Was ist eigentlich dieses „Talent“?

Niemand würde bezweifeln, dass Usain Bolt ein außergewöhnliches sportliches Talent ist. Nicht in allen Bereichen lassen sich Talente so eindeutig identifizieren und messen wie im Sport. Unternehmen können Bewerber schlecht im 100m-Lauf gegeneinander antreten lassen. Und doch sind „Talente“ für sie das „Must-have“ des Jahrhunderts und das Keyword für alle Anstrengungen der HR-Abteilungen. Die zentralen Herausforderungen sind dabei: Wie erkenne ich Talente, wie gewinne ich sie für mich, wie manage ich sie, wie entwickle ich sie weiter und wie binde ich sie langfristig an mein Unternehmen – und das alles unter den großen Insignien der Digitalisierung und Globalisierung? Allen voran bleibt die Frage zu klären: Was ist eigentlich dieses „Talent“? 

 

Das Memorandum für Frauen in Führung ist ein Zusammenschluss 18 namhafter Unternehmen, die sich gemeinsam den Anforderungen der Zeit stellen und sich gegenseitig dabei unterstützen, innovative, flexible, gendergerechte und damit attraktive und zukunftssichere Arbeitgeber zu bleiben. In diesem Jahr 2018 widmen sich die MFF-Unternehmen schwerpunktmäßig dem Thema „Talente“ und gehen in fünf Kompetenzforen eben diese Herausforderungen an. Ihre Antworten, konkrete Praxisbeispiele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse rund um diesen Themenkomplex, finden sich im Laufe des gesamten Jahres immer wieder hier auf dem Blog.

 

Begriffsklärung

 

Laut Duden ist ein Talent jemand, der ein Talent hat. Ein Talent ist eine Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen bzw. überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten Gebiet befähigt. Eine Begabung ist eine positive Eigenschaft, also eine Stärke. Sie ist angeboren und keine erlernte Fähigkeit, aber deshalb noch nicht automatisch eine Leistung, sondern das Potential zu einer überdurchschnittlichen Leistung. Dieses Potential schlummert im Verborgenen wenn es nicht adäquat gefördert wird – im Sport durch Training, auf musischem Gebiet durch Übung und im beruflichen Kontext durch entsprechende Praxiserfahrung. Eine lernförderliche Umgebung und die Bereitschaft, bzw. Motivation zur Förderung der Begabung wirken sich zusätzlich positiv auf das Leistungsresultat aus. Kommt eine der Komponenten über die Maßen zum Tragen kann sie einen Mangel auf anderer Ebene kompensieren. Im Sport bedeutet das beispielsweise, dass ein weniger begabter Sportler durch Fleiß und richtiges Training erfolgreicher abschneiden kann als ein hochbegabter Sportler, der weniger Arbeit investiert hat.

 

Talent = Begabung = Stärke
Talent + passende Förderung = überdurchschnittliche Leistung

 

Talente bzw. Stärken hat jeder, die meisten sogar mehrere. Sie lassen sich clustern in intellektuelle Begabungen (bspw. numerisch, logisch, sprachlich) und nicht-intellektuelle (musisch, sportlich, künstlerisch), aber sie können auch sehr individueller Natur sein und beispielsweise soziale wie emotionale Ebenen betreffen. Manche zeichnen sich schon in der Kindheit ab. Andere treten erst im Erwachsenenalter in Erscheinung. Wieder andere schlummern gänzlich im Verborgenen, weil sie nie die Chance hatten, sich bemerkbar zu machen. Häufig entdecken Eltern oder Lehrer bestimmte Begabungen an Kindern und arrangieren eine entsprechende Förderung.

 

Die Identifikation eigener Talente im Erwachsenenalter fällt dagegen oft schwerer, weil wir uns oft über unsere Schwächen ärgern und unsere Stärken als selbstverständlich hinnehmen anstatt sie als etwas Besonderes wahrzunehmen. Wissenschaftlich basierte Persönlichkeitstests von „Gallup“ oder „DISG“ finden seit Jahrzehnten große Verbreitung. Mittlerweile sollen zahlreiche Online-Tests bei der Identifizierung eigener Talente helfen.

