Wann lohnt sich eine Promotion?

Schon 2013 gab es laut KarriereSPIEGEL 200.000 Doktoranden und Doktorandinnen in Deutschland – seitdem sind die Zahlen noch angestiegen. Brauchen wir so viele Promotionen? Muss ich da mitmachen? Diese Fragen diskutierten am Montagabend, dem 7. Mai, Studentinnen der TU München mit Führungskräften aus Partnerunternehmen im Rahmen unseres MentorING-Programms. Forschungsmentalität und „Promotionszwang“ waren dabei nur einige Aspekte in den lebhaften Gesprächen. Promovierte und nicht-promovierte Mitarbeiterinnen berichteten von ihren Erfahrungen im Unternehmen und  tauschten sich mit den Studentinnen über die Schwierigkeiten aus, für eine Doktorarbeit ein richtig gutes Thema zu finden. Hier lassen wir euch an ihren Überlegungen teilhaben und gehen der Frage nach: Promotion ja oder nein?

 

Das MentorING-Programm wird von der TUM in Kooperation mit Cross Consult durchgeführt und unterstützt Studentinnen bei der Orientierung auf dem Arbeitsmarkt sowie der persönlichen und professionellen Entwicklung. Seit dem Programmstart 2002 haben mehr als 60 Unternehmen Mentorinnen und Mentoren entsandt und an der Entstehung eines tragfähigen Netzwerkes mitgewirkt. Gastgeber des diesjährigen Treffens war Knorr-Bremse.

 

Drei Mal wurden die verschiedenen Aspekte der Entscheidungsfindung mit Kleingruppen von Führungskräften und Studentinnen beleuchtet. Und in allen Gesprächsrunden wussten die Teilnehmerinnen bereits: eine Promotion muss nicht der Normalfall sein. Nur ein kleiner Teil von denen, die während der drei Gesprächsrunden miteinander diskutierten, steckten tatsächlich gerade in einer Doktorarbeit oder hatten promoviert. Viele der anwesenden Mentorinnen berichteten, dass sie bewusst auf eine Promotion verzichtet haben und stattdessen Berufserfahrung sammeln konnten. Und gerade diese Praxiserfahrung hat ihnen letztendlich einen Einstieg in die gewünschten Firmenpositionen gebracht.

 

Es stellte sich also schnell heraus, dass zwischen der Promotion und dem Traumjob nicht immer ein zwingender Zusammenhang besteht. So kam auch die Frage auf, ob eine Promotion bei der Jobsuche nicht sogar hinderlich ist. Wie verkaufe ich es, dass ich drei Jahre oder mehr ganz außerhalb von Unternehmensstrukturen gearbeitet habe? Werde ich vielleicht genau deswegen nicht eingestellt, weil ich mich auf ein Thema spezialisiert habe, für das die Unternehmen gar keine Anwendungsbereiche haben?  Bin ich „über-akademisiert“ für die freie Wirtschaft? Diese Bedenken betreffen besonders stark theoretische Disziplinen – wie die Mathematik.

 

Auf die Fachrichtung kommt’s an

 

Tatsächlich fällt auf, dass, sobald man die unterschiedlichen Fachrichtungen ins Auge fasst, der Doktortitel ganz verschiedene Funktionen erfüllt. In vielen Naturwissenschaften, vor allem in der Chemie, ist er eine fast notwendige Anforderung am Arbeitsmarkt. Der Medizin wird sogar vorgeworfen, dass ihr Doktortitel nur ein besserer Master sei – weil kaum ein Patient eine Ärztin nicht als „Frau Doktor“ anredet. In den Ingenieurswissenschaften zählt die Promotion hingegen eher zur Seltenheit. Es kommt also stark auf das jeweilige Umfeld an. Manche müssen promovieren, um in ihrem Bereich ernst genommen zu werden. Einige können promovieren, um sich ein besonderes Detailwissen zu verschaffen, das sie für ausgewählte Stellen in Unternehmen qualifiziert. In solchen Fällen ist die Passung wichtig – zwischen dem thematischen Bezug der Arbeit und der angestrebten Stelle. Wieder andere brauchen die Promotion für die eigene Karriere gar nicht – können es aus Forscherdrang und Idealismus aber trotzdem tun. In solchen Fällen ist natürlich die Identifikation mit dem Thema von besonderer Bedeutung.

 

In Kooperation mit Unternehmen – ja oder nein?

