Teilzeit-ChefInnen- geht das? Es geht! Wir stellen 4 Modelle vor

Führen in Teilzeit ist ein wenig verbreitetes Modell in Deutschland. Viele Führungskräfte fürchten, dass es ihrer Karriere schaden könnte. Und aus Personalabteilungen kommt oftmals Skepsis. Dabei gibt es seit 2001 ein Recht auf Teilzeit, festgeschrieben im Teil- und Befristungsgesetz.

 

Studien zeigen, dass viele Führungskräfte, unabhängig von Geschlecht, gerne ihre Arbeitszeiten reduzieren würden. Flexible Arbeitszeiten kommen nicht nur Teilzeitkräften zu Gute. Wer flexible Arbeitszeitmodelle anbieten kann, wird auch als Arbeitgeber attraktiv.

 

Wir stellen hier vier flexible Modelle vor, die es Frauen (oder auch Männern) ermöglichen, ihre Führungsposition in Teilzeit auszuüben.

 

Topsharing (auch Jobsharing für Führungskräfte genannt): Aus zwei Teilzeitkräften wird eine Führungskraft. Der Schreibtisch ist immer besetzt, jedoch von unterschiedlichen Personen. Es gibt zwei Teamleiter für einen Aufgabenbereich. Sie sprechen sich selbstständig ab, wann wer erreichbar und/oder präsent ist und unterscheiden bzw. ergänzen sich im Idealfall sogar in ihrem Fachwissen und ihren Kompetenzen. Die Arbeit verteilt sich auf zwei Schultern. Workshops und Seminare zu Kommunikationstechniken und Zeitmanagement-Strategien helfen bei der Selbstorganisation.

 

Der klassische Stellvertreter*in: Er*sie ist Ansprechpartner*in bei der Abwesenheit der Führungsperson und übernimmt bis zu einem gewissen Grad auch Verantwortung. Bei wichtigen Entscheidungen agiert er*sie als Vermittler*in bzw. „Gatekeeper“ zur Führungskraft. Dadurch wird die Führungskraft in ihrer Auszeit weniger häufig kontaktiert und hat die Möglichkeit, sich voll und ganz auf das Privatleben zu konzentrieren. Darüber hinaus ermöglicht dieses Modell, engagierte Nachwuchskräfte in ihren Führungskompetenzen zu schulen und ihnen zu signalisieren: wir trauen dir Verantwortung zu.


Projektbezogene Aufgabenverteilung
: Die Führungskraft regelt eine klare Rollenverteilung im Team, sodass es für jeden Bestandteil des Projekts eine*n Ansprechpartner*in gibt, der*die auch autark handeln kann und für andere Abteilungen klar als Ansprechpartner*in erkennbar ist. So können viele Fragen auch ohne den*die Teamleiter*in geklärt werden, dessen Aufgabe eher darin besteht, alle Themen im Blick zu haben, als Ratgeber*in zur Seite zu stehen, das Team zu lenken, mit der Spitze zu kommunizieren und wichtige Entscheidungen zu treffen. Eine tägliche physische Präsenz ist dafür aber nicht unbedingt entscheidend.


Homeoffice 4.0
: Teilzeit heißt nicht immer automatisch 60% Anwesenheit. Die weltweite Vernetzung macht das Arbeiten von zu Hause aus so einfach wie noch nie. Diverse Tools / Apps / Softwares ermöglichen Projektmanagement und interaktive Teilnahme an Besprechungen oder Konferenzen von jedem Ort der Welt aus – vorausgesetzt die Internetverbindung stimmt. Hinzu kommen Bildschirmübertragungen, Videotelefonate, Chats mit gängigen Sozialen Medien. Das erspart schon mal die Anfahrt ins Büro und ermöglicht das Arbeiten zu unkonventionellen Zeiten.

Abgesehen von den organisatorischen Faktoren, ist das Vertrauen ins Team genauso wichtig wie die eigene Fähigkeit, Aufgaben abgeben und Verantwortung teilen zu können. Professionelle Unterstützung durch entsprechende Fortbildungen, Seminare, Workshops sowie Mentoring- und Coaching-Programme helfen sowohl der Führungskraft als auch den Teammitgliedern, sich effizient zu organisieren und zu kommunizieren. Dies bedarf erst einmal etwas Geduld und Arbeit, bis sich das ganze Team an die neue Situation gewöhnt hat, aber nach einer Weile stellt sich eine Routine ein und alle können von der neuen Flexibilität profitieren.

 

Weitere wertvolle Tipps und Tricks zum Thema “Führungskraft in Teilzeit” gibt’s auch in unserem Buch “Clever aus der Abseitsfalle. Wie Unternehmen den Wandel zu mehr Frauen in Führung gestalten.”

 

Autorin: Charlotte Holderied

New Work – Über die Arbeitswelt von morgen

Diese Herausforderungen und Chancen bringt die Arbeitswelt von morgen für Mitarbeiter und Führungskräfte

 

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Digitalisierung, Globalisierung, neue agile Formen des Projektmanagements und weitere Trends führen zur Herausforderung Arbeitsbeziehungen neu zu gestalten. Theoretisch können im Zeitalter der Digitalisierung Mitarbeiter ihre Arbeit von beinahe jedem beliebigen Ort zu jeder beliebigen Zeit leisten– praktisch hinkt das Angebot der Unternehmen noch hinterher. Doch immer mehr wagen den Wandel und zeigen wie die Arbeitswelt von morgen den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht wird und dabei Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit steigert.

 

Katja Börkey-Thele, arbeitet und führt als Line Managerin bei Nokia virtuell. Ihr Team ist international und gerade deshalb hat sie die Freiheit überall – im Büro, zu Hause oder auf Reisen – zu arbeiten. Fachlich kümmert Sie sich um Integrationsaufgaben im Rahmen der Übernahme von Alcatel-Lucent und koordiniert darüber hinaus das Management ihres Bereichs am Standort Berlin. Für diese Aufgaben konferiert Katja Börkey-Thele den Hauptteil ihrer Arbeitszeit über unterschiedlichste elektronische Informationskanäle. 40 bis 60 % ihrer Arbeit erledigt sie zu Hause.

 

Katja Börkey-Thele erlebt eine flexible Arbeitswelt, die sich viele Mitarbeiter wünschen aber für die meisten noch Zukunftsmusik ist.  Die letzte XING-Arbeitnehmerstudie zeichnet ein ganz anders Bild der deutschen Arbeitsrealität. 38% der Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit noch nicht einmal innerhalb der vertraglich geregelten Wochenarbeitszeit frei gestalten. Jeder Fünfte soll zudem über die vereinbarte  Arbeitszeit nach Gutdünken der Vorgesetzten zur Verfügung stehen.

Statt flexiblen Arbeitsmodellen herrschen in vielen Unternehmen immer noch Präsenzkultur und Kontrolle.  Starre Muster passen aber kaum mehr zu den Anforderungen an Unternehmen, die die besten Mitarbeiter für sich gewinnen und im Wettbewerb mit Innovation bestehen möchten.

 

Wie verändert sich Arbeit für den Mitarbeiter in der digitalen Arbeitswelt und wie kann er dabei unterstützt werden?

 

Räumlich und zeitlich flexible Arbeit – wann ich will und wo ich will

Mitarbeiter werden in Zukunft zunehmend zeitlich und örtlich flexibel arbeiten können. Für den einzelnen Mitarbeiter ist damit ein großer persönlicher Freiraum verbunden, seinen Bedürfnissen nach Freizeit, Familytime und Selbstverwirklichung individuell nachzukommen. Gleichzeitig ist er aber auch damit konfrontiert, selbst eine Grenze zwischen Freizeit und Arbeit zu ziehen und sich eigenverantwortlich zu strukturieren und zu organisieren – Fähigkeiten, die im klassischen Nine to Five Bürojob nicht in diesem Maße gefordert waren.

 

Virtuelle Arbeitsteams – oder der Abschied vom Austausch in der Cafeteria 

Virtuelle Teams, die sich wie bei Katja Börkey-Thele kaum persönlich begegnen sind gefordert, Absprachen und Teamarbeit mit Onlinetools zu organisieren. Neben der großen Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes und der freien Wahl der Arbeitszeit gilt es also auch die früher selbstverständliche Kommunikation zu organisieren. Mitarbeiter im Homeoffice verabreden sich über Skype oder andere Messenger-Dienste zur einer Videokonferenz, Führungskräfte überblicken mit einer Software für Projektmanagement den Arbeitsfortschritt von Teammitgliedern am anderen Ende der Welt. Was früher selbstverständlich face to face – auch mal in der Cafeteria oder auf dem Gang – besprochen wurde, wird mit technischen Hilfsmitteln instrumentalisiert und findet nicht mehr spontan statt.

