Flexible Arbeitswelten für Frauen und Männer – nur nicht auf den Topetagen

Die gute Nachricht zuerst: Es tut sich was für Frauen und Männer in der Arbeitswelt!

 

Im aktuellen Benchmark des Memorandums für Frauen in Führung (kurz MFF), an dem acht Unternehmen teilgenommen haben, zeigen sich wesentliche Entwicklungen in den Bereichen Frauen in Führungspositionen, Umfang der Teilzeittätigkeit von Frauen und Männern, Inanspruchnahme von Elternzeit durch Frauen und Männer und Angebote zu flexiblen Arbeitszeitmodellen. Weitere Benchmark-Ergebnisse und Grafiken finden sich auf der Homepage des MFF unter dem Menüpunkt “Benchmark”.

 

Der Benchmark des MFF wird seit dem Jahr 2010 jährlich durchgeführt und kann damit relevante Entwicklungen in den Unternehmen über die Jahre hinweg abbilden. Beim Benchmark 2016 haben sich die Unternehmen BayernLB, Bayerische Versorgungskammer, Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, GEWOFAG, LBS Bayern, LVM Versicherung und SWM Stadtwerke München beteiligt.

 

Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen in den Räumlichkeiten von MFF-Mitglied Bayerische Versorgungskammer.
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen in den Räumlichkeiten von MFF-Mitglied Bayerische Versorgungskammer. Foto: BVK

 

Es zeigt sich: Die Arbeitswelt ist in den vergangenen sieben Jahren geschlechtergerechter und flexibler geworden.  ABER: es fehlen noch wesentliche Schritte, um die Ziele des MFF zu erreichen.

 

Diese positiven Veränderungen zeigen sich in den Unternehmen:

  • Der Anteil von Frauen auf den unteren Führungsebenen hat in den vergangenen sieben Jahren kontinuierlich zugenommen. Während Ende 2010 der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Mittel bei 23% bei allen am Benchmark beteiligten Unternehmen lag, hat sich der Anteil bis 2016 auf 32% erhöht. Dieser neunprozentige Anstieg in sieben Jahren macht deutlich, dass sich die Integration von Frauen auf den Führungspositionen nachhaltig und mit einer erfreulichen Geschwindigkeit vollzieht. Setzt sich der positive Trend so fort, dann können wir bei den Unternehmen, die sich seit 2010 am Benchmark beteiligen, bereits 2022 einen durchschnittlichen Anteil von über 50% Frauen in Führungspositionen erwarten.
  • Mehr als ein Drittel der Beschäftigten bei den am Benchmark beteiligten Unternehmen arbeiteten 2016 in Teilzeitmodellen. Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen und Männer hat sich damit seit 2010 von 28% aller Beschäftigten auf 34% erhöht. Von Teilzeit als Ausnahmemodell kann daher kaum mehr gesprochen werden und die Ergebnisse spiegeln die gesellschaftlichen Bedürfnisse wider. Der Wunsch der Beschäftigten neben einer qualifizierten Erwerbstätigkeit auch anderen Lebensbereichen mit Energie und Aufmerksamkeit nachgehen zu können, wird immer lauter. Neben Gründen der familiären Vereinbarkeit oder der Pflege von Familienangehörigen zeigt sich längst der individuelle Wunsch nach einer ausgeglichenen Mischung von Arbeit und Leben. Besonders bemerkenswert ist, dass der Anteil der Männer, die in Teilzeit arbeiten in den vergangenen sieben Jahren ebenfalls kontinuierlich angestiegen ist. Ein Trend, der sich bei beiden Geschlechtern zeigt und damit die Zuschreibung von „Teilzeit ist Frauensache“ langfristig verändern wird.
  • Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist bei Männern – wie bei Frauen – mittlerweile gängige Praxis, auch wenn die Männer in der Regel bei den gesetzlich motivierten zwei Monaten bleiben.
  • Die angebotenen Arbeitszeitmodelle werden immer vielfältiger. Dies zeigt sich sowohl beim Einsatz neuer Kommunikationstools, die eine fortlaufende ortsunabhängige Kommunikation fördern sollen. Deutlich wird der Wandel auch daran, dass die Nutzung von Homeoffice mit neuen Modellen – wie dem „Flexitag“ – von der Ausnahme zum Standard gemacht werden soll. Die bisher notwendige Rechtfertigung seitens des Mitarbeiters, warum er denn gerade heute im Homeoffice arbeiten will, ist damit nicht mehr notwendig und gibt den Beschäftigen die Freiheit für sich zu entscheiden, wo die Arbeit am besten erledigt werden kann.

