Karriere-Talk mit Stephanie Vischer, LBS Bayern

Vor fünf Jahren haben wir Stephanie Vischer zum ersten Mal für das Memorandum für Frauen in Führung interviewt. Es ging um das Thema „Dual Career“ – wie sie und ihr Mann es schaffen, zwei Karrieren und die Familie miteinander zu vereinbaren (Interview mit Stephanie Vischer 2012). Sie ist Abteilungsleiterin Objektmanagement bei der Bayerischen Landesbausparkasse (LBS Bayern), er Abteilungsleiter in der Baustoffindustrie. Auf das Powerpaar wurden wir 2009 aufmerksam, als Stephanie Vischer an unserem Cross-Mentoring Programm für Führungskräfte teilnahm. Ihre Verantwortung im Unternehmen ist seitdem gewachsen, ihr Sohn auch. Jetzt haben wir nachgefragt: Wie hat sich das Familienleben eingespielt? Funktioniert es auf Dauer wirklich, wenn beide Karriere machen wollen? Und was sagt sie rückblickend über ihre schnelle Rückkehr aus der Elternzeit in die Führungsposition? Das erfahrt ihr in unserem Interview.

 

Was hat sich in den letzten fünf Jahren beruflich bei Ihnen getan?

Meine Position hat sich verändert. Mit der Fusionierung zweier Abteilungen verantworte ich nun das gesamte Immobilien Management der LBS Bayern.

 

Ein Aufstieg als junge Mutter – nun wieder in Vollzeit?

Nein, in 80%. Ich habe am Dienstag frei und am Donnerstag arbeite ich im Homeoffice. Wenn es betrieblich nötig ist, tausche ich auch manchmal, aber in der Regel klappt das so ganz gut.

 

Und es bleibt wirklich bei 80%?

Ich gebe zu, ich mache sehr viel! Ich pendle von Augsburg nach München und arbeite häufig im Zug. Konzepte oder Unterlagen lesen sind Themen, die finden außerhalb des Büros statt. Das kommt zu den 80% nochmal on top. Aber eine Führungskraft in Vollzeit arbeitet meistens auch mehr als 100%.

 

Und das funktioniert für die ganze Familie?

Ja, sogar ziemlich gut. Zumal mein Mann viel von zu Hause aus agieren kann. Wir haben uns die Kinderbetreuung aufgeteilt: 2 Tage ist er zuständig, 2 Tage bin ich zuständig, 1 Tag managen wir in Abstimmung. Morgens läuft alles gemeinsam. Mein Mann kann sich seine Termine weitestgehend selbst einteilen und so koordinieren, dass er ebenfalls unseren Sohn vom Kindergarten abholen kann. Wenn wir beide Termine haben dann springen Freunde oder Nachbarn ein.

 

Klingt nach einer mehr als fairen Aufteilung.

Von Anfang an war klar, dass ich gerne im Beruf bleiben möchte – weniger wegen der Karriere, sondern mehr, weil ich die Abwechslung brauche. Und wir haben uns überlegt, wie wir das gemeinsam auf die Beine stellen können. Seitdem sitzen wir einmal in der Woche zusammen und besprechen die Termine der Folgewoche.

 

Eine sehr durch getaktete Woche. Wird Ihnen das nie zu viel?

Man muss aufpassen, das stimmt. Ich komme immer wieder in Situationen, in denen ich unter enormen Druck stehe und mir selbst Grenzen setzen muss. Wenn ich merke, dass ich sehr unter Strom stehe, versuche ich zum Beispiel am Abend oder im Zug nicht zu arbeiten, sondern abzuschalten. Manchmal sagt auch mein Mann: Du pass auf, jetzt ist wieder Familie dran.

 

Was ist die größte Herausforderung für Sie als Mutter mit Karriere?

In jedem Abschnitt um die Kinderbetreuung zu kämpfen. Es war schwierig, einen Krippenplatz zu bekommen. Als ich im 4. Monat schwanger war, habe ich mich bereits um Krippenplätze beworben. Bei den städtischen Krippen habe ich Absagen bekommen und musste eine private Einrichtung nehmen – die zwar sehr gut, aber natürlich auch nicht günstig ist. Einen Kindergartenplatz in der Nähe zu bekommen war auch wieder ein Kampf. Und jetzt der Hortplatz mit Ferienbetreuung für die Schulzeit…

 

Haben Sie sich jemals dafür rechtfertigen müssen, ihr Kind viel extern betreuen zu lassen?

Nein, da in unserem Umfeld viele Familien in der gleichen Situation sind. Eher umgekehrt: manchmal gibt mir die Reaktion von Kollegen das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, wenn ich meinen freien Tag habe oder im Homeoffice bin.

 

Wie ist es um Ihre Work-Life-Balance bestellt?
Vor einem halben Jahr habe ich festgestellt, dass es nicht mehr passt, dass ich an meine belastbare Grenze komme und habe deshalb mit meiner Bereichsleitung gesprochen. Wir haben in vielen Gesprächen Lösungen gefunden und haben unter anderem entschieden, meine Abteilung Umzustrukturieren und mein Team aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Themen mit zusätzlichen Mitarbeitern aufzustocken.

 

Sie haben überhaupt keine Angst vor negativen Folgen für die Karriere, wenn Sie offen kommunizieren, dass es Ihnen zu viel wird?

Ich wollte noch nie Karriere um jeden Preis machen, daher hatte ich nie Angst etwas verlieren zu können. Mich reizen spannende Aufgaben. Und die wird es immer geben – egal in welcher Position.

 

Was muss der Arbeitgeber leisten, um Top-Frauen mit Kind wie Sie in einer Führungsposition zu halten?

Flexible Arbeitsmodelle sind wichtig. Aber auch, dass man offen für Gespräche ist und so wie bei mir gemeinsam nach Lösungen sucht. Wenn da keine Führungskraft ist, die einen unterstützt und hinter einem steht, funktioniert es sicher nicht.

 

 Viele denken, Kind und Karriere bei beiden Partnern sei nicht möglich…

Mein Mann und ich sind der beste Gegenbeweis. Aber es ist sicher nicht jeder dafür gemacht. Es gehört eine gewisse Belastbarkeit dazu, extreme Organisation. Und ein Partner auf Augenhöhe, der damit umgehen kann. Der Haushalt ist geteilt, die Kinderbetreuung ist geteilt. Das ist reine Einstellungssache, aber es müssen halt beide mitziehen. Und ja, es ist eine Belastung. Sicher wäre es entspannter, wenn ich nur am Vormittag arbeiten würde. Aber dann wäre ich nicht zufrieden – das weiß auch mein Mann.

