New Work – Über die Arbeitswelt von morgen

Diese Herausforderungen und Chancen bringt die Arbeitswelt von morgen für Mitarbeiter und Führungskräfte

 

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Digitalisierung, Globalisierung, neue agile Formen des Projektmanagements und weitere Trends führen zur Herausforderung Arbeitsbeziehungen neu zu gestalten. Theoretisch können im Zeitalter der Digitalisierung Mitarbeiter ihre Arbeit von beinahe jedem beliebigen Ort zu jeder beliebigen Zeit leisten– praktisch hinkt das Angebot der Unternehmen noch hinterher. Doch immer mehr wagen den Wandel und zeigen wie die Arbeitswelt von morgen den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht wird und dabei Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit steigert.

 

Katja Börkey-Thele, arbeitet und führt als Line Managerin bei Nokia virtuell. Ihr Team ist international und gerade deshalb hat sie die Freiheit überall – im Büro, zu Hause oder auf Reisen – zu arbeiten. Fachlich kümmert Sie sich um Integrationsaufgaben im Rahmen der Übernahme von Alcatel-Lucent und koordiniert darüber hinaus das Management ihres Bereichs am Standort Berlin. Für diese Aufgaben konferiert Katja Börkey-Thele den Hauptteil ihrer Arbeitszeit über unterschiedlichste elektronische Informationskanäle. 40 bis 60 % ihrer Arbeit erledigt sie zu Hause.

 

Katja Börkey-Thele erlebt eine flexible Arbeitswelt, die sich viele Mitarbeiter wünschen aber für die meisten noch Zukunftsmusik ist.  Die letzte XING-Arbeitnehmerstudie zeichnet ein ganz anders Bild der deutschen Arbeitsrealität. 38% der Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit noch nicht einmal innerhalb der vertraglich geregelten Wochenarbeitszeit frei gestalten. Jeder Fünfte soll zudem über die vereinbarte  Arbeitszeit nach Gutdünken der Vorgesetzten zur Verfügung stehen.

Statt flexiblen Arbeitsmodellen herrschen in vielen Unternehmen immer noch Präsenzkultur und Kontrolle.  Starre Muster passen aber kaum mehr zu den Anforderungen an Unternehmen, die die besten Mitarbeiter für sich gewinnen und im Wettbewerb mit Innovation bestehen möchten.

 

Wie verändert sich Arbeit für den Mitarbeiter in der digitalen Arbeitswelt und wie kann er dabei unterstützt werden?

 

Räumlich und zeitlich flexible Arbeit – wann ich will und wo ich will

Mitarbeiter werden in Zukunft zunehmend zeitlich und örtlich flexibel arbeiten können. Für den einzelnen Mitarbeiter ist damit ein großer persönlicher Freiraum verbunden, seinen Bedürfnissen nach Freizeit, Familytime und Selbstverwirklichung individuell nachzukommen. Gleichzeitig ist er aber auch damit konfrontiert, selbst eine Grenze zwischen Freizeit und Arbeit zu ziehen und sich eigenverantwortlich zu strukturieren und zu organisieren – Fähigkeiten, die im klassischen Nine to Five Bürojob nicht in diesem Maße gefordert waren.

 

Virtuelle Arbeitsteams – oder der Abschied vom Austausch in der Cafeteria 

Virtuelle Teams, die sich wie bei Katja Börkey-Thele kaum persönlich begegnen sind gefordert, Absprachen und Teamarbeit mit Onlinetools zu organisieren. Neben der großen Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes und der freien Wahl der Arbeitszeit gilt es also auch die früher selbstverständliche Kommunikation zu organisieren. Mitarbeiter im Homeoffice verabreden sich über Skype oder andere Messenger-Dienste zur einer Videokonferenz, Führungskräfte überblicken mit einer Software für Projektmanagement den Arbeitsfortschritt von Teammitgliedern am anderen Ende der Welt. Was früher selbstverständlich face to face – auch mal in der Cafeteria oder auf dem Gang – besprochen wurde, wird mit technischen Hilfsmitteln instrumentalisiert und findet nicht mehr spontan statt.

 

Umgang mit Diversity – viele Impulse fördern die Kreativität

Gerade in globalen Teams ist die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern aus verschiedenen Ländern und Kontinenten selbstverständlich geworden. Der immer größere Anteil, den Frauen an der hochqualifizierten Mitarbeitergruppe haben, und die Notwendigkeit verschiedene Perspektiven und Impulse z.B. in die Produktentwicklung einfließen zu lassen, machen den täglichen Umgang mit diversen Teams notwendig. Diversity-Kompetenz, also Wertschätzung für unterschiedliche Herangehensweisen und unterschiedliche Blickwinkel, ist grundsätzlich notwendig, um das Potenzial, das in gemischten Teams liegt, heben zu können. Der einzelne Mitarbeiter ist gefordert sich auf neue Perspektiven einzulassen und gewohnte Denkmuster zu überwinden. Statt Anpassung an bestehende Sicht- und Herangehensweisen ist der Mut zu Neuem gefordert. Ein komplexes Thema, zu dem kürzlich eigens das Fachbuch „Clever aus der Abseitsfalle. Wie Unternehmen den Wandel zu mehr Frauen in Führung gestalten“ erschienen ist.