 

Gefragte Talente

Talentsichtung und -findung ist nicht mehr ausschließlich im Spitzensport angesiedelt, sondern auch fester Bestandteil des Personalwesens in großen Unternehmen – und das nicht nur im Hinblick auf Toppositionen. Der Grund dafür ist, dass sich die Ansprüche an Mitarbeiterkompetenzen in Zeiten der Digitalisierung wandeln. Neu gefragte Kompetenzen, die vor zehn Jahren noch kaum Beachtung fanden, sind beispielsweise Social Media Intelligenz, Design Mindset, Virtual Collaboration, Working out Loud oder Resilienz. Auch die persönliche Wertehaltung, Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein oder Nachhaltigkeitsdenken werden für Unternehmen immer bedeutungsvoller. Fachwissen scheint dagegen immer mehr in den Hintergrund zu rücken.

 

Auf die Wissensgesellschaft folgt die Kompetenzgesellschaft

 

Warum das so ist? Weil durch den fortschreitenden Einzug des Internets in unseren Alltag, unsere Prozesse und unser gesamtes Leben sowie durch den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Wissen immer und überall verfügbar und abrufbar ist, deshalb an Wert verliert und sich darüber hinaus schnell überholt. Das heißt, für Mitarbeiter wird es immer weniger entscheidend sein, was sie wissen, sondern wie sie Wissen am effektivsten einsetzen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie hat bereits im Lehrplan an Schulen Niederschlag gefunden. Die reine Wissensvermittlung im Frontalunterricht wird abgelöst von Methodentraining, das darauf abzielt, Kompetenzen zu entwickeln – und zwar selbstständig und ein Leben lang, um in der sich schnell wandelnden Arbeitswelt handlungsfähig zu bleiben. Auf die Wissensgesellschaft folgt die Kompetenzgesellschaft, in der ein Großteil der heutigen Grundschüler in Jobs arbeiten wird, die aktuell noch nicht existieren.

 

Das macht es auch im Unternehmens-Recruiting schwerer, Talente und Potentialträger zu identifizieren, mit denen Unternehmen sich für die Herausforderungen der Zukunft wappnen. Mittels Einstellungs- und Intelligenztests lassen sie sich nicht mehr in Gänze ermitteln – schon gar nicht für noch nicht existente Jobs. Hinzu kommt, dass in Zeiten geringer Arbeitslosigkeit und hohen Fachkräftemangels oft zu wenige interessierte Bewerber zur Auswahl stehen, die untereinander verglichen werden könnten. Umso wichtiger wird es neben kreativem Arbeitgebermarketing und Personalmarketing 4.0, auch bei bestehenden Mitarbeitern verborgene Talente zu erkennen und sie immer wieder neu hinsichtlich aktueller Anforderungen zu scannen. Genau darüber tauschen sich MFF-Unternehmen beim ersten MFF-Kompetenzforum 2018 am 5. März aus. Unter dem Topic „Wie erkenne ich Talente in Zeiten der Digitalisierung“ berichten MFF-Unternehmen aus ihrer Praxis, formulieren Schwierigkeiten und gewähren sich gegenseitig Einblicke in Lösungsansätze. Sie wollen auch mit Ihrem Unternehmen dabei sein? Dann kontaktieren Sie uns unter info@mff-memorandum.de und werden Sie Teil unseres Netzwerkes. Wir freuen uns über neue Impulse!

 

Autorin: Julia Schmid

 

MFF-Unternehmen legen ihre Entwicklungen regelmäßig in einem gemeinsamen Benchmark offen. Hier geht`s zu den aktuellsten Ergebnissen:

Flexible Arbeitswelten für Frauen und Männer – nur nicht auf den Topetagen

Und hier erhaltet ihr Einblicke in die Arbeitgeber-Praxis der Bayerischen Versorgungskammer, die ebenfalls MFF-Unterzeichner ist:

„Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch“ – Vorstandsgespräch mit Daniel Just, BVK

“Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch” – Vorstandsgespräch mit Daniel Just, BVK

Zwei kleine Kinder jagen sich kreischend zwischen offenen Bürotüren hin und her. Dazwischen schlendert Daniel Just entspannt den langen Gang im siebten Stock eines modernen Bürokomplexes im Münchner Stadtteil Bogenhausen entlang. „Hier tobt das Leben“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Versorgungskammer gut gelaunt, begrüßt mit einem verbindlichen Handschlag, nimmt sofort die Jacke ab und überlässt mit einer weiten Armbewegung den Vortritt in sein Büro – ein Gentleman der alten Schule. Im einstündigen Gespräch, zu dem er auch die Gleichstellungsbeauftragte der BVK Susanne Obermaier eingeladen hat, erweisen sich lediglich seine Umgangsformen als „alte Schule“. Seine Arbeits- und Lebenseinstellung ist State of the Art. Im Interview mit dem Memorandum für Frauen in Führung legt der gebürtige Berliner seine Sichtweise auf flexibles Arbeiten, Frauen im Vorstand und Männern in Elternzeit dar und gibt dabei auch viel Privates preis. Transparenz in warmherziger und menschlicher Form ist ihm wichtig – „Dann haben auch meine Mitarbeiter das Gefühl, Mensch sein zu dürfen“, sagt Daniel Just und fügt hinzu: „Erst durch Individualität entsteht ein runder Mensch und dadurch wird er für mich wertvoll – wertvoll fürs Team und fürs gesamte Unternehmen.“