 

Ein LBS-Kollege hat in unserem Interview Frauen zu mehr Kalkül in der Lebensplanung geraten. Haben auch Sie sich schon nach dem Studium nach einem familienfreundlichen Arbeitgeber umgesehen?

Wir waren schon sehr lange verheiratet und konnten uns immer noch nicht entscheiden, ob wir ein Kind wollen oder nicht. Von daher war das für mich lange kein Thema. Aber zum Kalkül: ich glaube, es hilft als Frau zielgerichtet an das Thema Elternzeit ran zu gehen und die Rückkehr genau festzulegen. Ich habe schon vor dem Mutterschutz einen Vertrag unterzeichnet, wann und mit wie viel Prozent ich wieder einsteige. Ich finde es immer fatal, zu sagen: ich geh jetzt mal für ein oder zwei Jahre in Elternzeit. Ich beobachte, dass viele den Weg zurück nicht mehr finden bzw. finden wollen oder zumindest nicht mehr in dem Umfang. Frühere Abteilungsleiterinnen oder Mitarbeiterinnen mit Projektverantwortung sind jetzt in einfacheren Aufgaben unterwegs. Das finde ich schade.

 

Wie ging es Ihrem Mann mit der Beantragung von Teilzeit in Elternzeit?

Das ist ein wichtiges Thema. Der Fokus wird immer sehr auf die Frau gelegt, Kind und Karriere vereinbaren zu können. Mein Mann hat damals genau wie ich einen Antrag auf zwei Jahre Teilzeit in Elternzeit gestellt und für seine Firma war es ein komplett neues Thema, dass ein Mann diesen Weg geht. Obwohl es sich um ein großes Unternehmen handelt, das sich ebenfalls mit Leitlinien zu Beruf und Familie befasst. Es besteht generell noch großer Entwicklungsbedarf, dass Männer die gleichen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Kind und Karriere bekommen wie die Frauen.

 

Hatte Ihr Mann dadurch Karriere-Nachteile?

Nein. Aber der Weg dahin war schwer und hat viel Mut gefordert. Wir sind das Risiko eingegangen und haben gesagt: Wenn es nicht klappt, dann bleibt er komplett zu Hause und wir leben von meinen 70%. Und im Endeffekt lief für uns und auch für die Firma meines Mannes alles super. Mein Mann hat sogar nach 2 Jahren wieder auf 100% aufgestockt, weil wir gemerkt haben, dass alles sehr gut funktioniert.

 

Würden Sie im Rückblick etwas anders machen?

Natürlich fragt man sich, ob man genügend Zeit mit dem Kind verbringt. Darauf habe ich die Antwort noch nicht gefunden – sage ich ganz ehrlich. Ich habe schon das Gefühl, dass ich alles Wichtige in seinem Leben miterlebe, gerade durch meinen freien Tag und Homeoffice. Auch durch meinen Mann, der mir alles im Detail erzählt. Ich sehe es eher so: Ich nutze dafür die Zeit, die ich mit meinem Sohn habe intensiver.

 

Möchten Sie bald wieder auf 100% erhöhen?

Nein – es passt im Moment genauso wie es ist. Mit dem aktuellen Arbeitsmodell können ich und mein Mann Familie und Beruf sehr gut in Einklang bringen.

 

Interview: Julia Schmid

 

Über die LBS Bayern: Die Bayerische Landesbausparkasse verhilft seit über achtzig Jahren breiten Bevölkerungsschichten in Bayern zum Erwerb und Erhalt von Wohneigentum. Als Bausparkasse der Sparkassen ist die LBS Bayern überall im Freistaat präsent und sorgt unter dem Leitmotiv „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause“ dafür, dass jeden Tag neue Grundsteine für die eigenen vier Wände gelegt werden. Die LBS Bayern ist mit 1,6 Millionen Kunden die führende Bausparkasse in Bayern. 716 Mitarbeiter arbeiten im Innendienst, 635 im Außendienst. Mit der Unterzeichnung des “Memorandums für Frauen in Führung” strebt die LBS Bayern eine ausgewogene Beteiligung von Frauen und Männern in Führung an.

 

Ein weiteres Interview mit einem LBS-Mitarbeiter zum Thema “Männer in Elternzeit” findet ihr hier.

Und das ist das Interview mit Stephanie Vischer von vor 5 Jahren: Interview mit Stephanie Vischer 2012

Gleichstellungsbericht: Wer ist schuld am Ungleichgewicht?

Es hat sich bei der Gleichstellung von Frau und Mann in den letzten 6 Jahren etwas getan – wenn auch nicht viel und vor allem zu wenig. Das ergab der zweite Gleichstellungsbericht, der von der Bundesregierung vorgelegt und diesen Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurde. Die Ergebnisse in Kürze: An der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen hat sich kaum etwas geändert – der Gender Pay Gap beträgt nach wie vor 21%. Noch deutlicher die Unterschiede bei der Rente: 2015 bezogen Frauen in Deutschland eigenständige Rentenleistungen, die um 53 Prozent geringer waren als die der Männer. Dafür leisten Frauen eineinhalb Mal so viel unbezahlte Sorgearbeit (Kinderziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit) – ein tägliches Plus von 87 Minuten.

 

Seit Erscheinen des Berichts wird in den Medien und Sozialen Netzwerken über die möglichen Gründe heiß diskutiert, die Schuldigen sind meist schnell gefunden: die Cappuccino-Mütter (Spiegel-Online), Frauen, die die falschen Berufe wählen (FAZ), das System allgemein… Wer oder was ist denn nun wirklich schuld? Das fragen wir in unserem Interview MFF-Initiatorin Dr. Nadja Tschirner. Die Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Cross Consult blickt neben einer Wissenschaftskarriere in der Geschlechterforschung auf eine langjährige Beratungstätigkeit im Bereich Frauen in Führung, Mixed Leadership, Talentmanagement und Organisationsentwicklung zurück.

 

Das Spiegel Online-Interview zum zweiten Gleichstellungsbericht titelt Cappuccino-Mütter sind eine Gefahr für die Gleichstellung”. Haben wir damit die Schuldigen gefunden?