 

Bevor man für oder gegen eine Promotion entscheidet, sollte man also genau überlegen, wo man sich selbst verortet. Sind die eigenen Gründe für das Projekt klar, sollte noch die große Vielfalt an Möglichkeiten zur Promotion berücksichtigt werden. Von vielen Teilnehmerinnen wurde auf die Chance aufmerksam gemacht, dies direkt in der Industrie zu tun. In dieser Umgebung wären die Praxisbezüge des Themas offensichtlich – und die Übernahmechancen hoch. Für die Individualpromotion an der Uni spricht jedoch die thematische Freiheit und die Einbettung in den akademischen Kontext, falls diese Laufbahn noch eine Option ist. An diesem Punkt spielt die Frage der finanziellen Vergütung ebenfalls eine Rolle. Dazu hatten die Teilnehmerinnen ganz unterschiedliche Meinungen: ob man als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl oder als Promovend in einem Unternehmen mehr verdient, blieb letztlich unbeantwortet – und sollte im Vorfeld durchaus ermittelt werden. Langsam, aber sicher, erfreuen sich auch Graduiertenkollegs in angelsächsischer Tradition immer größerer Beliebtheit. In Ihnen forschen Promovierende in einem zumeist interdisziplinären Team gemeinsam an einem Thema – und können sich so bereits ein wissenschaftliches Netzwerk aufbauen. Eine Graduiertenschule kann besonders dann in Betracht gezogen werden, wenn man eine Promotion im Ausland erwägt oder innerhalb Deutschlands eine andere Studienkultur kennenlernen möchte.

 

Bei Abschluss des Abends stand fest, dass die Entscheidung für oder gegen die Promotion kaum eine Frage des „lohnenden Investments“ ist. Die Entscheidung hängt von den persönlichen Lebensumständen und den Zielvorstellungen ab, und prägt in jeder Weise die eigene Identität. Wer also Grundlagenforschung betreiben will, der sollte es tun. Wer direkt in den Beruf gehen möchte, der kann sich auch dort verwirklichen. Ohne Leidenschaft, das war allen klar, hätte beide Wege keinen Sinn.

 

Autor: Maximilian Priebe

 

Ob mit oder ohne Promotion, für die Bewältigung der Digitalisierung sind Fachkräfte gefragt – dazu mehr in unserem Interview mit dem Personalleiter der MTU Aero Engines:

Diese Talente sind in Zeiten der Digitalisierung bei MTU gefragt

 

Eine Promotion als Spiegel der Persönlichkeit – individuelle Lebensläufe sind bei Unternehmen gerne gesehen, erzählt der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Versorgungskammer, Daniel Just:

„Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch“ – Vorstandsgespräch mit Daniel Just, BVK

Digital Leadership am Beispiel des BR

Die immer schneller voranschreitende und komplexe Digitalisierung stellt viele Organisationen vor große Herausforderungen. Was früher einmal galt, gilt heute nicht mehr. Komplette Strukturen und Prozesse verändern sich. Wie soll in dieser Welt eine moderne Führungskultur aussehen? Was müssen Führungskräfte leisten? Wie können sie ihre Mitarbeiter stabil durch diese Zeiten lenken?

 

Moderator Thorsten Otto im Gespräch mit Prof. Birgit Spanner-Ulmer
Moderator Thorsten Otto im Gespräch mit Prof. Birgit Spanner-Ulmer

Auch der Bayerische Rundfunk stellt sich diesen Fragen und hat für sich schon einige Antworten gefunden. Bei einer Abendveranstaltung unter dem Topic „Digital Leadership“ gewährte Prof. Birgit Spanner-Ulmer, Direktorin der Produktions- und Technikdirektion des BR, unter der Moderation von Thorsten Otto (bekannt aus der Talkshow „Mensch, Otto!“ auf Bayern 3) am 5. Oktober 2017 Einblicke in die interne Praxis und ließ allen am Cross Mentoring München beteiligten Unternehmen an den – oft sehr gleichgearteten – Herausforderungen teilhaben.

 

 

 

Was sind die Herausforderungen?

 

Was genau meint „Digital Leadership“? Worin besteht der Unterschied zum Führen nach alter Schule? Und weshalb liegt das Augenmerk gerade auf dem digitalen Wandel? Prof. Spanner-Ulmer erklärt im Gespräch, dass aufgrund des großen Technik- und Kulturwandels, Führen anspruchsvoller und intensiver geworden ist. Die Aufgaben denen Führungskräfte begegnen sind mannigfaltiger geworden. Es muss immer schneller agiert werden. Viele Projekte unter einen Hut zu bringen, sieht Prof. Spanner-Ulmer als größte Herausforderung des Führens im digitalen Wandel.

               

Großer Druck entsteht durch äußere Einflussfaktoren. Im BR zeichnen sich diese durch sinkende Zuschauer- und Zuhörerzahlen in Fernsehen und Hörfunk aus sowie einer Entfremdung der jüngeren Zielgruppe. Konkurrenz droht durch Netflix, Amazon und Co. Bei gleichen Ressourcen muss ein größeres Online-Angebot geschaffen werden, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Der BR setzt zunehmend auf Trimedialität.

