Ene mene meck, und du bist weg

(wehmütige) Gedanken zum Buch von Janina Kugel
 

Urlaubslektüre 2021 – ganz weit oben im Koffer lag das Buch „It’s now. Leben. Führen. Arbeiten“ von Janina Kugel. Fazit: Es ist spannend, einen Blick in die Welt der Wirtschaftslenker:innen zu erhaschen, allerdings kam Wehmut beim Lesen der Lektüre hoch.
 

Janina Kugel, viele Jahre Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektorin bei Siemens, nun Aufsichtsrätin, Beraterin, Speakerin und Buchautorin. Ihr Buch „It’s now. Leben. Führen. Arbeiten“. enthält spannende Einsichten, einen sehr differenzierten Blick auf Führung und viele Einblicke in Innovatives, das sie auf den Weg gebracht hat. Und am Ende frage ich mich: warum ist sie keine Vorständin mehr, mit all ihrem Wissen, ihren klugen und reflektierten Sichtweisen und ihren grandiosen Erfahrungen?
 

Ene mene meck, und Du bist weg: manchmal fühlt frau sich an den Kinderabzählreim erinnert, wenn schon wieder eine der wenigen Vorständinnen ein Unternehmen verlässt. Muss das sein, auch wenn wir uns in den vergangenen Jahren schon fast dran gewöhnt haben?
Veränderungen, das Lieblingsthema, bei dem Janina Kugeln uns in ihrem Buch mitnehmen möchte. Warum stellt sie aber nicht in Frage was längst hinterfragt gehört? Macht es Sinn, dass die klugen Köpfe nur dann in die Vorstände kommen, wenn sie sich mit Haut und Haaren dem Job verschreiben? Brauchen wir nicht neue Ansätze wie Top-Sharing, damit die Vorstandsfrauen nicht alle nach ein paar Jahren das Handtuch werfen? Wie passt es zusammen, dass einerseits massiv für eine Frauenquote gekämpft wird, es dann aber jeder einzelnen Frau überlassen bleibt, in den nach wie vor männlich geprägten Systemen zu überleben?
 

Vorstandposten als Schleudersitz

 

Wir brauchen nicht noch mehr Ex-Vorständinnen, die kluge Bücher schreiben, inspirierende Reden halten, sondern wir brauchen Vorständinnen, die es bleiben, wenn nicht in einem Unternehmen, dann in einem anderen. Wie wollen wir denn Frauen ermutigen, diesen Weg zu gehen, wenn ein Vorstandsposten als Schleudersitz wahrgenommen wird, aber nicht mit sicherer Landung, sondern nur mit Rückgratverkrümmungsoption.
Interviews mit amtierenden und ehemaligen Vorständinnen, die von Cross Consult in den letzten Jahren geführt worden sind, haben gezeigt, dass vor allem eine gute Vernetzung, klare Wahrnehmung von Mission Impossibles, Unterstützung durch Coaches, und weitreichende Kenntnisse zu Macht- und Mikropolitik hilfreich sind, um in eisigen Höhen nicht nur zu überleben, sondern gut zu leben.
 

It’s now Frau Kugel, um gemeinsam darüber nachzudenken, wie das gelingen könnte. Wir freuen uns auf den Dialog.
 

Janina Kugel: „It´s now: Leben, führen, arbeiten – Wir kennen die Regeln, jetzt ändern wir sie“.
Ariston Verlag. 216 Seiten,

https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Its-now/Janina-Kugel/Ariston/e587173.rhd
 

Autorin: Dr. Nadja Tschirner

Netzwerken – mutig, vielschichtig, lebendig

Christiane Wolff ist aus unserer Sicht eine Netzwerk-Ikone. Warum sie Frauennetzwerke für so wichtig hält, erzählt sie uns in diesem Interview.

 

CC: Frau Wolff, Sie sind seit kurzem selbständig als Kommunikations- und Positionierungsexpertin und haben lange Zeit in Führungsrollen in Agenturen gearbeitet – zuletzt als Chief Marketing Officer DACH für die Agenturgruppe Dentsu. Sie sind aber auch seit 20 Jahren die Netzwerk-Ikone, die Frauen mit ihren Netzwerken stets ermutigt sichtbar zu werden, über ihre Herausforderungen zu sprechen und sich gegenseitig zu unterstützen. Welche Bedeutung haben für Sie Frauennetzwerke?

 

Ch. Wolff: Netzwerken bedeutet für mich extrem viel. Für meine berufliche Karriere, aber auch für mich persönlich. Mein Netzwerk gibt mir die Freiheit, das zu tun, was ich wirklich tun möchte. Fast alle meine beruflichen Schritte habe ich aufgrund meines Netzwerks gemacht und auch in meinen jeweiligen beruflichen Positionen hat mir mein Netzwerk immer wieder neue Impulse, Inspirationen und natürlich auch Ideen und Antworten gegeben, wenn ich nicht weiter wusste.
Es ist eine ständige Inspiration und Unterstützung, die ich für meine Karriere als elementar empfinde. Ein Netzwerk aufzubauen und zu pflegen erfordert viel Hingabe, Zeit und Engagement. Aber gibt mir als Geschenk so viel zurück, dass ich ohne mein Netzwerk nicht die Person wäre, die ich heute bin, und nicht dort wäre, wo ich heute bin.
Und mich jetzt selbständig zu machen, als Kommunikationsexpertin für Positionierung von CxOs und Führungskräften und natürlich auch weiterhin als Ambassador für dentsu, ist durch mein Netzwerk ein viel leichterer Schritt gewesen!

 

CC: Sie waren beim Thema Frauennetzwerke vor 20 Jahren ganz vorne mit dabei und haben seitdem zahlreiche Frauen inspiriert sich zu vernetzen. Was nehmen Sie selbst für sich aus dem Netzwerken mit?

 

Ch. Wolff: Netzwerken ist erst mal ganz viel Geben. Als Mensch – das sehe ich immer als eine Einheit, meine persönliche und meine berufliche Seite – überlege ich zunächst, wofür ich stehe und was meine Expertise ist und welche Erfahrungen ich in ein Netzwerk hineingeben kann. Das ist für mich immer der erste Schritt.
Und wenn ich offen bin und auf Menschen zugehe und Ihnen meine Unterstützung anbiete, mich einbringe und engagiere, dann bekomme ich diese Unterstützung in den meisten Fällen eben auch zurück. Daher habe ich ganz viel aus meinen Netzwerken mitnehmen dürfen – bis heute. Von großartigen Jobangeboten über tolle Kooperationsideen bis zur Unterstützung bei ganz kleinen Anfragen, die im täglichen To-do anfallen. Das kann eine Location sein, ein Kontakt oder eine Expertin, die ich für ein bestimmtes Thema suche.

 

CC: Gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede zwischen Frauennetzwerken und Netzwerken, die männlich geprägt sind?

 

Ch. Wolff: Ich erlebe in Frauennetzwerken wahnsinnig viel Offenheit und Authentizität. Das empfinde ich als sehr positiv und vertrauensvoll. Ich habe das Gefühl, Netzwerke sind für Frauen auch heute ein wichtiger Ort, um sich wirklich öffnen zu können und mit Gleichgesinnten über auch sensible Themen sprechen zu können. Daher haben aus meiner Sicht Frauennetzwerke auch weiterhin eine absolute Berechtigung und einen sehr relevanten Wert. Ich kann das natürlich bei Männern nur von außen betrachten. Und habe hier das Gefühl, dass Männer sich entspannter unterstützen. Sei dies ein neuer Job, ein Kontakt oder eine Empfehlung. Und es auch als selbstverständlich zu sehen, bei bestimmten Tätigkeiten oder Unterstützungen eine Rechnung zu stellen. Da tun wir Frauen uns in beiden Punkten noch sehr schwer.

 

CC: Was können Männernetzwerke von Frauen lernen und was können Frauennetzwerke von Männern lernen?

 

Ch. Wolff: Das sind genau die beiden Punkte, die ich oben genannt habe. Ich glaube, wir Frauen dürfen und müssen uns noch viel selbstverständlicher gegenseitig empfehlen und für neue Jobs, Positionen oder Projekte ins Gespräch bringen. Ich weiß auch nicht genau, warum wir uns hier so schwertun. Ist es die Angst, jemanden zu empfehlen, ohne sicher zu sein, dass sie die Rolle auch erfolgreich erfüllt? Hier habe ich noch keine wirkliche Antwort oder auch Lösung gefunden.
Und ich glaube, Männer können sich bei uns eine Scheibe abschneiden, wenn es darum geht, eigene Ängste und auch Fehler öffentlich zu machen und darüber im vertrauten Kreis zu sprechen.

 

CC: Nach einer Phase als selbständige Unternehmerin und Ihrer Rolle als CMO Dach bei dentsu haben Sie nun eine neue Herausforderung als selbständige Kommunikationsberaterin gesucht und gefunden. Sie sind zudem auf allen Social Media Kanälen aktiv und organisieren zahlreiche Netzwerkevents. Was treibt Sie an? Woraus schöpfen Sie Energie?

 

Ch. Wolff: Ich liebe es, Menschen zusammen zu bringen, sie miteinander zu vernetzen, Neues zu entwickeln und entstehen zu lassen und dies auch auf die Straße zu bringen. Mich treibt an, aus jeder Begegnung und mit jedem Menschen das Besondere heraus zu spüren und zu merken, wo sie oder er auf ähnlichen Themen unterwegs ist oder sich unterstützen und ergänzen kann. Ich glaube, wir sind im Miteinander viel stärker, kreativer, innovativer und erfolgreicher unterwegs. Daher glaube ich an die Kraft der Begegnung und sowohl an das berufliche als auch menschliche Wachstum, das aus dem persönlichen Austausch entsteht. Hier erwächst so viel Energie und diese Energie fasziniert mich und treibt mich an.
Deswegen mache ich mich jetzt auch genau mit diesem Thema selbstständig. Aus Menschen Marken zu machen, sie aus ihrer beruflichen Brille, aber auch aus ihrem menschlichen Sein mit allen Werten und ihrer Haltung eine Persönlichkeitsmarke gemeinsam zu entwickeln und diese dann mit allen Kräften in die richtigen Kanäle und auf die relevanten Plattformen zu bringen. Potentiale zu sehen und gemeinsam zu entwickeln – das gibt mir extrem viel Energie!

 

CC: Sie waren in vielen männerdominierten Organisationen als weibliche Führungskraft aktiv. Was sind Ihre Learnings? Wie kann es gelingen, in solchen Organisationen als Frau erfolgreich zu sein?

 

Ch. Wolff: Ich kann es zwar nicht belegen und habe hier auch keine Statistik, ich habe aber schon das Gefühl, dass wir Frauen oftmals noch besser, noch schneller und noch erfolgreicher sein müssen, um an die Spitze zu kommen. Für mich sind es neben einer persönlichen Begeisterung für meinen Job auch immer die Thinking out of the box-Ideen und Momente, die Frauen aber natürlich auch jeden Mann sichtbarer werden lassen. Einen USP in seiner Rolle zu finden und diesen auch sichtbar zu machen. Und einen schlauen Match zu finden zwischen den Werten, für die ich stehe und den Anforderungen an meinen Job und meinen beruflichen Zielen.
Sichtbarkeit zu erreichen ist auch für Frauen im Job aus meiner Sicht nicht nur wichtig, sondern elementar. Sich ein internes und externes Netzwerk aufzubauen, ein persönliches Kompetenzteam für die wirklich heiklen Fragestellungen und auch über berufliche Erfolge zu sprechen und sie ebenso sichtbar zu machen. Hier tun sich Frauen aktuell in der Regel noch schwerer als Männer.
Es mit kleinen Schritten auszuprobieren und sich im Unternehmen Verbündete zu suchen, die sich gegenseitig pushen, kann ein guter Tipp sein. Sich vorzunehmen, in jedem Meeting ein Thema zu kommunizieren, sich innerhalb des Unternehmens zu vernetzen, mit Themen-Lunches beispielsweise oder sogar ein eigenes Netzwerk zu gründen, sind sicher auch gute erste Schritte. Daneben kann sich jede Mitarbeiterin mit ihrer Expertise auch als Thought Leader innerhalb und außerhalb des Unternehmens auch als Corporate Influencerin positionieren. Es gibt heute so viele Möglichkeiten und Kanäle, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Einfach starten und machen!

 

CC: Viele Männer haben in ihrer Sozialisation gelernt, dass sie über ihre Erfolge sprechen müssen, um gesehen zu werden. Viele Frauen hingegen haben Bescheidenheit immer noch als Tugend in sich verankert? Wie schaffen Sie es, Frauen zu ermutigen, mit ihren Erfolgen sichtbar zu werden, anstatt sich für ihre Erfolge zu schämen?