 

Es ist ein Wandel in der Gesellschaft zu spüren – jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist neben beruflichem Erfolg das Privat- und Familienleben sehr wichtig. Wie bewerten Sie diese Entwicklung aus Sicht der Unternehmensspitze?

Daniel Just: Ich habe vor der BVK lange in der Finanzbranche gearbeitet. Dort kamen junge Männer sehr früh nach oben, weil sie intelligent und ehrgeizig waren, gute Ausbildungen und Power hatten und sehr viel Kraft in ihre Arbeit legten, weniger ins Private. Aber es zeigte sich, dass sie auch schnell wieder rausfielen, weil sie an ihrer sozialen Kompetenz scheiterten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Führungskompetenz aus Lebenserfahrung und Zeit speist. Lebenserfahrung wird nicht durch den Job geprägt, sondern durch die Familie, Hobbies und Interessen. Wenn jemand – egal ob Mann oder Frau – seine Familie managt und dabei immer wieder flexibel und situationsbedingt agieren muss, lernt er wahnsinnig viel für Führungsaufgaben. Er kommt oft mit chaotischen Situationen besser klar als jemand, der morgens stressfrei den Tag mit einem servierten Kaffee und vorgelegten Unterlagen in seinem Büro startet. Ich finde, man sollte sich organisch entwickeln. Das ist viel nachhaltiger.

 

Wie waren Sie als Berufseinsteiger?

Ich war sehr ehrgeizig, habe zwei Fächer parallel studiert – BWL und Informatik – aber gemerkt, dass noch andere Dinge im Leben zählen. Vor allem während eines Auslandsjahrs in Portugal bei Sonne, Strand und Leichtigkeit habe ich gelernt, dass es einen wunderbaren Ausgleich zwischen Machen und Genießen gibt. Das war eine wichtige Erfahrung.

 

Wie haben Sie sich das beibehalten?

Ich habe viele Hobbies: reiten, kochen, an Oldtimern basteln, Bücher schreiben, Golf spielen. Wenn es der Terminkalender erlaubt, schaffe ich mir zwischen Phasen hoher Belastung auch meine Freiräume, verlasse das Büro früher oder arbeite im Homeoffice. Für jeden Mitarbeiter bzw. jede Mitarbeiterin erproben wir gerade den Flexitag. Und unsere Beschäftigten werden fürs mobile Arbeiten technisch ausgestattet. Die Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem ist bei der BVK ein wichtiger Baustein der Arbeitnehmerzufriedenheit und Kompensator für die geringeren Gehälter, die im öffentlichen Bereich gezahlt werden im Vergleich zur freien Marktwirtschaft.

 

Überspitzt gefragt: Haben Sie keine Angst mit dem offensiven Werben für hohen Freizeitwert die weniger ehrgeizigen Bewerber anzuziehen?

Das hat nichts mit Ehrgeiz zu tun, sondern mit Lebensphasen! Nehmen wir die Leiterin unseres Vorstandsreferats. Sie ist eine kompetente und ehrgeizige Mitarbeiterin, aber alleinerziehend mit zwei Kindern und gerade in einer Phase, in der sie ihre Konzentration auch auf Privates legen muss. In dieser Lebensphase braucht es mehr Flexibilität bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, und das stößt bei uns auf Verständnis. In ein paar Jahren werden die Kinder selbstständiger, dann kann sie sich noch mehr auf die Karriere konzentrieren. Schwerpunkte können sich bei jedem ganz schnell ändern – denken Sie an einen plötzlichen Pflegefall in der Familie. Ein/e Mitarbeiter/in, der dann Verantwortung übernimmt und sich dafür im Job einschränkt, ist doch ethisch viel wertvoller, als jemand, der nur sein Ding durchzieht. Wenn ich so jemanden die Tür zuschlage, gebe ich Potential keine Chance. Wenn ich ihm aber Wertschätzung entgegenbringe, bekomme ich wirklich viel zurück.

 

Würden Sie Ihren männlichen Potentialträgern raten, in der Lebensphase mit kleinen Kindern selbstbewusst in Elternzeit oder Teilzeit zu gehen?