Ich finde es völlig unpassend, Frauen, die sich für ein bestimmtes Lebensmodell entschieden haben, zu verurteilen. [In diesem Fall sind Frauen gemeint, die bei ihren Kindern zu Hause bleiben oder Teilzeit arbeiten und das als selbstgewähltes Lebensmodell verteidigen, anstatt „auf die Strukturen zu gucken, die dazu führen“ – A.d.R.] Die Frage ist ja nur warum sie sich so entscheiden. Arbeitszeiten und Präsenzforderungen der Unternehmen machen es nach wie vor schwer, Beruf und Familie zu vereinbaren. Vor allem wenn man gut ausgebildet auch noch den Wunsch hat, beruflich erfolgreich zu sein, muss man schon eine gehörige Portion Energie mitbringen und bereit sein, wenig Zeit mit den Kindern zu verbringen und überhaupt keine Zeit mehr für sich zu haben. Wenn dann noch die Organisation der Kinderbetreuung hinzukommt, da man wieder mal keinen Kita-Platz bekommen hat, dann habe ich erst einmal Verständnis dafür, dass Frauen zögern, ob sie sich das weiterhin antun wollen. Schweren Herzens reduzieren viele dann auf Teilzeit, obwohl sie wissen, dass sie sich damit von jeglicher Karriereoption abschneiden. Wir dürfen auch nicht die noch tiefgründigeren Faktoren vergessen, die zu diesen Entscheidungen führen – wie etwa die Sozialisation. Im Westen hat sich über Jahrzehnte das schlechte Gewissen verankert, wenn man sein Kind in die Kita bringt. Das gab es im Osten gar nicht. Warum soll das bei allen Frauen von heute auf morgen wie weggeblasen sein? Vor allem, wenn es ihnen – und das ist ein zweiter wichtiger Punkt – von ihren Müttern (und damit den wichtigsten Vorbildern in Sachen Kindererziehung) nicht anders vorgelebt wurde. Häufig redet noch die eigenen Mütter dagegen, wenn die erwachsene Tochter als frisch gebackene Mutter damit hadert, wieder Vollzeit arbeiten zu gehen.

 

Also sind die Omas Schuld?

Niemand ist schuld. Denn es ist komplett normal, dass diese Generation das eigene Lebensmodell verteidigen muss. Aber ja, damit sich bei den jungen Müttern etwas ändert, müssten auch alle Großmütter kollektiv aufstehen und ihre Töchter beim Karrierewunsch unterstützen.

 

Und wie sind Männer in dieser Hinsicht sozialisiert?

Der Mann orientiert sich unterbewusst logischerweise am eigenen Vater. Er macht deshalb keine schlechtere Erziehungsarbeit oder ist weniger für die Kinderbetreuung geeignet. Er hat aber eher dieses Bild im Kopf: Der Vater kommt von der Arbeit nach Hause, lässt alles stehen und liegen und konzentriert sich noch ein paar Stündchen auf das Kind, bevor es ins Bett geht. Das ist eine schöne Vorstellung vom Vatersein, die man den Vätern nicht übelnehmen kann. Zum Glück gibt es aber immer mehr junge Männer, die sich auf dieses Vaterbild nicht beschränken lassen wollen. Denn der Gleichstellungsbericht zeigt ja auch, dass immer mehr Väter Elternzeit nehmen. Wenn sich auch viele noch auf zwei Monate beschränken – weil ihnen im Unternehmen ein starker Wind entgegenbläst, weil der Mut Neues zu wagen noch nicht gewachsen ist usw. – so ist zumindest mal ein Anfang gemacht. Überhaupt sollten wir unser Augenmerk auf die kleinen Pflänzchen richten, anstatt immer damit zu hadern, dass der Baum noch nicht so groß ist wie wir ihn gerne hätten. Bekanntlich braucht Wachstum Zeit.

 

Als weiterer Grund für die kurze Elternzeit der Väter werden oft  finanzielle Aspekte genannt…

Und hierin besteht das größte Problem: Meistens – Gleichberechtigung in der Partnerschaft hin oder her – ist die Rollenaufteilung doch eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Frauen wählen oft Berufe/Studiengänge, die später nicht so lukrativ sind. Nach der Heirat sind sie durch das Ehegattensplitting steuerlich sowieso in der schlechteren Klasse. Wenn es darum geht, wer reduziert mit Kind die Arbeitszeit, dann zieht die Frau den Kürzeren, weil sie weniger zum Einkommen beitragen kann. Hinzu kommt die teure Kinderbetreuung, die das Arbeiten für die Frau gar nicht erst lukrativ macht.

 

Diesen Argumenten hat der FAZ-Autor Christoph Schäfer mit folgenden Punkte in seinem Kommentar “Gender-Gejammer” gekontert:

Es wird in Deutschland kein junger Mensch gezwungen, die Weichen auf einen schlecht bezahlten Beruf zu stellen. / Es gibt keinen Zwang zu heiraten. / Es gibt keinen Zwang, Kinder zu bekommen. / Es gibt keinen Zwang, sich die Arbeit mit dem Partner nach der Geburt so aufzuteilen, dass ausschließlich die Frau ihre Erwerbsarbeit reduziert.

Schlechte Argumente – als würde es nur um das persönliche Glück gehen! Wenn es all diese Zwänge tatsächlich nicht gäbe, oder sich niemand den Konventionen beugen würde, würde unsere Gesellschaft aussterben und das komplette Sozialsystem zusammenbrechen. Wo möchten wir Deutschland in Zukunft sehen? Wir investieren so viel Geld in Bildung. 59 % derer, die eine Studienzugangsberechtigung erhalten, Frauen. 46% der Promotionen werden heute von Frauen erreicht. Und diese Investitionen macht sich Deutschland dann wieder selbst zu Nicht, wenn eben diese top ausgebildeten Frauen in ihrem Berufsweg systematisch benachteiligt werden. Sollten wir nicht vielmehr dafür sorgen, dass Hürden abgebaut werden, die Frauen daran hindern, ihre Kompetenzen umfassend einzubringen?

 

Und zum Thema Frauen sind selbst schuld, wenn sie die falschen Berufe wählen: Alle Ansätze, Frauen in MINT-Berufe zu locken, schlagen fehl, weil MINT-Unternehmen keine Vision von Ingenieurinnen mit Kind und Karriere präsentieren. Weil sie um Kompetenzen werben, in denen vor allem Männer ihre Stärken sehen und Frauen sich weniger angesprochen fühlen. Einige Unternehmen haben längst erkannt, dass sie langfristig auf Frauen setzen müssen.

 

Die Maßnahmen können vielfältig sein, wichtig ist, dass ein Veränderungsprozess in den Blick genommen und angestoßen wird, der nicht nur punktuell ansetzt (z.B. nicht nur Frauencoachings), sondern alle veränderungsrelevanten Stellschrauben in den Blick nimmt (die Unternehmensführung, die -kultur, -angebote, aber auch alle männlichen Mitarbeiter beim Prozess mitnimmt). Dieser Herausforderung stellen sich die 18 Unterzeichner-Unternehmen des Memorandums für Frauen in Führung. Sie haben sich unter einem Dach zusammengeschlossen, um mehr Frauen in Führung zu bringen und dafür einen selbst erarbeiteten 15 Punkte-Plan unterschrieben, der Verpflichtungen auf allen betroffenen Themenfelder beinhaltet.