 

Ch. Wolff: Wir haben Jahrzehnte oder Jahrhunderte lang gelernt, nicht aufzufallen. Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis wir diese Haltung abgelegt haben. Sich selber darüber klar zu werden, dass ich frei nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber!“ auch über erfolgreiche Projekte und erreichte Ziele im Job spreche und darauf stolz bin, ist für viele daher noch nicht selbstverständlich. Aber zu wissen, dass ich nur über eine gewisse Sichtbarkeit auch die nächsten beruflichen Schritte mache, hilft enorm. Und es hat sich zum Glück in den letzten Jahren einiges getan. Ich habe das Gefühl, es gibt sehr viele wunderbare und erfolgreiche Frauen, die dies auch gerne kundtun. Und das ist gut so. Sich hier Vorbilder zu suchen und zu schauen, wie sie es umsetzen, kann auch für die ersten Schritte in die Sichtbarkeit motivieren!

 

CC: Was hat Sie selbst in Ihrem Leben ermutigt, bzw. wer oder was hat Sie ermutigt Ihren Weg zu gehen?

 

Ch. Wolff: Meine Eltern waren sehr offene, mutige und abenteuerlustige Menschen. Und sie waren und sind mir ein großes Vorbild. Sie sind immer ihren Weg gegangen und sind dabei ihren Werten treu geblieben. Sie waren bereits in den 1960er-Jahren in New York, Pakistan und Afrika mehrere Jahre zum Arbeiten. In der damaligen Zeit hieß das noch etwas ganz anderes als in der heutigen globalen und digitalisierten Welt. Die Geschichten, die Erfahrungen und die Ideen, die sie davon mitgebracht haben und die ich miterlebt und aufgesogen habe, haben mich sicher stark geprägt.
Nach den Auslandsaufenthalten sind wir nach Offenbach gezogen. Und auch das Erwachsenwerden in dieser Stadt, die von Diversity und Migration schon seit den 1950er-Jahren geprägt wurde, hat mich sicher sehr in meinem Tun und Werden begleitet. Meine Schulzeit, wenn ich hier heute aus bayrischer Sicht zurückblicke, war auch eine sehr proaktive. Wir haben sehr viel eigene Projekte auf die Beine gestellt und durften uns sehr früh schon selber ausprobieren. Ich empfand das System dort sehr partnerschaftlich und motivierend.

 

CC: Frau Wolff, Sie haben früh erkannt, dass Netzwerke wesentlich dazu beitragen, Frauen zu stärken. Sie setzen sich darüber hinaus aber auch dafür ein, das Thema „GenderDiversity“ bei Ihren Arbeitgebern immer wieder auf die Agenda zu setzen. Was würden Sie Frauen mit auf den Weg geben, die das Thema vorantreiben möchten?

 

Ch. Wolff: Wir alle wissen, dass wir nur in diversen Teams wirklich kreativ, innovativ und damit auch erfolgreich sein können. Hier braucht es immer einen Kopf im Unternehmen, der das auch wirklich auf seine Agenda setzt. Hier helfen Vorbilder aus der obersten Geschäftsführung und drum sollte man sich hier unbedingt Verbündete holen. Und gemeinsam und vielleicht auch mit externer Unterstützung Projekte aufsetzen, die sich des Themas annehmen und auch wirklich ins Tun kommen.
Wir sind es ja gewohnt, groß zu denken und das ist auch gut so. Dennoch helfen hier vielleicht auch manchmal kleine Pflänzchen, wenn es nicht gleich das große Ganze geben kann. Und ich habe in meinem beruflichen Leben die Erfahrung gemacht, dass manches Mal Themen so lange diskutiert werden, dass dann am Ende gar nichts umgesetzt wird. Und hier lautet meine Devise: Es muss nicht immer alles gleich von Anfang an perfekt sein. Lieber 80-prozentig starten und mit einer Idee im Kopf loslegen und dann kann man auf dem Weg immer noch nachjustieren und korrigieren. Aber erst mal machen!
Auch bei diesem Thema hilft es sicher, sich mit Netzwerken auseinander zu setzen und auch dort um Unterstützung zu fragen. Hier gibt es ja zum Glück sehr viele tolle Initiativen und Projekte, die man anschauen und sicher auch Unterstützung bitten kann.

 

CC: Gibt es für Sie eine zentrale Erkenntnis zum Thema Frauen in Führung, die Sie gerne noch mit uns teilen möchten?

 

Ch. Wolff: Ich habe in dieser für uns sicher oft anstrengenden, weil immer digitalen Zeit gelernt, dass es hier fast noch wichtiger ist, auch über Gefühle zu reden und auch Persönliches zu zulassen. Führung heißt für mich miteinander und gemeinsam. Partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Wir sind hier Begleiterin, Coach und Vorbild. Diese Rolle verlangt sehr viel Aufmerksamkeit und immer wieder auch Nachjustieren. Und es auch zu schaffen, in der nicht persönlichen Kommunikation den Menschen zu sehen und zu spüren und sie oder ihn wahrzunehmen. Da haben wir als Frauen sicher aufgrund unserer Sozialisation einige Vorteile, die wir hier gut anwenden dürfen und sollten.

 

CC: Liebe Frau Wolff, ich danke Ihnen für das sehr offene, bereichernde und inspirierende Gespräch.

 

Hier der Kontakt von Christiane Wolff!

Unternehmerin Ute Doetsch als Mutmacherin – von der Geschäftsführung zur Inhaberin

Interview mit Ute Doetsch, Geschäftsführerin der brandarena GmbH & Co. KG

 

  1. Die brandarena steht für Innovation, coole Ideen, modernes Auftreten und Agieren. Welchen Anteil haben Sie als Chefin an diesem Erfolg?

 

Das freut mich, dass brandarena mit diesen Attributen wahrgenommen wird. Den größten Anteil an dem Erfolg hat sicherlich das brandarena-Team. Unsere Aufgabe im Führungsteam ist es ein vertrauensvolles Umfeld zu schaffen und die Kolleg:innen zu motivieren. Mein Anteil daran ist es zu zu hören, Anstöße zu geben und neue Ideen zu fördern – und von den jungen Kolleg:innen zu lernen.

 

  1. Frau Doetsch, Sie haben den Schritt gewagt und gemeinsam mit Ihrem Geschäftspartner die brandarena übernommen. Damit machen Sie Frauen Mut ihren Weg zu gehen. Was hat Sie bewogen, diese Herausforderung anzunehmen?

 

Ich habe die brandarena schon seit 2003 gefühlt wie eine Unternehmerin geführt, obwohl ich “nur” Geschäftsführerin war. Das war möglich, da der ANTENNE BAYERN Vorstand mir vertraut hat und ich ausreichend Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten entwickeln konnte.

Ein anderer, wichtiger Aspekt war auch, dass mein Lebenspartner mich sehr motiviert hat diesen Schritt zu gehen. Er hat viel Interesse an den Themen der brandarena. Ich kann ihn immer um Rat fragen und die Themen mit ihm diskutieren.

Das war eine gute Ausgangsbasis für die Übernahme.

Da ich dieses Jahr 55 Jahre alt werde, war es für mich auch sehr wichtig, das Unternehmen nicht alleine zu führen. Mit Marc Hörhammer (38 Jahre) habe ich einen perfekten Geschäftspartner gefunden. Er ist auch seit vielen Jahren ein Teil der brandarena, wir kennen uns lange und gut, schätzen uns sehr und haben die gleiche Leidenschaft für die Brandarena.

Altersdiversität und Geschlechtervielfalt im Management sind Erfolgsfaktoren und zu zweit sind viele Herausforderungen noch besser zu bewältigen.

 

  1. Als Mixed Leadership Team sind Sie Beide Vorbild und zeigen, dass Frauen und Männer gemeinsam Großes bewegen können. Wie gelingt es Ihnen, Diversität in Ihrem Unternehmen voranzutreiben?

 

Diversität ist ein wichtiges Thema. Je bunter ein Team ist, desto besser. In der Diversität eines Teams liegt die große Chance, unterschiedliche Blickwinkel und Erfahrungen offen auszutauschen und dabei neue Ideen zu finden. Dass dabei neue Arbeitszeitmodelle und Flexibilität gefragt sind, gehört dazu. Unser Ziel ist es ja, dass der Kunde happy ist und wir gemeinsam Freude an der Arbeit haben.

 

  1. Was braucht es aus Ihrer Sicht, dass man sich für andere Perspektiven und Ideen öffnet, damit Neues entstehen kann?

 

Wichtig ist erst mal, dass man bereit für Neues ist. Der Welt mit offenen Augen und Ohren begegnen. Man darf nicht auf dem Alten beharren. Ich mag das Zitat von Einstein: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben“. Als Führungskraft müssen wir zeigen, welche positiven Auswirkungen Neues haben kann – aber auch die Herausforderungen von Neuem müssen angesprochen werden.

Damit Neues entsteht, ist vernetztes Denken sehr wichtig. Daraus entsteht Kreativität und die erzeugt wiederum „Neues“. Das kann man richtig trainieren. Wertvolle Tipps dazu sind in dem Buch „Die Kunst des kreativen Denkens“ (Dorte Nielsen & Sarah Thurber) zu finden.

Sehr wichtig ist auch ein vertrauensvolles Umfeld. Jeder darf / soll seine Gedanken frei formulieren dürfen – egal wie verrückt sie sind. Ich habe schon oft erlebt, dass unsere sehr jungen Kollegen:innen, die noch in der Ausbildung sind, großartige Ideen haben, auf die wir so nicht gekommen wären.

 

  1. Eine Agentur zu leiten ist mehr als Führung und Organisation. Welche Fähigkeiten sind gefragt, wenn frau aus der Führungsrolle in die Unternehmerinnenrolle wechselt?

 

Das ist interessant was das Wort „frau“ mit mir macht. Mir fällt es schwer dies in diesem Kontext so in den Mittelpunkt zu rücken. Ich wünsche mir einfach, dass ich als Mensch (egal ob Mann oder Frau, homosexuell oder heterosexuell etc.) wahrgenommen werde. Allerdings verstehe ich natürlich, wie wichtig es ist Frauen für Führungspositionen zu motivieren. Das möchte ich auch unterstützen.

 

Aber jetzt zu Ihrer Frage:

Leidenschaft und Freude sind entscheidend. Meine Arbeitswoche endet nicht nach 40 Stunden. Die brandarena ist Teil meines Lebens, ich trenne hier nicht strikt.

Das große Ganze zu sehen und nicht immer jede Kleinigkeit so wichtig zu nehmen, muss ich auch immer wieder neu lernen. Als Unternehmerin kommen noch einige neue Aufgaben im Tagesablauf dazu. Ich bin ja für viele Aspekte des Unternehmens verantwortlich. Das ist eine noch größere Verantwortung, die ich aber gerne trage.

Ohne meine Disziplin wäre das für mich nicht möglich. Ich muss, Gott sei Dank, meinen inneren Schweinehund nicht überwältigen. Er darf regelmäßig mit mir zum Joggen an die Isar. Damit möchte ich sagen, dass es sehr wichtig ist, auch auf seine Fitness zu achten.

Und einfach ich sein, auch Frau sein. Ich bin gerne eine Frau. Ich brauche weder einen Hosenanzug noch hochhackige Schuhe, um Zeichen zu setzen.

 

Was hat Sie auf diesen Schritt vorbereitet? Was hat Ihnen geholfen, diesen neuen Weg zu gehen?

 

Es ist für mich kein neuer Weg, es fühlt sich eher als logische Folge der vorherigen Arbeit an.

Ich bin in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen. Meine Eltern haben mich immer gefördert und mich motiviert, das zu machen was mir Freude bereitet. Mir ist heute erst bewusst was für eine großartige Unterstützung das war, um meinen eigenen Weg einzuschlagen.

Wichtig war sicher auch, dass ich mit 30 Jahren das erste Mal geschäftsführende Gesellschafterin in einer Agentur war und die Dotcom – Blase 2000 erlebt habe. Ich habe aus Fehlern gelernt und lerne immer weiter.

Hinfallen, Aufstehen, Krönchen richten, Weitergehen – und in den Spiegel schauen können. Für Werte einstehen. Dann läuft das.

 

  1. Sie selbst waren vor ein paar Jahren Mentorin im proMix-Programm für Frauen in Führung, das die IHK für München und Oberbayern mit Unterstützung von Cross Consult aufgesetzt hat. Hatten Sie selbst auch eine Mentorin?