 

Begleitende Workshops, Schulungen und Coachings sind sinnvoll, um keine Generation – gerade die, die noch nicht als Digital Native aufgewachsen ist – mit modernen Kommunikationstechniken abzuhängen. Auch steigende Anforderungen an das Zeitmanagement, die Selbstoptimierung und die Reflektion von Gewohntem, erfordern Fähigkeiten, auf denen bisher kein Fokus lag. Eine Chance für junge Mitarbeiter, deren Ausbildung entsprechende Kompetenzen schon verstärkt in den Blick nimmt.

 

Wie können Führungskräfte diese bunten Teams in eine sinnvolle Richtung führen? 

 

Die Herausforderungen sind klar:

  1. Statt im täglichen persönlichen Kontakt den Arbeitsfortgang zu besprechen, sitzt der Mitarbeiter nicht mehr in unmittelbarer Nähe. Die Struktur des Arbeitstages entzieht sich der Kontrolle und der Begleitung durch die Führungskraft
  2. Die Häufigkeit und der Umfang der Abstimmung ist notgedrungen fokussiert und episodisch, statt umfassend und begleitend.
  3. Statt das Team auf eine einheitliche Sichtweise einzuschwören, liegt der Mehrwert gerade in der Unterschiedlichkeit und der Vielfalt der Impulse.

 

Die Führung dieser Teams kann in Zukunft nur dann gelingen, wenn Führungskräfte akzeptieren, dass die Planbarkeit von Arbeit und Prozessen sinkt. Es muss eine grundsätzliche Bereitschaft entstehen, Mitarbeiter einfach mal machen zu lassen und ihnen auch Fehlern zuzugestehen, durch die sie sich zu selbstdenkenden Köpfen entwickeln können. Das Festhalten an der absoluten Autorität und die reflexhafte Abwehr gegenüber neuen Ansätzen müssen überwunden werden. Die Rolle von Führungskräften ändert sich damit fundamental. Statt Kontrolle und Durchsetzungsfähigkeit sind nun Kommunikations- und Koordinationsfähigkeiten gefordert, ebenso wie das emphatische Eingehen auf Mitarbeiter und die Fähigkeit Loszulassen. Voraussetzung sind nachvollziehbare Ziele in den Arbeitsbeziehungen und transparente Vereinbarungen, die eine Basis für Vertrauen schaffen.

 

Mit der „New Work“-Welt bekommen traditionelle Werte wie Vertrauen eine neue entscheidende Relevanz. Nur wer als Führungskraft in der Lage ist, eine vertrauensvolle, dialogfähige und konstruktive Atmosphäre der Zusammenarbeit zu schaffen, kann den Herausforderungen gerecht werden. Die freie Gestaltung von Arbeitszeiten und die freie Wahl des Arbeitsortes sind dem gegenüber schnell und unproblematisch zu organisieren. Eine gemeinsame Kultur der Wertschätzung für Vielfalt und eine Basis des Vertrauens zu etablieren, stellt die wahre Herausforderung dar.

 

 

Autorin: Simone Schönfeld

(Dieser Artikel ist am 12.04.2017 auch als Gastbeitrag im Business Insider erschienen)

Der Arbeitsmarkt wird weiblich – nur wann?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sagt: Die Zukunft des Arbeitsmarktes ist weiblich. Die Frage ist nur die Geschwindigkeit, mit der die Zukunft zur Gegenwart wird. Dem ging Holger Klein von Radio Eins nach und interviewte MFF-Initiatorin Simone Schönfeld als Expertin für Frauen in Führung. Den Beitrag könnt ihr euch hier anhören:

 

 

Oder hier durchlesen:

“Die letzten Jahrhunderte, eher Jahrtausende wurden von Männern geprägt. Männer haben die Macht unter sich aufgeteilt, Gesetze geschrieben und den Zeitgeist bestimmt. Frauen mussten sich ihren gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft mühsam gegen Männer erkämpfen und müssen das – allen Gesetzen zum Trotz – auch heute noch. Frauen verdienen bei gleicher Leistung weniger Geld und in den Chefetagen sind sie auch unterrepräsentiert. Aber das scheint sich zu ändern. Die Zukunft des Arbeitsmarktes ist weiblich. Die Frage ist nur die Geschwindigkeit – sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Wovon die Geschwindigkeit abhängt, frage ich Simone Schönfeld, die Unternehmen in Veränderungsprozessen berät, insbesondere dabei, Frauen in Führungspositionen zu bringen.