 

Interview: Julia Schmid

Karriere-Talk mit Ulrike Kümmerle, BSH

Vier Monate nach der Geburt des Kindes zurück in den Job? Das klingt nach einer großen Herausforderung. Ulrike Kümmerle ist Head of Corporate Finance bei der BSH Hausgeräte GmbH und hat genau diese Herausforderung gleich zwei Mal erfolgreich gemeistert. Unterstützt hat sie dabei unter anderem ein überaus flexibles Teilzeitmodell ihres Arbeitgebers. Wie das genau aussah, erzählt die zweifache Mutter in unserem Karriere-Talk.

 

Frau Kümmerle, würden Sie uns bitte kurz erzählen, wie Sie es schaffen, Familie und Beruf zu vereinbaren?

Nach der Geburt meines ersten Kindes hat es mir das Gleitzeitmodell ermöglicht, relativ schnell und zunächst in geringer Teilzeit wieder auf meine Stelle zurückzukehren. Nach gelungener „Probezeit“ habe ich meine Arbeitszeit in kurzer Zeit sukzessive auf 85 Prozent erhöht.

 

Wie lange haben Sie sich selbst unter „Probezeit“ gestellt und was waren die größten Herausforderungen in Ihrer Wiedereinstiegsphase?

Mir wurde in meiner Anfangsphase mit 15 Stunden pro Woche nach ca. drei Monaten klar, dass ich meine Arbeitszeit erhöhen kann und sollte. In mehreren Schritten – und da war ich der Personalabteilung sehr dankbar für die Flexibilität – habe ich dann auf 30 Stunden in der Elternzeit, später auf 34 Stunden und inzwischen wieder auf Vollzeit erhöht. Die größten Herausforderungen am Anfang waren sicher, das schlechte Gewissen nicht beidem, Familie und Beruf zu 100% gerecht zu werden, das Bewusstsein auf einmal nicht mehr zeitlich flexibel zu sein und natürlich die Müdigkeit…

 

Welche Rolle spielt/e die Mentalität Ihres Arbeitgebers für die Vereinbarkeit von Karriere und Familie?

Das Vertrauen meines damaligen Vorgesetzten sowie die grundsätzliche Offenheit der BSH zum Thema Führung in Teilzeit haben mich sicher ermutigt. Entscheidend war jedoch der Spaß an meiner Arbeit.

 

Hat sich das Modell auch bei Ihrem zweiten Kind bewährt?

Auf jeden Fall! Mein Vorgesetzter und meine Familie haben mich von Anfang an in meinem Vorhaben unterstützt, rasch in meine Position zurückzukehren. Manche Kollegen mussten sich zunächst an die Machbarkeit des Konzeptes gewöhnen. Es wurde jedoch schnell für alle zur Normalität. Die guten Erfahrungen dieser Jahre in Teilzeit haben es mir ermöglicht, jetzt wieder eine neue Führungsposition in Vollzeit auszuüben.

 

Wie sah Ihr Konzept konkret aus? Haben Sie von zu Hause weitergearbeitet und waren an Nicht-Bürotagen trotzdem erreichbar, oder haben Sie Büro- und Familienzeit strikt getrennt?

Ich habe anfangs zwei Tage im Büro und den Rest zuhause gearbeitet. Als die Kinderbetreuung jedoch eingespielt war, bin ich auf vier Tage Büro und einen Home Office Tag gewechselt. Inzwischen trenne ich Büro und Familienzeit möglichst und weiche nur in Ausnahmen in das Home Office aus. Das funktioniert in meinem Fall am besten. Hier sollte aber jeder flexibel sein dürfen.

 

Nach Ihren Erfahrungen – welche Tipps können Sie Frauen in ähnlichen Situationen geben?

Nach meiner Erfahrung war es wichtig, dass ich schon nach vier bzw. fünf Monaten wieder in meinen alten Job zurückgekehrt bin und von dort meine Karriere ausbauen konnte. Es klingt vielleicht hart, aber eine Auszeit von einem Jahr oder mehr bedeutet im beruflichen Kontext einfach oft einen Rückschritt, den man erst wieder aufholen muss. Deshalb rate ich den Frauen hier mutig zu sein, wenn es sich privat organisieren lässt. Desweiteren sollte mittelfristig eine Teilzeit mit mindestens 25-30 Wochenstunden angestrebt werden, denn nur so qualifiziere ich mich für verantwortungsvolle Jobs.

 

Interview: Julia Schmid

Karriere-Talk mit Marianne Both, BSH

Als Marianne Both auf der herCAREER von ihrem Jobwechsel nach der Elternzeit berichtet, bildet sich eine Menschentraube. Marianne Both ist Referentin im Bereich Corporate Innovation and Product Extension bei der BSH Hausgeräte GmbH. Sie begeistert ihre Zuhörerinnen nicht nur mit ihrer Geschichte, sondern auch mit ihrem Mut und ihrer lockeren Art. Am Ende des „KarriereMeetups“ hat sie es geschafft, jede Mutter davon zu überzeugen, dass ein Kind nicht das Ende einer Karriere bedeuten muss. Manchmal kann es sogar der Anfang für Neues sein. Mehr dazu in unserem Karriere-Talk:

 

Frau Both, wie kam es zu der Entscheidung, nach der Elternzeit den Job zu wechseln?

Mein Wohnort war auch schon vor der Elternzeit München. Mir war immer bewusst, dass ich das Pendeln von 121 Kilometern nach Traunreut nur für eine gewisse Zeit machen kann. Zudem wollte ich mich nach sechs Jahren Arbeit auf einer Position auch weiterentwickeln. Also kam die Elternzeit gerade recht, um die Berufspause zur Neuorientierung zu nutzen.

 

Klingt fast so, als wäre das Mutterwerden für Sie zum Karrieresprungbrett geworden… Einfach nur Glück oder viel Eigeninitiative?

Ich würde das Mutterwerden nicht als Karrieresprungbrett bezeichnen, sondern lieber als berufliche und private Weiterentwicklung, zu dem es sehr viel Eigeninitiative bedarf. Wie bei jedem Stellenwechsel half hierbei ein gepflegtes Netzwerk, den Mut über seinen eigenen Schatten zu springen und etwas Neues zu wagen und natürlich auch Glück. Das Glück, dass genau zu dem Zeitpunkt, an dem man sucht, eine spannende Stelle zu besetzten ist.