 

Das ist ein großartiges Programm und sicher auch für Männer wichtig????.

Ich hatte viele Begleiter:innen und Unterstützer:innen – männlich und weiblich. Dafür bin ich sehr dankbar.

 

  1. Wer hat Sie auf Ihrem beruflichen Weg unterstützt? Wer hat Sie ermutigt, Ihren Weg zu gehen? Wer sind Ihre Vorbilder?

 

Der damalige Vorstand von ANTENNE BAYERN, Karlheinz Hörhammer, der mir 2003 die Chance gegeben hat, die brandarena als Geschäftsführerin weiterzuentwickeln war sicherlich mein größter
Unterstützer.

Ich bin sehr beeindruckt von Menschen, die sich bedingungslos für Andere einsetzen – das sind für mich Vorbilder. z.B. Flüchtlingshelfer oder Menschen, die für wenig Geld in der Pflege arbeiten. Ich bin überzeugt, dass es hilft, wenn wir uns nicht so wichtig nehmen. Das kann ich von diesen Vorbildern lernen und muss es mir immer wieder selber bewusst machen.

 

  1. Was braucht es aus Ihrer Sicht, um Frauen zu ermutigen, ein eigenes Unternehmen zu gründen und die eigene Komfortzone zu verlassen?

 

Eltern, Lehrer, Führungskräfte müssen das Selbstvertrauen von Frauen fördern. Ihnen zeigen, dass vieles möglich ist, es vorleben. Auch und besonders die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – sowohl für Mann als auch für die Frau.

Entscheidend ist auch, dass Frauen im Laufe ihrer Schulbahn und beruflichen Entwicklung immer wieder die Chance auf Austausch mit Unternehmerinnen bekommen, z.B. eine Unternehmerin für einen Tag begleiten können.

 

  1. Was würden Sie jungen Frauen am Anfang ihres Berufslebens raten? Worauf kommt es aus Ihrer Sicht an?

 

Offen sein, viel fragen und hinschauen. Lieber etwas länger „ausprobieren“ als einen Job zu machen, der nicht erfüllt. Lieber mal scheitern und eine neue Aufgabe ausprobieren. Genau hin spüren, ob die Aufgabe erfüllt. Wichtig ist zu erkennen, dass wir selber viel mehr gestalten können, als wir zunächst denken.

 

Das Interview führte Dr. Nadja Tschirner, Geschäftsführerin der Cross Consult GbR

Interview Pauline Lindwall – Preisträgerin des Women’s Board Award 2020

Pauline Lindwall wurde in diesem Jahr mit dem Women’s Board Award 2020 ausgezeichnet. Vor 10 Jahren war sie Mentorin in unserem Cross-Mentoring Programm in Frankfurt. Was der Award für sie bedeutet und was sie gerne anderen Frauen mitgeben würde, erzählt sie uns im Interview:

  1. Dear Mrs Lindwall, first of all congratulations to the Women’s Board Award 2020. What does this award mean to you?

Thanks a lot.

I was incredibly proud and happy, and I felt honoured to win this award among this incredibly competent collection of women who had accomplished so much. My family was also part of the audience, when I received the award, which meant a lot for me.

The award has really expanded my network. Now I am eager to take on new Board assignments, and I have also expressed my interest in taking on the role as Chairman when the time is right. I am also very excited about the Board Course, ‘Digital Transformation of Boards’, that was part of winning the award, since this is a relevant topic that we often discuss during our board meetings. I look forward to share the learnings with my boards.”

Could you please present yourself to our readers. A short insight in why you chose your profession and in your career path would be wonderful.

I have a background as International Senior General Manager. I  have worked with some of the most recognised global Fast Moving Consumer Goods (FMCG) brands at Nestle’ and Mondelez. I have international experience from Sweden, the UK, Denmark, Indonesia, Germany and Switzerland. I currently work as Independent Board Director with Swedish Match AB, Duni AB (Sweden) and McKesson Europe AG (Germany). I also work as Senior advisor for Ernst&Young where I am using my Business to Consumer and FMCG experience for planning, implementing and creating commercial organizations.

 

  1. You have been on different boards of international companies. What’s most inspiring in your work?

I find the culturel differences between countries and also between companies very inspiring.

I believe it is important to have a deep cultural understanding and sensitivity to be a valuable Board Member. International experience is not only about understanding the commercial part of the business or the knowledge about different markets and customers, but also about working in environments that are different from what you are used to.

 

  1. What was your professional career like? What challenges did you have to meet on the way to the top?

The main challenge was to manage different kind of businesses, in growing markets where I had a strong backwind and then moving on to a turn-aro

und business in a declining market with a strong head wind. Now working with Boards my main focus is to ensure that the business has a clear long term strategy which means having the trust to leave the daily operational business topics to the management team.

 

 

 

       4. What should women take into consideration on their way into leading positions and what helps them staying there?

A curiosity for learning new things and taking on new challenges as well as the importance of courage and self confidence.

 

  1. Ten years ago you were mentor in the Regional Frankfurt Mentoring Program? Do you recall any experiences you gathered during the program?

This was one of my first experience of being a mentor. It was an interesting journey where we both learnt a lot. I have then continued to take on different mentor roles both internally and externally.

 

  1. How important do you think are female role models for women wanting to succeed?

Very important, especially in male oriented industries. Being a role model means supporting and inspiring other womers to grow.

 

  1. Are there any experiences or advice you would like to share with women in leading positions who are still on their way to the top?

To be surrounded and supported by friends, families, colleagues and of course your manager.

This support has been crucial throughout my career and I try to give the same support to those I work with. I have always been very proud to see my team develop and succeed. It feels like this way of leading is becoming more relevant today because of the times we are in and everything that is happening in our world. This is an important role for the Board too, in addition of being a control function, the Board should support the CEO and the management team by providing a long-term direction that the company is able to comply with.”

 

 

 

 

Thank you very much for your time and for sharing you thoughts with us.

„Elternzeit ist kein Karrierehemmnis“

Väter, traut Euch!

 

Nur gut ein Drittel der Väter nimmt Elternzeit, die meisten davon gerade einmal zwei Monate. Warum nicht länger? Männer fürchten durch eine Elternzeit einen Karriereknick. Eine unbegründete Angst, wie jüngste Studien herausfanden. Mehr dazu in der SZ: Erst die Karriere, dann das Kind

 

Hier ein Interview mit einem Vater und Senior Manager bei KPMG, der es gewagt hat:

 

„Ich habe bis 16 Uhr Zeit, dann hole ich meine Tochter aus der Kita ab“, sagt Daniel Jagar, Senior Manager bei KPMG in Frankfurt zu Beginn des Interviews. Der 37-Jährige Vater zweier Mädchen (2,5 Jahre und 7 Monate) profitiert von den flexiblen Arbeitszeiten bei KPMG, einem der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen in Deutschland und zeigt, wie er seine persönliche Life-Balance gestaltet. Ein Interview über seine viermonatige Elternzeit, Vorteile durch weibliche Vorgesetzte und selbstbewusstes Vatersein.


Elternzeit bei Vätern wird immer beliebter, allerdings nehmen die meisten nicht mehr als die gesetzlich festgeschriebenen zwei Monate Elterngeld in Anspruch. Wie kam es, dass Sie länger zu Hause geblieben sind?

Daniel Jagar: Ich habe auch ein bisschen herumgefragt und es hat mich wirklich verblüfft, dass niemand länger als zwei Monate zu Hause geblieben ist. Bei vielen mag das finanzielle Gründe haben. Bei uns war es so, dass meine Frau, die auch bei KPMG arbeitet, gerne im Winter vor Beginn der Busy Season wieder einsteigen wollte, um den Kontakt zu ihren Kunden zu halten – da habe ich die restliche Zeit bis zum Kitastart überbrückt und vier Monate Elternzeit genommen. Und festgestellt, dass ein Projekt auch mal ohne mich funktioniert und meine Teamkollegen diese Monate dankenswerter Weise gut überbrückt haben. Man meint ja immer, man sei in so viele Dinge involviert, dass gar nichts mehr ohne einen gehen würde. Aber klar geht das.

 

Und wie ist es bei Ihnen zu Hause gelaufen?

Ich muss zugeben: Am Anfang war ich schon ein bisschen nervös, plötzlich acht Stunden mit meiner Tochter alleine zu sein. Aber auch herausfordernde Situationen zu meistern, wie ein schreiendes Kind in der Öffentlichkeit zu beruhigen, hat mir total viel Sicherheit gegeben und Routine. Und es ist auch wichtig zu merken, wie anstrengend es ist, einen Tag mit Kind zu organisieren. Bei der Generation meiner Eltern waren Männer noch der Meinung, mit den Kindern zu Hause zu bleiben, sei keine Arbeit. Aber wenn man dann mal mehrere Monate den Haushalt organisiert, einkaufen geht, kocht, das Kind betreut, dann freut man sich wieder auf das Büro. Im Vergleich dazu geht es in der Arbeit ja wirklich ruhig und selbstbestimmt zu.

 

Sie sind nun zurück aus der Elternzeit. Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Wenn ich nicht beim Kunden vor Ort arbeite, bringe ich morgens unsere große Tochter zur KPMG-Kita und bin ab acht Uhr im Büro. Zwischen 15 und 16 Uhr hole ich sie wieder ab. Zu Hause verbringe ich erstmal Zeit mit meiner Familie. Wir kochen und essen zusammen, meine Frau bringt die größere Tochter ins Bett, ich die kleine. Wenn es ideal läuft, sitze ich gegen halb neun wieder am PC, telefoniere mit Kollegen aus den USA, oder arbeite E-Mails ab und lese Berichte. Ich bin sehr zufrieden und dankbar, dass das so funktioniert. Ich erlebe viel von und mit meinen Kindern. Dafür nehme ich gerne in Kauf, mich abends nochmal hinzusetzen, um zu arbeiten. Die Flexibilität, die ich vom Arbeitgeber erhalte, gebe ich auch gerne wieder zurück und beantworte auch mal samstags E-Mails. Klar, Freizeit und Arbeit verschwimmen dadurch etwas mehr, das muss man wollen und können. Aber ich finde es praktisch.

 

Wenn Arbeit und Freizeit verschwimmen, wie organisieren Sie sich im Job?

Bei Unternehmenstransaktionen geht es schon manchmal spontan und zeitkritisch zu. Aber mit deutschlandweit rund 150 Mitarbeitern sind wir eine so große Abteilung, dass wir absolute Flexibilität gewährleisten können. Ich arbeite nicht weniger als andere, ich verteile die Zeit nur anders und hole meine Tochter trotzdem von der Kita ab. Denn ich habe nichts davon, abends lange im Büro zu sitzen, um alles fertig zu machen und dann nach Hause zu kommen und meine Familie nur noch schlafend zu erleben.

 

Das ist nicht das typische Bild, das man von einem Unternehmensberater im Kopf hat. Findet hier ein Mentalitätswandel statt?

Ich habe schon das Gefühl, dass auch in unserer Branche verstärkt darauf geachtet wird, Frauen und Männer, die Elternzeit nehmen oder Teilzeit beantragen, nicht aufs Abstellgleis zu stellen. Das hängt bestimmt auch damit zusammen, dass mehr Frauen in Führungspositionen gekommen sind. Als ich hier angefangen habe, wurde eher noch ein klassischeres Rollenbild gelebt: Jetzt habe ich das Glück eine Chefin zu haben, die ihre Arbeit ebenfalls so verteilt, dass sie mit ihren zwei Töchtern zu Abend essen kann und am späteren Abend wieder weiterarbeitet. Ich hoffe, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen noch weiter steigt, damit wir alle davon profitieren können – nicht nur in dieser Hinsicht.

 

Wie organisiert sich Ihre Frau beruflich?

Bei unserer ersten Tochter ist sie nach acht Monaten in Elternzeit wieder in den Job zurückgekehrt. Jetzt bei der zweiten Tochter hängt es noch von der künftigen Betreuungssituation ab, wie wir uns organisieren. Wir sind wirklich in der glücklichen Lage, dass wir unsere Karrieren selbst in der Hand haben und KPMG uns sehr viel Bewegungsspielraum gibt.

 

Welche Befürchtungen hatten Sie vor Karrierenachteilen durch die Elternzeit?

Ich glaube, die Zeiten sind vorbei. Auch in der Beraterbranche kann man zum Kunden offen sagen: Wir sind ein großes professionelles Team, Ihre Belange werden immer erfüllt und es ist immer jemand für Sie erreichbar – auch wenn das von 16 bis 19 Uhr nicht immer ich sein werde.

