche Teams schalten die nie aus. Da sitzt der eine Counterpart in den USA und der andere hier. Und die kommunizieren den ganzen Tag als würden sie sich im Büro gegenübersitzen. Das ist natürlich extrem. Sowas mache ich nicht. Aber ich habe auch Kontakte, die ich nur über Webcams oder Kollaborationstools pflege.

 

Welche Talente bei Mitarbeitern sind da gefragt?
Leute, die sich selbst organisieren und priorisieren können, die Arbeitsergebnisse gut strukturieren und ihre Daten und Ergebnisse gerne mit anderen teilen. Wir arbeiten inzwischen sehr viel mit agilen Arbeitsweisen – das bedeutet für uns eigenverantwortliche Prototypenentwicklung und Arbeit in crossfunktionalen Teams. Wenn früher eine oder zwei Personen bei einem Projekt mitgedacht haben, sind es jetzt zehn – an verschiedenen Standorten. Und diese zehn sind wiederum in andere Projekte eingebunden. Gerade von Neueinsteigern wünschen wir uns eine Offenheit für diese Strukturen. Wir suchen nach Leuten, die Lust haben, sich einzubringen und sagen: Das ist unser Baby und am Ende steht ein Produkt.

 

Wie identifizieren Sie solche Leute?
Mit Agile Work ist das ganz einfach. Ziehen Sie die in ein Projekt mit rein, lassen Sie sie eine Sequenz beim „Scrum“ mitlaufen. Dann merken Sie sofort, wie aufgeschlossen die sind. Sehr viel auch über Gespräche und „Was wäre wenn…“-Fragen. Gerade Fragestellungen, die nicht pauschal zu beantworten sind, geben viel über Kreativität preis. Wir wollen Leute haben, die ein bisschen Phantasie und Visionen mitbringen. Und die auch ein bisschen eckig sind. Die haben den Vorteil, dass Sie Bewegung ins System bringen und hinterfragen. Will ich nur Kritiker haben? Nein, es muss schon auch eine Lösungsidee dahinterstecken. Aber in aller Regel sind diejenigen, die ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchten, eher die besseren Leute.

 

Trifft das auch auf Frauen zu?
Ja klar! Frauen können neue Perspektiven im männlich dominierten Maschinenbaubereich einnehmen: Sie kommen auf Fragestellungen, die sich Männer nicht stellen. Die aber sehr wichtig sind. Gerade diese Ausgewogenheit, das Beleuchten eines Themas von verschiedenen Seiten, bringt den Erfolg.

 

Und ich sage ganz offen: Da sind wir noch nicht gut genug, weil wir mit 15% Frauenanteil immer noch zu wenige haben. Auch in Führungspositionen. Wir konnten in diesem Jahr vier Positionen der leitenden Angestellten [in der Hierarchie zwei Ebenen unter dem Vorstand] mit Frauen besetzen. Wäre schön, wenn das jedes Jahr klappen würde.

 

Die Digitalisierung und die flexibleren Arbeitsstrukturen sollen bessere Chancen für Frauen mit Karriereambitionen mit sich bringen, weil sie Arbeit und Familie besser vereinbaren können…
Für Männer auch!
 

Ja, auch für Männer. Nehmen das schon welche bei Ihnen in Anspruch?
Ja, es werden langsam mehr, aber es könnte schneller gehen. In Elternzeit gehen in erster Linie immer noch Frauen.

 

Aber ja, Sie haben Recht, vor allem für Frauen mit Familienverantwortung verringert der Freiheitsgrad bei der Arbeitszeitgestaltung die Nachteile gegenüber Männern. Wir haben hier im HR zwei weibliche Führungskräfte, die sich einen Job teilen. Topsharing – das funktioniert sehr gut. Es bringt zwar einen größeren Koordinationsaufwand mit sich, aber der Mehrwert überwiegt: Zum einen haben die beiden immer einen Sparingspartner bei Führungsfragen. Zum anderen muss ich als Vorgesetzter auch ehrlich zugeben, dass ich mehr als die vertraglich geschuldeten 100% Arbeitsleistung bekomme. Und ich muss nie Ausfälle kompensieren.

 

Es ist nicht jede Führungsaufgabe teilbar. Aber viele. Das kam bisher nur nicht zustande, weil man noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht hat. Ich glaube, da geht noch deutlich mehr als wir uns zutrauen.
 

Welche Maßnahmen setzen Sie konkret um, um mehr Frauen für die MTU zu gewinnen und zu fördern.
Wir haben einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, der die unterschiedlichsten Altersgruppen und Hierarchiestufen abdeckt. Ein Fokus liegt ganz klar auf dem Thema Hochschulmarketing um junge Potentialträgerinnen von Anfang an im Unternehmen zu entwickeln und den Frauenanteil in der aktiven Belegschaft nachhaltig zu erhöhen. Zudem gibt es Standardmaßnahmen, wie den Girls`Day, Praktikaangebote oder die Summer University. Auch individuelle Weiterentwicklungsangebote, z.B. Mentoring-Programme, interne Führungskräfteschulungen und natürlich ein ausgereifter Talent-Management-Prozess sind implementiert. Hinzu kommen natürlich sehr gute Rahmenbedingungen, wie attraktive Konditionen, Gleitzeitmodelle, flexibles Arbeiten, oder Homeoffice.

 

Als MFF-Unternehmen haben Sie sich auch das Ziel gesetzt, die gesamte Unternehmenskultur und Unternehmensspitze in einen gendersensiblen Changeprozess mitzunehmen. Auch wenn er sich noch nicht so deutlich in den Zahlen niederschlägt – macht sich bereits ein Kulturwandel bemerkbar?
Wenn ich sieben Jahre zurückdenke: Da hieß es bei der Besetzung von Führungspositionen noch: „Wir sollen uns explizit auch Frauen anschauen? Schwierig, haben wir überhaupt welche?“ Diese Diskussion gibt’s heute nicht mehr. Ein Pool aus Frauen und Männern ist selbstverständlich. Da merkt man schon, dass sich etwas geändert hat.

 

Aber worin wir noch besser werden müssen, ist Begeisterung bei Frauen für unsere Arbeit zu schaffen. Wir sind noch zu typisch Ingenieursbetrieb: leise, vornehm, alles geprüft, sehr analytisch. Doch wir müssen zeigen, dass es Spaß macht, sich mit Technik zu beschäftigen. Diese Maschinen kann man erleben, kann man sehen, kann man fühlen. Nicht nur das rein verschulte in den Vordergrund stellen. Sondern Kreativität mit Entdeckergeist und Wissen verknüpfen – ich glaube, das können Frauen besonders gut und dafür möchten wir sie begeistern.
 

Sie haben im Moment 350 Stellen zu besetzen – eine gute Gelegenheit!

 

Interview: Julia Schmid

 

Mehr zum Digital Transformation Program der MTU: www.mtu.de/de/karriere/digital-transformation-program/

 

In diesem Beitag erzählt eine Führungsfrau der MTU, Dr. Inga Stoll, wie ihr Arbeitsalltag als Abteilungsleiterin aussieht und wie er sich mit zwei Kindern vereinbaren lässt:

Ein Arbeitstag von Inga Stoll, MTU Aero Engines

 

Und hier geht’s zu einem Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bayerischen Versorgungskammer, Daniel Just:

„Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch“ – Vorstandsgespräch mit Daniel Just, BVK

Teilzeit – weil es guttut

Plötzlich sind sie da: Schlüsselerlebnisse, die das Leben auf einmal verändern können. Entweder in Form von Schicksalsschlägen, die ein „weiter so“ unmöglich machen. Oder durch die intrinsische Erkenntnis, dass ein „weiter so“ nicht glücklich macht. Bei Hans Dahlke war es eine Mischung aus beidem beziehungsweise führte das eine zum anderen. Seitdem arbeitet der Senior HR Business Partner der Münchner Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG in Teilzeit und führt ein glücklicheres Leben. Ein MFF-Interview über die wirklich wichtigen Dinge im Leben…

 

MFF: Was ist im Jahr 2017 bei Ihnen passiert?

Hans Dahlke: Es war ein Jahr des Umdenkens für mich. Ich hatte gerade eine harte Zeit hinter mir. Meine Mutter, mein Vater und meine Tante sind verstorben. Pflegearbeit, emotionale Momente, intensive Situationen und jede Menge Bürokratie sind dem vorangegangen – ebenso ein Schlüsselerlebnis mit meinem kranken Vater: Es war eine total schwierige Nacht. Ich musste alle 15 Minuten aufstehen und war am nächsten Tag fix und fertig. Trotzdem saß ich am nächsten Tag in der Arbeit und dachte: „Es war so wertvoll, dass ich diese Nacht für meinen Vater da war.“ Da wurde mir bewusst, dass mir mein Job zwar wichtig ist und Spaß macht, aber dass andere Dinge noch viel mehr zählen. Ich war 45, in der Mitte des Lebens und kam zum Nachdenken: Was ist mir wirklich wichtig? Wie möchte ich meine Zeit, die auch so schnell zu Ende sein kann, sinnvoll nutzen? Letztendlich bin ich auf der Erde, um das Leben zu genießen. Und was muss ich ändern, damit ich das kann?

Das war meine Initialzündung zu sagen: Ich möchte mehr Zeit mit meiner Frau und meinen Sohn verbringen, aber auch weniger Stress und mehr Ruhe für mich haben! Also habe ich auf meine Führungsposition verzichtet und Teilzeit beantragt.

 

Sie haben von heute auf morgen gesagt: Tschüss Karriere?

Naja, so einfach war es nicht, aber es hat sich eine günstige Gelegenheit ergeben: Durch eine Umstrukturierungsmaßnahme wurde mein Sachgebiet Personalmanagement mit dem Sachgebiet Personalentwicklung zusammengelegt, meine Kollegin hat die Leitung übernommen und mir wurde eine adäquate Business Partner Stelle angeboten. Zusätzlich habe ich meine Arbeitszeit so gekürzt, dass ich einen freien Tag pro Woche habe.