Diese „ABER“ lassen sich erkennen:

  • Der Anteil von Frauen in Führungspositionen wächst ausschließlich auf den unteren Führungsebenen, wie Team- und Abteilungsleiterinnen. Auf den oberen Führungsebenen stagnieren die Anteile von Frauen auf diesen Positionen oder sind bei einigen Unternehmen sogar rückläufig. Die „Glass Ceiling“ („Gläserne Decke“) zeigt sich hier in den Daten ganz deutlich und macht klar, dass es auch heute für Frauen immer noch fast unmöglich ist, bis in die Vorstandsebene zu kommen. Klar wird damit auch, dass es nur mit weiteren umfassenden Maßnahmen gelingen kann, mehr Frauen den Aufstieg in die Top-Etagen zu ermöglichen. Dazu gehört zum einen, dass die systematische Förderung von Frauen auf den unteren Führungsebenen beibehalten wird. Zum anderen müssen Angebote für mehr Frauen in Top-Etagen wie z.B. Mentoring-Programme, Coaching und Sponsoring-Angebote ausgebaut werden. Hier gilt es sowohl strukturelle alsauch kulturelle Barrieren zu überwinden und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es für Frauen attraktiv machen, Verantwortung in der ersten Reihe zu übernehmen.
  • Teilzeit hat Konjunktur – aber nicht auf den Topetagen. Die Zunahme von Führungsmodellen in Teilzeit endet auf Abteilungsleiter-Ebene. In nur drei von acht Unternehmen arbeitet jeweils eine Person auf der Ebene der Bereichsleitung in Teilzeit. Modelle wie Top-Sharing, also eine geteilte Führungsverantwortung, sind aktuell ausschließlich auf die unteren Führungsebenen beschränkt.  Auf den oberen Führungsebenen dominiert nach wie vor die Kultur der ständigen Erreichbar- und Verfügbarkeit. Dabei wäre gerade hier eine Flexibilisierung wichtig, um Top-Positionen für Frauen attraktiv zu machen – ein Kriterium das im Übrigen auch zunehmend für männliche Nachwuchstalente an Bedeutung gewinnt.
  • Dass immer mehr Männer Elternzeit in Anspruch nehmen – wenn auch nur für zwei Monate – ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Doch das scheint sich erstaunlich wenig auf die Arbeitsteilung in den Familien auszuwirken. Interessanterweise hat von den am Benchmark beteiligten Unternehmen bisher nur ein Unternehmen spezifische Angebote, die auch Väter ansprechen. Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass junge Väter sehr kritisch abwägen, wann und wie lang sie sich eine Familienauszeit genehmigen können, ohne Karriereeinbußen befürchten zu müssen. Ein klares Signal dahingehend, dass sich die Kultur einer „AllzeitBereitErwartung“ an die Männer noch nicht verändert hat. Hier kann es nur hilfreich sein, männliche Vorbilder und Rollenmodelle aufzuzeigen, die für sich eine gelungene Balance aus Verantwortung in der Familie und einer qualifizierten Tätigkeit gefunden haben.
  • Die neuen Arbeitszeitmodelle fordern mehr von den Menschen! Es geht darum, individuell Verantwortung für das Gelingen der Arbeit, der Kommunikation, der eigenen Einbindung ins Team und der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen zu übernehmen. Die Bedürfnisse sind vielfältig. So zeigt sich, dass der Wunsch eine soziale und kommunikative Anbindung im Büro zu haben, ein wesentlicher Wohlfühl-Faktor für viele Beschäftigte ist. Gerade im Home-Office lauert auch die Gefahr, kein Ende bei der Arbeit zu finden und weit mehr Zeit zu investieren, als man offiziell arbeiten müsste. Wie Unternehmen hier konstruktive Rahmenbedingungen setzen können, zeigt sich an der Diskussion über eine zeitlich begrenzte Diensthandy-Nutzung.
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen. Foto: BVK
Benchmark-Sitzung mit Vertretern der beteiligten Unternehmen. Foto: BVK

Der Weg zu einer gendergerechten Arbeitswelt

Die bereits errungenen Erfolge und die noch offenen Baustellen machen deutlich: Unternehmen, Vorstände, Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen vor der Herausforderung, Arbeit auf allen Ebenen flexibler und vorurteilsfreier zu gestalten und stärker nach den realen Bedürfnissen als nach alten Strukturen auszurichten. Zentral ist, dass dies bis in die höchste Ebene geschieht, denn an ihr orientieren sich die unteren Ebenen und nur so können es Frauen bis an die Spitze schaffen.