 

Wie haben Sie Ihre Elternzeit im Unternehmen und mit Ihren Kunden kommuniziert?

Im Team habe ich ganz offen gesagt, dass ich plane, vier Monate weg zu sein, aber eine ordentliche Übergabe mache und telefonisch erreichbar bleibe. Das wurde durchweg positiv aufgenommen. Kollegen, mit denen ich seltener in Kontakt bin, habe ich proaktiv eine E-Mail geschrieben und meine Kunden habe ich angerufen. Ich wollte nicht, dass sie eine Abwesenheitsnotiz erhalten und nicht wissen, ob ich krank bin, verreist oder ins Ausland versetzt wurde. Die meisten haben sich gefreut, manche waren verblüfft, aber alle fanden es gut.

 

Was raten Sie Vätern, die gerade vor der Entscheidung stehen, ob und wie lange sie Elternzeit nehmen sollen?

Auf jeden Fall machen. Es lohnt sich. Mein Tipp ist, selbstbewusst damit umzugehen und offen kommunizieren, wann und wie lange eine Elternzeit geplant ist. Die Angst vor Karrierenachteilen ist unbegründet. Ich mag nicht ausschließen, dass es im Einzelfall noch so ist, aber bei modernen Arbeitgebern sind diese Zeiten vorbei.

 

„Väter traut euch – mutige Männer tun´s schon länger“. Das Interview wurde 2017 geführt. Daniel Jagar arbeitet erfogreich bei der KPMG.

 

Interview: Julia Schmid

 

Über KPMG: KPMG in Deutschland ist Teil eines weltweiten Netzwerkes rechtlich selbstständiger Firmen mit rund 189.000 Mitarbeitern in über 150 Ländern. In Deutschland gehört KPMG zu den führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen und ist mit rund 10.200 Mitarbeitern an mehr als 20 Standorten präsent. Die Leistungen umfassen die Geschäftsbereiche Audit (Prüfung von Konzern- und Jahresabschlüssen), Tax (steuerberatende Tätigkeit), Consulting und Deal Advisory (bündeln das Know-how zu betriebswirtschaftlichen, regulatorischen und transaktionsorientierten Themen).

KPMG legt Wert auf Diversität im Unternehmen. Sie ist Unterzeichner der Charta der Vielfalt und des Memorandums für Frauen in Führung. Im Rahmen der Förderung von Vielfalt, engagiert sich KPMG mit einem Mitarbeiternetzwerk – Network of Women (KNOW), mit Maßnahmen zur Bindung und Förderung von Frauen im Zuge des Leadership Development Programms REACH und mit einem Mentoring-Programm für Frauen.

 

Einen Beitrag über eine Partnerin bei KPMG, die in Teilzeit ihre Führungsrolle wahrnimmt, findet ihr hier:

So gelingt Karriere in Teilzeit

 

Und wie eine Führungskraft der LBS Bayern über die Elternzeit von Vätern denkt, lest ihr in diesem Beitrag:

„Meine Work-Life-Balance stimmt“

 

EIN LEBEN OHNE PRÄSENZ UND WIRKUNG … IST KEIN GUTES … – Interview mit Karin Krug

„Nur 22 Prozent der deutschen Theater werden von Frauen geleitet – und noch weniger von Frauen gegründet. Karin Krug ist eine davon. Zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Wolf aus der Schauspielschule gründete sie 1992 das fastfood theater München, eine der ersten Improvisationsbühnen des Landes, und leitet es seitdem sehr erfolgreich.

 

Studiert hat Karin Krug Theaterwissenschaft. Sie arbeitet als Schauspielerin, ist Deutsche Meisterin im Theatersport, tritt national und international auf und ist als Trainerin in Unternehmen und künstlerischen Bereichen tätig. Darüber hinaus ist sie Mentorin für Künstler*innen und Führungskräfte.

 

Auf der Theaterbühne geht es um Freude am Spiel, Improvisation und Präsenz. Aber auch im Unternehmenskontext ist es extrem wichtig, die „Bühnen“ für die eigene Sichtbarkeit und Präsenz zu nutzen – gerade auch von Frauen. Wie das gehen kann und wie ihre beruflichen Bühnen so aussehen, verrät uns Karin Krug in einem Interview.“

 

 

EIN LEBEN OHNE PRÄSENZ UND WIRKUNG

… IST KEIN GUTES …

Liebe Karin, du bist Schauspielerin und mit Deinem Improvisationstheater fastfood theater im gesamten deutschsprachigen Raum auf den Theaterbühnen und in Unternehmen tätig. Was bedeutet für Dich Präsenz?

Karin Krug (KK): Das ist natürlich ein großer Begriff. Ich definiere ihn in meinen Seminaren aber gerne sehr konkret als der „Moment, in dem Kommunikation stattfindet“. In diesem Moment hat jeder Mensch entweder eine Ausstrahlung, die seinen inhaltlichen und räumlichen Ausdruck unterstützt oder manchmal sogar verhindert. Wir „spüren“ den anderen mehr, als uns bewusst ist. Wir spüren, ob der andere an sich selbst glaubt, ob er gerne da ist, ob er Widerstände in sich trägt. Das „Spüren“ ist dabei eine intuitive Mischung aus Sehen, Hören, Fühlen und Riechen gepaart mit den eigenen schon erlebten Erfahrungen. Darum ist Präsenz auch subjektiv und objektiv wahrnehmbar. Und oft ist es eine bunte Mischung aus beidem. Einer Führungskraft unterstellen wir gerne mehr Präsenz – unabhängig davon, was sie tut oder spricht. Bei einer Frau in der Führungsrolle erwarten wir aber mitunter andere Präsenzmerkmale als bei einem Mann.

Generell ist meine Erfahrung, dass wir im gegenüber eine „angenehme Präsenz“ wahrnehmen, wenn er oder sie mit sich selbst im Reinen ist und unabhängig von den Erwartungen „authentisch“ anwesend ist. Dann nehmen wir den oder die andere als stimmig wahr. Ob uns das gefällt oder nicht, wir unterstellen der Person eine „natürliche“ Präsenz.

 

Was können wir vom Improvisations-Ansatz lernen? Sollen wir alle Theater spielen?

KK: Erst einmal stellt man schnell fest, dass jegliche öffentliche Präsenzsituation ein kleines Theater ist. Wir nehmen unsere Rolle im System ein und wirken durch die Rolle hindurch. Wir ziehen uns bei Präsentationen sehr bewusst an (im Theater ist es das Kostüm). Wir wählen unsere Worte bewusst (im Theater ist das der Text). Und wir sprechen über die Inhalte jenseits unserer ganz persönlichen und intimen Haltungen (im Theater ist das die Rolle). Wir sind nicht privat unterwegs, sondern im professionellen Kontext (im Theater ist das das Stück).

Wenn wir uns nun ansehen, wie Theater funktioniert, dann kann uns das helfen, unseren Handlungsspielraum innerhalb des beruflichen Kontextes zu erweitern. Wir können einen spielerischen Umgang mit unseren beruflichen Situationen finden und damit auch mehr Freude am Erforschen, was denn gerade passend sein könnte. Damit erhalten wir mehr Flexibilität und oft auch mehr Balance im eigenen Ausdruck.

 

Erzähle uns doch bitte ein wenig von Deinem Werdegang!

KK: Ich habe Theaterwissenschaften, englische Literaturwissenschaft und Sozialpsychologie studiert. Allerdings wollte ich immer Schauspielerin werden und immer im Live-Ort Theater. Während des Studiums habe ich das Improvisationstheater für mich entdeckt und mit Andreas Wolf (und 9 anderen Kommilitonen) das fastfood theater gegründet. Das war vor 30 Jahren. Seitdem habe ich nie aufgehört, mich an der Vielfalt, der Kreativität und der Handlungsstärke von Menschen in Teams zu begeistern. Ich habe viel geforscht, viel von meinem Wissen weitergegeben und mich auch selbst sicher oft verändert.

 

Was ist Gender für dich?

KK: Erst einmal ist es etwas, das ich erfahren und gelernt habe. Eine Möglichkeit, die ich nutzen kann und wo ich gut darin bin. Ich weiß z.B., wie Frau auf der Bühne wirkt und wirken kann. Als Schauspielerin weiß ich allerdings auch, dass ich auch gegen den Strom großartige Ausdrucksmöglichkeiten habe. Ich kann männlich und weiblich spielen und erhalte dabei ganz unterschiedliche Reaktionen. Ich weiß aber auch, dass das Geschlecht sich erst nach dem Menschen-Sein formt. Erst einmal sind wir Menschen. Alle haben das gleiche (nicht dasselbe) Handwerkszeug, mit dem sie präsent sein können. Erst dann wirkt das Geschlecht – sei es sozial, real oder virtuell. Und es ist meine Entscheidung, wie sehr ich es in den Vordergrund meiner Ausstrahlung nehme. Menschen mit hoher Wirkkraft gehen sehr souverän mit ihren Mitteln um. Sie entscheiden bewusst, was sie wie einsetzen, um gut in ihre eigene individuelle Wirkung zu kommen. Da ist Gender ein nützliches, nicht zu leugnendes, doch genau zu dosierendes Mittel.

 

Wie kann uns Improvisationstheater helfen, einen flexiblen Umgang mit unserer eigenen Präsenz zu bekommen?

KK: Improvisationstheater ist teamorientiert, humorvoll, agil, spielerisch, ernsthaft, wahr und macht sehr viel Spaß. Es ist also ein fruchtbarer Erfahrungsraum, in dem ich auch mal Scheitern darf und ganz viele Erfahrungen sammeln kann, die sich körperlich einprägen. Präsenz hat sehr viel mit Erfahrung zu tun. Unser Körper lernt nicht durch Denken, sondern durch Tun. Improvisationstheater ist einfach ein tolles Training.für Präsenz in allen Lebenslagen.

 

Warum gerade jetzt dieses Thema?!

KK: Vor 25 Jahren habe ich für meine Magisterprüfung in Sozialpsychologie ein sehr komplexes Genderthema gewählt. Für mich war das eine Offenbarung. Später dachte ich, jetzt haben wir das gesellschaftlich endlich hinter uns und jede und jeder kann spielerisch mit ihren und seinen Geschlechteranteilen umgehen – auch im professionellen Kontext. Ich musste in den letzten Jahren erkennen, dass dem leider immer noch nicht so ist. Frauen und Männer spüren noch immer die Genderthemen als Hürde oder auch als Vorsprung. Doch überall entsteht zur Zeit der Wille nach Veränderung. Sowohl in den Chefetagen der großen Firmen als auch in den Teams. Gerade für uns Frauen öffnen sich große Chancen uns neu zu definieren und zu positionieren. Und das sollten wir nutzen. Und zwar mit Leichtigkeit, Humor und Freude an der Variation.

 

 

Am 27./28.04.2020 startet dazu unser neues Seminar „Professionelle Präsenz – Wirkungsvoll durch Körpersprache und Stimme”.

 

Hier finden Sie mehr Informationen zu diesem Seminar

 

Interview: Dr. Tanja Haupt

 

Weiteres zum Thema Auftreten:

 

Das gewisse Auftreten Interview mit Irene Bärtle

Nachgefragt: Topsharing und Elternzeit – kann das funktionieren? Dr. Clara Kronberger und Nicole Gargitter von den Stadtwerken München im Interview

Vor einiger Zeit interviewten wir Frau Dr. Kronberger und Frau Nicole Gargitter schon einmal. Die beiden Frauen leiten zusammen den Bereich “Telekommunikation” bei den Stadtwerken München. Damals war Frau Kronberger bereits Mutter, heute ist Frau Gargitter in Elternzeit. Doch wie funktioniert Topsharing, wenn eine der beiden Führungskräfte plötzlich ausfällt? Welchen Herausforderungen sahen sich die beiden gegenüber? Und wie hat das Unternehmen das Modell weiterhin unterstützt? Diese und weitere Fragen beantworten die beiden Führungsfrauen im Interview mit dem MFF. 

 

Frau Kronberger, zum Zeitpunkt des letzten Interviews war Ihre Tochter drei Jahre alt, weshalb Sie sich bewusst für ein Teilzeitmodell mit 50% entschieden haben. Wie gestaltet sich das nun, da Frau Gargitter in Elternzeit ist? Wie haben sich die Anteile von Frau Gargitter neu verteilt?