 

Wie sieht ihr freier Tag aus?

Der beginnt mit Ausschlafen, Genießen und Zeitunglesen. Ich telefoniere mit Freunden und Verwandten, werkle am Haus oder im Garten, verbringe die Mittagspause mit meiner Frau und nehme mir einfach Zeit für Dinge, die mir Spaß machen. Um halb vier hol ich unseren 8-jährigen Sohn von der Schule ab. Dann spielen wir draußen Fußball oder drinnen mit der Modelleisenbahn. Seit ich diesen zusätzlichen freien Tag habe, bin ich entspannter, ist die Familie entspannter und unser Leben entspannter…

 

Was hat sich im Job für Sie verändert?

Interessanterweise nicht viel. Gut, die Führungsaufgaben sind weggefallen, aber ich kann nicht feststellen, dass ich auf die gesamte Woche betrachtet weniger abarbeiten würde.

 

Wie waren die Reaktionen aus dem Umfeld auf Ihr neues Arbeitsmodell?

Ich hatte anfangs bedenken, öffentlich zu sagen: ich trete kürzer, weil ich mehr Zeit für mich haben möchte. Das ist unter Männern eher untypisch und ich hatte Angst als faul zu gelten. Aber das hat sich überhaupt nicht bewahrheitet. Im Gegenteil! Ein Freund hat gesagt: Mensch, du machst das genau richtig!

 

Unter Frauen sind Teilzeit-Modelle absolut angesehen – und das nicht nur unter Mütter. Warum ist das unter Männern anders?

Ich glaube, dass Frauen mehr auf sich hören und wahrnehmen, was ihnen im Kern wichtig ist. Männer fokussieren häufig ein Ziel und rauschen dann über manche Anzeichen – sei es körperlicher Art, im Erleben oder im Erfahren – blind hinweg.

 

Bei der jüngeren Generation scheint das anders zu sein. Das Thema Work-Life-Balance steht hoch im Kurs – bei Frauen wie Männern. Haben Sie das aus Sicht der Personalabteilung schon konkret zu spüren bekommen?

Wir haben gerade einen jungen Mann eingestellt, der von Anfang an gesagt hat, er möchte Zeit für seine Familie haben und eine Nebentätigkeit ausführen und deshalb bei uns in Teilzeit arbeiten. Das finde ich sehr mutig und zeigt den Zeitgeist. Das hätte ich mich beim Vorstellungsgespräch nicht getraut.

 

Warum haben Sie ihn eingestellt?

Erstens war er einfach gut. Zweitens ist der Markt derzeit eng. Drittens finde ich diese Haltung begrüßenswert. Solche Leute brauchen wir im Unternehmen. Zumal wir immer mehr erleben, dass Teilzeit nicht automatisch im Verhältnis proportional weniger Arbeitsleistung bedeutet. Ich habe erst vor kurzem wieder die Rückmeldung aus einer Abteilung bekommen, die eine Frau in Teilzeit neu eingestellt hatten, dass sie mindestens so viel leistet wie eine Vollzeitkraft. Sie erledigt vieles schneller oder verbringt zehn Minuten weniger beim Kaffee mit Kollegen, weil sie weiß, dass sie bis zu einer bestimmten Uhrzeit fertig sein muss, um ihr Kind abholen zu können. Bei Teilzeitkräften ist häufig die intrinsische Motivation sehr hoch, die vorhandene Zeit optimal zu nutzen.

 

Was trägt ihr Unternehmen dazu bei, dass Mitarbeiter Beruf und Privatleben besser vereinen können?

Wir haben ein sehr flexibles Arbeitszeitsystem, das z.B. auch mir während der intensiven Zeit mit meinen kranken Eltern entgegenkam. Selbst wenn in der Kernzeit etwas dazwischenkommt, kann man immer mit dem Vorgesetzten sprechen und individuelle Lösungen finden. Außerdem haben wir die Möglichkeit, Homeoffice in Anspruch zu nehmen und – was für meinen Sohn und mich noch besser funktioniert – Familienbüros. Die Familienbüros sind mit Spielsachen und Arbeitsplätzen ausgestattet. Mein Sohn liebt es, mich in den Ferien gelegentlich in die Arbeit zu begleiten. Wobei er meistens die Spielsachen in mein Büro mitnimmt. Wir haben da schon unsere Rituale: vormittags kommt der Brotzeitmann mit Gemüsesticks. Mittags bestellen wir Pizza. Er spielt, malt oder schaut mir einfach bei der Arbeit zu. Das funktioniert besser als zu Hause zu arbeiten, wenn er nicht in der Schule ist.

 

Ihr Tipp für alle Männer, die Ihnen nachziehen wollen, aber sich nicht trauen?

Nehmt euch immer wieder Zeit, von der beruflichen Rennbahn Abstand zu nehmen und darüber nachzudenken, was EUCH wirklich wichtig im Leben ist. Dann kommt der Mut, die Motivation und die Freude an dem, was man dann tut oder verändert von alleine.

 

Interview: Julia Schmid

 

Die GEWOFAG hat im September 2015 das Memorandum für Frauen in Führung unterzeichnet. Damit bekennt sie sich zu den 15 Punkten der freiwilligen Selbstverpflichtung für mehr Frauen in Führung. Ein Aspekt ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Die GEWOFAG setzt sich dafür ein, indem sie Arbeitszeitmodelle wie Teil- oder Gleitzeit ermöglicht, Krippenplätze bereitstellt und betriebliche Sozialberatungen anbietet. 2015 wurde die GEWOFAG dafür mit dem Qualitätssiegel zum audit berufundfamilie von berufundfamilie gGmbH ausgezeichnet.Die GEWOFAG ist eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft und mit ca. 35.000 Wohnungen Münchens größte Vermieterin. Sie stellt seit rund 90 Jahren den Münchner Bürgerinnen und Bürgern Wohnraum zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung und bietet damit Alternativen im angespannten Münchner Wohnungsmarkt. Neben Neubau und Vermietung sind die Sanierung und Instandsetzung des Wohnungsbestands die wichtigsten Aufgaben der GEWOFAG.

Zu einem weiteren Beitrag über die GEWOFAG:

Die GEWOFAG engagiert sich aktiv für Mixed Leadership auf allen Führungsebenen

 

Und hier erzählt ein Mitarbeiter eines anderen MFF-Unternehmens – Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG – wie er Job und Familie vereinbart:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

 

“Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch” – Vorstandsgespräch mit Daniel Just, BVK

Zwei kleine Kinder jagen sich kreischend zwischen offenen Bürotüren hin und her. Dazwischen schlendert Daniel Just entspannt den langen Gang im siebten Stock eines modernen Bürokomplexes im Münchner Stadtteil Bogenhausen entlang. „Hier tobt das Leben“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Versorgungskammer gut gelaunt, begrüßt mit einem verbindlichen Handschlag, nimmt sofort die Jacke ab und überlässt mit einer weiten Armbewegung den Vortritt in sein Büro – ein Gentleman der alten Schule. Im einstündigen Gespräch, zu dem er auch die Gleichstellungsbeauftragte der BVK Susanne Obermaier eingeladen hat, erweisen sich lediglich seine Umgangsformen als „alte Schule“. Seine Arbeits- und Lebenseinstellung ist State of the Art. Im Interview mit dem Memorandum für Frauen in Führung legt der gebürtige Berliner seine Sichtweise auf flexibles Arbeiten, Frauen im Vorstand und Männern in Elternzeit dar und gibt dabei auch viel Privates preis. Transparenz in warmherziger und menschlicher Form ist ihm wichtig – „Dann haben auch meine Mitarbeiter das Gefühl, Mensch sein zu dürfen“, sagt Daniel Just und fügt hinzu: „Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch und dadurch wird er für mich wertvoll – wertvoll fürs Team und fürs gesamte Unternehmen.“

 

Es ist ein Wandel in der Gesellschaft zu spüren – jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist neben beruflichem Erfolg das Privat- und Familienleben sehr wichtig. Wie bewerten Sie diese Entwicklung aus Sicht der Unternehmensspitze?

Daniel Just: Ich habe vor der BVK lange in der Finanzbranche gearbeitet. Dort kamen junge Männer sehr früh nach oben, weil sie intelligent und ehrgeizig waren, gute Ausbildungen und Power hatten und sehr viel Kraft in ihre Arbeit legten, weniger ins Private. Aber es zeigte sich, dass sie auch schnell wieder rausfielen, weil sie an ihrer sozialen Kompetenz scheiterten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Führungskompetenz aus Lebenserfahrung und Zeit speist. Lebenserfahrung wird nicht durch den Job geprägt, sondern durch die Familie, Hobbies und Interessen. Wenn jemand – egal ob Mann oder Frau – seine Familie managt und dabei immer wieder flexibel und situationsbedingt agieren muss, lernt er wahnsinnig viel für Führungsaufgaben. Er kommt oft mit chaotischen Situationen besser klar als jemand, der morgens stressfrei den Tag mit einem servierten Kaffee und vorgelegten Unterlagen in seinem Büro startet. Ich finde, man sollte sich organisch entwickeln. Das ist viel nachhaltiger.

 

Wie waren Sie als Berufseinsteiger?

Ich war sehr ehrgeizig, habe zwei Fächer parallel studiert – BWL und Informatik – aber gemerkt, dass noch andere Dinge im Leben zählen. Vor allem während eines Auslandsjahrs in Portugal bei Sonne, Strand und Leichtigkeit habe ich gelernt, dass es einen wunderbaren Ausgleich zwischen Machen und Genießen gibt. Das war eine wichtige Erfahrung.