Das Memorandum für Frauen in Führung stellt daher einen gemeinsamen Kulturwandel in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit, der nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten sich nicht als Kunde, sondern als Teil der Lösung verstehen.

 

Autorin: Simone Schönfeld

(Eine der Initiatorinnen des MMF und

Geschäftsführerin der genderspezialisierten Unternehmensberatung Cross Consult)

 

KPMG-Mitarbeiter Daniel Jagar ist selbstbewusst in seine 4-monatige Elternzeit gegangen:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Dass Frauen in Toppositionen oft unter besonderer Beobachtung stehen, kann Christine Draws, Führungsfrau bei der Bayerischen Versorungskammer, bestätigen:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

„Es liegt nicht an den Frauen“

Die Süddeutsche Zeitung setzt auf unsere Expertise! Am 19.08.2017 ist in der Wochenendeausgabe einer der renommiertesten Tageszeitungen Deutschlands ein  substantielles Interview erschienen, das SZ-Autorin Gunda Achterhold mit MFF-Initiatorin Simone Schönfeld geführt hat. Darin geht es um die besondere Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen, den daraus resultierenden Druck und darum, wie Unternehmen in Zukunft Führungspositionen gestalten müssen, damit sie für die nachfolgenden Generationen überhaupt noch attraktiv sind – sowohl für Männer als auch für Frauen.

 

Zum Nachlesen folgt hier noch einmal der Beitrag aus der Süddeutschen Zeitung:

 

„ES LIEGT NICHT AN DEN FRAUEN“- Wie Unternehmen weibliche Führungskräfte fördern können

 

Simone Schönfeld ist Mitbegründerin der Unternehmensberatung Cross Consult. 2010 initiierte sie zusammen mit dem Referat für Wirtschaft und Arbeit der Landeshauptstadt München ein “Memorandum für Frauen in Führung“. Namhafte Unternehmen haben sich daran beteiligt und sich verpflichtet, mehr “Mixed Leadership” in ihren Firmen zu verankern. Das Buch “Clever aus der Abseitsfalle. Wie Unternehmen den Wandel zu mehr Frauen in Führung gestalten wollen” von Schönfeld und Nadja Tschirner ist gerade im Verlag Springer Gabler erschienen.

 

SZ: Frau Schönfeld, was zeichnet Unternehmen aus, in denen besonders viele Frauen in Führung sind?

Simone Schönfeld: Wer Frauen Zugänge eröffnen will, muss alle bestehenden Strukturen in den Blick nehmen. Mentoring, Trainings oder interne Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung sind wichtige Maßnahmen auf persönlicher Ebene. Aber es liegt eben nicht an den Frauen allein. Arbeitszeitmodelle, Präsenzzeiten, Beurteilungsverfahren – auf allen Ebenen müssen die Rahmenbedingungen überprüft werden. So sind zum Beispiel Auslandsaufenthalte als Muss-Kriterium im Talentmanagement oft schwierig für Frauen mit Partner oder Familie. Sie sehen das eher als Hürde.

 

Etliche Top-Managerinnen sind in den letzten Jahren gescheitert. Woran liegt das?

Minderheiten fallen stärker auf, wir sprechen von dem “Token-Phänomen“. Frauen an der Spitze sind extrem sichtbar, sie erfahren viel mehr Aufmerksamkeit als ihre männlichen Kollegen. So entsteht Druck. Niemandem, selbst in so hohen Positionen, wird immer alles gelingen. Der Unterschied liegt darin, wie es diskutiert und in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

 

Gilt das auch auf anderen Ebenen?

Überall dort, wo sich Frauen in einem sehr männerlastigen Umfeld bewegen, etwa auch im Mint-Bereich. Grundsätzlich beobachten wir im unteren und mittleren Management jedoch deutliche Fortschritte. Die Quote der Frauen in Teamleitungspositionen hat sich stark erhöht – sie schließen schon fast gleich auf. Dieser positive Trend setzt sich allerdings auf exponierteren Positionen nicht durch.