Clara Kronberger (CK): Für die Zeit in der Nicole in Elternzeit ist, war klar, dass ich meine Stunden beträchtlich aufstocken werde. Derzeit arbeite 36h, also eher vollzeitnahe Teilzeit. Natürlich kann ich mit 36h nicht den gesamten Workload unserer bisherigen 60h abdecken. Wir haben allerdings einige Neuverteilungen vorgenommen z.B. haben wir zeitaufwendige Projektleitungen an Projektleiterinnen z.T: auch aus anderen Abteilung abgegeben. Außerdem haben wir noch während der Anwesenheit von Nicole Strukturen geschaffen die eine Verteilung der Aufgaben auf mehrere Schultern erlauben und auch nach der Rückkehr von Nicole zur Entlastung des Managements weiter beitragen können.

Nichts desto trotz bleiben natürlich auch ein paar Dinge liegen. Es ist in unserem Unternehmen nicht ungewöhnlich, dass Elternzeiten von Führungskräften durch kommissarische Übernahme der Leitungsposition von bereits vorhandenen Mitarbeitern ausgeglichen werden. Dann legen wir eben mehr Wert auf die Prio A und auf Führungsthemen und verschieben Prio B Themen. Zusätzlich gibt es nun auch eine Vertretung für die TK-Leitung. Bisher konnten wir uns gegenseitig vertreten und so war „die TK-Leitung“ nie im Urlaub. Für die Zeit von Nicoles Abwesenheit vertritt die TK-Leitung bei Abwesenheit (z.B. meinem Urlaub) ganz klassisch eine unserer Teamleitrinnen.

 

 Wie haben sich die Aufgabenbereiche neu verteilt?

CK: Es ist uns wichtig, dass wir weiterhin als Führungstandem gesehen werden, daran ändert auch eine zeitweilige Abwesenheit von Nicole nichts. Wir stehen auch zu strategisch relevanten Themen (und auch privat) weiterhin in engem Kontakt. Für die Zeit ihrer Abwesenheit bedeutet das allerdings, dass ich die Verantwortung für alle Themen der TK-Leitung übernommen habe. Ich delegiere allerdings Projektthemen, Terminteilnahmen und Ausarbeitungen z.T. an unseren technischen Referenten oder die einzelnen Teamleiter. Spezielle Aufgaben die besonders mit Nicoles Person verknüpft waren, hat sie gesondert umverteilt.

 

 Frau Gargitter, war der Schritt für Sie, in Elternzeit zu gehen, von vornherein klar oder haben Sie lange überlegen müssen, wie Sie diese Zeit gestalten?

Nicole Gargitter (NG): Ja, es war für mich klar, dass ich Elternzeit in Anspruch nehmen werde. Allerdings habe ich lange mit meinem Partner überlegt, wie wir diese Zeit gestalten bzw. unter uns aufteilen. Ich konnte mir vor der Geburt meiner Tochter nicht vorstellen, wie ich mich als Mutter fühlen werde bzw. welche Verteilung zwischen der Betreuung meiner Tochter und der Berufstätigkeit ich mir wünsche. Ehrlicherweise weiß ich das auch heute noch nicht so genau. Nach einer schlaflosen Nacht, nach der ich aktuell um ca. 4:30 Uhr die Vöglein zwitschern höre und den Morgen willkommen heiße, kommt es vor, dass ich mir wünsche, mit meinem Partner tauschen zu können und in die Arbeit gehen zu dürfen. J Ich denke, ich hadere wie jede Frau, die gerne in die Arbeit geht, mit der Vereinbarkeit der beiden Rollen – „Mutter“ und „Berufstätige“.

 

 

Und dabei geht es nicht nur um die organisatorische Vereinbarkeit; auch emotional bin ich noch dabei dies mit mir zu vereinbaren. Man möchte eine „gute Mutter“ sein und für dieses kleine Wunder, das man auf die Welt gebracht hat, da sein, und gleichzeitig merkt man, dass nur „Muttersein“ einen nicht erfüllt. Die Gesellschaft (Kollegen, Freunde etc.) spiegeln einem mit entsprechenden Aussagen zudem, dass es noch nicht „normal“ ist, dass Mutter und Vater sich gleichermaßen um die Betreuung der Kinder kümmern. Für mich persönlich hat sich in den ersten Wochen nach der Geburt herausgestellt, dass, so sehr ich meine Tochter auch liebe, mir die Arbeit und der Austausch mit den Kollegen sehr fehlen. Deshalb werde ich im August – nach zwei Monaten Mutterschutz und einem Monat Elternzeit – für einen Monat Vollzeit in die Arbeit gehen. In diesem Monat nimmt mein Partner Elternzeit und kümmert sich unter Tags um unsere Tochter. Ab Oktober komme ich Teilzeit in Elternzeit zurück; zunächst für ca. 2 Tage pro Woche und ab nächstem Mai, wenn unsere Tochter 1 Jahr wird und wir einen Kita-Platz gefunden haben, werde ich auf 30 Stunden in der Woche aufstocken. Ich bin sehr dankbar, einen Freund und Eltern an meiner Seite zu haben, die mich dabei unterstützen.

 

Zum Zeitpunkt des letzten Interviews stand ja auch schon im Raum, dass Frau Gargitter vielleicht einmal Kinder bekommen möchte. Haben Sie oft über dieses Szenario miteinander gesprochen und schon im Vorfeld Fragen und Organisatorisches geklärt oder haben Sie erst das Gespräch gesucht, als klar war, dass nun eine Veränderung ansteht?

CK: Ist es ja so, dass sich nicht alles mit Sicherheit vorherplanen lässt. Daher haben wir das Thema nur allgemein im Vorfeld besprochen. So war z.B. immer klar, dass unser Modell auf eine 30h/30h Teilzeit Teilung abzielt. Aber auch, dass dies nur dann wirklich spruchreif wird, wenn sich tatsächlich auch Nachwuchs bei Nicole ankündigt.

NG: Wie Clara sagt, haben wir erst dann ganz konkret über das Szenario gesprochen, als ich schwanger war. Mir erschien es davor nicht richtig, etwas zu planen, das ggf. gar nie eintreten wird. Man ist bei so etwas ja auch etwas vorsichtig. Als es allerdings dann soweit war, haben wir – ähnlich wie vor unserer Bewerbung auf die gemeinsame Führungsposition – ziemlich oft darüber gesprochen, wie wir die Zeit gestalten wollen, wie wir die Themen und Projekte aufteilen und welche Erwartungshaltung bzgl. Kommunikation untereinander in dieser Zeit besteht.

 

 Welchen Herausforderungen standen Sie beide gegenüber, als klar war, dass Frau Gargitter in Elternzeit gehen wird?

NG: Für mich gab es zwei große Herausforderungen. Zum einen musste ich lernen, mir wichtige Projekte und Themen „loszulassen“ und an Kollegen zu übergeben. Dies ist mir spätestens nach der Geburt meiner Tochter gut gelungen – ich hatte schlichtweg keine Zeit mehr, um an den Themen dran zu bleiben oder E-Mails zu lesen. So ein kleines Wesen ist wirklich ein Fulltimejob. J

Zum anderen war mir vor der Geburt meiner Tochter nicht so ganz klar, wieviel Abstand zur Arbeit ich tatsächlich möchte. Deshalb konnte ich auch Clara nicht verbindlich mitteilen, in welchen Abständen ich über die Arbeit und den aktuellen Stand informiert werden möchte. Wir haben uns dann darauf verständigt, dass wir definieren, zu welchen Themen sie mich informiert bzw. bei welchen Themen wir weiter gemeinsam Entscheidungen treffen. Diese Vorgehensweise hat bisher gut funktioniert.

 

CK: In meinem Fall war klar, dass sich meine Aufteilung von Privat- und Berufsleben gravierend ändern würde. Bisher war ich nachmittags nicht mehr für das Tagesgeschäft verantwortlich – ich konnte zwar an meinen Themen weiterarbeiten aber ich musste nicht mehr verfügbar sein. Dies hat sich nun natürlich geändert. Zum einen arbeite ich jetzt einfach mehr Stunden, zum anderen verteile ich sie nach wie vor so, dass ich nachmittags (bis auf einen Wochentag) Zeit für meine Tochter habe. Das heißt aber natürlich, dass ich die Stunden abends dranhängen muss und auch nachmittags für dringende und wichtige Themen erreichbar bin.

Wir haben gerade gegen Ende der Schwangerschaft viele Gespräche geführt um die gegenseitigen Erwartungen und Wünsche zu verstehen und in Einklang zu bringen. Während ich lieber die Dinge plane und mich dann darauf festlege, ist für Nicole Flexibilität ein wichtiger Faktor, daher mussten wir beide viel Fingerspitzengefühl und Empathie aufbringen.

 

 Was ging Ihnen vor und während der Veränderungen durch den Kopf?

NG: Ich habe mich sehr über die Schwangerschaft gefreut und bin nun unglaublich glücklich, eine gesunde Tochter zu haben. Allerdings machen mir die Veränderungen auch heute noch etwas Angst. Man ist mit Kind deutlich fremdbestimmter als ohne. Es war mir klar, dass ich einen Teil meiner Freiheiten, die ich ohne Kind hatte, zunächst aufgeben muss z.B. spontane Treffen mit Freunden, Arbeiten ohne auf die Uhrzeit schauen zu müssen, spontane Urlaube etc. Tatsächlich fällt es mir immer noch etwas schwer, anzunehmen, dass nun Windeln wechseln und Füttern meinen Tagesablauf bestimmen und kaum Zeit für einen selbst oder die Beziehung bleibt. Das mag sehr egoistisch klingen, ist aber das Gefühl, das mich durchaus öfter beschleicht, wenn wir im Rhythmus der Schlafenszeiten unserer Tochter unsere Tage und Nächte verbringe. Auf unser Topsharingmodell bezogen war mir klar, dass ich mich auf Clara verlassen kann und hatte deshalb bezüglich der Führungsaufgabe unseres Bereiches keine Bedenken für meine Abwesenheit. Mir ging eher bereits durch den Kopf, wie es wohl wird, wenn ich in Teilzeit zurückkomme. Es stellen sich plötzlich ganz neue organisatorische Fragen für unser Modell.

CK: Ich habe mich sehr für Nicole gefreut, dass sie diese außergewöhnliche Erfahrung: Mutter zu werden, machen kann. Ich war auch gespannt auf die neue Herausforderung in Teilzeit allein verantwortlich zu sein. Auf der anderen Seite war mir schon klar, dass es ein Kraftakt werden würde und ich den täglichen Austausch mit Nicole sehr vermissen werde.

 

 Wie waren die Reaktionen des Umfelds und welche Unterstützung haben Sie von Seiten des Unternehmens erhalten, um die neue Situation zu gestalten?

CK: Unser Umfeld hat sehr positiv reagiert. Die Kollegen haben mir das Gefühl gegeben, dass sie mir die Erweiterung meiner Aufgaben zutrauen. Und gerade in so einer Situation, in der eine Führungskraft für mehrere Monate ausfällt oder ihre Arbeitszeit reduziert, liegt die Stärke des Topsharing Modells, denn die andere Führungskraft kann ohne große Einschwingphase übernehmen.

Unsere Vorgesetzten haben uns die maximale Unterstützung gewährt: sie haben uns das Thema selbst und eigenverantwortlich ausgestalten lassen und alle unsere Entscheidungen (Zeitdauer der Elternzeit, Themenverteilung, Arbeitszeitverteilung, etc.) so wie wir sie getroffen haben unterstützt. Das Credo war: ihr müsst euch mit euren Entscheidungen wohl fühlen und der Laden muss laufen. Diese Flexibilität rechne ich den Stadtwerken hoch an.

NG: Es haben sich alle sehr für mich gefreut und mir gratuliert. Zudem war es schön, von den Kollegen gespiegelt zu bekommen, dass ich ihnen fehlen werde und sie sich auf meine Rückkehr freuen. Einige Kollegen hatten Sorge, dass ein Teil meiner Aufgaben und Arbeitszeit auf ihre Schultern verteilt wird. Ich denke, diese Sorge konnten Clara und ich ihnen schnell nehmen, als wir ihnen die Verteilung der Themen und Projekte, die bisher bei mir lagen, vorgestellt haben. Wir haben z.B. unsere Teamleiter in diese Entscheidung eingebunden und sie nach ihrer Meinung gefragt. Wie Clara bereits sagte, haben uns unsere Vorgesetzten maximale Freiheit gelassen, diese Situation für uns zu gestalten. Die Offenheit der Führungskräfte – ein Topsharingmodell immer wieder an neue Gegebenheiten anzupassen – hat wesentlichen Einfluss auf den Erfolg solcher Modelle. Unsere Führungskräfte bzw. die SWM haben uns hierbei stets unterstützt.

 

 Was bedeutet die neue Situation für das Topsharing Modell?