 

Wie haben Sie sich das beibehalten?

Ich habe viele Hobbies: reiten, kochen, an Oldtimern basteln, Bücher schreiben, Golf spielen. Wenn es der Terminkalender erlaubt, schaffe ich mir zwischen Phasen hoher Belastung auch meine Freiräume, verlasse das Büro früher oder arbeite im Homeoffice. Für jeden Mitarbeiter bzw. jede Mitarbeiterin erproben wir gerade den Flexitag. Und unsere Beschäftigten werden fürs mobile Arbeiten technisch ausgestattet. Die Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem ist bei der BVK ein wichtiger Baustein der Arbeitnehmerzufriedenheit und Kompensator für die geringeren Gehälter, die im öffentlichen Bereich gezahlt werden im Vergleich zur freien Marktwirtschaft.

 

Überspitzt gefragt: Haben Sie keine Angst mit dem offensiven Werben für hohen Freizeitwert die weniger ehrgeizigen Bewerber anzuziehen?

Das hat nichts mit Ehrgeiz zu tun, sondern mit Lebensphasen! Nehmen wir die Leiterin unseres Vorstandsreferats. Sie ist eine kompetente und ehrgeizige Mitarbeiterin, aber alleinerziehend mit zwei Kindern und gerade in einer Phase, in der sie ihre Konzentration auch auf Privates legen muss. In dieser Lebensphase braucht es mehr Flexibilität bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, und das stößt bei uns auf Verständnis. In ein paar Jahren werden die Kinder selbstständiger, dann kann sie sich noch mehr auf die Karriere konzentrieren. Schwerpunkte können sich bei jedem ganz schnell ändern – denken Sie an einen plötzlichen Pflegefall in der Familie. Ein/e Mitarbeiter/in, der dann Verantwortung übernimmt und sich dafür im Job einschränkt, ist doch ethisch viel wertvoller, als jemand, der nur sein Ding durchzieht. Wenn ich so jemanden die Tür zuschlage, gebe ich Potential keine Chance. Wenn ich ihm aber Wertschätzung entgegenbringe, bekomme ich wirklich viel zurück.

 

Würden Sie Ihren männlichen Potentialträgern raten, in der Lebensphase mit kleinen Kindern selbstbewusst in Elternzeit oder Teilzeit zu gehen?

Wer als Mann bei der BVK als Referatsleiter oder Abteilungsteiler sagt: ich nehme mir Elternzeit und nehme das nicht im Minimum, sondern teile das gleichermaßen mit meiner Frau, ist nicht stigmatisiert. Wir haben mittlerweile auch einige Männer in Führung, die in Teilzeit oder im Homeoffice arbeiten, um sich in die Kindererziehung einzubringen – was für mich ein noch größerer Gradmesser der Gleichstellung ist als wenn das eine Frau macht.

Als bei mir das Thema Familienplanung aktuell war, wäre das noch nicht möglich gewesen. Aber ich hätte es trotzdem gemacht und werbe auch jetzt dafür, dass jeder selbstbewusst seinen eigenen Lebensplan verfolgen soll. Mein persönlicher Plan sah so aus: Meine Frau wollte gerne erst ihre Professur haben – sie ist eine von zwei Frauen unter 50 Professoren für Molekularbiologie – und sich dann dem Kinderkriegen widmen. Sie wäre danach relativ schnell zurück auf ihre Professur gegangen und ich hätte die Kinderbetreuung übernommen. Ich war damals Kapitalvorstand bei der BVK. Mir war klar, dass mich keiner mehr für voll nimmt, wenn ich als Mann in Babypause gehe. Deshalb wäre ich ausgestiegen, hätte mich erst mal ein paar Jahre darauf konzentriert und dann versucht in die Politik zu gehen. Wer weiß, vielleicht hätte mir die Kombination aus Finanz-Background und Hausmann ein paar Wählerstimmen eingebracht. Leider war uns dieses Glück nicht vergönnt. Meine Frau hat ihre Professur letztendlich zu spät für die Kinderplanung bekommen. Danach hat es mit den Kindern nicht mehr geklappt. Diese bittere Pille mussten wir für unsere Karrieren schlucken.

 

Gerade auf Topetagen ist die Vereinbarkeit von Kind und Karriere für Frauen immer noch schwierig und ein Grund dafür, warum es immer noch nicht viele Frauen bis nach ganz oben schaffen. Auch bei Ihnen…

Wir sind ein traditionelles Unternehmen. Wir haben das „Memorandum für Frauen in Führung“ unterschrieben, wir haben ein Positionspapier „Mixed Leadership – für mehr Frauen in Führung“ verabschiedet – wir wandeln uns, aber es braucht Zeit. Wenn wir aktuell auf den BVK-Vorstand blicken: nur Herren. Eine Ebene darunter, Bereichsleitung: nur Herren – bis auf eine Dame in der Stellvertretung, Frau Draws. Eine Ebene darunter, Abteilungsleitung: ja, da kommen dann vereinzelt Damen vor. Auf Referatsleiterebene haben wir bereits einen repräsentativen Frauenanteil. Und wenn wir auf unsere aktuellen Berufseinsteiger schauen: 11 Neuankömmlinge, 10 davon sind Frauen. So. Das steht exemplarisch für unsere Neueinstellungen, weil Frauen früher reif werden, die besseren Noten haben, in den Vorstellungsgesprächen besser rüberkommen und ihre Kraft auf die Straße bringen. Dieses Potential wird sich mit etwas Geduld bis nach oben arbeiten.

 

Kann das eine Quote beschleunigen?

Ja, mit Sicherheit. Ich habe vor kurzem ein kluges Statement dazu gehört: Man sollte eine Frauenquote von Minimum 30% einführen und wenn diese erreicht ist, sofort wieder abschaffen. Denn es braucht Seilschaften und Netzwerke, um nach oben zu kommen. Wenn diese auch für Frauen installiert sind, verselbständigen sie sich von selbst und brauchen keine Quote mehr.

 

Warum gibt es dann noch keine Quote bei der BVK?

Das hängt mit unserer Struktur zusammen. Die BVK ist mitgliederverwaltet. Blicken wir auf unsere Gremien – beispielsweise die Apothekerversorgung – dann sitzen da zu 80% Männer, obwohl die Geschlechterverteilung von Apothekerinnen und Apothekern genau umgekehrt ist. Und diese Männer sind das gewohnt, sie kennen es nicht anders und finden es auch gut so, wie es ist. Auf dieser Grundlage gestaltet sich eine Quotendiskussion etwas schwierig. Diese Schale gilt es aufzubrechen und Modelle im Einzelnen zu schaffen, bei denen wir sagen können: Schaut her! Es funktioniert doch!

 

Welchen Beitrag kann die BVK dafür konkret leisten?

Viele gute junge Frauen gehen bei uns beruflich einen vielversprechenden Weg bis sie in das Alter der Familiengründung kommen. Wenn sich die meisten Frauen dann bewusst für eine traditionelle Rollenverteilung entscheiden und zur mir sagen, sie möchten erstmal zu Hause bleiben und den Mann in die Arbeit schicken, dann kann ich sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Und das möchte ich auch nicht. Aber unsere Aufgabe muss sein, die Brücke zu schlagen. Zum einen müssen wir in der Zeit, in der sie nicht arbeitet, den Kontakt halten und sie immer wieder einbinden. Danach müssen wir ihr flexible Angebote für die Rückkehr machen sowie ihr Vertrauen entgegenbringen und sagen: in der Zeit, in der du deine Familie gemanagt hast, hast du für das Thema Führung viel gelernt, wir zählen auf dich! Wenn sie dann wieder an Bord ist, ist noch nichts verloren.

Und meine Botschaft an Frauen ist: Traut euch! Ich habe den Eindruck – [sein Blick geht zur Gleichstellungsbeauftragten der BVK] Frau Obermaier, Sie können das besser beurteilen – dass Männer risikofreudiger sind und sich selbstbewusster neuen Herausforderungen stellen. Ich hatte auch vor jedem Karriereschritt Zweifel, ob ich das schaffe. Aber ich habe mich einfach rein gestürzt, habe Fehler gemacht, daraus gelernt und war dann schon irgendwann der Aufgabe gewachsen. Männer haben manchmal keine Ahnung, aber machen einfach.

 

Susanne Obermaier: Ich finde, die Zurückhaltung und Bedachtheit von Frauen ist eine sehr hilfreiche Eigenschaft, die in der Arbeitswelt völlig verkannt wird! Ja, Frauen sind nicht so risikofreudig. Aber was die Risikobereitschaft der Männer bringt, hat uns die Bankenkrise gezeigt. Untersuchungen haben ergeben, dass es nicht so weit gekommen wäre, wenn mehr Frauen das Sagen gehabt hätten. Eine Arbeitswelt, die mehr Schein als Sein belohnt, ist meines Erachtens Vergangenheit und nicht Zukunft.

 

Daniel Just: Das ist richtig. Die Ergänzung aus beiden Komponenten bringt den Erfolg. Wahrscheinlich arbeite ich deshalb so gerne mit Frauen zusammen.

 

Welche Visionen haben Sie in Bezug auf die zukünftige Arbeitgeberattraktivität der BVK?

Was ich bei der BVK im Vergleich zur Finanzwirtschaft sehr gut finde: Der Unterschied zwischen dem Gehalt einer Sekretärin und eines Vorstands ist nicht so groß. Deshalb haben wir ein viel stärkeres Wir-Gefühl und Verständnis füreinander. Klar muss Leistung honoriert werden, aber nicht ad absurdum – da sind die Banken zu weit gegangen, das haben wir bei der Finanzkrise gesehen. Bescheidenheit und Balance ist ein großer Vorteil, der für die Kammer als Arbeitgeber der Zukunft spricht.