Wer als Mann bei der BVK als Referatsleiter oder Abteilungsteiler sagt: ich nehme mir Elternzeit und nehme das nicht im Minimum, sondern teile das gleichermaßen mit meiner Frau, ist nicht stigmatisiert. Wir haben mittlerweile auch einige Männer in Führung, die in Teilzeit oder im Homeoffice arbeiten, um sich in die Kindererziehung einzubringen – was für mich ein noch größerer Gradmesser der Gleichstellung ist als wenn das eine Frau macht.

Als bei mir das Thema Familienplanung aktuell war, wäre das noch nicht möglich gewesen. Aber ich hätte es trotzdem gemacht und werbe auch jetzt dafür, dass jeder selbstbewusst seinen eigenen Lebensplan verfolgen soll. Mein persönlicher Plan sah so aus: Meine Frau wollte gerne erst ihre Professur haben – sie ist eine von zwei Frauen unter 50 Professoren für Molekularbiologie – und sich dann dem Kinderkriegen widmen. Sie wäre danach relativ schnell zurück auf ihre Professur gegangen und ich hätte die Kinderbetreuung übernommen. Ich war damals Kapitalvorstand bei der BVK. Mir war klar, dass mich keiner mehr für voll nimmt, wenn ich als Mann in Babypause gehe. Deshalb wäre ich ausgestiegen, hätte mich erst mal ein paar Jahre darauf konzentriert und dann versucht in die Politik zu gehen. Wer weiß, vielleicht hätte mir die Kombination aus Finanz-Background und Hausmann ein paar Wählerstimmen eingebracht. Leider war uns dieses Glück nicht vergönnt. Meine Frau hat ihre Professur letztendlich zu spät für die Kinderplanung bekommen. Danach hat es mit den Kindern nicht mehr geklappt. Diese bittere Pille mussten wir für unsere Karrieren schlucken.

 

Gerade auf Topetagen ist die Vereinbarkeit von Kind und Karriere für Frauen immer noch schwierig und ein Grund dafür, warum es immer noch nicht viele Frauen bis nach ganz oben schaffen. Auch bei Ihnen…

Wir sind ein traditionelles Unternehmen. Wir haben das „Memorandum für Frauen in Führung“ unterschrieben, wir haben ein Positionspapier „Mixed Leadership – für mehr Frauen in Führung“ verabschiedet – wir wandeln uns, aber es braucht Zeit. Wenn wir aktuell auf den BVK-Vorstand blicken: nur Herren. Eine Ebene darunter, Bereichsleitung: nur Herren – bis auf eine Dame in der Stellvertretung, Frau Draws. Eine Ebene darunter, Abteilungsleitung: ja, da kommen dann vereinzelt Damen vor. Auf Referatsleiterebene haben wir bereits einen repräsentativen Frauenanteil. Und wenn wir auf unsere aktuellen Berufseinsteiger schauen: 11 Neuankömmlinge, 10 davon sind Frauen. So. Das steht exemplarisch für unsere Neueinstellungen, weil Frauen früher reif werden, die besseren Noten haben, in den Vorstellungsgesprächen besser rüberkommen und ihre Kraft auf die Straße bringen. Dieses Potential wird sich mit etwas Geduld bis nach oben arbeiten.

 

Kann das eine Quote beschleunigen?

Ja, mit Sicherheit. Ich habe vor kurzem ein kluges Statement dazu gehört: Man sollte eine Frauenquote von Minimum 30% einführen und wenn diese erreicht ist, sofort wieder abschaffen. Denn es braucht Seilschaften und Netzwerke, um nach oben zu kommen. Wenn diese auch für Frauen installiert sind, verselbständigen sie sich von selbst und brauchen keine Quote mehr.

 

Warum gibt es dann noch keine Quote bei der BVK?

Das hängt mit unserer Struktur zusammen. Die BVK ist mitgliederverwaltet. Blicken wir auf unsere Gremien – beispielsweise die Apothekerversorgung – dann sitzen da zu 80% Männer, obwohl die Geschlechterverteilung von Apothekerinnen und Apothekern genau umgekehrt ist. Und diese Männer sind das gewohnt, sie kennen es nicht anders und finden es auch gut so, wie es ist. Auf dieser Grundlage gestaltet sich eine Quotendiskussion etwas schwierig. Diese Schale gilt es aufzubrechen und Modelle im Einzelnen zu schaffen, bei denen wir sagen können: Schaut her! Es funktioniert doch!

 

Welchen Beitrag kann die BVK dafür konkret leisten?