 

Und warum geht es dann einfach nicht weiter?

Führungspositionen sind ein rares Gut. Und damit natürlich auch umkämpft. Diejenigen, die nach 18 Uhr noch da sind, setzen die Standards. Daran hat sich in vielen Unternehmen noch nichts geändert. Wer eher geht, fällt heraus aus der Zielgruppe jener, die als ambitionierte Nachwuchskräfte gehandelt werden.

 

Sehen Sie positive Entwicklungen?

Es ist schon einiges in Bewegung. Beispielsweise dort, wo Mitarbeiter in globalen Teams arbeiten. Über Länder und Zeitzonen hinweg entstehen andere Freiräume und damit mehr Flexibilität. Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten können hier das Management von Teams, in denen Vollzeit und Teilzeit gearbeitet wird, vereinfachen. Damit werden Kriterien wie die Präsenz vor Ort oder auch das Geschlecht zweitrangig. Dafür werden Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit immer wichtiger – traditionelle Stärken von Frauen.

 

Diese zeitliche Flexibilität schätzen zunehmend auch junge Männer. Ist das nicht eine Generationenfrage?

Der Bruch kommt mit dem ersten Kind, das zeigen Studien ganz klar. Während Frauen Arbeitszeit reduzieren, zeigen Männer ein traditionelles Ernährerverhalten und arbeiten mehr – auch wenn sie das eigentlich gar nicht wollen. Dieses Dilemma können Unternehmen individuell nicht lösen. Wenn das oberste Management ein partnerschaftliches Miteinander vorlebt und vielleicht selbst in Elternzeit geht, ist das jedoch ein starker Treiber für kulturelle Veränderungsprozesse.

 

Aber genau diese partnerschaftlich orientierten Kräfte wollen gar nicht mehr an die Spitze, Frauen wie Männer.

Tatsächlich bewerben sich intern immer weniger Mitarbeiter um Führungspositionen – das gilt für beide Geschlechter. Für die Unternehmen ist das eine riesige Herausforderung, gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel. In den nächsten Jahren werden im Management viele Stellen frei. Da sehe ich allerdings auch ein enormes Potenzial. Wie lässt sich Führung so gestalten, dass sie für die nachwachsenden Generationen wieder attraktiv ist? Unternehmen werden gezwungen sein, darüber nachzudenken. Und damit eröffnen sich auch für Frauen neue Perspektiven.

 

Interview: Gunda Achterhold, Süddeutsche Zeitung

SZ-Artikel “Es liegt nicht an den Frauen” als PDF

 

Hier geht’s zu einem Interview mit euer Führungsfrau der BVK, die vom Token-Phänomen berichtet:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

 

Einen weiteren Beitrag von Simone Schönfeld zum Thema Frauenförderung gibt’s hier:

Frauenförderung endet nicht bei den Frauen!

 

Und was eine gute Führungskraft im Zeitalter der Digitalisierung ausmacht, lest ihr in diesem Beitrag:

Was heisst führen heute?

 

Frauenförderung endet nicht bei den Frauen!

Eine nachhaltige Förderung von Frauen kann in Unternehmen endet nicht bei den Frauen selbst, sondern kann nur durch eine vielschichte Herangehensweise gelingen. Wir führen in diesem Blogbeitrag in den wissenschaftlichen Mehrebenen-Ansatz zur Frauenförderung ein und zeigen mit welchen praktischen Methoden dieser im Unternehmen umgesetzt werden kann.

 

Der Blogbeitrag ist ein Auszug aus dem neu erschienen Standard-Werk „Cross Mentoring“. Simone Schönfeld, Initiatorin des Memorandums für Frauen in Führung, hat darin einen Beitrag mit dem Titel „Cross Mentoring für Teilnehmer und Organisationen: Wie Netzwerke Nachhaltigkeit gewährleisten“ veröffentlicht. Es handelt sich um einen Sammelband, der die breite Vielfalt unterschiedlicher Mentoring Programme aufzeigt. Die Bandbreite reicht von Veranstaltern aus der Wirtschaftspraxis und Verbänden bis zu NGOs und Organisationen aus dem Gesundheitswesen.