Hinzukommt, dass wir nicht von einem anderen Konzern übernommen werden können und nicht so stark im Wettbewerb stehen. Wir können aus der Ruhe heraus eine Kraft entwickeln und müssen nicht jeder Mode hinterherlaufen, nur damit wir sexy sind. Wenn von oben alle zwei Jahre eine Restrukturierung angeordnet wird, entsteht durch die Neuorganisation auch immer ein hoher Kraftverlust bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir hingehen fahren einen Rhythmus des Wandels, der dem Menschen viel näher ist. Wenn man sich zu wenig bewegt, driftet man ab und wird langweilig. Wenn man sich zu viel bewegt, begeht man die gleichen Fehler wie andere. Diese Balance zu halten, das ist die Kraft der BVK – und die ist enorm an dieser Stelle!

 

Interview: Julia Schmid

 

In diesem Beitrag erzählt Christine Draws, oberste Führungsfrau der Bayerischen Versorgungskammer, mit welchen besonderen Herausforderungen Frauen in exponierter Position konfrontiert werden:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

 

In diesem Interview mit Dr. Maike Kolbeck, Referatsleiterin bei der Bayerischen Versorgungskammer, geht es um die Vereinbarkeit von Kind und Karriere:

Mutmacher.in für Karriere und Familie

 

Wie ein Senior Manager bei der Unternehmensberatung KPMG seine Elternzeit erlebt hat, erfahrt ihr hier:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Mutmacher.in für „einfach ausprobieren“

Frisch aus der Elternzeit zurück, bekam Dr. Ann-Christine Hamisch direkt eine Führungsposition angeboten. Was tun als Mutter von drei kleinen Kindern – einer Tochter mit zweieinhalb und einjährigen Zwillingen? „Es einfach ausprobieren“, hat sich Dr. Ann-Christine Hamisch damals gesagt und sich ins Abenteuer gestürzt. Ihr Mut hat sich ausgezahlt: Auch vier Jahre später balanciert sie ihre 5-köpfige Familie und den von ihr geführten 80-köpfigen Bereich „Personalgewinnung und -entwicklung“ bei den Stadtwerken München GmbH erfolgreich. In unserem MFF-Interview erklärt die 44-Jährige Juristin ihr persönliches Work-Life-Mosaik und wirbt dafür, Chancen zu ergreifen und keinesfalls Angst vor dem Scheitern zu haben.

 

Promovierte Juristin, sechs Jahre Großkanzlei im Bereich Arbeitsrecht, Wechsel zur Rechtsabteilung der Stadtwerke München, 3 Kinder, Bereichsleiterin – ihr Lebenslauf liest sich perfekt. Hatten sie das alles von Anfang an geplant?

Das mag nach einem großen Masterplan klingen, aber ich bin eher jemand, der mit offenen Augen durchs Leben geht und die Gelegenheiten ergreift, wenn sie kommen. Mit Zwillingen, die gerade in die Krippe eingewöhnt werden, meine erste Führungsposition zu übernehmen, war sicher nicht geplant. Es hat sich damals ergeben und wir haben als Familie beschlossen, es zu versuchen. Seitdem funktioniert es eigentlich auch ganz gut.

 

Wie sah bzw. sieht ihr Arbeitsmodell aus?

Bei meiner älteren Tochter kam ich mit 60% aus der achtmonatigen Elternzeit zurück. Bei meinen Söhnen hatte ich ein Jahr Elternzeit und bin mit 80% wieder eingestiegen. Mittlerweile arbeite ich zu 90% – also fast Vollzeit. Aber der Schlüssel ist sicherlich Flexibilität – sowohl zeitliche als auch örtliche, sowohl von meinem Arbeitgeber als auch von mir. Ich komme in der Regel relativ früh ins Büro und versuche nachmittags drei- bis viermal in der Woche die Kinder abzuholen, um mit ihnen noch Zeit verbringen zu können. Oft setze ich mich dann abends nochmal hin. Zusätzlich habe ich mindestens einen Home-Office-Tag, wenn der nicht gerade von einem Projekt geschluckt wird.

Hinzu kommt, dass mein Mann ebenfalls bei einem sehr modernen Arbeitgeber in der IT-Branche arbeitet, bei dem die Partner selbst Kinder haben und sich der Verpflichtungen sehr wohl bewusst sind. Er kann sich seine Arbeitszeit flexibel einteilen und die Kinder auch mal früher abholen. Es ist ein Mosaik aus vielen Einzelteilen, die im Moment gut zusammenpassen.

 

Gab es denn auch mal eine Zeit, in der es nicht zusammengepasst hat?

Erschöpfungsphasen kennt, glaube ich, jede Führungskraft und jede Mutter… Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich beide Teile meines Lebens – Familie und Job – irgendwie gegenseitig befruchten. Ich ziehe die Kraft für die Arbeit aus der Zeit mit meinen Kindern und umgekehrt.

 

Welche Eigenschaften helfen Ihnen, die Doppelbelastung zu bewältigen?

Als Mutter oder Vater mit einem stressigen Job braucht man eine gewisse Art von Resilienz, eine hohe Bereitschaft zur Flexibilität und man muss Hilfe annehmen können. Hinzukommt, dass man sich von einem gewissen Perfektionismus verabschieden muss, denn der führt nur zu einem dauerhaft schlechten Gewissen – nach dem Motto: „ich bin nicht genug bei meiner Arbeit“/ „ich bin nicht genug bei meinen Kindern“.  Ich versuche in dieser Hinsicht gelassen zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass es meinen Kindern gut geht, wenn ich nicht bei ihnen bin, und dass auch die Welt bei den Stadtwerken nicht untergeht, wenn ich mit meiner Tochter Hausaufgaben mache oder meinen Söhnen auf dem Spielplatz bin und dabei nicht ständig aufs iPhone schaue.

 

Kann man das lernen, nicht perfekt sein zu wollen?

Ich bin selbst noch dabei… Aber Zwillinge sind eine sehr gute Schule! Durch sie habe ich definitiv gelernt, um Hilfe zu bitten und Hilfe anzunehmen und nicht den Anspruch an mich zu haben, dass ich alles selbst machen muss.

 

Können Sie das auch in der Arbeit?

Ich habe kein Problem damit, Arbeit zu delegieren – auch weil ich weiß, dass ich meinen Mitarbeitern vertrauen kann und sie bei Problemen zu mir kommen.

Und mein Chef und meine Umgebung geben mir schon das Gefühl, dass es okay ist, eine Familie zu haben und parallel einen Führungsjob. Unser Geschäftsführer hat selbst drei Kinder und sagt auch mal „heute muss ich gehen, weil bei den Kindern dieses und jenes ist“. Solche Vorbilder sind enorm wichtig – egal ob als Mann oder als Frau. Meine Mitarbeiter finden es gut, wenn ich offen sage: „Heute Nachmittag geht nicht, weil bei meinen Kindern im Kindergarten Weihnachtsfeier ist“ – weil sie wissen, dass auch sie sich nicht hinter irgendwelche Ausreden verstecken müssen, wenn sie wegen „Familien-Verpflichtungen“ mal früher gehen müssen.  Ich kann nicht Vereinbarkeit und Familienfreundlichkeit predigen, wenn sie nicht selbst vorlebe.

 

Genießen Ihre Mitarbeiter auch besondere Freiheiten?

Wenn Sie unter Freiheiten verstehen, dass Mitarbeiter mal ihre Kinder ins Büro mitbringen, früher gehen oder von zuhause arbeiten können – ja, dann genießen meine Mitarbeiter viele Freiheiten. Für mich sind das aber eher Selbstverständlichkeiten. Natürlich kann sich aber auch nicht jeder grenzenlos selbstverwirklichen – auch wenn viele in Teilzeit oder mal im Homeoffice arbeiten, muss trotzdem noch eine Abteilungsbesprechung mit allen möglich sein. Aber mit guter Kommunikation und Flexibilität von allen Seiten ist wirklich vieles machbar.

 

Was raten Sie anderen Müttern, die ebenfalls ohne Karriererückschritte aus der Elternzeit zurückkehren möchten?

Kontakt halten und mit offenen Karten spielen! Während der Elternzeit habe ich gelegentlich mit meinem Chef telefoniert, war mit Kollegen Mittagessen oder bin mit den Kindern mal im Büro vorbeigegangen. Und ich habe mir schon vor der Elternzeit konkrete Gedanken gemacht, wann und in welchem Umfang ich zurückkommen will und habe das sehr offen mit meinem Chef besprochen. Offene Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiterin ist elementar. Denn auch für den Arbeitgeber ist die Planung oft schwierig, wenn Mitarbeiterinnen nur mit der gesetzlich festgeschriebenen Ankündigungsfrist von acht Wochen zurückkehren wollen. Ich habe aktuell vier schwangere Mitarbeiterinnen im Bereich, mit allen besprechen wir sehr aktiv ihre Pläne bezüglich Elternzeit und Wiedereinstieg. Und manchmal ergeben sich in der Elternzeit tolle Chancen – eine Mitarbeiterin von mir hat beispielsweise ihr gesamtes Führungskraft-Entwicklungsprogramm in der Elternzeit absolviert und fand das super.

 

Kennen Sie denn die Angst vor dem Scheitern?

Ja klar, als mein Chef mir die Führungsposition angeboten hat, hatte ich auch Vorbehalte und habe ihn auch ganz offen gefragt: „Was ist, wenn meine Jungs jetzt alle zwei Wochen krank sind? Wirst Du das dann immer noch für eine gute Idee halten?“ Aber wir haben gesagt, „wir probieren es!“ Und wenn es nicht geklappt hätte, wäre es auch nicht schlimm gewesen. Ich finde, man kann Entscheidungen immer revidieren, ohne das Gesicht zu verlieren. Zu sagen: „Ich habe es probiert und es passt nicht zu mir oder zu meiner jetzigen Lebensphase“ zeichnet für mich eher eine starke Persönlichkeit aus. Karriere wird zu oft als reine Aufwärtsbewegung wahrgenommen. Gerade wir Frauen machen uns oft im Vorfeld zu viele Gedanken und verpassen dadurch manchmal Chancen. Wir brauchen ein bisschen mehr Mut, etwas auszuprobieren, von dem wir nicht immer vorher schon wissen, ob es funktioniert. Und wir brauchen auch mutige (männliche wie weibliche) Führungskräfte, die z.B. sagen: „Komm, wir versuchen es mit einer Führungskraft in Teilzeit oder einem Jobsharing-Tandem“.