 

Marianne Both BSH

 

Wer hat Sie bei Ihrem Jobwechsel unterstützt?

Vor allem mein Abteilungsleiter hat mich unterstützt – in enger Zusammenarbeit mit dem zuständigen Kollegen aus dem Personal. Beide haben mit einem sehr großen Vertrauensvorsprung in meine Person alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine neue Stelle für mich mit 30 Wochenarbeitsstunden zu schaffen.

 

Wie haben Sie die ersten Wochen nach Ihrer Elternzeit erlebt?

Am Anfang hat es ein bisschen gedauert, mich an die Tatsache zu gewöhnen, dass ein Arbeitstag um Punkt 16:15 Uhr endet. Egal, ob im Telefonat, in einer Besprechung oder mitten in Gedanken zu einem neuen Konzept –  natürlich arbeitet der Kopf auch nachts und auf dem Spielplatz weiter. Aber die Zeit, in der man aktiv mit anderen Kollegen arbeiten kann, ist sehr begrenzt. Ich gehe jeden Tag mit dem Gefühl nach Hause, nicht alles geschafft zu haben, beziehungsweise immer nur 80%-Lösungen zu generieren. Dies hat mich zu Beginn des Wiedereinstiegs sehr gestresst. Mittlerweile habe ich diesen Gefühlszustand akzeptiert und kann besser damit umgehen.

Durch einen freien Tag pro Woche fülle ich meine Energiereserven auf, damit ich noch viele Jahre Freude an meinem Job und meiner Familie haben kann.

 

Würden Sie diesen Schritt anderen Frauen in einer ähnlichen Situation weiterempfehlen?

Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber: Ja, ich würde es immer wieder so tun! Natürlich ist es nicht einfach, nach einem Jahr Pause einen neuen Job, womöglich in Teilzeit, in einer neuen Abteilung zu finden. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

 

 

 

Interview: Julia Schmid

10 Gründe, warum Jobsharing das coolere Teilzeit ist

Carla und Madita teilen sich zwei Jobs. Mit dem einen verdienen sie ihren Lebensunterhalt, mit dem anderen verwirklichen sie sich selbst. Das Interview der beiden Kolleginnen auf „Gründerszene.de“ zeigt, dass Jobsharing nicht nur ein attraktives Arbeitsmodell für Eltern ist, sondern auch für junge Startup-Gründerinnen und Gründer, Menschen mit einer Leidenschaft für soziales Engagement, Personen mit Pflegefällen in der Familie oder einfach für vielfach Interessierte. Aber das geht doch auch mit Teilzeit!? Worin liegen die Vorteile von Jobsharing? Das klären wir in unserem Blogbeitrag.

 

Was ist Jobsharing?

Jobsharing heißt: Ein Job, zwei Mitarbeiter – sprich, wenn sich mindestens zwei Beschäftigte eine Vollzeitstelle teilen. Die Aufteilungsmöglichkeiten sind vielfältig: Der eine übernimmt den Vormittag, der andere den Nachmittag. Auch verschiedene Wochentage bieten sich an. Wenn sich Jobsharer nicht den Arbeitsplatz teilen, sind natürlich auch Überschneidungen möglich und manchmal sogar sinnvoll – z.B. für Übergaben, Absprachen, Meinungsaustausch, wichtige Termine.

Nach der gesetzlichen Grundlage (Paragraf 13 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes) können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass sich mehrere Beschäftigte die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht. Sprich der Mitarbeiter muss dem Vorgesetzten das Model vorschlagen und auf Entgegenkommen hoffen.

 

Was sind die Vorteile von Jobsharing gegenüber Teilzeitarbeit?