 

Eine  langfristig erfolgreiche Förderung von Frauen über alle Ebenen hinweg kann in Organisationen nur gelingen, wenn auch andere Akteure in den Unternehmen, die bestehenden Strukturen in den Organisationen und die herrschende Kultur in den Blick genommen werden. Dies lässt sich als ein Mehrebenen-Ansatz verstehen, in dem auf der ersten Ebene die Personen und Akteure, auf der zweiten Ebene die unternehmensinternen Strukturen und auf der dritten Ebene die Unternehmenskultur und -sozialisation betrachtet werden.

 

Auf der ersten Ebene kommen als Akteure sowohl die betroffenen Frauen selbst, die Führungskräfte in den Organisationen als auch die Personalerinnen und Personaler, die mit der Entwicklung von Personalinstrumenten Standards setzen, in den Blick. Darüber hinaus sind die Führungskräfte des Top-Managements eine relevante Akteursgruppe, da sie einerseits eine wichtige Vorbildfunktion innerhalb der Organisation haben, die auf das mittlere Management ausstrahlt, andererseits die relevanten Personalentscheidungen für die Besetzung von Positionen auf höheren Ebenen treffen.

 

Die zweite Ebene, die für die nachhaltige Wirkung von Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen relevant ist, ist die interne Struktur, die sich eine Organisation gegeben hat. Strukturen, die den Status quo hinsichtlich Karrierechancen, Beurteilungsverfahren und Arbeitszeitmodellen usw. bestimmen, definieren die relevanten Rahmenbedingungen, die die Möglichkeiten beeinflussen, unter denen die einzelne Frau das Ziel Führung erreichen kann. Die Herausforderung, bestehende Strukturen und Regelungen zu verändern, ist immer damit verbunden, die Stakeholder zu gewinnen, um eine breite Basis und Akzeptanz für diese Veränderungen zu erreichen. Hierbei handelt es sich um einen langfristigen Prozess, in den viele Akteure eingebunden werden sollten. Genau das geschieht beispielsweise durch die Teilnahme an unserem “Memorandum für Frauen in Führung“. Die feierliche Unterzeichnung einer Selbstverpflichtungserklärung mit 15 Schritten zu Mixed Leadership durch die Unternehmensspitze kann der Startschuss des Veränderungsprozesses sein oder der erfolgreiche Abschluss. Der Maßnahmenplan umfasst alle veränderungsrelevanten Stellschrauben, die durch die Unternehmen selbst identifiziert wurden und auf breiter Ebene ins Bewusstsein gerückt, diskutiert und schließlich modifiziert werden.

 

Die dritte Ebene, die in Organisationen für einen erfolgreichen Veränderungs- und Entwicklungsprozess in den Blick genommen werden muss, ist die gelebte Organisationskultur, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bisweilen ein anderes Verhalten nahelegt, als die Strukturen anbieten. Eine Organisationskultur, die eine erfolgreiche und gelebte Diversity-Kultur ermöglicht, sollte sich vor allem durch ein hohes Maß an Transparenz und Wertschätzung auszeichnen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollten daher die informellen Regeln kennen, die es einzuhalten gilt, um Karriere zu machen. In vielen Organisationen gilt heute noch: „Wer Karriere in der Organisation machen möchte, sollte verfügbar und präsent sein.“ Die immer noch existierende Präsenzkultur, die den Standard für den Aufstieg in höhere Positionen definiert, lässt es für junge Potenzialträger und Potenzialträgerinnen gerade nicht ratsam erscheinen, die Angebote für Teilzeitarbeit, mobiles Arbeiten, etc. zu nutzen.

 