NG: Es ist zwar eine neue Situation für uns bzw. das Modell, jedoch denke ich, dass weiterhin die gleichen Dinge wichtig sein werden. Dies ist v.a. der persönliche Austausch, um dem Topsharingpartner die eigenen Erwartungen und Wünsche offen mitzuteilen. Nur so kann dauerhaft ein Modell geschaffen werden, das beiden zusagt und in dem wir uns beide wohl fühlen und das Beste für das Unternehmen leisten können. Jeder muss das Modell an die eigene Situation und die eigenen Bedürfnisse anpassen. Clara und ich schaffen dies durch viele persönliche Gespräche. Organisatorisch werden wir nach meiner Rückkehr natürlich ein paar Änderungen vornehmen müssen. Wir müssen die Aufteilung der Arbeitszeit neu regeln und somit auch der Themen und Projekte.

CK: Mit jeder größeren Veränderung in so einem Modell muss man sich bewusst sein, dass auch wieder eine Findungsphase zwischen den Tandem Partnern eintritt. Es ist ja nicht so, als ob Nicole nach einigen Monaten wieder Vollzeit zurückkommt und alles wieder so wird wie vorher. Das Modell muss atmen und sich an unsere beiden Bedürfnisse und Notwendigkeiten anpassen. Aber uns ist bewusst, dass diese Anpassung kein Selbstläufer ist, wir lassen uns weiterhin von einem Coach begleiten und gehen sehr viel in persönlichen Austausch – das war immer unsere Stärke und wird es weiter sein.

 

 Hat sich das Verhältnis zu den Mitarbeiter*innen geändert, seit Frau Gargitter in Elternzeit ist und wenn ja, wie?

CK: Ich habe jetzt einen häufigeren Austausch mit den Mitarbeitern zu einer größeren Bandbreite an Themen. Das ist natürlich dem geschuldet, dass ich nun nahezu alle Themen der TK-Leitung selbst verantworte. Wir haben ein tolles Führungsteam bei TK, und ich empfinde die Kollegen als große Stütze, gerade in der jetzt sehr arbeitsintensiven Zeit. Aber ich würde nicht sagen, dass sich unser Umgang oder unser Verhältnis sehr stark verändert haben.

 

Das Interview führte Anna Karger

Wie kann Männern die Angst vor Frauenförderung genommen werden? – MFF Kompetenzforum

Diese Frage steht immer dann im Raum, wenn neue Förderprogramme für Frauen entwickelt werden sollen. Um solche in einem Unternehmen zu etablieren, ist immer auch die Zustimmung aus dem Topmanagement erforderlich. Die männliche Führungsriege zeigt sich jedoch häufig desinteressiert oder aber – ängstlich. Woher diese Angst kommt und welche Strategien es gibt, um sie zu überwinden, wurde im Kompetenzforum des MFF diskutiert.

 

Die Angst verstehen

Dass männliche Führungskräfte sich von Frauen in Führung bedroht fühlen klingt zunächst wenig nachvollziehbar. Aktuelle Zahlen bestätigen, dass Männer immer noch den größten Anteil an Führungspositionen im Topmanagement besetzen. Dennoch gibt es immer wieder Aufschreie von Männern, die sich aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt fühlen. Formulierungen wie „Frauenförderung“ und „Frauenquote“ lösen Unbehagen aus und Unbehagen führt zu – Ablehnung.

Ein solches Verhalten ist in der Tat ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Identität. Wir definieren uns über die Identifikation mit dem „Ähnlichen“ und „Vertrauten“ aber auch über die Abgrenzung zum „Unbekannten“ und „Fremden.“ Dieser Habitus wird in den Kulturwissenschaften als Otherness bezeichnet: durch die Abgrenzung zum Anderen entwickelt sich unsere Persönlichkeit und auch die Gruppen, in denen wir uns vorwiegend bewegen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass viele Männer sich in einer rein männlichen Führungsgruppe sehr wohl fühlen und sich durch die Nicht-Männliche Seite bedroht fühlen. Die Spielregeln, die ein Mann bereits im Kindesalter erlernt, sind geprägt durch Verhaltensweisen hegemonialer Männlichkeit. Die meisten Frauen kennen diese Spielregeln schlicht und einfach nicht, weil sie anders sozialisiert sind.

Die Kommunikation sowie das Verhalten als Führungskraft unterscheiden sich in vielen Punkten deutlich zwischen den Geschlechtern. Eine solche Differenz löst Angst aus – und führt deshalb zu Ablehnung.

 

Macht und Identität

Die immer lauter werdenden Stimmen, die sich für eine diverse Aufstellung von Vorständen und Führungsebenen einsetzen, werden auch von den Männern gehört, die bereits selbst Söhne in einem Alter haben, in dem die erste Führungsposition nicht mehr weit entfernt ist.

Genau wie für sie selbst – so die Vorstellung – ist der berufliche Erfolg das Lebensziel, sogar der Lebensinhalt. Die männliche Identität konstituiert sich heute maßgeblich aus dem beruflichen Status. Dies ist eine Folge der Machtstrukturen, die hinter dem Konzept der hegemonialen Männlichkeit stehen: Status und Wettkampf sind zwei der Kernprinzipien, die ein Modell beschreiben, von dem der Mann in unserer Gesellschaft stets profitiert.

Mit der Forderung nach Auflösung dieser Machtstrukturen und dem Wunsch nach Veränderung hin zu einer diversen Führungskultur wird also nicht nur ein System in Frage gestellt, sondern die männliche Identität an sich.

 

Männliche Identität und Machtverlust

Genau an dieser Stelle kann man jedoch ansetzen. Während Frauen bereits seit über 100 Jahren mit der Reformation weiblicher Identität konfrontiert sind, gibt es eine vergleichbare Neudefinierung der männlichen Rolle bis heute nicht.

Männer, die heute zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, haben Väter, deren Väter aus der Nachkriegsgeneration stammen und das Konzept der toxischen Männlichkeit inhärent haben. Der berufstätige Vater als Familienoberhaupt und Ernährer der Familie, aber auch der Vater, der nie zuhause war und von dem sich die Mutter irgendwann hat scheiden lassen.

Der Ansatz, den Unternehmen heute verfolgen ist, Männern alternative Arbeits- und sogar Lebensmodelle aufzuzeigen. Damit soll erreicht werden, dass Männer anfangen, ihre Rolle zu hinterfragen und Forderungen zu stellen nach Möglichkeiten, die aktuell hauptsächlich Frauen vorbehalten sind. Das liegt natürlich daran, dass Männer die Möglichkeiten nicht einfordern und deshalb die Frau als Mutter in Teilzeit gehen muss und nicht der Mann – ein Kreislauf, der reflektiert werden sollte.

Männer in Teilzeit oder Elternzeit, die eine Führungsposition nicht als die Erfüllung ihrer Existenz begreifen, die eine gesunde Work-Life-Balance einfordern.

 

Die Macht der Vorbilder

Männer, die diese neuen Konzepte bereits leben, können gezielt als Vorbilder eingesetzt werden. Denn während Frauen bereits Rolemodels haben, die Ihnen vorleben, dass eine Führungsposition auch in Teilzeit funktionieren kann, sieht das auf der männlichen Seite noch ganz anders aus: nur wenige Männer, die Chancen auf flexible Arbeitszeitmodelle nutzen, sind auch bereit, offen darüber zu sprechen und anderen Männern Mut zu machen. Der Grund: Angst vor dem Statusverlust.

 

Auch Frauen haben Angst vor Frauenförderung

Die Angst, Frauenförderung anzubieten, liegt tatsächlich bei den Männern. Die Angst davor, Frauenförderung anzunehmen, jedoch bei den Frauen selbst, weiß Dr. Marie-Claire Tietze von der KPMG. Ein großes Problem sei die Stigmatisierung solcher Programme: „Ich habe doch so hart gearbeitet und möchte jetzt nicht nur soweit kommen, weil ich eine Frau bin.“ „Bekomme ich die Förderung, weil ich gut bin oder weil ich eine Frau bin?“ „Was denken die Anderen?“ – Diese und viele andere Sorgen haben Frauen, die vor der Wahl stehen, gezielte Frauenförderung wahrzunehmen.

 

Power-Mentoring bei der KPMG

Die Kunst liegt wohl darin, Männer- und Frauenförderung zu vereinen. Dr. Tietze stellt in einem spannenden Vortrag das Power-Mentoring der KPMG vor: Männliche und weibliche Mentor*innen betreuen weibliche Mentees und fungieren als Ratgeber*innen. Das Programm bewirkt, dass sowohl die Frauen in ihrer Rolle als Mentee sehr viel über die Spielregeln der männlichen Kollegen lernen können. Gleichzeitig, und das ist vielleicht sogar noch viel wichtiger, erkennen auch die männlichen Mentoren das Potenzial weiblicher Führungskräfte.

Zusätzlich bietet die KPMG außerdem individuelle Coachings an. Viele Männer nehmen diese gerne an, vor allem wenn es um die Gesprächsführung mit weiblichen Kolleginnen geht. Die Devise der KPMG ist an dieser Stelle, männliche Führungskräfte von der Relevanz und den Chancen diverser Führungsebenen zu überzeugen.

 

Frauenförderung und Männerförderung

Die Teilnehmerinnen des Kompetenzforums waren sich nach dem spannenden Input von Frau Dr. Tietze in vielen Punkten einig. Die wichtigste Erkenntnis war jedoch, dass Frauenförderung auf lange Sicht nicht ohne Männerförderung funktionieren kann. Denn ohne, dass männlich geprägte Machtstrukturen sich nach und nach auflösen und männliche Identität neu definiert wird, kann auch Frauenförderung nur bis zu einem gewissen Punkt gelingen. Die Sichtbarmachung von Vorbildern sowohl für Frauen als auch für Männer ist entscheidend für die Gestaltung einer diversen Führungskultur.

 

Autorin: Anna Karger

“Im IT-Bereich oder wo auch immer. Den Ausschlag gibt am Ende das Herzblut, das man mitbringt” Interview mit Dr. Pamela Herget-Wehlitz

Die IT sorgt dafür, dass der Laden läuft. Die MTU Aero Engines ist bei technischen Neuerungen zudem immer eine Nasenspitze voraus, scheint es. Wie machen Sie das?

Wir entwickeln die entsprechenden Softwaretools in vielen Geschäftsbereichen zum Großteil selber. Wir arbeiten hier grundsätzlich sehr eng mit den Fachbereichen zusammen. Die Fachbereiche kennen ihre Arbeitsprozesse und wir steuern die IT-Technologie dazu. Das ist unser Grundverständnis.

Durch den Einsatz von Softwaretools ist es zum Beispiel möglich, frühzeitig die Triebwerksfunktion oder die Funktion der einzelnen Bauteile zu simulieren. Ein großer Teil der IT-Arbeit findet auch im Produktionsumfeld statt. Hier versuchen wir, die Prozesse soweit wie möglich zu automatisieren, also die Maschinenbetreuung sozusagen „mannlos“ zu machen. Es geht aber auch um die Frage, wie man die Daten aus der Maschine nutzen kann, um die Qualität der Bauteile abzusichern. Stichworte sind hier Datenanalyse und Prozessdatenmanagement. Auch im Maintenance-Bereich geht es sehr stark um Automatisierung bzw. um Effizienzsteigerung im Prozess. Im administrativen Bereich gilt das Gleiche. Im Vordergrund steht auch hier, der Versuch die Effizienz der Prozesse zu steigern.

 

Wie sind Sie in die Position gekommen, in der Sie heute tätig sind? Was waren die entscheidenden Schritte bzw. Wegmarken?

Ich bin keine Informatikerin, sondern Quereinsteigerin. Ich habe Luft- und Raumfahrttechnik studiert und damals vor knapp 34 Jahren im Bereich Aerodynamik bei der MTU angefangen. Dort habe ich unter anderem auch Rechenverfahren entwickelt und programmiert. Nach verschiedenen Stationen und zehn Jahren in der Autoindustrie, wo ich mich auch mit Simulationsverfahren beschäftigt habe, bin ich dann vor fast 20 Jahren wieder zur MTU zurückgekommen. In meiner neuen Position habe ich zunächst die Verantwortung für die Konstruktion übernommen. Große Themen waren damals Computer Aided Design und die Datenverwaltung, Stichwort Produktdatenmanagement. Ich habe dann anschließend die Verantwortung für die Einführung des Produktmanagementsystems übernommen und war nach dem Projekt dann sieben Jahre als Qualitätsleiterin tätig. Vor vier Jahren habe ich dann die Leitung des Bereiches IT übernommen.