  1. Zwei Köpfe denken besser als einer: Beim Jobsharing kommt es nicht darauf an, dass das Tandem genau den gleichen beruflichen Background und die gleichen Kompetenzen mitbringt. Im Gegenteil, es kann sogar von Vorteil sein, wenn sich das Wissen und die Fähigkeiten im Tandem ergänzen. Das Unternehmen profitiert von erweitertem Knowhow und die Jobsharer erweitern ihren Horizont durch gegenseitiges Lernen. Nicht zu vergessen: Das kreative Potential, das in zwei Köpfen steckt!
  2. Größere Sorgfalt: Gegenseitige Kontrolle soll keine negativen Assoziationen der Überwachung wecken. Vielmehr geht es um die Vorteile des Vieraugen-Prinzips, das gerade bei wichtigen Entscheidungen, komplizierten Dokumenten oder verzwickten Fällen vor Fehlern bewahrt. Zeitlich ist es unrealistisch, dass der Tandempartner jede Email oder jedes Schriftstück vor der Weitergabe gegenliest – dies würde auch den Handlungsspielraum des Einzelnen zu sehr einschränken. Aber es gibt Sicherheit, sich theoretisch bei jemanden rückversichern zu können und es verändert die Fehlerkultur.
  3. Es bleibt weniger liegen: Ist eine Stelle „nur“ in Teilzeit besetzt, heißt das auch, dass sich in der unbesetzten Zeit niemand um die Aufgaben kümmert. Beim Jobsharing bleibt die Arbeit nicht mehr „liegen“ bis Mitarbeiter A wieder an den Arbeitsplatz zurückkehrt, sondern wird von Mitarbeiter B in der Zwischenzeit erledigt. Das nimmt zum einen Stress von den Arbeitnehmern und bringt für den Arbeitgeber den Vorteil, dass Aufgaben schneller abgearbeitet werden können, als von einer Teilzeitkraft.
  4. Gleiche Chance für Mütter: Dass Familie und Karriere für Frauen in Deutschland immer noch schwer miteinander zu vereinbaren sind, ist ein weitläufig bekanntes und vieldiskutiertes Problem. Topausgebildete Frauen, können oder möchten als Mütter häufig nicht mehr in ihre Führungsposition zurückkehren, weil sie aus Zeitgründen lieber in Teilzeit arbeiten möchten aber damit den Anforderungen an eine Führungskraft nicht mehr gerecht werden. Mit dem Jobsharing-Modell, das sich auf Führungsebene auch Topsharing-Modell nennt, besteht die Möglichkeit, dass sich zwei Topfrauen mit Kindern eine Führungsposition teilen. Oder eine Nachwuchsführungskraft die Chance auf einen Aufstieg bekommt, der ihr ansonsten noch nicht geboten worden wäre.
  5. Flexiblere Terminwahrnehmung: Arbeitet ein Mitarbeiter in Teilzeit, kann er nur zu einer bestimmten Zeit Termine wahrnehmen – z.B. nur vormittags oder an bestimmten Wochentagen. Das kann im Team zu Koordinierungsproblemen oder in Führungspositionen gar zu Terminkonflikten führen, bei denen sich die Führungskraft entscheiden muss, ob sie es sich leisten kann, an bestimmten Meetings nicht teilzunehmen. Beim Jobsharing ist gewährleistet, dass so gut wie alle Termine von einem der beiden im Tandem wahrgenommen werden.
  6. Unliebe Aufgaben aufteilen: Es gibt kaum einen Job, der nicht auch Aufgaben mit sich bringt, die einem lästig sind. Seien es Verwaltungsaufgaben, Ablage oder Datenauswertung – der Grad der Abneigung ist subjektiv. Umso besser, denn im Tandem können unliebsame Aufgaben untereinander aufgeteilt werden und treffen den Einzelnen dann nur halb so oft. Oder die Vorlieben des Tandems ergänzen sich sogar in dem Maße, dass sie die unliebsamen Aufgaben des Einen, die Vorlieben des Anderen sind…
  7. Mehreren (Privat-)Anliegen nachgehen: Wie eingangs beschrieben, ist Jobsharing nicht nur ein attraktives Modell für Eltern – Mütter wie Väter – die gerne mehr Zeit mit Ihrer Familie verbringen möchten. Im Fall von Carla und Madita ermöglicht Jobsharing auch Startup-Gründerinnen, die noch am Anfang ihrer Idee stehen, sich ein Einkommen zu sichern und trotzdem Zeit für die Umsetzung der eigenen Visionen zu haben. Andere wiederum engagieren sich beispielsweise mit großer Leidenschaft für die Flüchtlingshilfe und finden ihre Erfüllung nicht im Job, sondern im sozialen Engagement. Wieder andere möchten ihren dementen Vater zu Hause pflegen und müssen die Wochenarbeitszeit reduzieren.
  8. Arbeitgeberattraktivität steigern: Die Bedürfnisse unserer individualisierten Gesellschaft werden immer vielfältiger und für den Mitarbeiter auch immer bedeutender. Work-Life-Balance, persönliche Freiheit, die Frage nach dem Glück beeinflussen bei der jetzt ins Berufsleben eintretenden Generation Z fast noch stärker die Auswahl ihres Arbeitsplatzes und ihres Arbeitgebers, als Gehalt und Position. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels ist es für Unternehmen essentiell, im Wettbewerb um gut ausgebildete Nachwuchskräfte bestehen zu können. Angebote wie Jobsharing und Topsharing steigern die Attraktivität als Arbeitgeber.
  9. Schulung wichtiger Kompetenzen: Kommunikationsfähigkeit, Zeitmanagement, Selbstorganisation werden im digitalen Zeitalter immer mehr zu Schlüsselkompetenzen. Durch die Digitalisierung und Globalisierung kann Arbeit zu jeder Zeit und von jedem Ort aus erledigt werden. Starre Arbeitsbedingungen werden immer weiter aufgeweicht zu Gunsten der Flexibilisierung. Doch diese Entwicklung Bedarf eines höheren Maßes an Organisationsfähigkeit. Zum einen, um trotzdem klare Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit setzten zu können. Zum anderen, um Absprachen und Teamarbeit erfolgreich zu koordinieren, auch wenn sich die Kollegen nicht mehr face-to-face gegenüberstehen. Das sind auch die Herausforderungen, die Jobsharing-Tandems begegnen müssen. Sie können quasi im Kleinen bereits üben, was immer im Großen von Mitarbeitern mehr und mehr verlangt werden wird.
  10. Sharing is caring und außerdem hip: Teilen ist das neue Haben! Dieser Trend zeigt sich nicht nur an der steigenden Beliebtheit von Angeboten wie Carsharing (DriveNow, car2go, etc.), Wohnungs-Sharing (AirBnB, Lovehomeswap) oder gar Sharing von Gebrauchsgegenständen (Wir.de, Leihdirwas ). Die junge Generation denkt weniger konsumorientiert, mehr nachhaltig und pragmatisch nach dem Motto „ich brauch keine Bohrmaschine, sondern ein Loch in der Wand!“ Vertreter dieser Generation – gerade die Informierten und Interessierten unter ihnen – sind offen für Sharing-Angebote in jeder Lebenslage und stellen diese Ansprüche letztendlich auch an ihren Arbeitgeber.

 

Zugegeben, es handelt sich hierbei um eine etwas einseitige Betrachtungsweise. Denn Jobsharing bringt duchaus auch einige Herausforderungen mit sich, die erst einmal gemeistert werden müssen, bevor das Tandem auf Erfolgskurs fährt. Mehr dazu im nächsten Blogartikel. Der passende Tandempartner muss auch erst einmal gefunden sein – in kleineren Unternehmen ein wohl sehr schwieriges bis unmögliches Unterfangen. Natürlich kann Jobsharing nicht der Königsweg für alle Bedürfnisse, alle Mitarbeiter und alle Unternehmen sein. Doch Untersuchungen zeigen, dass der Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen sowohl bei Vertreterinnen der jungen Generation, als auch für die der älteren im Sinne von Altersteilzeit, durchaus vorhanden ist. Sich wandelnde gesellschaftliche Bedürfnisse stellen Unternehmen meist im Laufe der Zeit von alleine vor Herausforderungen, deren Lösung das volle Potential manchmal erst in der Umsetzung zeigt.

 

Autorin: Julia Schmid

So klappt Jobsharing

„Gegenseitiges Vertrauen, kein Konkurrenzgedanke, Flexibilität und Professionalität“ sind nötig, damit das Tandem im Jobsharing-Modell funktioniert und harmoniert, erzählt Dr. Virginia Bastian aus eigener Erfahrung. Die Managerin von Nestlé (Human Resources Group Manager) kehrte ein halbes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter in ihre Führungsposition zurück, teilte sich den Job mit ihrer Elternzeitvertretung und bildete damit das erste Jobsharing-Tandem auf Managementebene bei Nestlé.

 

Ergänzend zum Artikel „10 Gründe warum Jobsharing das coolere Teilzeit ist“ geht es in diesem Blogbeitrag darum, welche Herausforderungen das neue Trend-Modell meistern muss und wie der Erfolg des Tandems gewährleistet werden kann.

 

Absprache ist das A und O. Absprache kann heißen, dass sich das Tandem regelmäßig zu Beginn der Woche überlegt, wie es sich aufteilt oder vor Start jeden Monats und/oder gar am Anfang des Jahres. Es müssen Fragen geklärt werden wie: Wer arbeitet wann? Wer ist wann an welchem Ort? Wer nimmt welche Termine wahr? Bearbeitet jeder unterschiedliche Themen oder arbeiten beide an einem? Abhängig von den To-Dos und den Kapazitäten des Arbeitsplatzes sollte sich das Tandem zudem überlegen, wann das nacheinander und wann das zeitgleiche Arbeiten sinnvoller ist. Überlappungen können für Absprachen, Meinungsaustausch oder wichtige Termine hilfreich sein.