Die gemeinsame Organisationskultur zu verändern, stellt die größte Herausforderung dar, um den Weg für mehr Frauen in Führung zu erleichtern. Die einzelnen Mitglieder der Organisation, egal ob Mann oder Frau, jung oder alt, wissen sehr genau welches Verhalten sie in ihrer Organisation erfolgreich sein lässt und mit welchen Verhaltensweisen sie ihre Karrierechancen reduzieren. Das umfangreiche Angebot von Unternehmen z. B. für die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort wird daher oftmals von Potenzialträgern und -trägerinnen nur zögerlich angenommen, zumindest solange man vermeintliche Nachteile in der beruflichen Entwicklung erwartet. Eine Kultur, die es Menschen ermöglicht, diese innovativen Maßnahmen anzunehmen und in die Praxis umzusetzen und darauf zu vertrauen, weiterhin nach ihrer Leistung und nicht nach ihrer Präsenz beurteilt zu werden, muss in vielen Organisationen noch entwickelt werden. Der Austausch und die Diskussion förderlicher und hinderlicher Mechanismen ist dafür ein wesentlicher Treiber. Ein bewährtes Instrument ist dafür Cross Mentoring. Es bringt Menschen aus unterschiedlichen Organisationen zusammen und kann eine Plattform schaffen, die Austausch und Dialog in einem geschützten Raum ermöglicht. Fragen, die im Unternehmen nicht gestellt werden können, können hier gefahrlos gestellt werden. Junge weibliche Führungskräfte können über persönliche Wahrnehmungen sprechen, die ihnen Karriere erschweren. Seniore männliche Führungskräfte bekommen so einen Eindruck, welche Kriterien, Aspekte, Rahmenbedingungen in der Perspektive von Frauen entscheidend sind, um sich für Karriere und die Übernahme von beruflicher Verantwortung entscheiden zu können.

 

Cross Mentoring-Programme, die das Ziel „Mehr Frauen in Führung“ nachhaltig verfolgen, sollten daher neben den Mentees, vor allem auch die Mentorinnen und Mentoren, sowie Personaler und Personalerinnen in einen unternehmensübergreifenden Dialog bringen. Wenn dies gelingt, stellen Cross Mentoring-Programme eine herausragende Plattform dar, um nicht nur die einzelnen Teilnehmerinnen zu fördern, sondern auch um Impulse zur Organisationsentwicklung zu geben.

 

Autorin: Simone Schönfeld

 

 

 

 

 

 

 

Das Zitierte Werk „Cross Mentoring – Ein erfolgreiches Instrument organisationsübergreifender Personalentwicklung“ wurde von Michael E. Domsch, Désirée H. Ladwig und Florian C. Weber herausgegeben und ist im Springer Gabler Verlag erscheinen.

 

Mit diesem Beitrag haben wir an der Blogparade der Karrieremacher zu „Mentoring in Deutschland 2017″ teilgenommen.

Dr. Nadja Tschirner nimmt beim Thema Chancengleichheit auch die männliche Perspektive in den Blick:

Auch Männer wünschen sich mehr Gleichberechtigung

 

Und wie Chancengleichheit in Unternehmen tatsächlich gelebt wird, untersucht unser Benchmark 2016:

Flexible Arbeitswelten für Frauen und Männer – nur nicht auf den Topetagen

Neue Studie belegt Erfolg durch Mixed Leadership

Seit die Große Koalition im Jahr 2014 in den Koalitionsverhandlungen die Einführung der Frauenquote von 30% in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen vereinbart und 2015 schließlich verabschiedet hat, ist Deutschland gespalten in Für- und Gegensprecher der Quote. Das wohl häufigeste Gegenargument: Die Geschlechterregelung verhilft unqualifizierten Frauen zum Erfolg, während besser qualifizierte Männer das Nachsehen haben. Dass dieses Argument völlig haltlos ist, haben nun Wissenschaftler der London School of Economics and Political Science am Beispiel von Schweden gezeigt. So viel will vorab schon einmal gesagt sein: Genau das Gegenteil ist der Fall, die Frauenquote hebt das allgemeine Kompetenzniveau in gemischten Führungsteams!

 

Wie eingangs bereits erwähnt, hat die Frauenquote so manche Diskussion entfacht – mit dem allgemeinen Fazit: „Was bringt es überhaupt mehr Frauen in Führung zu haben?“. Damit ist auch immer die Frage verbunden, ob es nicht sinnvoller sein könnte, alles zu lassen wie es ist. Schließlich führt der angestrebte Kulturwandel erst einmal zu Verunsicherung. Wollen Frauen überhaupt führen? Was passiert mit den Männern, wenn mehr Frauen in Führung kommen? Was bedeutet es für das partnerschaftliche Miteinander von Frauen und Männern, wenn die Rollen nicht mehr so klar verteilt sind, im Sinne „er macht Karriere und sie kümmert sich um die Kinder“. Die Verunsicherung führt dazu, dass gerne auf Gewohntes zurückgegriffen wird, gerne auch auf bekannte Argumente.