Viele gute junge Frauen gehen bei uns beruflich einen vielversprechenden Weg bis sie in das Alter der Familiengründung kommen. Wenn sich die meisten Frauen dann bewusst für eine traditionelle Rollenverteilung entscheiden und zur mir sagen, sie möchten erstmal zu Hause bleiben und den Mann in die Arbeit schicken, dann kann ich sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Und das möchte ich auch nicht. Aber unsere Aufgabe muss sein, die Brücke zu schlagen. Zum einen müssen wir in der Zeit, in der sie nicht arbeitet, den Kontakt halten und sie immer wieder einbinden. Danach müssen wir ihr flexible Angebote für die Rückkehr machen sowie ihr Vertrauen entgegenbringen und sagen: in der Zeit, in der du deine Familie gemanagt hast, hast du für das Thema Führung viel gelernt, wir zählen auf dich! Wenn sie dann wieder an Bord ist, ist noch nichts verloren.

Und meine Botschaft an Frauen ist: Traut euch! Ich habe den Eindruck – [sein Blick geht zur Gleichstellungsbeauftragten der BVK] Frau Obermaier, Sie können das besser beurteilen – dass Männer risikofreudiger sind und sich selbstbewusster neuen Herausforderungen stellen. Ich hatte auch vor jedem Karriereschritt Zweifel, ob ich das schaffe. Aber ich habe mich einfach rein gestürzt, habe Fehler gemacht, daraus gelernt und war dann schon irgendwann der Aufgabe gewachsen. Männer haben manchmal keine Ahnung, aber machen einfach.

 

Susanne Obermaier: Ich finde, die Zurückhaltung und Bedachtheit von Frauen ist eine sehr hilfreiche Eigenschaft, die in der Arbeitswelt völlig verkannt wird! Ja, Frauen sind nicht so risikofreudig. Aber was die Risikobereitschaft der Männer bringt, hat uns die Bankenkrise gezeigt. Untersuchungen haben ergeben, dass es nicht so weit gekommen wäre, wenn mehr Frauen das Sagen gehabt hätten. Eine Arbeitswelt, die mehr Schein als Sein belohnt, ist meines Erachtens Vergangenheit und nicht Zukunft.

 

Daniel Just: Das ist richtig. Die Ergänzung aus beiden Komponenten bringt den Erfolg. Wahrscheinlich arbeite ich deshalb so gerne mit Frauen zusammen.

 

Welche Visionen haben Sie in Bezug auf die zukünftige Arbeitgeberattraktivität der BVK?

Was ich bei der BVK im Vergleich zur Finanzwirtschaft sehr gut finde: Der Unterschied zwischen dem Gehalt einer Sekretärin und eines Vorstands ist nicht so groß. Deshalb haben wir ein viel stärkeres Wir-Gefühl und Verständnis füreinander. Klar muss Leistung honoriert werden, aber nicht ad absurdum – da sind die Banken zu weit gegangen, das haben wir bei der Finanzkrise gesehen. Bescheidenheit und Balance ist ein großer Vorteil, der für die Kammer als Arbeitgeber der Zukunft spricht.

Hinzukommt, dass wir nicht von einem anderen Konzern übernommen werden können und nicht so stark im Wettbewerb stehen. Wir können aus der Ruhe heraus eine Kraft entwickeln und müssen nicht jeder Mode hinterherlaufen, nur damit wir sexy sind. Wenn von oben alle zwei Jahre eine Restrukturierung angeordnet wird, entsteht durch die Neuorganisation auch immer ein hoher Kraftverlust bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir hingehen fahren einen Rhythmus des Wandels, der dem Menschen viel näher ist. Wenn man sich zu wenig bewegt, driftet man ab und wird langweilig. Wenn man sich zu viel bewegt, begeht man die gleichen Fehler wie andere. Diese Balance zu halten, das ist die Kraft der BVK – und die ist enorm an dieser Stelle!

 

Interview: Julia Schmid

 

In diesem Beitrag erzählt Christine Draws, oberste Führungsfrau der Bayerischen Versorgungskammer, mit welchen besonderen Herausforderungen Frauen in exponierter Position konfrontiert werden:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

 

In diesem Interview mit Dr. Maike Kolbeck, Referatsleiterin bei der Bayerischen Versorgungskammer, geht es um die Vereinbarkeit von Kind und Karriere:

Mutmacher.in für Karriere und Familie

 

Wie ein Senior Manager bei der Unternehmensberatung KPMG seine Elternzeit erlebt hat, erfahrt ihr hier:

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“