 

Darüber hinaus sind gute Übergaben und Transparenz von großer Bedeutung für effektives Arbeiten und das Vermeiden von Doppelstrukturen. Den Tandem-Partner bei jeder E-Mail in CC zu setzen, ist eine Möglichkeit. Für Jobs, die einen hohen Kommunikationsaufwand und damit eine zu belastende E-Mail-Flut mit sich bringen, kann es zur besseren Übersicht helfen, alle Tätigkeiten in einer Liste zu dokumentieren oder gar mit einer professionellen Projektmanagement-Software zu arbeiten.

 

Der sicherste Weg, um das Tandem schnell zum Erfolg zu führen, sind begleitende Schulungen und Workshops. Dies betrifft nicht nur die Unterstützung bei der Einführung in Organisations- und Kommunikationstools, sondern auch Hilfestellungen für Fragen auf zwischenmenschlicher Ebene. Wenn zwei Menschen so eng zusammenarbeiten (müssen) bleiben Konflikte und Meinungsverschiedenheiten oft nicht aus. Es ist nur die Frage, wie das Tandem diese Konflikte konstruktiv lösen und gestärkt daraus hervorgehen kann.

 

Ehrlichkeit statt Eitelkeit ist auch ein wichtiges Mantra. Gerade wenn mal etwas schief läuft ist es wichtig, die Probleme und Fehler offen zu besprechen anstatt über unausgesprochenen Verantwortungszuschreibungen zu brüten oder gar hinter dem Rücken zu lästern. Sollten sich Disharmonien einschleichen, ist es wichtig schnell zu handeln, um das Tandem wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Das Einschalten eines Vermittlers kann für eine objektive Einschätzung der Lage und das Einlenken beider Parteien helfen. Wiederum ist es auch bei Erfolgen wichtig, dass das Ergebnis als Leistung beider Tandempartner kommuniziert wird. Gerade wenn die Tandem-Partner in ihrem Auftreten und ihrer Präsenz sehr unterschiedlich sind, ist es von großer Bedeutung, dass kein Ungleichgewicht bei der Sichtbarkeit im Unternehmen und somit einseitige Unzufriedenheit entsteht.

 

Die Fähigkeit Aufgaben tatsächlich abgeben zu können, darf nicht unterschätzt werden. Als Arbeitnehmer werden wir von Anbeginn unserer Karriere dazu erzogen, alles selbst erledigen, stets den kompletten Überblick haben und immer souverän wirken zu müssen. Mit dem Jobsharing-Modell muss das Tandem lernen gemeinsam anstatt parallel zu arbeiten. Sonst landen beide im Endeffekt im klassischen Teilzeit-Modell. Und dies ließe sich auch mit geringerem Koordinierungsaufwand umsetzen – doch dann bleiben auch die vielen Vorteile auf der Strecke. Coachings und Mentoring-Programme helfen dabei, eigene Verhaltensmuster, Rollenerwartungen und stereotypes Denken zu reflektieren, Handlungsbedarf wahrzunehmen und gegebenenfalls sich selbst zu optimieren. Dr. Virginia Bastian hat beispielsweise am Cross-Mentoring-Programm unserer Unternehmensberatung Cross Consult teilgenommen – im Jahr 2012 als Mentee, vier Jahre später als Mentorin. Das Cross-Mentoring-Programm beinhaltet die Besonderheit, dass Mentees und Mentoren aus unterschiedlichen Unternehmen ein Tandem bilden. Somit ist ein angstfreier Austausch möglich, bei dem Probleme und eigene Defizite offen besprochen werden können, ohne dass der Mentee Sorge haben muss, seine Schwachstellen könnten im Unternehmen durchsickern. Zum anderen blicken alle Teilnehmer über den Tellerrand hinaus und lernen durch den Vergleich mit anderen Betriebspraktiken dazu.

 

„Zwar brauchte es am Anfang etwas Zeit, bis sich die Dinge eingespielt hatten, für uns, für unser Team und unsere Kollegen”, sagt Dr. Virgina Bastian. Doch die Nestlé-Führungsfrau ist vom Jobsharing-Modell vollends überzeugt und spricht von insgesamt nur positiven Erfahrungen. “Am Ende konnte ich viel lernen – Vertrauen aufbauen, delegieren, andere Vorgehensweisen akzeptieren”. Mit dem Jobsharing-Modell konnte sie trotz Elternschaft ihre Führungsposition weiter wahrnehmen und zusätzlich Kompetenzen wie Abstimmungsgeschick, Effizienz und Flexibilität stärken. Deshalb ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch immer kein Kinderspiel, aber flexiblere Strukturen machen Kind-und-Karriere-Konstellationen möglich, die noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wären.

 

Von ihrem Jobsharing-Modell berichtet Dr. Virginia Bastian übrigens auch im Buch “Mut zu Kindern und Karriere” , in dem 40 Working Moms erzählen, wie sie Karriere und ein erfülltes Familienleben in Einklang bringen – herausgegeben vom Netzwerk “Working Moms”.

 

Autorin: Julia Schmid

 

Karriere-Talk mit Birgit Derks, BVK

„Im Nachhinein betrachtet, habe ich mir vor jedem Karriereschritt zu viele Gedanken gemacht“, gesteht Birgit Derks, Referatsleiterin Zentrales Controlling bei der Bayerischen Versorgungskammer. Doch mit der Erfahrung kam die Gelassenheit: „Das läuft schon“. Nun möchte sie allen Frauen Mut machen, sich mehr zuzutrauen. Ihre Botschaft: Wenn du deinen Vorsätzen treu bleibst, kann alles funktionieren – auch mit zwei Kindern, auch in Teilzeit! Wie das genau bei Birgit Derks funktioniert hat und warum die Führungsfrau jetzt auch einer anderen Mutter die Chance gibt in Teilzeit aufzusteigen, erzählt sie in unserem Karriere-Talk.

 

Sie sind seit diesem Jahr Referatsleiterin – in Teilzeit. Geht das überhaupt?

Zugegeben, im Moment arbeite ich Vollzeit mit einem Tag Homeoffice. Das liegt daran, dass noch eine Stelle nachbesetzt werden muss und ich das Referat so aufbauen möchte, dass ich in absehbarer Zeit wieder auf 32 Stunden reduzieren kann.