 

Radio Eins: Frau Schönfeld, wovon hängt es ab, wie schnell die Zukunft der Arbeit weiblich wird?

MFF: Das hängt davon ab, wie sehr die Unternehmen und auch die Frauen und die Männer den Vorteil darin erkennen, dass wir zu einer diverseren Führungskultur kommen, die Frauen mehr Chancen gibt, sich in Führungsetagen zu etablieren und dort jeweils auch Verantwortung zu übernehmen.

 

Radio Eins: Sie sagen, die Männer, die Frauen, die Unternehmen. Wer bremst von den dreien?

MFF: Es bremsen alle drei, wenn ich ehrlich bin. Es bremsen die Unternehmen, weil sie mit den von Ihnen angesprochenen Strukturen über die Jahrhunderte gut gefahren sind, über die Jahrzehnte. Aber diese Strukturen jetzt ein Stück weit an ihr Ende kommen, verändert werden müssen. Die Männer natürlich, weil oftmals der Gedanke da ist, wir verlieren etwas, es könnte ein Risiko für uns darstellen. Und die Frauen auch, weil es Mut erfordert, neue Verantwortung zu übernehmen. Und deswegen braucht es auf allen drei Ebenen Mut und Engagement, das für sich zu gestalten.

 

Radio Eins: Sie sagen, dass die Strukturen verändert werden müssen. Warum kann man nicht alles so lassen, wie es ist?

MFF: Die Bedürfnisse der Menschen haben sich verändert. Sie haben die Studie des DIWs angesprochen. Es gibt viele Studien, die andere Wünsche der jüngeren Generation – Generation Y – belegen, nach einem anderen Verhältnis von Leben und Arbeit. Mehr Leben, in Anführungszeichen “weniger Arbeit” – verkürzt gesprochen. Darauf sind die Unternehmen noch nicht eingestellt. Sondern auch da geht es darum, bessere Modelle für die Worklife-Balance und die Vereinbarkeit anzubieten. Genau diese Themen bieten auch eine große Chance, mehr Frauen in Verantwortung zu bringen.

 

Radio Eins: Vor ein paar Tagen hat der EU-Kommissar Günther Oettinger sich bei einer Unternehmertagung über die Frauenquote lustig gemacht. […] Und das Publikum lacht mit ihm. Ist die Frauenquote eine lächerliche Idee?

MFF: Die Frauenquote ist keine lächerliche Idee, sie gibt einen wichtigen Impuls in die richtige Richtung, nämlich, dass es normal sein muss, dass Frauen Verantwortung in dieser Gesellschaft mitübernehmen – in der Politik, in den Parteien, in den Unternehmen. Gelacht wird, weil es ein Hilfsmittel ist, es sollte ja nicht das Ziel sein, dass wir auf Ewig eine Frauenquote brauchen. Sondern wir brauchen jetzt für eine gewisse Phase eine Quote, eine gesetzliche Unterstützung, einen Anstoß, damit wir dann in einen Prozess kommen, in dem es selbstverständlich ist bzw. gar nicht mehr von Bedeutung, ob Mann oder Frau an der Spitze eines Unternehmens steht.

 

Radio Eins: Ich lese auf der Webseite von Ihnen, dass es eines völlig neuen Ansatzes bedarf, um Frauen in Führungspositionen zu bringen. Was ist der neue Ansatz?

MFF: Der neue Ansatz ist, dass wir nicht mehr nur auf die Frauen schauen. Sondern wie wir es gerade angesprochen haben, die verschiedenen Akteure, die relevant sind, in den Blick nehmen. In den Unternehmen darauf schauen, welche Strukturen verändert werden müssen. Dass wir auch herausarbeiten müssen, welchen Mehrwert und welche Vorteile sich auch für Männer ergeben und wie wir deren Wünsche in diesen Veränderungsprozess integrieren können. Und wie wir so zu einer gemeinsamen Gestaltung der Arbeitswelt kommen, die auch den Bedürfnissen der zukünftigen Generationen besser entspricht, als es vielleicht momentan der Fall ist.

 

Radio Eins: Vielen Dank Simone Schönfeld, Beraterin und Co-Autorin des Buches “Clever aus der Abseitsfalle. Wie Unternehmen den Wandel zu mehr Frauen in Führung gestalten.”

Autorin: Julia Schmid