 

Eine weitere Veränderung, die die Digitalisierung mit sich bringt, ist dass immer mehr Aufgabenbereiche durch Roboter übernommen werden – auch im Rundschaustudio des BR. Diese Automatisierung darf aber nicht negativ als Ersatz für den Menschen betrachtet werden, Menschen wird man immer brauchen, sondern als Entlastung und als wichtige Chance um dem demografischen Wandel und Fachkräftemangel Herr zu werden.

 

Großes Publikum bei der Abendveranstaltung im Bayerischen Rundfunk
Großes Publikum bei der Abendveranstaltung im Bayerischen Rundfunk

Aufgrund der raschen technischen Entwicklungen, wird es immer schwieriger langfristig zu planen – das macht auch Führen schwierig. In Zeiten unklarer Zukunftsvisionen rät Prof. Spanner-Ulmer, agil zu agieren und das Ziel immer Stück für Stück zu fokussieren. Agiles Führen beinhaltet, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine vollkommene Planungssicherheit vermitteln zu müssen. Gleichzeitig werden Führungskräfte aber mit dem Wunsch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach vollkommener Sicherheit und Planbarkeit konfrontiert. Es bestehen viele Zukunftsängste und Unsicherheiten, insbesondere bei den immer größer werdenden Aufgabenanforderungen und damit einhergehenden veränderten Berufsbeschreibungen. Ein Kameramann beispielsweise ist heute nicht lediglich für das Bild verantwortlich, sondern auch für Ton und Schnitt. Frau Prof. Spanner-Ulmer erläutert, dass die Schwierigkeit darin besteht, alle Beschäftigten gleichermaßen in diesem Prozess mitzunehmen.

 

Wie kann den Herausforderungen  begegnet werden?

 

Dies kann beispielsweise in Mitarbeiterbeteiligungsrunden geschehen, die wie eine Art World-Café funktionieren. Man erfährt direkt was die eigenen Mitarbeiter beschäftigt, kann umgehend darauf reagieren geben und Präsenz zeigen. Durch technische Neuerungen können sich gesamte Work-Flows verändern und neue Zusammenarbeitsräume entstehen.

 

Gleichzeitig betont sie, dass auch Mitarbeiter sich verändern müssen. Diese Veränderung ist einerseits eine Herausforderung, kann andererseits auch als Chance betrachtet werden. Mitarbeitern, die mit Veränderungsprozessen hadern, muss dafür Zeit gelassen werden und sie brauchen positive Erfahrungen, die ihnen zeigen, dass sie nicht überflüssig werden, sondern im Gegenteil ihre Stärken in Zukunft noch effizienter einbringen können. Um Entwicklung und Innovation voranzutreiben, ist es maßgebend, eine gesunde Fehlerkultur zu schaffen. So fühlen sich Mitarbeiter eher animiert etwas auszuprobieren.

 

Digitalisierung ist mit jungen Menschen einfacher gestaltbar, weil sie mit der rasanten technischen Entwicklung aufgewachsen sind und eher offen für Neuerung sind. Daher betont Prof. Spanner-Ulmer, dass es weiterhin essentiell ist in Ausbildung zu investieren. Um junge Leute zu gewinnen, müssen Anreize gesetzt werden, die ihren Bedürfnissen stärker entsprechen – bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch flexiblere Arbeitszeiten oder einen Betriebskindergarten.

 

Das A und O bleibt Qualität

 

Auch mit den vielen Veränderungen im Zuge der Digitalisierung, steht die Qualität im Mittelpunkt – so Prof. Spanner-Ulmer. Der BR hat beispielsweise eine eigene Einheit für die Verifikation von Inhalten zur Bekämpfung von Fake News gebildet. Gleichzeitig betonte sie, dass die Qualitätsansprüche individuell angepasst werden müssen. Für eine Schnellberichterstattung reicht beispielsweise oft auch eine iPhone -Kamera aus.

 

All diesen komplexen Anforderungen gleichermaßen gerecht zu werden, ist eine große Herausforderung. Es gilt eine Balance zu finden, zwischen vorne mit dabei sein und die eigenen Mitarbeiter nicht zu überfordern. Die Technik treibt jeden vor sich her, da sie immer ein paar Schritte voraus ist. Als wahre Triebfeder dient der Anspruch auch in Zukunft relevant zu sein. Ein effizienteres Arbeiten und eine Bündelung von Know-How sind essentiell in stürmischen Zeiten wie diesen. Wie Frau Prof. Spanner-Ulmers persönliches Geheimrezept um die eigene Energie in diesen stürmischen Zeiten hochzuhalten lautet? Viel Schlaf, Essen, Spaß an der Arbeit und ein tolles Team.

 

Autorin: Sarah Brehmer

 

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit moderner Führungskultur:

Was heisst führen heute?

 

Und in diesem Interview geht’s um die besondere Situation, in der sich Frauen in exponierten Positionen wiederfinden:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung