Gendersensible Sprache in Stellenanzeigen

Sprache kann Frauen Perspektiven eröffnen und leider auch verschließen. Es ist nur eine Workshop-Übung, doch das Ergebnis öffnet Augen, Ohren und Denken: Die eine Gruppe wird gebeten, berühmte Schriftsteller, Politiker, Sportler, Künstler zu nennen. Die andere Gruppe soll berühmte Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Politikerinnen und Politiker, Sportlerinnen und Sportler, Künstlerinnen und Künstler auflisten. Erraten Sie das Ergebnis? Die zweite Gruppe nennt bis zu 30 Prozent mehr Frauen – unabhängig vom Geschlecht der Teilnehmer.

 

Das zeigt: Allein die Wortwahl macht Unterschiede zwischen Frauen und Männern – und grenzt aus. Sprache ist von Traditionen und Gewohnheiten geprägt und sie hat Einfluss auf unsere Denkweise. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Tätigkeiten, Berufe und Funktionen von Natur aus immer mit der männlichen Form umschrieben werden – Angestellter, Referatsleiter, Elektrotechniker, Schweißer, Berater….? Im Alltag hat diese gewohnte Sprechweise unterbewusst zu Folge, dass Frauen sich oft nicht gleichermaßen angesprochen und betroffen fühlen wie Männer.

 

Seit 2007 fordert daher das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Stellenanzeigen, die nicht diskriminieren. Seither haben sich in der Praxis unterschiedliche geschlechtersensible Formulierungen eingebürgert, um dies zu umgehen:

  • Gearbeitet wird entweder mit dem Schrägstrich bei Endungen – z.B. “Verwaltungsangestellte/r”
  • Oder die männliche Funktionsbeschreibung wird in Klammern um ein m/w ergänzt – z.B. “Geschäftsführer (m/w)”
  • oder die Funktionsbezeichnungen werden gleichermaßen in weiblicher und männlicher Form aufgeführt – z.B. “Verkaufsleiterin/Verkaufsleiter”

Fakt ist jedoch: Während sich Männer von allen Formulierungen gleichermaßen angesprochen fühlen, erzielt bei Frauen nur die Dritte ihre volle Wirkung. Denn beim schnellen Überfliegen von Stellenanzeigen, werden die Kürzel am Ende oft gar nicht wahrgenommen. In der Regel finden allerdings diese Varianten bei Unternehmen die häufigste Anwendung, schließlich möchten sie ihr Inserat aus Kostengründen möglichst kurzhalten. Eine Erkenntnis, die sich beide Seiten ins Bewusstsein rufen sollten: Unternehmen, die Frauen für sich gewinnen möchten, sollten für mehr (Lese)Freundlichkeit beide Bezeichnungen nennen. Umgekehrt, sollten Frauen ihr Leseverhalten überprüfen und genau hinsehen.

 

Dass sich in dieser Hinsicht langsam etwas verändert – vor allem in den Unternehmen, die ihre Frauenquote steigern möchten –  zeigt beispielsweise eine Untersuchung der Metajobsuchmaschine Joblift, die rund 15 Millionen Stellenanzeigen der letzten zwei Jahre untersucht hat hinsichtlich Elemente, die eine Gleichstellung beider Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt fördern. Das Ergebnis: Frauen wurden in rund 1,8% aller Stellenanzeigen namentlich dazu aufgefordert, sich zu bewerben, vor allem in Ingenieurberufen (2015 waren es 1,7%). Das sind allerdings auch die Berufe, die überwiegend mit männlich besetzten Attributen in ihren Stellenausschreibungen arbeiten – sich quasi dann wieder den weiblichen Wind selbst aus den Segeln nehmen. Die Wissenschaft hat bestimmte Schlüsselwörter identifiziert, die in Stellenanzeigen vorwiegend mit Männern oder Frauen in Verbindung gebracht werden – von “verständnisvoll”, “zuverlässig”, “leidenschaftlich” fühlen sich beispielsweise eher Frauen angesprochen, “durchsetzungsstark”, “individuell”, “überdurchschnittlich” sind männlich definierte Formulierungen. Es ist belegt, dass sich Frauen von diesen maskulinen Attributen eher verunsichert fühlen, während Männer keinen Unterschied in ihrer Lesart machen. Für Unternehmen ist also wichtig zu beachten, dass es nicht nur auf geschlechtersensible Formulierungen hinsichtlich Wortendungen ankommt, sondern auch auf die Wortwahl.

 

Die Erkenntnisse der Sprachforschung zu geschlechtersensiblen Formulierungen haben im Übrigen auch Folgen für die unternehmensinterne Kommunikation und sollten auch hier berücksichtigt werden: Wenn Hausmitteilungen beispielsweise an “alle Mitarbeiter” gerichtet werden, sollten die Informierenden wissen, dass sich vielleicht ein Teil der Belegschaft nicht betroffen fühlt. Das “an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” klingt sympathischer und einbeziehender. Diese Formulierung kann außerdem durch das Binnen-I verkürzt werden (“an alle MitarbeiterInnen).

 

Es gibt wenige Regeln für einen genderbewussten Sprachgebrauch. Es kommt sowohl bei Stellenanzeigen als auch bei der Unternehmenskommunikation vielmehr auf das Bewusstsein und die Haltung an – ein Unternehmen ist bemüht weibliche Funktionsbezeichnungen zu verwenden und nimmt sich der Ausgrenzungsthematik an. Allerdings muss fairerweise auch gesagt werden: Bemühungen hin oder her, Sprache ist und bleibt auch Gewohnheit und wenn die weibliche Beschreibung plötzlich von oben aufoktroyiert wird, kann dies beim Leser auch fremd oder erzwungen wirken.

 

Einen Ausweg im Berufsalltag bieten da geschlechtsneutrale Formulierungen: Leitung ersetzt Leiterin oder Leiter. Auch im Gerundium machen Tätigkeitsbeschreibungen meist keinen Geschlechterunterschied: Mit Studierenden oder Teilnehmenden sind Männer und Frauen gleichermaßen gemeint, auch Beschäftigte, Angestellte, Arbeits- und Führungskräfte ist neutral. Sprache ist ein Mittel, das Kreativität erfordert und Sensibilität. Insbesondere Führungskräfte sind deshalb auch dahingehend zu schulen, genauer hinzuhören und zu beobachten, wie das Gegenüber auf Aufträge, Informationen oder auch Kritik reagiert und letztlich auch Konsequenzen daraus zu ziehen und die eigene Wortwahl zu überdenken.

 

Autorin: Julia Schmid

 

 

Ausführlichere Informationen finden Sie in unserem Buch “Clever aus der Abseitsfalle. Wie Unternehmen den Wandel zu mehr Frauen in Führung gestalten.”

 

Lesen Sie auch unseren Beitrag: 10 Tipps, wie Unternehmen mehr Frauen gewinnen

 

Und hier geht’s zur Untersuchung von Joblift

 

Erfolgreiches Recruiting

Stereotype vermeiden, um zielgerichtet Fachkräfte zu erreichen – Gerade im Feld des Recruitings stehen Unternehmen und Bewerberinnen immer wieder vor Situationen, die von Missverständnissen und Unsicherheit geprägt sind. Aus der Perspektive der Bewerberinnen stellt sich oft die Frage „Bin ich wirklich gemeint?“ — aus der Perspektive der Unternehmen „Warum bewerben sich eigentlich keine Frauen auf unsere Ausschreibungen?“ MFF-Initiatorin und Cross Consult-Geschäftsführerin Simone Schönfeld beschreibt in einem Gastbeitrag im Fachkräftemagazin der Wirtschaftsregion Augsburg, Ahochdrei, wie gendersensibles Recruiting richtig geht.

 

Im Balanceakt zwischen einer zielgruppenadäquaten Ansprache und dem Dilemma, nicht jede Zielgruppe individuell und spezifisch ansprechen zu können, gilt es trotzdem, stereotype Zuschreibungen zu vermeiden und mit einer Portion Sensibilität für die eigene Kommunikation zu agieren. Ansonsten kann Kommunikation – insbesondere zwischen den Geschlechtern — ganz schnell nach hinten losgehen, wie folgendes Beispiel der US-amerikanischen Autorin und Feministin Rebecca Solnit zeigt. In Ihrem Buch „Wenn Männer mir die Welt erklären“ schildert sie eine exemplarische Schlüsselsituation. Während einer Party kommt sie ins Gespräch mit dem Gastgeber, den sie zum ersten Mal trifft und der ihr ein Buch über den Fotografen Eadweard Muybridge ans Herz legt. Ein Buch übrigens, das sie selbst geschrieben hat. „Er hatte mir gegenüber einen extrem herablassenden Ton“, erinnert sich Solnit in einem Interview. Der Gastgeber sprach mit der ihm ebenfalls nicht bekannten Autorin wie mit einem Mädchen. Erst als sie erklärte, dass sie die Autorin des Buches sei, hielt er inne. Geschämt, so erzählt Solnit, habe er sich nicht: „Es hätte ihm peinlich sein sollen. (…) Er hielt einen Moment inne, er war irritiert.“ Sie möge solche Situationen, erklärt sie im Interview weiter: „Oft ist Diskriminierung ja subtil, schwer zu begreifen und zu beschreiben. Aber wenn Ihnen jemand Ihr eigenes Buch erklärt, ist die Situation vollkommen klar.“

 

Das zugehörige Phänomen wird „Mansplaining“ genannt und beschreibt, wenn Männer Frauen die Welt erklären. Der Begriff ist aus den englischen Worten „man“ und „explaining“ (Englisch für erklären) zusammengesetzt und beschreibt eine Erfahrung, mit der sich Frauen oft konfrontiert sehen und die sie oft gar nicht mehr bewusst wahrnehmen: In Werbespots erklären Klempner und andere Handwerker den Frauen Geräte wie Waschmaschinen, die sie selbst oft versierter bedienen als Männer. Bankberater werden auch bei Akademikerinnen gerne schulmeisterlich, wenn es um Kapitalanlagen oder Darlehensverträge geht. In der Autowerkstatt traut Mann den Frauen meist wenig Durchblick in Sachen Motor und Reparatur zu. Diese Art der unbewussten Diskriminierung kann auch im beruflichen Umfeld stattfinden.

 

Das oben beschriebene Gespräch macht deutlich: Kommunikation trifft oder auch nicht. Das gilt für Gespräche ebenso wie für Briefe oder Anzeigen. Kommunikation geht daneben, wenn der Sender oder Sprechende nicht auf sein Gegenüber eingeht oder auf Bedürfnisse herablassend reagiert. In der Regel geschieht dies unbedacht und unbewusst, häufig geprägt durch Erfahrungen oder Gewohnheiten, die nicht reflektiert wurden. Natürlich treten nicht alle Männer gegenüber Frauen so auf, Rebecca Solnit beschreibt eine prägnante Situation. Mansplaining ist nur ein Beispiel dafür, dass Frauen oft unpassend angesprochen oder sprachlich ausgeschlossen werden, gerade im Berufsalltag. Dies passiert im persönlichen Gespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, aber auch in der Kommunikation mit Bewerberinnen, Kundinnen, Geschäftspartnerinnen. Das muss nicht gleich zu Konflikten führen, Frauen nehmen das im Alltag hin, weil männliche Formen in der Sprache üblich und gelernt sind und nur selten hinterfragt werden. Und sie merken oft nicht, wenn sie falsch oder schlecht adressiert werden. Bei ihnen bleibt nur manchmal ein Gefühl von Unstimmigkeit zurück, das sie in Distanz zum Sprecher oder zum Absender einer Anzeige bringt. Insbesondere in Bewerbungsprozessen bleibt dann bei allen Beteiligten Unverständnis zurück. Bin ich wirklich gemeint? Bin ich wirklich mit dieser Anzeige angesprochen? Oder will das Unternehmen nicht doch lieber den klassischen Bewerber?

 

Um den Frauenanteil im Unternehmen und in Führungspositionen zu erhöhen, ist daher eine genderbewusste Ansprache in allen Informations- und Kommunikationskanälen notwendig. Mitarbeiterinnen sollten erleben, dass ihre Ideen gefragt sind. Beim Recruiting kommt der Personalabteilung eine besondere Aufgabe in der genderbewussten Kommunikation zu. Als eine von wenigen Abteilungen wirkt sie nach außen und nach innen. An dieser Schnittstelle wächst der Aufwand, ein Unternehmen als diversen Arbeitgeber darzustellen und intern darauf hinzuwirken, dass die Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen wahrgenommen werden.

 

Dabei sind die Themen, die vermeintlich nur für Frauen relevant waren, längst auch relevante Kriterien für männliche Bewerber. Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus? Gibt es im Unternehmen eine Kultur, die es mir als Vater ermöglicht, Elternzeit zu nehmen und zeitliche Verantwortung für meine Familie zu übernehmen. Die Kommunikation der Unternehmen muss daher treffen, wenn es um das Anwerben von Mitarbeitenden geht: „Das Thema Zielgruppenorientierung (Definition und Identifikation neuer und relevanter Zielgruppen, zielgruppenspezifische Kandidatenansprache) ist nach Ansicht der Top-1.000-Unternehmen aus Deutschland eine wichtige interne Herausforderung für die Personalbeschaffung“, stellt die Studie „Recruitingtrends 2015“ des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) in Bamberg fest.

 

Daher gilt es hier Sensibilität für die gewählte Sprache, die verwendeten Bilder und den gewählten Kontext zu entwickeln. Mehr zu einer zielgruppendifferenzierten Ansprache finden Sie in der Veröffentlichung „Clever aus der Abseitsfalle. Wie Unternehmen den Wandel zu mehr Frauen in Führung gestalten, 2017, in dem Praxisbeispiele von sechs Unternehmen präsentiert werden und u. a. das Thema gendersensibles Recruiting beleuchtet wird. Die Kommunikation zwischen Frauen und Männern ist im Übrigen auch Thema im Cross-Mentoring Programm von Cross Consult, das jährlich den teilnehmenden Führungskräften ein Gender-Awareness Training anbietet, um auch Führungskräfte beiderlei Geschlechts für die eigenen kommunikativen Gewohnheiten zu sensibilisieren. Cross-Mentoring führt Cross Consult in München, Augsburg, Frankfurt und Münster durch. Es unterstützt junge Führungskräfte in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung. Die Besonderheit des Programms liegt in einer unternehmensübergreifenden Mentoring-Partnerschaft einer jungen weiblichen oder männlichen Führungskraft zum Manager oder zur Managerin eines anderen Unternehmens, die sich als externe Mentoren zur Verfügung stellen. Dies ermöglicht einen offenen und hierarchiefreien Erfahrungsaustausch.

 

Autorin: Simone Schönfeld

(Der Artikel ist auch als Gastbeitrag im Ahochdrei-Magazin erschienen)

 

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