 

Hatten Sie denn so eine männliche Führungskraft?

Ja, ich hatte mit meinem Chef großes Glück. Selbst bei den Stadtwerken ist es nicht alltäglich, dass man direkt aus der Elternzeit mit Zwillingen in eine Führungsposition befördert wird. Er hat von Anfang an gesagt „wir schaffen das“ und wollte ein Zeichen für Vereinbarkeit setzen.

 

Das ist ihm gelungen!

 

Interview: Julia Schmid

 

Diese beiden Topfrauen leiten zusammen den Bereich Telekommunikation bei den Stadtwerken München im Topsharing-Modell:

Topsharing par excellence bei den SWM

 

Hier findet ihr einen Beitrag über das Frauennetzwerk der Stadtwerke München:

SWM-Frauennetzwerk: „Der Austausch gibt so viel Energie!“

 

Und hier geht’s zu einer mutmacher.in, die sich in einer Männerdomäne durchgesetzt hat:

Mutmacher.in für MINT-Berufe

Mutmacher.in für Vorreiterrollen

Wir brauchen Mutmacherinnen – Karrierefrauen, die keine Superheldinnen sind, sondern alltagstaugliche Vorbilder! So eine wie Katharina Heininger, Sachgebietsleitung SAP-Anwendungen bei der GEWOFAG Holding GmbH. Katharina Heininger ist eine Frau des Machens, sie packt einfach an, ohne vorher stundenlang darüber zu diskutieren. Das hat ihr im Laufe ihres Berufslebens unbewusst auch immer wieder eine Vorreiter-Rolle eingebracht. Als sie vor 16 Jahren nach wenigen Monaten Elternzeit in den Job zurückkehrte. Als sie in Teilzeit große Projekte verantwortete. Als sie sich einen Heimarbeitsplatz erkämpfte. Heute leitet die gelernte Bankkauffrau ein Sachgebiet in einer klassischen Männerdomäne. Katharina Heininger hat es ohne Studium, ohne Karriereplan und ohne Superkräfte nach oben geschafft – weil sie mit beiden Beinen im Leben steht und ihre Chancen stets genutzt hat.

 

Ihre Erfahrungen teilt Katharina Heininger morgen, am 12.10.2017, mit allen interessierten Frauen (oder gerne auch Männern) auf der Karrieremesse herCAREER. Im vom Memorandum für Frauen in Führung präsentierten KarriereMeetUp mit genau diesem Titel „Wir brauchen Mutmacherinnen – Karrierefrauen, die keine Superheldinnen sind, sondern alltagstaugliche (Role-)Models! Ein Beispiel zum Nachmachen…“, das von 16 bis 17Uhr auf der ausgewiesenen Standfläche gegenüber des Haupteingangs stattfindet, motiviert sie mit ihrer Geschichte, sich das berufliche Umfeld selbstbewusst so zu gestalten, dass es zu den eigenen Bedürfnissen passt – auch wenn es bedeutet, sich in eine Vorreiterrolle zu wagen.

 

Sie waren die erste Mitarbeiterin bei GEWOFAG, der Homeoffice genehmigt wurde. Wie haben Sie das geschafft?

Vor 16 Jahren war Homeoffice nicht so verbreitet. Das IT-System musste erst einmal Home-Office-Kompatibel gemacht werden – aber mit meiner IT-Affinität war das kein Problem. Auch ein DSL-Anschluss im Haushalt, der diesen Anforderungen genügt, war nicht selbstverständlich. Wenn ich so darüber nachdenke, war es schon eine spannende Zeit – das alles so hinzubekommen.

 

Warum war Homeoffice für Sie so wichtig?

Wir wohnen im ländlichen Münchner Umland. Mein Sohn war damals noch im Kindergartenalter und musste um drei abgeholt werden. Das hätte ich von meiner Arbeitsstätte in München aus nicht geschafft. Meine Eltern konnten ihn Mittwoch und Donnerstag um 15 Uhr nach der Betreuung abholen. Montag, Dienstag und Freitag habe ich das durch Homeoffice und Teilzeit mit 30 Wochenstunden lösen können. Als der Arbeitsaufwand immer intensiver wurde, habe ich allerdings die Stundenzahl aufgestockt und bin seitdem vier Tage im Büro. Aber der Freitag als Homeoffice-Tag ist mir nach wie vor heilig.

 

Wie kam das im Unternehmen an?

Dadurch, dass ich dafür gesorgt habe, immer erreichbar zu sein, war die Resonanz positiv! Ich wollte auf keinen Fall, dass jemand auf die Idee kommt: Hast du Home-Office, hast du frei – was man heute immer noch unterschwellig zu spüren bekommt.

 

Gab es daraufhin viele Nachahmer?

Zögerlich. Die meisten Frauen sind damals nach dem Kind üblicherweise noch drei Jahre zuhause geblieben und dann vormittags wieder eingestiegen. Heute gibt es einige, die das Modell in Anspruch nehmen. Es scheint ein gesellschaftlicher Umbruch zu sein. Da hat sich viel getan in den letzten Jahren.

 

Sie haben nach 10 Monaten in Elternzeit wieder angefangen zu arbeiten, in einer Zeit, in der Kitas noch nicht populär waren. Mussten Sie sich dafür rechtfertigen?

Eigentlich nicht, obwohl ich die einzige in der Firma war. Auch vor meiner Familie nicht. Ich stamme aus einem Gastronomiebetrieb, d.h. ich bin in meiner Kindheit einfach mitgelaufen.

Und ich würde es wieder genauso machen. Vor allem weil Josef von der Elterninitiative, in die wir involviert waren und in die ich mich auch eingebracht habe, sehr profitiert hat. Er ist gern zur Kita gegangen.

 

Hatten Sie damals ein Vorbild, an dem Sie sich orientieren konnten?

Meine Mutter, die 1966 im Alter von 22 Jahren und ledig eine Klosterwirtschaft in einem Männerkloster übernommen und 20 Jahre lang erfolgreich geführt hat. Auch meine Großmutter habe ich mehr als treibende Kraft im landwirtschaftlichen Betrieb wahrgenommen als meinen Großvater. Sie waren schon Vorbilder: Nicht nur zuhause sitzen und Mutter sein, sondern etwas auf den Weg bringen.

 

Was für ein Vorbild möchten Sie gerne für junge Frauen sein?

Ich bin eine Praktikerin, die anpackt und was macht, bevor sie eine Stunde lang darüber diskutiert. Außerdem authentisch, zuverlässig und ehrlich – für mich die wichtigsten Eigenschaften. Man hat immer noch das Bild von Karrierefrauen im Kopf: Ellbogen raus, keine Kinder. Taff sein, um in der Männerwelt zu bestehen. Aber als „normale“ Frau denkt man sich da doch: Will ich überhaupt so sein? Klar, man darf sich zwar nicht unterkriegen lassen und muss sich durchsetzen können, aber nicht mit allen Mitteln.

 

Wie sind Sie in Ihren Vorreiterpositionen umgegangen – diplomatisch oder kämpferisch?

Eher diplomatisch! Vielleicht bin ich auch deshalb nach meiner Ausbildung zu Bankkauffrau nicht bei der Bank geblieben. Wenn ich Kunden ein Produkt angeboten habe und sie hatten kein Interesse, dann wollte ich gar nicht mehr aufdringlich sein und habe es gleich gut sein lassen. Offensiv fordernd mag ich nicht an die Dinge rangehen. Wenn ich merke, es führt nicht zum Erfolg, bin ich recht schnell raus.

 

Wie müssen Frauen vorgehen, um nach oben zu kommen?

Auch hier Diplomatie! Vor allem den Männern gegenüber. Zu wissen, wie man die Männer packen muss. Nicht zu forsch, nicht zu nett.

 

Sie sind nach der Banklehre im IT-Bereich gelandet – wie kam es dazu?

Technik war schon immer ein „Favouriten“ von mir. Als ich mit 13 Jahren einen Commodore 64 bekommen habe (A.d.R.: Heimcomputer der 80er), habe ich für meine Eltern eine Speiseplan-Schreibprogramm geschrieben, weil ich in der Gaststätte immer die Speisekarten auf Blaupause Papier schreiben und durch die Maschine kurbeln musste, zum Duplizieren. Das war mir natürlich zu blöd.

Als bei GEWOFAG eine IT-Stelle ausgeschrieben war, habe ich mich darauf beworben. Das war damals noch nicht die IT wie wir sie heute kennen. Dieses Wissen konnte man sich in Kursen aneignen. Auch eine Weiterbildung im IT-Bereich gab es noch nicht. Ich habe 1994 dann den Fachwirt für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft gemacht und musste mich noch vor der IHK rechtfertigen: „Was hat denn IT mit Wohnungswirtschaft zu tun?“

 

Und jetzt sind Sie eine von den begehrtesten Köpfen am Arbeitsmarkt!

Weil ich Fachliches mit IT-Bereich verweben kann. Ich habe auch die Ausbildereignung erworben – selbst die Ausbildung eines Informatik-Kaufmanns musste ich erstmal bei der IHK durchsetzen.

 

Bilden Sie immer noch aus?

Leider geht das zeitlich nicht mehr.