Ein solcher Lebensweg, der über verschiedene Stationen und Disziplinen in höhere Hierarchieebenen führt, ist heute keineswegs selten

 

Als Quereinsteigerin bringen Sie da noch andere Sachen mit, eben gerade weil Sie nicht den geraden Weg gegangen sind. Gibt es etwas was Sie einbringen gerade, weil Sie woanders herkommen?

In meiner jetzigen Position profitiere ich von meiner Erfahrung im Bereich der Aerodynamik und von meiner Erfahrung in der Entwicklung von Rechenverfahren. Es hilft auch, dass ich auf meinem Weg über mehrere Stationen schon viele Bereiche im Unternehmens kennen gelernt habe. Im Qualitätsbereich haben wir z. B. sehr eng mit der Produktion zusammengearbeitet. Den Engineering-Bereich kenne ich sowieso aus langjähriger Tätigkeit in diesem Bereich. Die Breite der Erfahrung, die ich auch teilweise außerhalb der MTU sammeln konnte, ist natürlich sehr hilfreich.

 

Sie sind sehr gut vernetzt im Unternehmen. Gab es denn spezifische Netzwerke, die Ihnen weitergeholfen haben?

Damals, zu der Zeit als ich in Führung gegangen bin, da waren Netzwerke noch nicht en vogue. Oder anders gesagt, hat man da zumindest nicht Netzwerk dazu gesagt. Was mich schon immer weitergebracht hat,  ist der Kontakt zu den Kollegen. Die MTU ist ja ein noch vergleichsweise übersichtliches Unternehmen verglichen mit Großkonzernen. Ganz viele Kollegen sind schon sehr lange im Unternehmen. So wie ich auch. Da wächst man natürlich über die Jahre zusammen. Bei uns geht ganz viel über einen unkomplizierten Austausch. Auch die Hierarchien sind relativ durchlässig. Das ist charakteristisch bei der MTU.

 

Sie haben sich mehrmals als Mentorin im Cross-Mentoring München engagiert, drei Mal sogar. Gab es in Ihrem Leben Vorbilder, Role Models oder eine Mentor*in, die Sie in Ihrem Berufswunsch oder in Ihrem Werdegang unterstützt haben?

Das gab es. Nur hat man damals nicht von Mentoren gesprochen. Auf meinem Lebensweg gab es einige Personen, die mich beobachtet, unterstützt und gefördert haben. Sozusagen ein wenig die Hand über mich gehalten haben. Das fing in der Schule schon an. Ich hatte einen sehr guten Mathelehrer. Der hat mich aktiv gefördert, als er mitbekommen hat, dass ich Luft- und Raumfahrttechnik studieren will. Das war sein persönlicher unverwirklichter Studientraum. Er hatte sehr viel Freude daran, mit mir diesen Weg zu gehen.

Und im Beruf hatte ich zwei, drei Vorgesetzte, die mich besonders unterstützt haben. Sie haben mich in Situationen gebracht, in denen ich die Komfortzone verlassen musste, haben mir die Gelegenheit gegeben, ein größeres Projekt zu leiten und so „sichtbar“ zu werden, vielleicht auch mal einen wichtigen Vortrag vor größerem Publikum zu machen. Es gab also durchaus Personen, die meine Entwicklung unterstützt haben.

 

Wenn man annimmt, dass sich das Arbeitsleben mit der Digitalisierung verändert und die IT aus fast keinem Beruf mehr wegzudenken ist: bringt die Digitalisierung eine positive Veränderung für Frauen in der Berufswelt? Können Sie da Anzeichen erkennen? Was würden Sie als Prognose wagen, wird sich da etwas verändern, im Verhältnis, oder auch im Interesse von Frauen? Oder darin, dass Frauen sich stärker dem MINT-Bereich zuwenden oder sich für ein Studium entscheiden?

Ich glaube, dass Frauen ihre Studienwahl recht rational betreiben und die Entscheidung tendenziell weniger emotional fällen als Männern. Mit der Digitalisierung überlegen sich kluge Frauen sicher, ob sie nicht den Studiengang Informatik wählen, um damit auf Dauer einen guten Arbeitsplatz und eine gute Perspektiven zu haben. Das könnte ich mir zumindest durchaus vorstellen.

Digitalisierung wird zudem noch ganz andere Dinge verändern. Uns eröffnen sich neue Möglichkeiten mobil , zum Beispiel von zu Hause aus zu arbeiten. Das Stichwort Remote-Arbeiten bzw. mobiles Arbeiten wird immer mehr Raum einnehmen. Das ist natürlich ein Thema, das Frauen, aber durchaus auch Männern, grundsätzlich entgegen kommt. Es ist ein Gewinn für alle, dass man den Arbeitstag nicht von acht bis siebzehn Uhr in der Firma verbringen muss, sondern auch von zuhause arbeiten kann und damit den Anforderungen im privaten Umfeld eher gerecht werden kann. Die IT ist der Enabler dafür, dass sowas überhaupt passieren kann.

 

Welche Maßnahmen ergreift die MTU noch, speziell um mehr Frauen zu gewinnen, in einem Bereich, in dem Fachkräfte ganz dringend gesucht werden? Fahren Sie da auch Kampagnen, um direkt Frauen anzusprechen oder auch zu ermutigen, sei es ein duales Studium bei Ihnen anzufangen oder für eine Ihrer Positionen zu gewinnen?

Wir haben bei MTU über längere Zeit hinweg ein Projekt durchgeführt mit der speziellen Zielsetzung, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Und aus diesem Projekt resultierten eine ganze Menge an Maßnahmen. Es fängt ganz banal damit an, dass wir unsere Stellenanzeigen generell überarbeitet haben. Wir haben das Wording eher so gestaltet, dass sich auch mehr Frauen angesprochen fühlen. Da gibt es Unterschiede. Frauen finden bestimmte Begriffe unattraktiv und bewerben sich dann schlichtweg nicht. Die Idee hier war die Anzahl von Bewerbungen von Frauen zu erhöhen. Das hat auch gut funktioniert.

Darüber hinaus versuchen wir natürlich auch, Frauen gezielt in Richtung Führung zu entwickeln. Zentral sind hier die Mentorings, die wir seit Jahren durchführen. Die MTU engagiert sich natürlich im Cross-Mentoring München. Die Zielgruppe des Programms sind hier ja explizit Frauen. Ergänzend dazu haben wir auch interne Mentorings gemacht, auch speziell für Frauen.

Zudem sind wir dabei, unser internes Frauennetzwerk neu aufzusetzen und mit einer Neuorientierung zu verstetigen. Wir haben auch ein Studiennetzwerk, die Studienstiftung für Frauen. Da fördern wir Absolventinnen, junge Frauen, die die ersten Stationen im Unternehmen schon durchlaufen haben. Das ist auch ein Mentoring-Projekt, wo wir die Frauen weiter begleiten und außerdem noch Fördermöglichkeiten anbieten in Form von bestimmten Weiterbildungen. Wir sagen hier bewusst `das könnte unser Nachwuchs sein`. Wir wollen diese Studentinnen an uns binden, nicht aus dem Auge verlieren und letztendlich für uns gewinnen.

 

Welche Eigenschaften und Kompetenzen sollen Frauen mitbringen, die gerne im Bereich IT und Digitalisierung bei der MTU arbeiten wollen? Was sind die gesuchten Schlüsselqualifikationen?

Wir planen eine neue Recruiting-Kampagne zum Thema IT, weil wir viele Stellen im IT-Bereich zu besetzen haben. Wir suchen vor allem Leute mit Informatik-Hintergrund oder vergleichbarer Qualifikation. Im Prinzip haben wir auch kein Problem mit Quereinsteigern.

Wichtig ist, dass die Kandidaten sehr gut mit dem jeweiligen Fachbereich zusammenarbeiten können. Das müssen alle mitbringen. Die Zielsetzung im IT-Bereich ist, dass wir die Anforderungen der Anwender verstehen und daraus dann Spezifikationen erstellen, die dann wiederum in der Programmierung umgesetzt werden. Wir suchen in erster Linie keine Programmierer, sondern Leute, die diesen Transfer sicher stellen. Das ist natürlich sehr spannend und macht den Kollegen immer viel Freude, da sie damit sehr nah an den Prozessen und damit auch am Produkt dran sind. Am Ende sehen sie den Erfolg ihrer Arbeit und zufriedene Kunden. Insofern braucht man eine gewisse Neugier und ein grundsätzliches Dienstleistungsverständnis, mit den Willen dem Fachbereichen helfen zu wollen, indem man die passende IT für sie baut.

 

Ist da auch ein spezifisches Wissen, eine Nähe zum Fachbereich Voraussetzung?

Wir erwarten nicht, dass jemand ein duales Studium hat und sich in Produktionstechnik UND Informatik auskennt. Ein gewisser technischer Hintergrund oder eine Affinität zu den administrativen Prozessen ist wichtig. Aber die meisten Dinge kann man bei uns lernen, daher sind uns Neugier und Interesse wichtig. Wir suchen vor allem Menschen, die länger bei uns bleiben, denn Kontinuität ist uns sehr wichtig. Wir sind davon überzeugt, dass wir ein toller Arbeitgeber sind und einiges zu bieten haben.

 

Sie sagen, Sie suchen langfristig Leute. Was machen Sie denn um Leute zu entwickeln ? Was gibt es für Entwicklungsmöglichkeiten bei der MTU? Was für Möglichkeiten gibt es speziell für Absolvent*innen?

Wir machen sehr viel interne Weiterbildung. Für jeden, der bei uns an Board kommt, gibt es zunächst ein individuelles Einarbeitungsprogramm. Das sieht zunächst verschiedene interne Kurse vor. Dann natürlich aber auch sehr stark training on the job. Ganz klar. Die Kolleg*innen bekommen am Anfang schon Aufgaben und erste kleine Projekte, die werden dann immer größer, bis sie dann schließlich eigenverantwortlich die größeren Sachen stemmen.

Bei der Einführung neuer Technologien, beispielsweise dem neuen SAP Release, senden wir unsere Mitarbeiter auf externe Weiterbildungen und die einschlägigen Kurse. Das können wir im Haus gar nicht abbilden. Für den Führungsnachwuchs haben wir spezielle Führungstrainings, die dann je nach Ebene verschiedenen ablaufen. Hierbei handelt es sich um Zeitspannen zwischen zwei und drei Wochen, die mit verschiedenen Themenfeldern gefüllt werden.

 

Wir haben viel dazu gehört, was eine Beschäftigung bei der MTU so interessant macht. Wieso haben Sie sich denn für den IT-Bereich entschieden? Sie sind ja erst mal in eine andere Richtung gegangen, haben noch eine Kurve genommen. Was begeistert Sie speziell im IT-Bereich?

Das ganz tolle am IT-Bereich ist, dass wir durch die Digitalisierung unheimlich viel bewegen und gestalten können. Wir hatten, glaube ich, noch nie so viele neue Technologien am Markt: Mobile Geräte, Spracherkennung, Augmented Reality, das ganze Thema Big Data. Wir sind dabei, eine neue Produktionshalle zu bauen und überlegen, die Halle mit 5G ausstatten, also dem neuen Hochgeschwindigkeitsnetz. Da bewegt sich wahnsinnig viel, auch im Consumer-Bereich, was dann überschwappt in die Industrie. Wir haben daher derzeit viele unheimlich spannende Projekte. Wir haben eine riesige Nachfrage durch die Fachbereiche. Die IT hat mittlerweile auch einen höheren Stellenwert. Wir sind nicht nur diejenigen, die fast geräuschlos die Infrastruktur bereit stellen. Wir sind auch der Enabler. Wir helfen den Fachbereichen bei der Umsetzung ihrer Ziele. Man merkt an vielen Stellen, dass wir riesige Sprünge machen durch die neue Technologie. Das macht es einfach irre spannend bei uns.

 

Wie können Sie Ihre persönlichen Stärken einbringen, in die Position, in die Aufgaben? Wie konnten Sie dieses Stärken einsetzen, um in diese Position zu kommen? Wie konnten Sie sich durchsetzen?

Ich denke, den wesentlichen Ausschlag gibt, dass mir die Arbeit wirklich immer Spaß macht, dass ich in einem Bereich arbeite, wo ich wirklich Freude habe. Wenn man Freude hat an der Arbeit, dann geht man auch die Extrameile. Ich war immer von Neugier angetrieben. Ich wollte immer mehr lernen und habe dann immer noch  ein weiteres Projekt übernommen. Es war immer mein Antrieb mich breit aufzustellen. Und jetzt, wenn ich als Vorgesetzte merke, dass junge Menschen sich interessieren und auch sichtbar werden wollen und am Ende auch bereit sind mehr Verantwortung zu übernehmen, dann ist das eine richtig tolle Sache.