 

Umgang mit Diversity – viele Impulse fördern die Kreativität

Gerade in globalen Teams ist die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern aus verschiedenen Ländern und Kontinenten selbstverständlich geworden. Der immer größere Anteil, den Frauen an der hochqualifizierten Mitarbeitergruppe haben, und die Notwendigkeit verschiedene Perspektiven und Impulse z.B. in die Produktentwicklung einfließen zu lassen, machen den täglichen Umgang mit diversen Teams notwendig. Diversity-Kompetenz, also Wertschätzung für unterschiedliche Herangehensweisen und unterschiedliche Blickwinkel, ist grundsätzlich notwendig, um das Potenzial, das in gemischten Teams liegt, heben zu können. Der einzelne Mitarbeiter ist gefordert sich auf neue Perspektiven einzulassen und gewohnte Denkmuster zu überwinden. Statt Anpassung an bestehende Sicht- und Herangehensweisen ist der Mut zu Neuem gefordert. Ein komplexes Thema, zu dem kürzlich eigens das Fachbuch „Clever aus der Abseitsfalle. Wie Unternehmen den Wandel zu mehr Frauen in Führung gestalten“ erschienen ist.

 

Begleitende Workshops, Schulungen und Coachings sind sinnvoll, um keine Generation – gerade die, die noch nicht als Digital Native aufgewachsen ist – mit modernen Kommunikationstechniken abzuhängen. Auch steigende Anforderungen an das Zeitmanagement, die Selbstoptimierung und die Reflektion von Gewohntem, erfordern Fähigkeiten, auf denen bisher kein Fokus lag. Eine Chance für junge Mitarbeiter, deren Ausbildung entsprechende Kompetenzen schon verstärkt in den Blick nimmt.

 

Wie können Führungskräfte diese bunten Teams in eine sinnvolle Richtung führen? 

 

Die Herausforderungen sind klar:

  1. Statt im täglichen persönlichen Kontakt den Arbeitsfortgang zu besprechen, sitzt der Mitarbeiter nicht mehr in unmittelbarer Nähe. Die Struktur des Arbeitstages entzieht sich der Kontrolle und der Begleitung durch die Führungskraft
  2. Die Häufigkeit und der Umfang der Abstimmung ist notgedrungen fokussiert und episodisch, statt umfassend und begleitend.
  3. Statt das Team auf eine einheitliche Sichtweise einzuschwören, liegt der Mehrwert gerade in der Unterschiedlichkeit und der Vielfalt der Impulse.

 

Die Führung dieser Teams kann in Zukunft nur dann gelingen, wenn Führungskräfte akzeptieren, dass die Planbarkeit von Arbeit und Prozessen sinkt. Es muss eine grundsätzliche Bereitschaft entstehen, Mitarbeiter einfach mal machen zu lassen und ihnen auch Fehlern zuzugestehen, durch die sie sich zu selbstdenkenden Köpfen entwickeln können. Das Festhalten an der absoluten Autorität und die reflexhafte Abwehr gegenüber neuen Ansätzen müssen überwunden werden. Die Rolle von Führungskräften ändert sich damit fundamental. Statt Kontrolle und Durchsetzungsfähigkeit sind nun Kommunikations- und Koordinationsfähigkeiten gefordert, ebenso wie das emphatische Eingehen auf Mitarbeiter und die Fähigkeit Loszulassen. Voraussetzung sind nachvollziehbare Ziele in den Arbeitsbeziehungen und transparente Vereinbarungen, die eine Basis für Vertrauen schaffen.

 

Mit der „New Work“-Welt bekommen traditionelle Werte wie Vertrauen eine neue entscheidende Relevanz. Nur wer als Führungskraft in der Lage ist, eine vertrauensvolle, dialogfähige und konstruktive Atmosphäre der Zusammenarbeit zu schaffen, kann den Herausforderungen gerecht werden. Die freie Gestaltung von Arbeitszeiten und die freie Wahl des Arbeitsortes sind dem gegenüber schnell und unproblematisch zu organisieren. Eine gemeinsame Kultur der Wertschätzung für Vielfalt und eine Basis des Vertrauens zu etablieren, stellt die wahre Herausforderung dar.

 

 

Autorin: Simone Schönfeld

(Dieser Artikel ist am 12.04.2017 auch als Gastbeitrag im Business Insider erschienen)