 

War das fehlende Studium irgendwann ein Hindernis beim Aufstieg?

Direkt wurde es nie gesagt. Aber ich habe mich auch nie auf Positionen beworben, für die es gefordert war. Ich glaube schon, dass es für manche Positionen fehlt.

 

Es heißt, die Akademisierungswelle würde dazu führen, dass am Arbeitsmarkt vorbei ausgebildet wird. Gleichzeitig fehlen junge Frauen in technischen Berufen. Was würden Sie jungen Frauen raten, die Ihnen nacheifern wollen?

Interessante Frage – auch weil ich selber ein Kind habe, das jetzt Abitur macht. Ich würde meinem Sohn sagen, mach zuerst eine Ausbildung und überleg dir dann ob und was du studieren möchtest. Er wird noch nicht volljährig sein, wenn er sein Abi hat. Ich finde es nicht schlecht, erstmal zu arbeiten, um zu sehen, was Arbeiten überhaupt ist. Allerdings finde ich es für mich persönlich schade, dass ich nicht nach der Ausbildung gesagt habe, jetzt studiere ich noch Informatik. Aber jetzt muss ich das auch nicht mehr nachholen 😉

 

Interview: Julia Schmid

 

Hier geht’s zu einer anderen mutmacher.in, die als Führungsfrau im MINT-Bereich arbeitet:

Mutmacher.in für MINT-Berufe

 

So engagiert sich die GEWOFAG für Mixed Leadership:

Die GEWOFAG engagiert sich aktiv für Mixed Leadership auf allen Führungsebenen

Mutmacher.in für “Kids First”

Ein Jahr in Elternzeit gehen, danach das Kind in die Kita bringen und mit mindestens 60% in den Job zurückkehren, dabei bloß keinen Karriererückschritt in Kauf nehmen. Dieser Trend zeichnet sich seit einigen Jahren bei berufstätigen Müttern immer stärker ab. Auch in den meisten unserer MFF-Interviews erzählen erfolgreiche Frauen, wie wichtig ihr schneller Wiedereinstieg nach den Kindern für ihre berufliche Laufbahn war. Doch dieser Weg soll kein Credo für alle sein. Es gibt auch viele Frauen (oder Männer), die gerne länger zu Hause bleiben und Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten.

 

So wie unsere mutmacher.in Ursula Beck. Die Diplom-Betriebswirtin nahm über fünf Jahre lang Elternzeit, wartete bis der jüngere ihrer beiden Söhne das Kindergartenalter erreicht hatte und entschied sich erst dann für einen Wiedereinstieg bei ihrem langjährigen Arbeitgeber BayernLB. Und siehe da: Auch für sie ging es im Unternehmen weiter. Mittlerweile ist die 41-Jährige als „Spezialistin HR Consulting“ für die Beratung von Führungskräften diverser Fachbereiche, Personalmarketing und Sonderprojekte zuständig. Ihr Weg in der BayernLB – vom Traineeprogramm über mehrere Referentenstellen bis hin zur Spezialistin und wahrscheinlich noch weiter – macht Mut, sich von gesellschaftlichen Erwartungen nicht unter Druck setzen zu lassen und die Zeit zu nehmen, die man für die Familie und das eigene Wohlbefinden braucht. Denn damit hat Ursula Beck vollkommen Recht: „Wenn meine Söhne 16 und 18 Jahre alt sind, habe ich immer noch das halbe Arbeitsleben vor mir, um mich voll und ganz auf meine Karriere zu konzentrieren.“

 

Mit welchen Gefühlen haben Sie ihren ersten Arbeitstag nach der fünfjährigen Elternzeit begonnen?
Ursula Beck: Natürlich war ich aufgeregt, wie bei jedem „Neuanfang“. Ich habe mich aber auch wahnsinnig gefreut, wieder arbeiten zu dürfen.

 

Haben Sie sich vor Ihrem Wiedereinstieg viele Sorgen gemacht?
Klar. Gedanken wie: Schaffe ich die Doppelbelastung? Bin ich fachlich noch up-to-date? Wie wird es für die Kinder sein, acht Stunden im Kindergarten zu verbringen?

 

Was war die größte Herausforderung nach Ihrer Rückkehr aus der Elternzeit?
Selbst wenn man danach ins gleiche Unternehmen zurückkehrt, ist es quasi ein absoluter Neuanfang: neue Strukturen, neue Führungskräfte, neue Kollegen. Als ich zurückkam, gab es meine alte Einheit nicht mehr und meine Stelle wurde der Nachwuchsentwicklung zugeordnet. Aber ich habe mich mit Sicherheit wesentlich schneller wieder eingefunden als eine Externe. Daher konnte ich bald wieder Verantwortung übernehmen. Ich habe mich aber auch aktiv dafür eingesetzt.

 

Was bedeutete die lange Elternzeit für ihre Karriere?
Es war definitiv erstmal ein Rückschritt. Bevor ich schwanger wurde, war angedacht, dass ich im Folgejahr in ein „Nachwuchsförderprogramm“ komme. Nach der Elternzeit ließ sich das Teilzeit nicht realisieren. Außerdem mussten gerade die neuen Führungskräfte mich und meine Arbeit erst einmal kennenlernen. Das dauert einfach.
Andererseits muss ich heute sagen: Statistisch gesehen habe ich mein halbes Arbeitsleben hinter mir, wenn meine Söhne 16 und 18 Jahre alt sind. D. h. ich habe die zweite Hälfte vor mir, in der ich mich voll und ganz auf meine Karriere konzentrieren kann.
Wir sollten uns daran gewöhnen, dass die Zeiten der linearen Karriereentwicklung vorbei sind – für Männer und für Frauen.

 

Wie haben Sie es danach geschafft, nach Ihrer Elternzeit Job und Familie zu vereinbaren und sich stetig weiterzuentwickeln?
Kurz gesagt: Organisationsgeschick, Familienbande und Hartnäckigkeit. Aber natürlich zählen auch offene Führungskräfte dazu, die es auch in Teilzeit ermöglichen, anspruchsvolle Tätigkeiten in Eigenverantwortung zu übernehmen. Auch ein gutes und verlässliches Netzwerk, sowohl im Job als im Privatleben, sind von unschätzbarem Wert. Wir Kindergarten-Muttis haben uns z.B. oft gegenseitig geholfen. Auch wohnen meine Eltern „nur“ knappe 150 km entfernt, so dass diese – zwar nicht für 2 Stunden am Nachmittag – aber für längere Betreuungszeiträume auch mal zur Unterstützung kamen.

 

Welche Eigenschaften haben Ihnen geholfen?
Organisationsgeschick ist das A und O. Darüber hinaus war ich schon immer sehr flexibel – im Übrigen auch mein Mann und meine Führungskräfte. Dadurch ist mit genügend Vorausplanung fast alles möglich. Und ein gewisser Pragmatismus hilft ebenfalls. Ich habe mir z. B. sehr bald eine Putzhilfe gesucht und mich um die Möglichkeit eines mobilen Arbeitsplatzes bemüht.

 

Was heißt in Ihrem Fall „mobiler Arbeitsplatz“ und wie füllen Sie diesen aus?
Ich habe einen Laptop zu Hause, mit dem ich mich „einloggen“ kann. So kann ich je nach Bedarf mal einen ganzen Tag zu Hause arbeiten (Kind krank, Ferien, etc.) oder mal nachmittags früher nach Hause. Gerade zu Kindergartenzeiten gab mir das die Möglichkeit, auch „Akut“-Aufträge flexibel zu bearbeiten und mein Kind trotzdem pünktlich abzuholen. Ich habe aber ehrlicherweise auch kein Problem damit, wenn die Kinder im Bett sind, noch ein wenig zu arbeiten.

 

Einige Frauen scheitern nach wie vor an der Vereinbarkeitsproblematik – was kann aus das Unternehmen leisten, um Frauen in dieser Hinsicht zu unterstützen?
Flexible Arbeitsmodelle, die Möglichkeit zum Homeoffice oder Eltern-Kind-Büros – wenn mal die Betreuung ausfällt und man trotzdem vor Ort sein muss. Wir haben Eltern-Kind-Büros bei der BayernLB und sie werden gerne und gut genutzt. Diese Büros sind kindersicher eingerichtet und verfügen über eine Spielecke mit Spielzeug. Aber das Wichtigste ist, Frauen, die in Teilzeit arbeiten, als Mitarbeiter ernst zu nehmen. Die Meinung, dass Frauen ihre „Stündchen“ im Büro eher als Hobby sehen oder mit ihrer Arbeit nur einen kleinen Teil zur Familienkasse beizutragen, ist leider immer noch weit verbreitet.

 

Wie sieht ihr derzeitiges Arbeitsmodell aus?
Bis letztes Jahr habe ich 50 % gearbeitet. Nachdem ich mich aber bankintern neu orientiert habe und mein Mann parallel entschieden hat, eine berufliche Auszeit zu nehmen, arbeite ich zurzeit 100 %. Sie können mich aber gerne noch einmal nächstes Jahr fragen 😉

 

Dann tauschen Sie jetzt quasi mit ihrem Mann Rollen?
Ja, mein Mann übernimmt nun zu Hause ein paar mehr Aufgaben als vorher und entlastet mich damit. Es ist letztendlich wie im Job: nach einer gewissen Einlernphase läuft es immer besser und besser. Mein freier Vormittag pro Woche, der fehlt mir aber ab und an.

 

Wenn Sie an Ihre Kindheit zurückdenken: Gab es eine Heldin, die Sie bewundert haben?
Mit Sicherheit meine Oma. Wenn man zwei Weltkriege miterleben musste, mit kleinen Kindern und ohne Mann aus der Heimat vertrieben wird und immer wieder aus dem Nichts etwas aufbaut. Dennoch war sie zufrieden mit ihrem Leben.
Wenn ich also mal wieder vor den vielen – oft selbst gemachten – Problemchen unserer Zeit stehe, quasi auf hohem Niveau jammere, dann relativiert so ein Blick zurück Vieles.