 

Unser Blog heißt „Mutmacher.in“ und Sie eine der Mutmacher.innen, die dem Blog ein Gesicht geben. Wie würden Sie andere Frauen ermutigen, die in die gleiche Branche möchten? Welche Tipps würden Sie ihnen geben?

Im Lauf der Karriere muss sich jeder die Frage beantworten: was will ich denn eigentlich? Will ich eine Expertenfunktion einnehmen und eine Fachlaufbahn anstreben oder ist mir Führung wichtig. Diesen Weg muss man dann auch konsequent gehen. Es ist auch sehr wichtig, eine positive Einstellung und gewisse Flexibilität zu haben, denn es läuft meistens nicht alles geradlinig. Das heißt man muss manchmal ein paar Niederlagen einstecken können, und dann eine gewisse Standfestigkeit haben und sich trotzdem nicht unterkriegen lassen. Und immer mit Überzeugung dabei sein, ich glaube, das ist das Wichtigste. Wenn man keine Freude an dem hat, was man tut, dann macht man es eben auch nicht gut. Das strahlt dann sofort in die Umgebung ab.

Man muss einfach eine Liebe zu seinen Aufgaben mitbringen. Sagen können, `es interessiert mich und es macht mir Freude mich in diesem Bereich in neue Themen einzugraben`. Im IT-Bereich oder wo auch immer. Den Ausschlag gibt am Ende das Herzblut, das man mitbringt.

Was nicht wirklich förderlich ist, ist Perfektionismus. Insbesondere Frauen tendieren manchmal dazu zu sagen, ´Jetzt muss ich erst noch diesen Kurs machen und jenes noch lernen und den dritten Schein und den fünften, und dann auch noch den Auslandsaufenthalt absolvieren`. Und dann reicht’s aus ihrer Sicht immer noch nicht, sich um eine Stelle zu bewerben. Also haben Sie Mut zur Lücke und das Selbstvertrauen, zu sagen `die schließt sich dann schon`. Niemand bringt von VORNHEREIN 100 Prozent aller Voraussetzungen mit. Denken Sie daran, wenn ein neues Projekt oder die nächste Beförderung ansteht. Stehen Sie zu sich selbst und sagen Sie, `wenn ich das wirklich möchte, ich mir sicher bin, ich habe Freude daran, dann mache ich das. Ich gehe aus der Komfortzone raus und bin bereit dazu‘.

 

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Herget-Wehlitz.

Interview: @Cross Consult

 

Interview mit Dr. Karin Thelen – Leitung der Qualitätssicherung der Stadtwerke München

Jeder Münchner Bürger ist in seinem Alltag schon direkt oder indirekt mit den Stadtwerken in Berührung gekommen. Sei es der Strom aus der Steckdose oder das nächstgelegene Freibad. Dr. Karin Thelen leitet die Qualitätssicherung der Stadtwerke München. Zur Qualitätssicherung gehört eine Material- und Schweißprüfungsabteilung, ein Trinkwasserlabor und ein Labor, das die chemischen Prozesse in den Kraftwerken der SWM überwacht. Karin Thelen und ihr Team leisten somit Tag für Tag einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich die Infrastruktur in München reibungslos bewegt. Und auch intern bei den Stadtwerken engagiert sich die gebürtige Münchnerin aktiv.

 

Frau Dr. Thelen, Sie sind im Vorstand des Frauennetzwerk der Stadtwerke. Was macht denn ein Frauennetzwerk?

Das Ziel des Frauennetzwerkes ist es die Frauen im Unternehmen zu vernetzen, Frauen zu fördern, sie sichtbar zu machen und zu empowern. Zentral sind alle Themen, die die Frauen bei uns im Unternehmen bewegen.

Ein wichtiges Thema ist hier z.B. das Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen, aber auch zu wissen welche Möglichkeiten bieten die SWM als Arbeitgeber um Beruf und Familie zu verbinden. Denn unser Unternehmen tut hier sehr viel und schafft durch flexible Arbeitszeitmodelle, eine Kita, Hortplätze und Unterstützung durch Familien- und Pflegedienste, mobile Arbeitsmöglichkeiten viele Optionen die genutzt werden können. Über dieses Angebot Bescheid zu wissen ist gerade für Frauen wichtig, denn oftmals müssen sie den Spagat zwischen der Pflege von kranken Kindern oder Angehörigen und den Herausforderungen im Job meistern. Das Netzwerk bietet hierfür eine sehr gute Möglichkeit zur Vernetzung und zum Austausch. Mittlerweile sind mehr als 200 Frauen aktiv dabei und setzen verschiedenste Projekte um und tragen so zur übergreifenden Vernetzung des Unternehmens bei.

 

Sie engagieren sich zu diesem Thema nicht nur bei den Stadtwerken München. Im Herbst letzten Jahres haben Sie als Role Model bei einem Karriere-Meet-Up des Memorandums für Frauen in Führung von Ihrem Karriereweg berichtet. Was war Ihre Motivation sich bei der Karrieremesse herCAREER zu engagieren?

Ich finde es persönlich sehr wichtig, dass man durch Vorbilder Wege aufzeigt, die bereits erfolgreich gegangen wurden. Insbesondere auch für naturwissenschaftlich/technische Bereiche in denen bis jetzt noch nicht so viele Frauen vertreten sind. Dieses soll verdeutlichen, dass Bedarf für Frauen in diesen Bereichen besteht, dass Frauen hier auch Karriere machen können, wenn sie dieses möchten und dass es sehr viele verschiedene Möglichkeiten gibt um diese Wege zu beschreiten. Dazu ist es sehr wichtig persönlich aktiv zu werden und sich Gelegenheiten zu suchen die einen Austausch mit Erfahrungsträgern ermöglichen, z.B. bieten hier die herCAREER oder andere Veranstaltungen und Netzwerke eine sehr gute Plattform.

Denn meine Erfahrungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass Frauen tendenziell häufiger an sich zweifeln und sich Dinge eher zutrauen wenn sie selbst davon überzeugt sind, diese zu 100 % zu erfüllen können. Zweifel kann man aber leichter reduzieren, indem man mehr Transparenz über die Erwartungen schafft, aufzeigt dass man in Rollen hinein wächst und diese nicht vom ersten Moment ausfüllen muss und kann, aber auch den Mut braucht „ja ich will“ zu sagen, wenn sich eine Möglichkeit ergibt.

Das heißt, in der Quintessenz, dass sich Frauen proaktiv austauschen sollen, sich nach Wegen für die eigene Entwicklung umsehen sollen und Chancen ergreifen sollen.

 

Sie sind Mikro- und Molekularbiologin. Wieso haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Dass ich in die Naturwissenschaften möchte, das war mir schon relativ früh klar. Als Schülerin habe ich mich schon immer sehr für Biologie und Chemie interessiert. Und auch die Vertiefung im Biologie-Leistungskurs und im Chemie-Grundkurs hat mich darin weiter bestärkt.

Während des Studiums war es mir immer wichtig auch praktische Erfahrung in der Industrie zu sammeln und so habe ich sehr früh als studentische Mitarbeiterin in einem StartUp angefangen, welches sich zu einem kleinen mittelständischen Unternehmen (KMU) entwickelt hat.

Ich war dann tatsächlich auch 15 Jahre dort und bin von der Praktikantin bis zur Leiterin der Forschung und Entwicklung aufgestiegen. Ich konnte in dieser Zeit sehr viel lernen und habe dabei viele verschiedene Industrien sowie deren Bedürfnisse und Herausforderungen kennen lernen. Insbesondere habe ich hierbei auch meine Managementkompetenz weiter ausgebildet, weil ich den kompletten Value-Chain-Prozess kennen gelernt habe, von der Entwicklung, über das Produktdesign und die Produktion, bis hin zur Vermarktung und Vertrieb von innovativen Produkten und Dienstleistungen über alle Industrien hinweg.

 

Wie sind Sie denn vom StartUp zu den Stadtwerken gekommen?

Nach der Erfahrung in einem Start-Up und KMU war es für mich sehr reizvoll die Perspektive zu wechseln und für einen großen Konzern zu arbeiten. Und bei den Stadtwerken hatte ich die Gelegenheit einen Bereich zu modernisieren und über eine umfassende Reorganisation neu auszurichten. Das hat mich sehr gereizt, weil ich hier alle meine Fähigkeiten einbringen konnte und vor allem auch den Freiraum zur Gestaltung hatte.

Dieser Perspektivwechsel war natürlich auch eine Herausforderung, denn Transformationsprozesse sind grundsätzlich kein Selbstläufer – man braucht sehr viel Fingerspitzengefühl, Geduld und Führungskompetenz, um die Stakeholder mitzunehmen und keinen Performanceverlust zu riskieren Zudem sind in einem Konzern die Strukturen gewachsen, die Teams meist sehr heterogen, hinsichtlich der Motivation, der Altersstruktur, der Kenntnisse. Das zu bewegen und dabei die Mitarbeiter zu motivieren, das war nicht ganz einfach. Aber es ist mir sehr gut gelungen.

 

Welche persönlichen Eigenschaften bringen Sie mit, um in Ihrem Bereich erfolgreich zu sein? Was erwarten Sie von Mitarbeiter*innen, die eine Führungslaufbahn einschlagen wollen?

Ich bin Managerin und Naturwissenschaftlerin. Das passt sehr gut zusammen, denn so kann ich das Beste aus beiden Welten verknüpfen. Als Naturwissenschaftlerin denke ich analytisch, komme sehr gute mit komplexen Fragestellungen zu recht und treibe Innovationen voran. Als Managerin setze ich diese in Geschäftsmodelle um und trage damit zum wirtschaftlichen Erfolg bei und gestalte aktiv die Entwicklung meines Unternehmens. Das ist meine Leidenschaft und meine Motivation.

Als Führungskraft ist es zudem sehr wichtig, dass, man gerne mit Mitarbeitern zusammenarbeitet und die Mitarbeiter*innen nach ihren Stärken einsetzt. Dass man die Ziele des Unternehmens für sie herunterbricht und sie damit an der Umsetzung der Unternehmensvision partizipieren lässt. Dass man den Mitarbeiter*innen auch Wissen weitergibt, sie fördert und fordert und dass man das richtige Handwerkszeug hat. Bei meinen Führungskräften, die hier im Bereich agieren, ist mir auch wichtig, dass wir alle das gleiche, dem SWM Führungsleitbild entsprechende Führungsverständnis haben. Das wir uns aufeinander verlassen können und gegenseitig Rückendeckung geben und integer, wertschätzend und verlässlich sind.

 

Was würden sie Frauen raten, die Karriere im MINT-Bereich machen wollen? Wie möchten Sie sie ermutigen?

An erster Stelle sollten Frauen die Berufsbilder wählen für die sie brennen und die ihnen Spaß machen und sie sollten sich nicht davon abschrecken lassen, dass es vielleicht im Moment noch nicht so vielen Frauen in diesen Berufen gibt. Dann würde ich Frauen empfehlen sich auszutauschen, z.B. über Netzwerke und sich auch Erfahrungsträger*innen und Mentoren*innen zu suchen. Wenn man ähnliche Probleme hat oder vor ähnlichen Herausforderungen steht, merkt man, dass es vielleicht jemanden gibt, der diese schon gemeistert hat und der vielleicht sagt „probier`s doch mal so“ und dann platzt der Knoten.

Meine Passion, mein Gestaltungsinteresse und die Lust mich kontinuierlich weiter zu entwickeln waren immer mein persönlicher Antrieb. In meinem beruflichen Werdegang habe ich meine Entwicklung immer sehr aktiv gestaltet. Ich möchte alle anderen Frauen auch ermutigen aktiv zu werden und sich für die Dinge einzusetzen, die sie bewegen möchten. Denn Frauen machen gerne den Fehler, dass sie warten bis jemand kommt und ihre Leistung erkennt. Aus meiner Erfahrung hat sich gezeigt, dass gute Leistung aber auch das konkrete Ansprechen und die Bereitschaft Gelegenheiten zu ergreifen der richtige Weg sind, um sich zu entwickeln.

Auch das Cross-Mentoring Programm, dass Sie firmenübergreifend steuern ist hier eine hervorragende Möglichkeit und viele Münchener Unternehmen, die SWM fast seit Beginn, sind hier schon dabei. Deshalb kann ich nur empfehlen: Vernetzen Sie sich, seien Sie offen, ergreifen Sie die Initiative und gestalten Sie Ihren Weg aktiv.

 

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Thelen.

Interview: Veronika Schmid, Cross Consult