 

Warum Teilzeit und wie genau sieht das bei Ihnen aus?

Meine beiden Jungs sind mit 15 und 17 zwar schon etwas älter, aber deswegen fällt daheim nicht weniger Arbeit an. Es ist ja nicht so, als würden Kinder bereitwillig mithelfen. Weil ich als Sachgebietsleiterin und Stellvertreterin der Referatsleitung mit den Themen schon sehr vertraut war, habe ich mich auf die freiwerdende Stelle beworben, aber im Vorfeld klar gesagt: ich kann und will diese Aufgabe nur in Teilzeit machen – ein freier Nachmittag, ein Tag Homeoffice. Es hätte mir nichts ausgemacht, wenn dann jemand anderes den Posten bekommen hätte, denn es bringt niemand etwas, wenn ich mich übernehme. Da war ich mit mir absolut im Reinen.

 

Waren Sie vor jedem Karriereschritt so mit sich im Reinen?

Ich kenne diese Zweifel natürlich auch: Schaffe ich das? Funktioniert das? Werde ich meinen Kindern noch gerecht? Aber wenn ich zurückblicke weiß ich jetzt, dass alle Sorgen umsonst waren. Auch wenn es mit den Kindern manchmal nicht so einfach ist, die machen ihren Weg schon. Zwei Dinge haben mir geholfen. Erstens: Mir immer im Vorfeld klar zu machen, wo meine Grenzen liegen und mich davon auch nicht abbringen zu lassen. Zweitens: In der Familie nicht immer alles alleine regeln zu wollen. Ich habe zum Beispiel Unterstützung im Haushalt und nehme das Abendessen für die Kinder mittags aus der Kantine mit – übrigens ein tolles Angebot der BVK, das einige nutzen. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Leben leichter machen und die sollte man auch in Anspruch nehmen.

 

Teilen Sie sich das Family-Management mit Ihrem Mann?

Mein Mann hat ebenfalls einen sehr verantwortungsvollen und zeitintensiven Job, daher bin ich anfangs schon in die klassische Teilzeit-Rolle gerutscht, der Großteil der Hausarbeit blieb an mir hängen. Davor warne ich jetzt meine jungen Mütter: Alles, was ihr an Aufgaben übernehmt, bekommt ihr nicht mehr so schnell los. Ich muss aber auch sagen, dass mein Mann mich immer ermutigt hat, mehr Verantwortung im Beruf zu übernehmen. Nun wird seine Unterstützung im Familienalltag immer größer, je mehr ich arbeite. Mein Mann und ich finden gerade einen guten Weg zurück.

 

Haben sie eine Karriere von Anfang an fokussiert?

Ich hatte nie einen Karriereplan, aber war immer neugierig auf neue Aufgaben und habe gemerkt, dass ich gerne Verantwortung übernehme. Das hätte nicht unbedingt in einer Führungsposition sein müssen. Trotz Kindern war es mir einfach wichtig, mich beruflich weiterzuentwickeln. Ich liebe meine Kinder über alles, aber die Mutterrolle alleine hat mich nie ausgefüllt. Ein paar Stunden bei einer Tagesmutter haben ihnen sicher nicht geschadet. Im Gegenteil, es war wahrscheinlich besser für sie, als wenn ich unleidig zu Hause gesessen hätte.

 

Und jetzt geben Sie einer weiteren Mutter die Chance auf eine Führungsposition in Teilzeit…

Auf meine frühere Stelle als Sachgebietsleiterin hat sich eine Mitarbeiterin in Elternzeit beworben, die fachlich sehr gut passt. Auch wenn beide Seiten Kompromisse eingehen mussten, bin ich zuversichtlich, dass es funktionieren wird. Sie kommt im Juni zurück.

 

Wie gehen ihre Mitarbeiter damit um?

Wir sind gerade dabei, ein Konzept zu finden, das die Kapazitäten im Team ausgleicht und die Last gerecht verteilt. Wir werden es schaffen, dass jeder zufrieden ist.

 

Hatten Sie je das Gefühl als Mutter einen Nachteil im Job zu haben?

Ich habe meinen früheren Arbeitgeber verlassen, weil mir mit zwei Kindern die Entwicklungsmöglichkeiten gefehlt haben. Bei der BVK herrscht ein anderes Selbstverständnis. Da hatte ich nie das Gefühl, mit Kindern benachteiligt zu sein. Klar musste ich bei Sprüchen von Kollegen manchmal weghören, wenn ich mittags nach Hause gegangen bin und gewitzelt wurde, ich würde mich auf die Terrasse legen – während ich genau wusste, dass ein Berg von Arbeit wartet. Dann habe ich immer geantwortet: wir können gern Gehalt tauschen.

 

Können Sie sich noch erinnern, was sie als Kind werden wollten?

Modedesignerin, weil ich gern genäht habe. Aber ich musste feststellen, dass ich nicht zeichnen kann. Dafür konnte ich schon immer gut mit Zahlen, habe eine betriebswirtschaftliche Ausbildung gemacht über den zweiten Bildungsweg das Fachabitur. Im Studium habe ich den Schwerpunkt auf Controlling gelegt und habe jetzt wirklich Spaß an meiner Arbeit.

 

Zur Bayerischen Versorgungskammer: Als größte öffentlich-rechtliche Versorgungsgruppe Deutschlands ist die Bayerische Versorgungskammer ein Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum für berufsständische und kommunale Altersversorgung. Sie führt die Geschäfte von zwölf rechtlich selbständigen berufsständischen und kommunalen Altersversorgungseinrichtungen mit insgesamt über 2,2 Mio. Versicherten und Versorgungsempfängern, ca. 4,4 Mrd. € jährlichen Beitrags- und Umlageeinnahmen und ca. 3,2 Mrd. € jährlichen Rentenzahlungen. Sie managt für alle Einrichtungen zusammen ein Kapitalanlagevolumen von derzeit ca. 69 Mrd. € (Buchwert). Die Bayerische Versorgungskammer beschäftigt über 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist seit 2010 Unterzeichner der Charta der Vielfalt, seit 2011 Unterzeichner der UN-Prinzipien für verantwortungsvolles Investment (PRI) und seit Februar 2017 Unterzeichner des Memorandums für Frauen in Führung.

Interview: Julia Schmid

Hier geht’s zu einem weiteren Beitrag über die höchste Führungsfrau der Bayerischen Versorgungskammer:

Das Token-Phänomen: Führungsfrauen unter Beobachtung

 

Und wie Karriere in Teilzeit bei der KPMG gelingt, erfahrt ihr hier:

So gelingt Karriere in Teilzeit