 

Welche Art von Vorbild möchten Sie gerne für junge Frauen darstellen?
Sie sollten sich nicht zur sehr von gesellschaftlichen Erwartungen, schnell wieder in den Beruf zurückkehren zu müssen, unter Druck setzen lassen. Es ist auch wunderschön, die Entwicklung der Kinder so intensiv miterleben zu können. Es sollte einfach jeder die Freiheit haben, das für sich selbst herausfinden und entscheiden zu können.
Außerdem finde ich es wichtig, in die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen und hierbei ruhig hartnäckig zu sein. Wir Frauen neigen immer noch dazu, uns selber zu sehr zu „relativieren“, eher unsere Unzulänglichkeiten zu sehen als unsere Potentiale. Das muss aufhören.

 

Würden Sie rückblickend alles wieder genauso machen?
Ich würde von Anfang an hartnäckiger sein und mir selber mehr zutrauen. Meine fünf Jahre Elternzeit möchte ich mir auch im Nachhinein nicht nehmen lassen. Ich habe viele schöne Sachen mit den Jungs erlebt und die Zeit sehr genossen. Für mich war diese Zeit sehr wertvoll. Hierbei möchte ich nicht wertend sein. Jeder sollte diese Entscheidung für sich treffen.

 

Interview: Julia Schmid

 

Hier geht’s zu einer weiteren mutmacher.in:

Mutmacher.in für Dual Career

Und wenn ihr etwas über die Elternzeit aus männlicher Sicht lesen möchtet, dann ist unser Interview mit Daniel Jagar sehr zu empfehlen:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Mutmacher.in für Dual Career

Zwei Karrieren in einer Familie – für die Meisten nicht umsetzbar, wenn ein Kind im Spiel ist. Zu groß der organisatorische Aufwand, zu hoch das Risiko, wenn einer mal nicht funktioniert. Häufig etabliert sich dann doch der leichtere Weg: Einer steckt zurück und investiert mehr Arbeit in die Familie – meistens die Frau -, der andere konzentriert sich verstärkt auf den Job und fungiert als Haupternährer – meistens der Mann. „Sicher wäre es entspannter, wenn ich nur am Vormittag arbeiten würde. Aber dann wäre ich nicht zufrieden – das weiß auch mein Mann“, sagt dagegen unsere mutmacher.in Stephanie Vischer und ist der beste Beweis, dass es funktionieren kann, wenn beide Elternteile eine Karriere verfolgen.

 

Stephanie Vischer ist Abteilungsleiterin Immobilien Management bei der Bayerischen Landesbausparkasse (LBS Bayern), ihr Mann Abteilungsleiter in der Baustoffindustrie. Von ihrer „Dual Career“ erfuhren wir 2009, als Stephanie Vischer als Mentee an unserem Cross-Mentoring Programm für Führungskräfte teilnahm. Ihre Verantwortung im Unternehmen ist seitdem gewachsen und ihr Familien-Job-Konstrukt hat sich gefestigt. Wie das geht? „Es gehört eine gewisse Belastbarkeit dazu, extreme Organisation. Und ein Partner auf Augenhöhe, der damit umgehen kann. Der Haushalt ist geteilt, die Kinderbetreuung ist geteilt. Das ist reine Einstellungssache, aber es müssen halt beide mitziehen“, erzählt Stephanie Vischer im Gespräch mit dem Memorandum für Frauen in Führung.

 

Seit der Fusionierung zweier Abteilungen verantwortet sie das gesamte Immobilien Management der LBS Bayern. Und das in Teilzeit mit 80%! Mit einem Tag Homeoffice und einem freien Tag pro Woche, bleibt ihr trotz Führungsverantwortung Zeit für ihren Sohn. Genug Zeit? „Natürlich fragt man sich, ob man genügend Zeit mit dem Kind verbringt. Darauf habe ich die Antwort noch nicht gefunden – sage ich ganz ehrlich“, gesteht sie, aber fügt hinzu: „Ich habe schon das Gefühl, dass ich alles Wichtige in seinem Leben miterlebe, gerade durch meinen freien Tag und Homeoffice. Auch durch meinen Mann, der mir alles im Detail erzählt. Ich sehe es eher so: Ich nutze dafür die Zeit, die ich mit meinem Sohn habe intensiver.“

 

Ihr Mann stockte nach einem Jahr in Teilzeit wieder auf 100% Arbeitszeit auf, aber ist durch flexible Arbeitszeiten, eigener Terminplanung und der Möglichkeit zu Homeoffice nach wie vor die zweite tragende Säule im Hause Vischer. Die Kinderbetreuung nach Kindergarten- bzw. mittlerweile Hortschluss ist gleichberechtigt verteilt: „2 Tage ist er zuständig, 2 Tage bin ich zuständig, 1 Tag managen wir in Abstimmung.“ Diese Flexibilität musste sich ihr Mann im Unternehmen erst erkämpfen. Ein wichtiges Thema, findet Stephanie Vischer, denn „der Fokus wird immer sehr auf die Frau gelegt, Kind und Karriere vereinbaren zu können. Mein Mann hat damals genau wie ich einen Antrag auf zwei Jahre Teilzeit in Elternzeit gestellt und für seine Firma – ein großes Unternehmen – war es ein komplett neues Thema, dass ein Mann diesen Weg geht. Es besteht generell noch großer Entwicklungsbedarf, dass Männer die gleichen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Kind und Karriere bekommen wie die Frauen.“

 

Mittlerweile läuft bei ihrem Mann die Vereinbarkeit von Job und Kinderbetreuung reibungslos und Stephanie Vischer hat sich als zuverlässige Führungskraft bei der LBS Bayern etabliert. Eine Führungskraft, der es nie um Karriere für jeden Preis ging, sondern stets um spannende Aufgaben. Aus diesem Grund hat Stephanie Vischer auch keine Angst vor Karriereeinbußen, wenn sie offen bei ihrem Arbeitgeber Probleme anspricht – so wie vor ca. einem Jahr, als sie bemerkte, dass sie an ihre Grenzen gerät: „In vielen Gesprächen mit der Bereichsleitung haben wir eine Lösung gefunden und unter anderem entschieden, meine Abteilung Umzustrukturieren und mein Team aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Themen mit zusätzlichen Mitarbeitern aufzustocken.“ Eine offene Gesprächskultur im Unternehmen ist für Stephanie Vischer ein wichtiges Kriterium für einen attraktiven, familienfreundlichen Arbeitgeber.

 

Und was rät die Abteilungsleiterin anderen Frauen, die sich fragen, wie sie Karriere mit Kind am besten angehen könnten? „Ich glaube, es hilft als Frau zielgerichtet an das Thema Elternzeit ran zu gehen und die Rückkehr genau festzulegen. Ich finde es immer fatal, zu sagen: ich geh jetzt mal für ein oder zwei Jahre in Elternzeit. Ich beobachte, dass viele den Weg zurück nicht mehr finden bzw. finden wollen oder zumindest nicht mehr in dem Umfang. Frühere Abteilungsleiterinnen oder Mitarbeiterinnen mit Projektverantwortung sind jetzt in einfacheren Aufgaben unterwegs. Das finde ich schade.“ Deshalb beteiligt sich Stephanie Vischer an unserer mutmacher.in-Kampagne und trägt so dazu bei, dass sich in Zukunft vielleicht noch mehr Mütter mit Potential eine Führungsposition zutrauen, auch wenn sie keinen Hausmann zu Hause haben – sondern einen Partner auf Augenhöhe.

 

Autorin: Julia Schmid

 

Hier geht’s zu einer weiteren mutmacher.in

Mutmacher.in für Karriere und Familie


Das komplette Interview mit Stephanie Vischer findet ihr unter diesem Link:

Karriere-Talk mit Stephanie Vischer, LBS Bayern

Und hier gibt’s einen Beitrag über einen anderen LBS Bayern-Mitarbeiter – die Elternzeit aus männlicher Perspektive:

„Meine Work-Life-Balance stimmt“

Mutmacher.in für Karriere und Familie

Nächste Woche ist es zum 3. Mal so weit: Die herCAREER wird zum Place-to-be für alle berufsinteressierten Frauen – Männer sind selbstverständlich auch herzlich willkommen! Am 12. und 13. Oktober dreht sich bei der Messe im MTC München wieder alles um die Karriereplanung aus weiblicher Perspektive.

 

Mit dem Memorandum für Frauen in Führung sind wir Kooperationspartner der Messe und neben 190 anderen Unternehmen mit einem Stand vertreten. Dieses Jahr steht bei uns alles unter dem Motto “Mutmacher.in”. In drei KarriereMeetUps bieten wir einen exklusiven Austausch mit spannenden Top-Frauen, die mit ihrer Geschichte Mut machen, sich mehr zuzutrauen.

 

Eine davon ist Dr. Maike Kolbeck, Referatsleiterin Unternehmenskommunikation und Pressesprecherin der Bayerischen Versorgungskammer (BVK). Sie hat zwei Kinder und eine Führungsposition. Während ihrer ersten Schwangerschaft wurde sie bei der BVK befördert und konnte danach mit flexiblen Arbeitsmodellen ihre Position stetig ausbauen. Bei unserem MeetUp „Augen auf bei der Arbeitgeber- und Partnerwahl!“ auf der herCAREER am 12.10.2017 von 11Uhr bis 12Uhr spricht sie über die Bedeutung der Arbeitgeberwahl und der Rolle des Partners bei der Vereinbarkeit von Karriere und Familie und gibt ihre Erfahrungen weiter.

 

Welche Bedeutung hat die Partnerwahl für die Karriere einer Frau? Wie hat ihr Partner sie unterstützt?