 

Umso wichtiger ist es, dass den Fragen aus verschiedenen Perspektiven begegnet wird. Eine Perspektive ist die, sich anzuschauen, wer wie von dem Wandel betroffen sein wird. Eine Studie, die unter dem Dach der renommierten London School of Economics entstanden ist, hat nun gezeigt, dass sich vor allem die mittelmäßigen Männer warm anziehen müssen, wenn mehr Frauen in Führung kommen. Die Wissenschaftler Tim Besley (London School of Econimics), Olle Folke (Uppsala University), Torsten Persson (Stockholm University) und Johanna Rickne (Stockholm University) haben sich bei ihrer Erhebung auf die sozialdemokratische Partei in Schweden konzentriert, die sich freiwillig im Jahr 1993 auf eine interne Frauenquote einigte. Diese machte damals von sich reden als die “Krise des mittelmäßigen Mannes”, weil davon ausgegangen wurde, dass mit der Quote inkompetente Männer in Führungspositionen am meisten zu befürchten hätten. Und tatsächlich, die neue Studie belegt: Dort, wo sich die Quote am deutlichsten auswirkte, stieg auch die Qualifikation der männlichen Politiker und das allgemeine Kompetenzniveau. Im Durchschnitt sorgten zehn Prozent mehr Frauen für einen dreiprozentigen Anstieg der Anzahl kompetenter Männer. Bei den untersuchten Frauen der sozialdemokratischen Partei waren keine Kompetenzunterschiede vor und nach der Quote festzustellen – was belegt, dass es so oder so nur die Besten nach oben schaffen.

 

Ist doch eigentlich logisch, oder? Wenn hervorragende Frauen in Positionen vorrücken wollen, die bisher von Männern besetzt waren, erhöht sich natürlicherweise die Konkurrenz. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass mittelmäßige Männer, die vor der Quote durch gut funktionierende Buddy-Netzwerke oder der simplen Tatsache, dass Männer Männer bevorzugen, in Führungspositionen gelangt sind, mit der Quote schlechtere Karten haben. Daher kann man nicht erwarten, dass alle Männer große Freude beim Thema Frauenquote zeigen und sich Mythen um einen Qualifikationsabfall durch Mixed Leadership hartnäckig halten.

 

Die Forscher sind sich einig: die Ergebnisse aus der schwedischen Politik lassen sich auch auf Unternehmen übertragen. Aus unternehmerischer Perspektive betrachtet, müsste die Stoßrichtung daher klar sein: will das Unternehmen den Erfolg ausbauen, macht es Sinn auf die Besten zu setzen, und ein Indikator kann dafür nicht das Geschlecht sein, sondern ausschließlich eine gendersensible Auswahl der Potenzialträgerinnen und Potenzialträger, die darauf achtet, dass Männern nicht automatisch der Vorzug gegeben wird, weil wir alle stereotyp glauben, dass Männer die geborenen Führungkräfte sind.

 

Autorin: Dr. Nadja Tschirner, Geschäftsführerin von Cross Consult GbR

Die GEWOFAG engagiert sich aktiv für Mixed Leadership auf allen Führungsebenen

Die Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG, Münchens größte Vermieterin und Unterzeichnerin des Memorandums für Frauen in Führung, hat in die Räume ihrer Hauptverwaltung geladen. Zu Gast: Hochrangige Führungskräfte und weibliche Führungstalente aus acht Münchener Großunternehmen. Bei der Auswahl an geladenen Gästen möchte man/frau kaum glauben, dass ein Fünkchen Aufregung zu spüren ist. Doch die Mehrheit der Personen in diesem Raum kennt sich nicht und die meisten tun etwas Ungewohntes. Abseits von Hierarchien sind sie zusammengekommen, um sich auf Augenhöhe zu begegnen und den Start eines einjährigen Austauschs in Tandems und darüber hinaus einzuläuten.

 

An diesem Tag startet die 17. Runde des Cross-Mentoring München. Ein berührender Moment für Simone Schönfeld und Dr. Nadja Tschirner, die als Geschäftsführerinnen der Unternehmensberatung Cross Consult als eine der ersten in Deutschland die Bedeutung des Themas erkannten und das Programm bereits vor 16 Jahren initiierten. Seitdem haben sie fast 550 Tandems aus zahlreichen Münchener Unternehmen begleitet. Erstmalig gibt es in diesem Jahr einen zweiten Starttermin für das Cross-Mentoring München im Herbst – angeboten aufgrund der hohen Nachfrage seitens der Unternehmen. Ein Beweis, dass sich das Cross-Mentoring als DAS Instrument der Führungskräfteentwicklung und speziell des weiblichen Führungsnachwuchses durchgesetzt hat.