Dr. Maike Kolbeck: Es mag banal klingen, aber jeder Partner muss, wenn ihm der berufliche Erfolg des anderen ebenso wichtig ist wie der eigene, eben auch im Beruf zurückstecken. Das kann der (Mit-)Umzug in eine neue Stadt sein, wo die Partnerin einen aussichtsreichen Job annimmt, eine Station im Ausland sein oder eine anspruchsvolle Weiterbildung abends oder am Wochenende.

Richtig bemerkbar macht sich das aber oft erst, wenn ein Paar Kinder bekommt. Wenn man ganz ehrlich mit sich selber und seinen beruflichen wie privaten Ansprüchen ist, lassen sich eine Elternschaft, wie sie uns tradierte Rollenbilder nahelegen, und Karriere der Mutter nicht vereinbaren. Der Tag hat nur 24 Stunden. Also muss man als Paar besprechen, wie sich beide die Elternrolle vorstellen und wie die mit den beruflichen Ambitionen und Erfordernissen in Einklang gebracht werden könnte.

Für meinen Mann und mich war klar, dass wir uns im Beruf weiterentwickeln wollen und zugleich Zeit für unsere Kinder haben wollen. Er ist, genau wie ich, als Elternteil für die Kinder verantwortlich und berufstätig. Von beidem machen wir zeitliche Abstriche, jeder etwa gleich viel. Dafür tragen wir die finanzielle Verantwortung für die Familie aber auch gemeinsam und die Kinder haben von beiden Elternteilen etwas – das ist der große Gewinn für uns alle. Außerdem hat sich mein Mann schon vor Jahren bewusst einen Beruf gesucht, der (auch) familientauglich ist. Für manche Männer wäre das wohl eher ungewöhnlich.

 

Karriere mit Kind – wie geht das? Wie hat das bei Ihnen funktioniert?

Ich persönlich glaube, dass nur eine zeitige Rückkehr in den Job, die bereits lange vor der Geburt gut mit dem Arbeitgeber geplant und schriftlich (das halte ich für sehr wichtig!) fixiert ist, weiterhilft. Dass man am Kontakt hält, ggf. auch trotz (oder mit) Baby eine wichtige Fortbildung mitmacht. Ich habe das alles gemacht (und das auch sehr gerne) und denke, es war auch für meinen Vorgesetzten und das Team eine große Hilfe zu wissen, wann und mit wie vielen Stunden ich wiederkomme und dass meine Aufgaben nur für ein paar Monate umverteilt werden mussten.

Und es ist – zumindest wenn man wie wir ohne Großeltern und Co. auskommen muss –  eine Vereinbarungsfrage mit dem Partner. Für uns hat es so funktioniert: Beim ersten Kind hat mein Partner seine zwei Vätermonate dafür genutzt, dass ich früh in den Job zurückkehren konnte. Auch beim zweiten Kind war ich nach fünf Monaten wieder im Büro, zunächst nur zwei Tage in der Woche und zwei halbe Tage im Homeoffice. Unterm Strich war immer einer von uns tageweise im Büro, der andere mit Baby zuhause. Auch heute teilen wir uns ziemlich gleichmäßig auf. Das bedeutet aber, es kann immer nur einer eine Abendveranstaltung oder einen späten Termin wahrnehmen und immer nur einer auf Dienstreise gehen. Und das muss man nicht nur mit dem Partner aushandeln, sondern auch den Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen klarmachen. Es bedeutet aber auch, dass derjenige von uns, der früh zuhause ist und den Nachmittag mit den Kindern verbringt, abends oft nochmal anfängt zu arbeiten.

 

Welche Rolle hat dabei Ihr Unternehmen gespielt bzw. Ihre Vorgesetzten?

Ich denke, ich hatte sehr viel Glück mit meinen Vorgesetzten. Generell ist mein Arbeitgeber ohnehin sehr familienfreundlich, es gibt eine Menge flexibler Angebote für diesen anspruchsvollen Spagat. Aber Vorgesetzte und Teammitglieder müssen diese – wenn auch befristeten – planerischen Mehraufwände eben in der Praxis auch auf sich nehmen wollen. Ich habe sehr viel Unterstützung und sehr viel Wohlwollen erlebt. Vor allem aber bekam ich auch einen großen Vertrauensvorschuss mit meiner Beförderung wenige Monate nach der Geburt unseres ersten Kindes. Das freut und beeindruckt mich noch heute, und es macht extrem loyal dem Arbeitgeber gegenüber. Aber ich habe eben auch an mein Team, meinen Vorgesetzten und meinen Job gedacht bei der Gestaltung der Elternzeit und eine Lösung angeboten, die aus Arbeitgebersicht sicher sehr positiv war. Und ich konnte mich auch auf Kolleginnen und Kollegen verlassen, die meine Ausfallzeiten aufgefangen haben. Im Idealfall kann man sich guten Gewissens in Mutterschutz und Elternzeit verabschieden, weil es auch ohne einen läuft. Das war bei mir so und dafür bin ich sehr dankbar.

 

Gibt es etwas, was Frauen tun können, damit die Schwangerschaft nicht das Ende ihrer Karriere bedeutet? Bzw. wie können sie dem vielleicht vorbeugend entgegenwirken?

Zum Thema Partnerwahl: Am besten vor der Familiengründung mit dem Partner explizit abklären, wie beide Familie und Beruf leben wollen; und das dann, falls nötig, auch gegen Widerstände durchsetzen. Bei dem Hinweis  “In meinem Job geht das aber nicht” sollte man sehr hellhörig werden. Hat schon jemals eine werdende Mutter diesen Satz zum Vater des Kindes gesagt?

Mit dem Arbeitgeber sollte man ebenfalls schon früh eine konkrete Absprache treffen, wann und mit wie viel Zeitanteil man zurückkehren wird. Ich persönlich glaube, dass nur eine zeitige Rückkehr und eine eher vollzeitnahe Arbeitszeit hilft, beruflich weiter voranzukommen. Es gibt nun mal Situationen, in denen man seine Expertise und Meinung vertreten sollte, und die kommen eben auch nach 14, 15 Uhr vor.

 

Wie können Frauen kinderfreundliche Arbeitgeber schon bei der Bewerbung erkennen?  Wonach sollten sie fragen?

Das ist sicher nicht leicht zu erkennen. Hilfreich könnte es aber sein, den externen Auftritt gezielt nach Hinweisen auf diese Themen zu durchforsten: Trägt der Arbeitgeber bestimmte Labels, hat er bestimmte Zertifikate wie z. B. das Audit Berufundfamilie? Finden sich auf allen Führungsebenen Frauen, und haben die Kinder? Oder nehmen die Frauen überproportional zum gesamten Frauenanteil ab, je höher man in der Hierarchie schaut? Wie sieht es mit männlichen Führungskräften in Teilzeit aus? Wie ist die oberste Führungsriege besetzt? Gibt es Jobsharing? Ist das Unternehmen zum Thema Familie mal öffentlich in Erscheinung getreten, z. B. auf Messen oder in Fachartikeln? All das sollte man gründlich recherchieren, bevor man sich an einen Arbeitgeber bindet.

 

Welche Ihrer Eigenschaften haben am meisten dazu beigetragen, dass es bei Ihnen geklappt hat? Was war die wichtigste Erkenntnis, die Sie hatten?

Fachliche Expertise, Leidenschaft für das, was ich tue und die Bereitschaft, auch mal Opfer zu bringen. Das klingt jetzt vielleicht dramatisch; aber ohne Können kommt man so oder so nicht weit, und zumal als Führungskraft sollte man schon für seine Aufgaben brennen – oder sie zumindest sehr gerne machen. Sonst funktioniert das Thema “Opfer bringen” nicht. Denn wenn ich in meinen Job investiere, habe ich weniger Zeit für meine Familie und umgekehrt. Und einen weiteren Aspekt möchte ich betonen: Ohne die Unterstützung meines Teams und des Vorgesetzten klappt es auch nicht. Das vergisst man gern, aber gute berufliche Leistungen sind immer auch Gemeinschaftsleistungen.

 

Welche Bedeutung hatten oder haben für Sie Vorbilder?

Ich hatte keine für die Frage, wie es mit Kindern und Karriere gehen kann. Traurig, aber wahr. Ich wusste nur, was ich nicht wollte: Nach der Elternzeit die mühsam aufgebaute Position im Unternehmen wieder zurückerobern oder in die Teilzeitfalle rutschen. Und mein Mann wollte als Vater präsent sein.

Dabei wäre es so wichtig, ein bisschen mehr darüber zu erfahren, wie es andere Frauen und Männer gemeistert haben, trotz Familie beruflich am Ball zu bleiben – und umgekehrt. Daher liegt mir das Thema am Herzen; vielleicht finden junge Frauen unser Modell ja hilfreich.

 

Auch Sie sind als Frau in einer Führungsposition Vorbild und Inspiration für andere  – was möchten Sie anderen Frauen gerne mitgeben?

Eine Familie zu gründen ist – zumindest für Frauen – beruflich leider nicht hilfreich. Dessen sollte man sich erstmal bewusst sein. Es funktioniert meiner Meinung nach dann gut, wenn beide Partner die Herausforderungen dieser beiden Rollen gleichmäßig tragen. Dann schafft man eher den Spagat zwischen dem Zeitanspruch, den die meisten Jobs mit sich bringen, und einer erfüllenden Mutter- und Vaterrolle.

Und, nicht zuletzt, egal ob mit Familienpflichten oder ohne: Richtig gute Arbeit abliefern und dafür sorgen, dass sie gesehen wird – und für dieses Selbstmarketing auch die nötige Zeit investieren.

 

Dieses Interview ist in Auszügen auch auf der Homepage der

herCAREER erscheinen: http://www.her-career.com/maike-kolbeck/

 

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