Doch was ist das Cross-Mentoring München eigentlich? Weibliche Führungstalente mit unterschiedlich langer Führungserfahrung werden mit dem Programm in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung gefördert. Ein Jahr lang steht den Führungsfrauen in einem Tandem jeweils ein Mentor bzw. eine Mentorin zur Seite. Das Besondere daran: Der/ Die Mentor/in kommt aus einem anderen Unternehmen. Begleitet werden die Tandems ein Jahr lang mit Rahmenveranstaltungen, Seminaren und Coachings.

 

Der Auftakt gab den frischgebackenen Mentees, Mentorinnen und Mentoren bereits einen ersten Ausblick auf das, was das Cross-Mentoring-Jahr für sie bereithält. Sehr anschaulich erzählt Agnieszka Sikorska vom Helmholtz-Zentrum München und ehemalige Mentee von ihren Erfahrungen: „Ich habe mithilfe meines Mentors eine unglaubliche Entwicklung durchlaufen. Sowohl auf persönlicher Ebene als auch als Führungskraft. Im Laufe der Zeit habe ich erkannt, dass es im Tandem nicht nur um die Tipps und Tricks bei der Führung von Mitarbeitern/innen geht, sondern, dass auch Emotionen eine Rolle spielen. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen ist wichtig, um die zahlreichen Anforderungen, die von verschiedenen Seiten an mich herangetragen werden, in eine gesunde Balance zu bringen und so eine gute Führungskraft zu sein.“ Auch Anja Kuchelmeister, ehemalige Mentee der BSH Hausgeräte, berichtet begeistert davon, wie sie durch die Zusammenarbeit im Tandem und den unternehmensübergreifenden Austausch mit anderen Programmteilnehmern/innen Einblicke in verschiedene Führungskulturen erhielt. Dies ermöglichte ihr, Herausforderungen und Prozesse im eigenen Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

 

Als Gastgeberin für die Auftaktveranstaltung des 16. Cross-Mentoring München setzte die GEWOFAG vor einem Jahr mit der Unterzeichnung des Memorandums für Frauen in Führung ein deutliches Zeichen für ihr Engagement, weibliche Führungstalente zu fördern. Die Teilnahme am Cross-Mentoring München lag dabei als handfeste Strategie zur Umsetzung des Ziels Mixed Leadership nahe: „Mit dem Cross-Mentoring können wir an einem attraktiven Format teilnehmen, um weibliche Führungskräfte in ihrer Laufbahn zu unterstützen und Frauen noch stärker für anspruchsvolle Aufgaben im Unternehmen zu gewinnen“, sagt Dr. Klaus-Michael Dengler, Sprecher der Geschäftsführung der GEWOFAG. Er selbst und zwei hochrangige Führungskräfte der GEWOFAG haben die Mentorenschaft für drei Mentees aus einem anderen Unternehmen übernommen. Ein Beweis für das Commitment für die Frauenförderung und das Programm seitens der GEWOFAG.

 

Die Entschlossenheit der Münchener Wohnungsbaugesellschaft, die eigene Führungsriege diverser zu gestalten, wird auch an den zahlreichen weiteren Angeboten deutlich, die sie für Ihre Mitarbeiter/innen bereithält. Um Beruf und Familie vereinbaren zu können, bietet sie Arbeitszeitmodelle wie Teil- oder Gleitzeit an, stellt Krippenplätze bereit und führt betriebliche Sozialberatungen durch. Anhand des im Rahmen des MFFs erhobenen Benchmarks zeigen diese Maßnahmen Effekte: Der Frauenanteil auf verschiedenen Führungsebenen bei der GEWOFAG steigt.

 

Welche weiteren Unterstützungsangebote die GEWOFAG auf dem Weg zu einer gendergerechten Arbeits- und Führungskultur im eigenen Unternehmen anbietet, erfahren Sie im Benchmark 2015.

Autorin: Sandra Szczesniak